Montag, 22. Februar 2010

Jaguar E-Type Jaguar Car SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Jaguar E-Type
Author D.Selzer-McKenzie
Video:
http://www.youtube.com/watch?v=LKGqMSKXzug

IM GRUNDE HÄTTE MAN diesen schwar-zen E-Type von 1961 so lassen können wie er war. „Ein wirklich schönes Auto, der Lack neu gemacht, das Interieur auch, in cremefarbenem Leder", beschreibt Jaguar- Spezialist Georg B. Dönni den Zustand des Coupes und fügt hinzu: „Eine ordent¬liche Instandsetzung, aber natürlich keine ernsthafte Restaurierung."
Die hätte dieser Jaguar mit der legen-dären Fahrgestellnummer 885 005 auf jeden Fall verdient: Er war der erste E- Type, welcher der Presse und Weltöffent-lichkeit auf dem Genfer Automobilsalon am 15. März 1961 vorgestellt wurde. Zu-sammen mit dem ebenfalls mehr oder weniger in Handarbeit entstandenen Schwesterauto 885 002 und dem Roadster RW 77 handelte es sich bei dem schwarzen Coupe um einen der ersten gebauten E- Type. Doch die späteren Besitzer, die im Jahr 1999 den Sportwagen in einem Gra¬tis-Anzeigenblatt des Kantons Waadt zum Verkauf anboten, wussten nichts von dem historischen Wert ihres schicken Briten.
Zum Glück ließ Kaufinteressent Pierre Pitte den schwarzen E-Type und dessen Papiere durch den Jaguar-Kenner Urs Haehnle überprüfen. Für den früheren Präsidenten des Jaguar Drivers` Club Switzerland stand eindeutig fest: Das ist der Genf-E-Type — sofort kaufen!
Pitte wiederum veräußerte nach drei Jahren den jetzt enttarnten und teilres-taurierten Sportwagen an Georg Dönni, Geschäftsführer von GB Dönni Classic Cars in Roggliswil, der den Wagen zu-nächst behalten und in seinen Urzustand von 1961 zurückversetzen wollte. Sein Standpunkt vor der Restaurierung: „Ent-weder macht man es richtig, exakt und aufwendig, wo immer es Authentizität und Originalität erfordern, oder man rührt die Sache besser nicht an."
Nachdem Dönni jedoch den Aufwand für Recherche und Arbeit eingermaßen abschätzen konnte, war ihm klar, dass er einen Käufer bräuchte, der auch die Kos
ten der Restaurierung übernehmen würde. Den fand er im Jaguar-Sammler Christian J. Jenny. Gemeinsam starteten sie ein Pro¬jekt, das der Ausgrabung Trojas durch Hein¬rich Schliemann nur wenig nachstand: Unter der akzeptablen Fassade eines frü-hen E-Type entdeckten und dokumentier-ten die beiden Automobil-Archäologen die Spuren eines mehr oder weniger von Hand und mit viel Improvisationstalent aufge-bauten Prototypen, der in zahlreichen De-tails erheblich von den späteren Serien¬E-Type abwich.
Jenny und Dönni waren sich von Anfang an darüber einig, die an der freigelegten Karosserie entdeckten Besonderheiten zu erhalten, obwohl diese nach der Fertigstel¬lung des Fahrzeugs in den meisten Fällen unsichtbar bleiben. „Aber genau diese Be¬sonderheiten machen ja den Wert dieses Wagens aus und sind für die Historie des wohl berühmtesten britischen Sportwagens von großer Bedeutung", rechtfertigt Jenny den hohen Anspruch dieser außergewöhn¬lichen Restaurierung.
Ganz im Gegensatz hierzu sollten bau-liche Veränderungen durch die verschie-denen Vorbesitzer zurückgebaut und spä-tere, mangelhafte Karosserie-Instandset-zungen korrigiert werden. „Unser Ziel war", erklärt Jenny, „den Wagen exakt in jenen Zustand zu versetzen, in dem er am 13. März 1961 vor einer Gruppe von Presseleu¬ten und Rennfahrern erstmals im Genfer Restaurant du Parc des Eaux Vives präsen¬tiert wurde". Zu den Gästen dieser effekt¬vollen Vorpremiere — der E-Type steckte zunächst in einer Holzkiste — zählten neben Sir William Lyons, F. R. W. „Lofty" England und anderen Jaguar-Vorständen auch die Rennfahrer Graf Berghe von Trips und Jo¬akim Bonnier.
Am 15. März fand die erste offizielle Presse-Präsentation mit diesem E-Type in der Ausstellungshalle statt. Einen Tag spä¬ter, nach der Eröffnung des Genfer Autosa¬lons für jedermann, stellte das schnelle, niedrige und nur 27 500 Franken teure Ja¬guar-Coupe alle anderen sportlichen Auto- mobile in den Schatten und war der stets von einer Männerschar umgebene Star der Ausstellung (siehe Infokasten Seite 127).
