Montag, 28. März 2016

Montainbiker im Alpencross


Montainbiker im Alpencross

Author D.Selzer-McKenzie

https://youtu.be/eDOje8h_KOk

Mountainbiker mit dem Gedanken an einen Al¬pencross mit Freunden und dem eigenen Bergradl spielen, dann stellt sich schnell die Frage: „Welche Route soll es sein?" Man setzt sich an den Computer, recher¬chiert und lädt schließlich die Tourdaten auf sein GPS-Gerät herunter, oder man kauft sich ein Roadbook und fährt einen der vielbefahrenen „Transalp-Highways" nach. Wer mutig genug ist, kann sich auch selbst eine Route auf diversen Outdoor-Platt-formen im Internet oder ganz traditionell mit gedrucktem Kar¬tenmaterial zusammenstellen. Die Routenplanung hat in so gut wie jedem Alpencross-Buch ein eigenes Kapitel und stellt natür¬lich einen zentralen Faktor bei so einer Unternehmung dar.

Wir, drei alte Schulfreunde, haben uns jedoch zum Ziel gesetzt, den ach so wichtigen Faktor der genauen Routenplanung gegen mehr Ungewissheit, Überraschungen und Spontaneität einzu¬tauschen - gegen Dinge, die ein Abenteuer wirklich zu einem Abenteuer machen. Martin, Vali und ich entschieden uns also dafür, dem Namen „Abenteuer Alpencross" alle Ehre zu ma¬chen.

 

Wir legten neben der maximalen Dauer der Tour von 10 Tagen lediglich fest, in Grassau im Chiemgau zu starten, die erste Nacht auf dem Carl-von-Stahl-Haus und die zweite auf der Ha¬gener Hütte zu verbringen, um dann irgendwie zum Karnischen Höhenweg zu gelangen. Weitere Ziele legten wir nicht fest, wussten aber, dass sich diese im Laufe der Tour ergeben würden.

Wir entschieden uns dafür, dem Namen

„Abenteuer Alpencross" alle Ehre zu machen

Um aber auch darauf vorbereitet zu sein, hin und wieder drau¬ßen zu biwakieren, nahmen wir Schlafsack, Isomatte, Biwak-sack und ein Tarp (eine kleine Plane zum Aufspannen als Zelter¬satz) mit. Die Rucksäcke wurden auf diese Weise natürlich nicht gerade leichter. Um nicht an Rückenschmerzen einzugehen, sparten wir stattdessen an allen anderen Ecken und Enden, so¬dass wir schließlich auf durchschnittlich 7,5 kg pro Rucksack kamen.

Für Wind, Wetter und kalte Nächte ausgerüstet, starteten wir Ende August von Grassau unseren Alpencross. Der erste Tag war gleich so verregnet, dass unsere Stimmung und unsere Ausrüstung ihre erste Bewährungsprobe zu bestehen hatten. Die Wegfindung fiel uns trotz des Regens relativ leicht, da wir uns in den Chiemgauer Bergen sehr gut auskannten. Wir radelten über die kleine Joch-bergalm und durch das wunderschöne Röthelmoos bis zum Weit-see und weiter auf Forstwegen bis nach Schneizlreuth. Dort sahen wir uns aus Zeitgründen gezwungen, Strecke zu machen und wei¬ter auf der B 305 nach Berchtesgaden zu fahren. Ohne Schutzble-che sahen wir bei dem Regen natürlich nicht gerade sauber aus und beehrten dergestalt den nächstbesten Lebensmittelladen in der Touristenhochburg Schönau am Königssee, um - von ver¬schiedenen Seiten kritisch beäugt - unseren Hunger zu stillen. Bald ließen wir jedoch den Laden hinter uns und strampelten bergwärts hoch über dem berühmten Malerwinkel gen Königs-bachalm und Carl-von-Stahl-Haus am Torrener Joch. Oben ange¬kommen, wurde noch kurz beratschlagt, ob wir bei der Feuchtig¬keit, dem drohenden Gewitter und dem starken Wind wirklich draußen biwakieren wollten. Die Entscheidung fiel auf ein klares Nein und wir leisteten uns den Luxus der ersten Hüttenübernach-tung.

