Interview mit
Chander Prakash
Vorstandsvorsitzender des indischen
Softwarekonzerns Mahindra Satyam
Das Interview führte D.Selzer-McKenzie
Es war der größte Betrugsfall in Indiens Firmengeschichte: Um eine Milliarde Dollar hat¬te der Gründer Ramalinga
Raju die Bilanz des Software¬konzerns Satyam aufgeblasen. Heute sitzt er im Gefängnis. Tech Mahindra hat 43 Prozent an Satyam gekauft. Entstehen soll ein neuer Software-Riese, der Kunden wie BASF oder Nest16 bedient.
Haben Sie Ihren Vorgänger B. Ramalin¬ga Raju schon im Gefängnis besucht?
Nein, das habe ich nicht. Aber Sie ha¬ben recht, vielleicht sollte ich das tun.
Halten Sie ihn für einen Verbrecher?
Sie werden sich wundern. Aber für mich ist er zuerst ein großer, wenn nicht der größte indische Wohltäter — wichtiger als die Gates-Stiftung. Er war ein Visio¬när, der Technik einsetzte, um der Gesell¬schaft zu helfen. Mir ist es nicht peinlich, zuzugeben, dass ich ihn für das bewunde¬re, was er auf sozialem Gebiet geleistet hat. Hätte er nur ein bisschen mehr finan¬zielle Disziplin besessen. Hätte nur sein Ego ihn nicht gezwungen, zu etwas wer¬den zu wollen, das er nie war. Gier be-ginnt immer mit kleinen Schritten. Er hat alles mit eigener Hand aufgebaut. Und es dann selbst zum Einsturz gebracht.
Was ist mit den beiden Wirtschaftsprü¬fern von Pricewaterhouse Coopers, die ebenfalls verhaftet wurden?
Sie sind noch in Haft. Ich muss Ihnen ehrlich sagen, dass ich nicht verstehen kann, wie eine solche Wirtschaftsprü-fungsagentur dieselben Personen über sie¬ben Jahre die Bücher hat prüfen lassen. Normalerweise müssten sie rotieren.
Wie viele seiner Kunden hat Satyam durch den Betrug verloren?
Rund einhundert, kleine und große. Darunter sind die australische Telefonge¬sellschaft Telstra, die Weltbank, State Farm Insurance. Aber auch viele kleinere Aüftraggeber. Heute zählen wir wieder gut 400 Kunden. 380 althergebrachte von Satyam und etwa 30 neue. Nur noch die Weltbank erhält ihr Embargo gegen uns aufrecht. Mit ihr haben wir gerade verhan-delt und hoffen, dass es bald fallen wird
Belastet die Vergangenheit Mahin
Satyam in der Suche nach Aufträger
Glücklicherweise sind die Probte nur noch Gespräche auf Partys. Und müssen wir akzeptieren. Letztendlich 1 nen wir ja sogar stolz auf den Umg mit diesem Erbe sein: wir waren verw det, angeschlagen, am Boden. Aber e: wie beim Radfahrer Lance Armstrong hatte Krebs. Und kam dann noch stäl wieder zurück.
In welchem Zustand war Satyam mals, Anfang Januar wirklich?
Ich würde vom perfekten Sturm s chen. Vergessen Sie nicht: Am 15. Sept ber 2008 war Lehman Brothers zus mengebrochen, die Weltwirtschaft sal Januar ganz finster aus. Und in diese] tuation kommt heraus, dass Satyam Jahren seine Bilanzen gefälscht hat. Unternehmen stand im Auge des Ork.
Hat der Sturm sich gelegt?
Nein, noch nicht ganz.
Wie erinnern Sie den Tag, an dem herauskam?
Am 7. Januar sind Führungskräfte Satyam in ihren Büros in Tränen au brochen, einige haben sich die Fäuste der Wand blutig geschlagen, weil si, sauer waren, einige haben ihren Jot den Nagel gehängt und einen spiritue Weg eingeschlagen, weil sie so enttäu waren. Die Menschen waren ents traurig, verzweifelt. Aber einige habet schlossen zu kämpfen. Sie blieben il Kunden verpflichtet. Und sie me nun, dass die Anstrengungen sich loh
Welche Rolle hat die Regierung 1 Überleben Satyams gespielt?
Die Regierung hat rasch und entscl sen gehandelt. Es ist kein Geld geflo5 keine Garantie ausgesprochen word anders als etwa bei den amerikanis, oder europäischen Banken. Die R rung hat nicht versucht, den Job der nager zu machen. Sie hat lediglich Nacht einen neuen Aufsichtsrat ei setzt. Es ging einzig um das Schaffen Führungsstärke. Das ist ein guter An
Wo steht Mahindra Satyam auf Skala von minus zehn bis plus zehn te?