Die wichtigste, während der Restaurie-rung erhaltene Erkenntnis: Das für Genf vorgesehene Ausstellungsfahrzeug war auf der Bodengruppe eines Cabrios aufgebaut, der man ein von Hand angefertigtes und an vielen Stellen nachgebessertes Coup&Dach verpasste. Vor allem im Bereich der C-Säule weist die Dachinnenseite zahlreiche mit Punktschweißung angebrachte Korrektur¬bleche auf. Hier wurde der Dachaufbau nachträglich etwas erhöht. Zudem musste man die A-Säulen des Cabrios verlängern. Dennoch waren die Gewindebohrungen für das Anbringen von Chrom-Ecken als Ver¬deckauflagen noch vorhanden.
Das Blechdach des Genf-E-Type wölbt sich gegenüber dem späteren Serien-Coup um etwa einen Zentimeter mehr in die Höhe. Die Windschutzscheibe fällt etwas schmaler aus und ist deshalb seitlich stär-ker gerundet. Restaurator Dönni: „Wir mussten in England bei Triplex nach un-seren Maßen eine neue Scheibe anfertigen lassen, weil die Serienscheibe des Coup nicht passte." Vermutlich handelte es sich ursprünglich um eine Sonderfertigung mit den Maßen einer nach oben verlängerten Roadsterscheibe.
Insgesamt registrierte Dönni 35 Ab-weichungen des Genf-E-Type vom Serien-modell, darunter eine asymmetrisch ge-formte Motorhaube und den Offner des Werkzeugfachdeckels aus dem Mark IV, der nun im Innenraum zum Entriegeln der seitlich angeschlagenen Hecktür dient.
Im Gegensatz zu diesen erhaltenswerten Entdeckungen entfernte Dönni einige Um-bauten, die der Genf-E-Type im Laufe von insgesamt zehn verschiedenen Besitzern zu erdulden hatte. Dazu zählen zwei seitlich angebrachte Fußraumbelüftungsklappen und eine Modifikation am Bodenblech, um den Fahrersitz weiter nach hinten rücken zu können. Jaguar verbesserte übrigens die Längsverstellung der E-Type-Sitze bereits im laufenden Modelljahr 1962. Schließlich
erhielt der Wagen die an¬hand von Farbresten an der Spritzwand ermittel¬te Originallackierung im dramatischen Opalescent Gunmetal Grey.
Auch die mit dem Roadster identische Me¬chanik hat Dönni komplett überholt und auf den Stand einer Neu-Auslieferung gebracht. Der 3,8-Liter¬Motor wurde jedoch von späteren Besitzern gegen den 4,2-Liter ausgetauscht. „Leider war der Original- Sechszylinder nicht mehr aufzutreiben, sodass wir wieder einen frühen 3,8-Li¬ter einbauten", berichtet Restaurierer Dönni.
Dessen Zylinderkopf erhielt die vom Jaguar XK 150 S übernommene Originalfarbe des Genf-E¬Type - Pumpkin-Orange. Die Serien-E-Type roll¬ten hingegen mit golde¬nen Zylinderköpfen vom Band.
Bleibt die Frage zu klären, wieso Lyons ausgerechnet ein Coupe in Genf präsen-tierte, das außerdem von dem späteren Serienmodell in vielen Details abwich? Ja-guar-Kenner Jenny: „Natürlich entwickelte man bei Jaguar in der Tradition von C-, D- Type und XK-SS zunächst einen Roadster. Jaguar-Chef Lyons war jedoch ein großer Freund von Coup& und unterstützte des-halb die Idee der E-Type-Entwicklungs-gruppe, auch ein Coupe zu bauen." Jaguar hoffte damit, neue Märkte zu erschließen und trat mit dem geschlossenen E-Type zugleich in direkte Konkurrenz zu den schnellen und teuren Sportcoup& von Aston Martin, Ferrari und Maserati.
Der Entschluss für den Bau eines Coup& neben dem Roadster schien jedoch sehr spät gefallen zu sein. Umso größer war natürlich die Überraschung der Gäs¬te im Parc des Eaux Vives, als ein Coupe und kein Ca¬briolet aus der Holzkiste gepackt wurde. „Sir Wil¬liam'', so berichtet Jenny, „scheint die Überraschung genossen zu haben. Mit der Präsentation eines Coups hatten die Motor¬journalisten wirklich nicht gerechnet. Niemand hatte davon gewusst."
Die Auslieferung der Serien-E-Type erfolgte be¬reits im Mai 1961. Die Cou¬p& waren jetzt mit den breiten Serien-Frontschei¬ben ausgestattet und wie¬sen in ihrem Inneren keine Improvisationen mehr auf, welche die Ausstellungs¬Wagen von Genf und New York - Präsentation im April 1961 - noch besaßen.
Manche Eigenheiten der Ur-E-Types kenn¬zeichneten diese frühen Auslieferungen dennoch. So mussten die Jaguar- Fahrer bei den ersten 24 Coup& und etwa 500 Roadstern, die 1961 in der Mehrzahl gebaut wurden, die Motorhaube von außen mit einem Spezialschlüssel entriegeln.
Wer nun denkt, Jaguar-Sammler Jenny würden seinen in rund 3000 Arbeitsstun-den restaurierten Genf-E-Type wie die Kronjuwelen der britischen Königin hüten, der sieht sich getäuscht. Wie alle seine Ja-guar-Roadster ist auch das einzige Coup der Jenny-Kollektion für den Straßenver-kehr zugelassen und jederzeit fahrbereit: „Mir macht es große Freude, gelegentlich mit diesem schlichten E-Type unterwegs zu sein, dessen Wert und spannende Ge-schichte niemand erahnen kann."

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