Am Morgen des zweiten Tages starteten wir früh hinunter durchs malerische Bluntautal, um dann entlang der Salzach stromauf¬wärts über Bischofshofen und St. Johann im Pongau bis vor den

 

kleinen Ort Lend zu strampeln. Von dort aus führt der Weg über den Klammtunnel ins Gasteiner Tal. Wir versuchten diesen Tun¬nel auf der Ostseite der Gasteiner Ache zu umfahren, was jedoch scheiterte, weil es dort einfach keinen Weg gab. Trotzdem ärger¬ten wir uns darüber kaum, sondern genossen noch den Anblick eines Wasserfalls, der das schöne Ende unseres vergeblichen Ver¬suchs markierte, und schlugen schließlich doch den Weg über den Klammtunnel ein. Da wir am selben Tag noch auf die Hagener Hütte wollten, fuhren wir relativ zügig durch das gesamte Gastei¬ner Tal bis hinauf zur Naßfeldalm im Talboden von Sportgastein.

Der steile Weg wurde immer steiniger,

und die Nacht brach herein

Als wir dort ankamen, war es bereits nach sieben Uhr abends, und wir waren alle relativ entkräftet, wollten jedoch keinesfalls auf der Alm bleiben, sondern die 850 Höhenmeter zur Hagener Hütte noch hinter uns bringen. Wir riefen also bei der Hütte an, um unsere späte Ankunft anzukündigen. Dann radelten wir den rest¬lichen Talboden hinter, wo wir schließlich die Radl bergauf schul¬tern mussten. Der steile Weg wurde immer steiniger und ver-blockter, und die Dunkelheit der Nacht brach schnell herein. Außerdem bekam Martin schon früh Knieschmerzen, und das Gewicht seines Bergradls auf den Schultern trug nicht gerade I>

zur Linderung des Schmerzes bei. Wir kamen immer langsamer voran. Die geplanten zwei Stunden Aufstieg bis zur Hütte hatten wir schon längst überschritten. Da wir den Hüttenwirt nicht voll¬kommen verärgern wollten, legte der noch fitte Vali einen ordent¬lichen Zahn zu. An der Hütte angekommen, holte er sich ein ge¬waltiges Donnerwetter vom Wirt ab und rannte dann zurück, um Martins Radl bergkameradschaftlicherweise hochzutragen. Als wir dann schließlich alle um kurz vor halb zwölf ankamen, war der Wirt bereits im Bett, und wir schlichen leise und erleichtert durch die Hütte in unser Nachtlager.

Da wir unser Essen selbst dabeihatten, kauften wir am nächsten Morgen auf der Hütte auch kein Frühstück, was den Wirt fast noch mehr verärgerte. Aufgewärmt durch die Morgensonne vor der Hütte, planten wir dann die grobe Route für den Tag. Es sollte durchs Mölltal nach Winklern und über den Iselsberg nach Lienz gehen, von wo aus wir noch bis Sexten fahren wollten, um am nächsten Tag auf den Karnischen Höhenweg zu starten. Eine Unterkunft in Sexten hatten wir uns zu dem Zeitpunkt bewusst noch nicht ausgesucht. Die Abfahrt von der Hagener Hütte war traumhaft, und die Goldberg- und die Ankogelgruppe boten dabei eine beeindruckende Kulisse. Ab Mallnitz machten wir sehr viel Strecke auf Asphalt und kamen deshalb recht zügig voran. Nach bis dahin knapp 400 gefahrenen Kilometern erreichten wir am späten Abend des dritten Tages Sexten.

Die Abfahrt von der Hagener Hütte

war traumhaft

Weil es sehr kalt war, fragten wir in Pensionen und Hotels, ob noch etwas frei sei. Jedoch gab es leider keine freien Zimmer mehr oder nur solche, die uns als Studenten zu teuer waren. Aber für solche Fälle waren wir ja ausgerüstet. Wir mussten nur noch einen geeigneten Platz zum Biwakieren finden. Nach gemeinsamem Be¬raten und Auskundschaften entschieden wir uns für etwas nicht ganz Legales: die überdachte Terrasse eines Hauses, dessen Be-

 

 

Unterwegs auf ausgesetzten Pfaden

 

