Montag, 14. Mai 2012

Ningaloo Reef Australia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie



Ningaloo Reef Australia Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie




Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie

4          Hier am Ende der Welt wohnen nur noch Landschaft, Himmel und wilde Natur. Hier ist ein Ort für ein Rendezvous mit der Einsamkeit. Wer vor Sonnenaufgang erwacht, die Zeltplane öffnet und mit ein wenig Schlaf in den Augen nach draußen späht, sieht unterm bleichen Licht des vollen Monds keine Menschenseele. Dafür aber Schatten, die aus den von rotem Fels eingerahmten Schluchten des Hinterlands kommen und nun durch das Sandmeer der Dünen hoppeln. „Gespenster", die nicht heulen, sondern knabbern und schmatzen: Es sind Kän-gurus, die sich an frischem Grün laben — früh am Morgen, wenn noch Tau in den Gräsern hängt. Barfuß spaziert man die paar Meter zum Strand, fühlt das warme Wasser an den Zehen, schaut einge-hüllt in eine Decke hinaus aufs Meer. Ein neuer Morgen bricht an: Wolken erröten, Vögel zwitschern. Wellen brechen am Riff, und im ersten Licht des Tages sieht man am Horizont Buckelwale springen. Für Eltern und Jungtiere ist das ganze weite Meer ein Abenteuerspielplatz.

Das andere Australien

Man startet nicht in den angesagten Städten Sydney oder Melbourne in Richtung Ningaloo Reef, auch nicht in Brisbane mit seinem Great Barrier Reef oder Adelaide mit seinen europäisch anmutenden Wein-anbaugebieten. Eine Reise in das andere, von Besuchern aus Übersee eher selten besuchte Aus-tralien beginnt in Perth, der kosmopolitischen Hauptstadt von Western Australia. Hier ist der „Wilde

Weste            1,3 der 1,8 Millionen



Einwohner des Bundesstaates leben in der Metro¬pole. Der Rest verliert sich auf einer Fläche von 2,5 Millionen Quadratkilometern. Das ist so groß wie Westeuropa. An der 12.000 Kilometer langen Küste gibt es für jeden Surfer die eigene, perfekte Welle, die


Es wird Abend in der Lodge „Sal Salis", der einzigen Unterkunft im Cape Range Nationalpark.

aus dem weiten Indischen Ozean heranrollt. Und in 99 Nationalparks finden Naturliebhaber zu jeder Jahreszeit ihren abgeschiedenen Platz. Perth selbst ist eine lebenswerte, aber angenehm unaufgeregte Stadt. Sie nimmt für sich in Anspruch, mehr Sonne abzubekommen als jede andere australische Metro-pole. Selbst die Winter sind hier eher mild als kühl. Und im Sommer sorgt ein Klima wie am Mittelmeer

für heiße Tage und Nächte, in denen die Straßen-eaf& selbst um Mitternacht noch vor Betriebsamkeit summen wie ein Bienenstock.

Nichts gegen Perth, nichts gegen das charmante Nachbarstädtchen Freemantle, wo man die Weine Westaustraliens am besten mit Blick auf den Hafen genießt. Doch wir sind nicht ausgezogen, um Städte zu erkunden, sondern wünschen uns für diese Tour die große Weite. Letztere Orte sind selten geworden. So sucht man auf Reisen um so begieriger nach ihnen und findet Einkehr in der wasserlosen Wüste oder in der Abgeschiedenheit der Berge. In Austra¬lien, in der scheinbaren Leere des Outback, ist die Natur im Großformat erlebbar. Nichts lenkt einen von ihrem Studium ab.

Auf also in Richtung Norden, den Indischen Ozean immer im Blick, vorbei an den von unsichtbarer Hand aufgestellten Kalksteinsäulen im „Pinnacles Desert" und den Delfinen von Monkey Mia, die hier zum Menschenschauen an den Strand kommen. Nach 1200 langen Kilometern auf dem Highway 1, über den in schöner Regelmäßigkeit die Kängurus hoppeln (es soll in Australien doppelt so viele geben wie Menschen, etwa 40 Millionen), ist das Ziel er-reicht: der Cape Range Nationalpark an Land und der Ningaloo Marine Park im Wasser. Im Juni ver-gangenen Jahres hat die Unesco das Areal, das außerhalb Autraliens zuvor nur Eingeweihte kann-ten, zum Weltnaturerbe erklärt. „Das Riff ist eines der größten der Erde und unglaublich artenreich. Wir haben 500 Fischarten gezählt, kennen 300 Spezies an Korallen und 600 verschiedene Mollus¬ken", sagt Jamie Campbell, der im Ningaloo MarinePark für die Besucherbetreuung verantwortlich ist. „Anders als beim Great Barrier Reef, das man nur mit dem Schiff erkunden kann, liegt unser Riff di¬rekt an der Küste. Mal sind es 100 Meter, mal nur 50 — man schwimmt einfach vom Strand aus los und ist mittendrin."