Ungefähr bei plus Fünf. Wir sinc der Negativzone heraus. Wir akzepti die Wirklichkeit, sehen die Zukunft uns, wissen, wie wir hinkommen wei
Aber wir haben unsere Ziele noch lange nicht erreicht.
Wie steht es um die Verfahren in Ameri¬ka gegen Satyam?
Sie bereiten uns keine schlaflosen Nächte. Jedes amerikanische Unterneh¬men ringt mit Klagen von Eigentümern von Anteilsscheinen (ADR). Ich denke, unsere Verfahren werden sich bis 2011 hinziehen. Sie aber treffen zuerst einmal die ehemaligen Wirtschaftsprüfer von Pricewaterhouse Coopers, die Banken, die Versicherungen im Aufsichtsrat, dann die Raju-Familie Das Unternehmen selbst steht in der Reihe ganz hinten. Natürlich werden wir kämpfen. Aber Mahindra Saty¬am wird dabei nicht mehr untergehen. In einem zweiten Verfahren mit der briti¬schen Upaid werden wir uns wohl bis Ende des Jahres vergleichen, hoffe ich.
Welche Strategie verordnen Sie Mahin¬dra Satyam?
Wir haben rund 10 000 Stellen abge¬baut, sind ins Minus gerutscht. Ich sehe drei Phasen des Wiederaufbaus: Zunächst müssen die Verluste begrenzt werden. Das haben wir. Dann gilt es, zu den Füh¬renden der Branche aufzuschließen. Wenn sie um vielleicht 25 Prozent im Jahr wachsen, wir um 15 Prozent, müssen wir aufholen. In den nächsten zwölf Monaten schwenken wir wieder auf Wachstum von Umsatz und Gewinn ein. Und schließlich gilt es, die Konkurrenz zu überholen. Der-zeit ist es unsere größte Hürde, unseren Kunden zu versichern, dass wir große, komplexe und mehrjährige Projekte über¬nehmen können. Glaubt man uns das, ist meine Aufgabe erfolgreich abgeschlossen.
Was bietet das zusammengeführte Unter¬nehmen inhaltlich an?
Wir wollen gemeinsam die gesamte Wertschöpfung für Unternehmen abde¬cken. Vom Design bis zur Fertigung. Da ergänzen sich die Stärken von Satyam und Mahindra. Wir können BMW oder
Daimler helfen, die Entwicklungszeiten zu verkürzen. Mahindra Satyam kann ih¬nen ein Auto in 18 Monaten entwickeln.
Wie wollen Sie in Europa wachsen?
Wir schauen sehr genau auf die nordi¬schen Länder. Wir haben jetzt einige Re¬gionalzentren, unter anderem in Wiesba¬den. Wir stellen Mitarbeiter in Deutsch¬land, in Nordeuropa und in Irland ein.
Planen Sie dafür Übernahmen, wie Ihr Konkurrent Wipro es angekündigt hat?
Nein, das ist nicht unser Weg. Wir zie¬len darauf, Gemeinschaftsunternehmen mit unseren Kunden und Auftraggebern zu bilden. Wenn wir BMW, Daimler oder EADS beliefern, können wir auch gemein¬sam einen Weltmarkt bedienen.
Wie wird Mahindra Satyam in fünf Jah¬ren aussehen?
Heute haben wir knapp 60 000 Mitar¬beiter, dann sollten es 200 000 werden. Der Umsatz sollte von einer guten Milliar¬de Dollar in diesem Jahr auf 7 oder 8 Milli¬arden Dollar zugelegt haben. Wir wollen in sechs Sektoren wachsen: Telekommuni¬kation, wo Tech Mahindra innerhalb von fünf Jahren von 100 Millionen Dollar auf eine Milliarde Dollar Umsatz zugelegt hat¬te. Diesen Erfolg wollen wir wiederholen im Bereich Banken und Versicherungen, Gesundheitswesen, Industrie, Energie und Einzelhandel. Schließlich besitzen wir einen Vorteil: Die indische Informati-onstechnologie muss sich neu erfinden. Wir aber tun das gezwungenermaßen schon heute. Unsere Ausgangsbasis wird sich als besser erweisen.
Wird China ein großer Wettbewerber?
Das glaube ich nicht. Unser größter Wettbewerber ist die Automatisierung von Prozessen.
Ein Maßstab für die Lage sind die Ge¬hälter der Mitarbeiter im IT-Sektor. Steigen sie wieder an?
Ich denke, die Branche wird 3 bis 5 Pro¬zent drauflegen. Im vergangenen Jahr gab es nichts, in den Jahren zuvor auch schon mal 10 oder 15 Prozent mehr.
Wird Mahindra Satyam es sich leisten, weiterhin die Technik für die Fußball- Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien zu liefern?
Natürlich stehen wir zu den Zusagen von Satyam.
Donnerstag, 10. September 2009
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