Ein gutes Team

wohner verreist zu sein schienen. Auf leisen Sohlen bauten wir dort unser Nachtlager auf. Als wir eingerollt in den Schlafsäcken steckten, bemerkte uns leider der Nachbar und rief sofort die Poli-zia. Die schlug auch gleich auf in Form einer Polizeistreife mit Blaulicht. Die Polizisten waren zunächst misstrauisch, als wir ih¬nen unsere Situation schilderten, zeigten jedoch bald Verständnis und ließen uns mit einer mündlichen Verwarnung und dem Rat, einen besseren und legalen Schlafplatz zu suchen, davonkom¬men. Nochmal Glück im Unglück gehabt! Kurz darauf fanden wir tatsächlich etwas Besseres in einer leeren Apiis-Ski-Bude eines Partygeländes. Ganz legal war das aber wahrscheinlich auch nicht.

Der vierte Tag sollte der wohl ereignisreichste Tag werden. Im Internet hatte ich gelesen, dass der Karnische Höhenweg fahrbar sein soll. Ich hatte wohl übersehen, dass sich diese Aussagen auf den östlichen Teil des Höhenweges bezogen. Nicht allzu weit nach der Sillianer Hütte hieß es „Wer sein Radl liebt, der schiebt (oder trägt's sogar manchmal)", und das ging ganze sechs Stunden lang so, teilweise in klettersteigähnlichem Felsgelände, was bei ent¬gegenkommenden Bergsteigern nicht nur einmal für verdutzte Gesichter sorgte. Doch wir bekamen auf diesem Weg auch wert¬volle Erlebnisse geschenkt, wie traumhafte Weitblicke in alle Him¬melsrichtungen oder den Anblick von Bunkern und Kriegsschau-plätzen des Ersten Weltkriegs oben am Grat. Letztendlich erreichten wir völlig entkräftet die Obstansersee-Hütte. Der fünfte Tag verlief ähnlich wie der vierte. Weiter entlang des Karnischen Höhenwegs hieß es schieben, tragen, mit dem geschulterten Radl klettern und ein bisschen fahren. Zur Abwechslung sprangen wir noch in einen kleinen, eiskalten Bergsee. Danach fuhren wir über das Tilliacher Joch und weiter bis zur Sennerei Malga Antola im Val Visdende. Da es bereits in Strömen regnete, entschlossen wir uns dort zu übernachten.

Am nächsten Morgen fuhren wir bis nach Tolmezzo. Dort entschieden wir dann, über Slo¬wenien und den Vre' -Pass weiter nach Süden bis zur Adria zu radeln. Die Abfahrtsroute von der Malga Antola über Forni Avoltri bis nach Tolmezzo war abwechslungsreich und

Schieben, tragen, mit dem geschulterten Radl klettern

und auch ein bisschen fahren

gespickt mit schönen italienischen Bergdörfern. Nachdem wir die nächste Nacht einge¬rollt in unseren Schlafsäcken unter einem überdachten Eingang einer Liftstation ver¬bracht hatten, ging es am siebten Tag weiter über die slowenische Grenze nach Kranjska Gora. Da der Vre -Pass der letzte ernstzunehmende Anstieg unserer Tour war, gönnten wir uns noch einen Abstecher hoch zur Ska-Quelle am Fuße des Travnik. Am Abend sprangen wir dann noch kurz in die eiskalte Soca, um dann mit schlotternden Knien in unsere Schlafsäcke unter dem Tarp zu schlüpfen.

Der Höhepunkt des achten Tages war die Ankunft am Golf von Triest, in den wir auch so¬fort hineinsprangen. Als es dunkel wurde und am Strand kaum noch Badegäste waren, entzündeten wir ein Lagerfeuer und grillten. Die von den Steinen der Mole selbst geernte¬ten Miesmuscheln waren ein besonderer Gaumenschmaus an diesem wunderbaren Abend. Und weil es uns so gut gefiel, blieben wir noch einen weiteren Tag am Strand, be¬vor wir erholt, aber auch ein wenig erschöpft am zehnten Tag die Heimfahrt mit dem Zug antraten.

Eine abenteuerlich schöne Zeit mit Freunden in den Bergen ging zu Ende - ich werde sie so schnell nicht vergessen

 





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