Nichts als Natur

Im Naturschutzgebiet gibt es nur wenige Stellplätze für Camper und eine einzige Unterkunft. „In Afrika wollen Besucher bei einer Safari der Natur so nah wie möglich kommen. Wir haben dieses Konzept auf Australien übertragen", sagt Charles Carlow, Betrei¬ber von „Sal Salis" (www.salsalis.com, Infos bei Art of Travel, Telefon 089/2110760). Inmitten der Dü¬nen hat er auf hölzernen Plattformen neun Zelte aufgestellt. Telefon und Fernseher gibt es nicht, das Wasser ist rationiert. Den Strom liefern Solarzellen. Doch Luxus kann eben auch heißen, gut zu essen, zu trinken und zu schlafen und dass um einen he¬rum nichts als Natur ist. Und nachts spannt sich über dem Camp, von keiner Lichtverschmutzung getrübt, ein Sternenhimmel wie eine galaktische Diamantenkollektion.

Man kann mit Naturführern von Sal Salis durch die Schluchten des Nationalparks stapfen, Vögel beob-achten und nach Spuren der Aborigines suchen, die hier schon vor 30.000 Jahren in den Höhlen Unter-schlupf fanden. Die meisten Besucher kommen in



des, um im ganzjährig warmen Wasser zu schnor-cheln und zu tauchen. Sie wollen auch den größten Fisch der Welt, den Walhai, aus nächster Nähe se¬hen. Zwischen Mai und Juli machen die bis zu 18 Meter langen Tiere bei ihrer Wanderung durch die Ozeane im Westen Australiens Station, um sich den Magen mit Plankton vollzuschlagen. „Die Re¬gularien sind streng, damit die Tiere nicht von Booten gestört werden und auch im nächsten Jahr wiederkommen", erklärt Charles Carlow. Mit Tau¬cherbrille und Schnorchel ausgestattet fährt man im Tender bis auf 30 Meter an die Tiere heran und gleitet dann ins Wasser. Mit nur noch drei Metern Abstand darf man die Giganten dann auf ihrer Reise begleiten, bis einem über kurz oder lang die Puste ausgeht. Die Walhaie mit ihren charakteristischen graublauen Flecken auf dem weißen Rücken sind nämlich bei Weitem die besseren Schwimmer.

Weiter im Norden, in Broome, gab es früher Männer, deren Zuhause ebenfalls das Meer war: Die Siedlung war einst Hauptstadt der Perlentaucher. Glücksritter aus aller Welt kamen vor 130 Jahren, um hier mit Neptuns Murmeln und dem silbrigen Perlmutt das große Geld zu machen oder zumindest darauf zu hoffen. Das ist lange vorbei. Inzwischen helfen Perlenfarmen Mutter Natur auf die Sprünge. Heute kommen Besucher, weil es sich zwischen rotem Sand und türkisblauem Meer so angenehm ent¬spannen lässt. Am 22 Kilometer langen Cable Beach trifft sich am Wochenende das halbe Städtchen und



packt für ein „barbie" Grill und Steaks aus dem Geländewagen. Und weil einst Kamele aus dem fer-nen Afghanistan im trockenen Hinterland dafür sorgten, dass Eisenbahnlinien und Straßen gebaut werden konnten, sind ihre Ur-Ur-Urenkel immer noch hier. Sie spazieren schaukelnd abends zu Sonnenuntergang am Meer entlang, fotografierende Touristen auf dem Rücken.

Chili- und Mangobier

„Broome markiert das Ende der Welt, die Zivilisation ist zu Ende: Nach uns kommt nur noch das Outback. Und genau deshalb bin ich hier. Weil ich ins echte Australien wollte und mir die Städte an der Ostküste viel zu modern waren", sagt Marcus Müller und schmunzelt. Der 42-jährige Kölner, aufgewach¬sen gegenüber einer Brauerei, hat die Liebe zum Bier zum Beruf gemacht. Er steht in der Mikro-Brauerei „Matsos" am Kessel und produziert das obergärige „Pale Ale", aber auch ein belgisches Wei¬zen mit Kardamom-Samen, ein dunkles Lager sowie Chili- und Mangobier. 100 Jahre alt ist der Trading Store, in dem er Tag für Tag Hopfen und Malz an¬rührt — für Australien eine Ewigkeit. Wenn es nach Marcus Müller geht, dann bleibt er noch eine Weile. „Hier ist er, der Wilde Westen, nach dem ich mich so gesehnt habe." Auch im 21. Jahrhundert kann man sich in Australien also noch als Pionier und

Entdecker fühlen.

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