Dienstag, 23. April 2013

Pantelleria Sizilien Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Pantelleria Sizilien Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie



 

 

 

Auf Pantelleria schlafen die Vulkane tief. Deswegen können Wanderfreunde und Individualtouristen hier auch Höhlensaunen und natürliche Whirlpools genießen.

 

4          Ein Hauch von Abenteuer ist das schon, wenn sich das kleine Flugzeug aus Palermo, Rom oder Mailand dem 83 Quadratkilometer großen Inselchen nähert. Vor allem dann, wenn es sei¬nem Namen gerecht wird und den Zwölfsitzer kräftig durchschüttelt: „Bint al-arah" bedeutet im Arabischen „Insel der Winde". Die Italiener ha¬ben später Pantelleria daraus gemacht.

Weiche Knie und strammer Wind

Gegen die strammen Böen muss ich mich stem-men, als ich aus der Maschine steige. Mit weichen Knien wanke ich zum Flughafengebäude und weiter zum Hoteltaxi. Der Fahrer wartet im Auto auf mich - deutet an, dass der Wind nervt, und bringt mich über viele Serpentinen dem tiefblau¬en Meer näher, auf dessen Wellenbergen Schaum

 

tanzt. Und zu meinem Hotel im Hauptort. Pan-telleria ist rau und schroff. Die dunkle Farbe des Wassers um die Insel mahnt mehr die Kraft der großen Ozeane, als dass es die Leichtigkeit des Mittelmeers verspricht.

Strände gibt es nicht - ins Meer gelangt man über Felsen. Meine Lieblingsbadestelle habe ich auf ei¬ner meiner Wanderungen gefunden. Sie ist ein Felsenbogen beim Fischerort Scauri, der aussieht wie ein Elefant, der seinen Rüssel zum Trinken ins Wasser hält. Er ist aus Lavagestein. Wie alles hier auf Pantelleria. Es ist in Mauern verbaut, die Felder einfassen. Als Geröll liegt es über Hänge verteilt, dämmert schwarz und funkelt anthrazit und silber und leuchtet in vielen Braun- und Rotschattierungen. Auch die Hausmauern beste¬hen aus Lavasteinen und sind mit einem flachen Dach gedeckelt, das sich in der Mitte ein wenig nach oben wölbt. Die Türen und Fenster dieser Dammusi - so nennt man die für die Insel typi-

 

schen Häuser - sind weiß ummalt. Verschwen¬derisch üppige, violettblühende Bougainvillea-büsche schmücken sie, bewahren die Häuser dort, wo sie Hausmauern bedecken, davor, sich in der unbarmherzig sengenden Mittagssonne aufzuheizen. Blühende Geranien- und Hibiskus-büsche brechen den Wind. Manchmal wachsen sie so hoch, dass die einstöckigen kubischen Dammusi dahinter versteckt liegen. Diese Gärten wirken wie Oasen in der wilden, vom Wind ge-peitschten Landschaft.

Pantelleria liegt etwa auf der Höhe von Tunis, 70 Kilometer vom tunesischen Festland und 100 Kilometer von Sizilien entfernt. Seiner Lage wegen war die Insel immer schon umkämpft. Seit den Punischen Kriegen vor 1104 Jahren gehört es zu Rom und schließlich zu Italien. Im Zweiten Weltkrieg begann hier mit der Operation „Cork-screw" der Angriff auf Mussolinis Italien. Er hatte die Insel zur Festung ausgebaut. 6300 Tonnen

Bomben legten die Inselhauptstadt im Frühjahr 1943 fast komplett in Schutt und Asche.

Pantelleria liegt über einem Meeresgraben, ent¬lang dem die afrikanische Platte der europäischen extrem Druck macht. Etwa zwei Zentimeter rü¬cken die beiden Kontinente jedes Jahr näher zu¬sammen. Die Folgen: Das Mittelmeer wird kleiner und in Italien bebt immer wieder die Erde, um entstandene Spannung abzubauen. Die Alpen südlich des Hauptkamms wachsen noch immer. Geologen glauben, dass vor 300.000 Jahren erst¬mals Magma aus diesem Graben kam. Stück für Stück erhob sich die Insel vom Meeresgrund und wuchs aus dem Meer. Heute befinden sich die pantesischen Vulkane in einem Tiefschlaf. Erloschen sind sie nicht. Deswegen können Tou¬risten sowohl das Schwitzbad in der Höhlensauna von Monestero, als auch den natürlichen Whirl¬pool in der Santariahöhle genießen, in der sich schon Kalypso mit Odysseus vergnügt haben soll. Dort heizen unterirdische, vulkanisch dampfende Stellen Wasser und Steine. Und am Lago Specchio di Venere reichem sie Schlamm mit Mineralien an, die Haut und Haar guttun.

Sonnenschein und feuchte Luft

Natürlich muss man Pantelleria nicht zur Kur¬insel ausrufen, um es sich hier gut gehen zu las¬sen. Die Wanderwege sind gut ausgeschildert. Die Insel ist zwar wild, doch Sonnenschein und hohe Luftfeuchtigkeit helfen der Vegetation. Was hier wächst, kommt in den Kochtopf. Eine Pantelleriadiät gibt es noch nicht - aber das kann ja noch werden. Wenn, dann ist es eine Küche, die das Beste aus Italien und dem Mahgreb ver¬eint. Kapern, Tomaten, Zwiebeln, Petersilie, Zitronensaft und Couscous zu einer Variation

 

 

Kapern gehören zur Inselküche. Geerntet wird die Blütenknospe des Buschs - je kleiner, desto besser.

des Tabbouleh. Kartoffeln, Paprika, Tomaten, Oliven, Kapern und Oktopus zu einem pantelle-rischen Kartoffel-Krakensalat. Und frisches Schwertfischcarpaccio mit Kapern, Olivenöl und Zitronensaft.

Kapern gehören zur Inselküche wie Senf zum Leberkäs und sind ein Exportschlager. Geerntet wird die Blütenknospe des Strauchs. Je kleiner sie ist, desto besser - und teurer. Die filigrane Ka-pernblüte ist wunderbar anzusehen. Weil sie nur kurz blüht, dient sie im Buch Kohelet des Alten Testaments als Bild für die Vergänglichkeit der Welt. Aus ihr entwickelt sich eine Frucht, der so¬genannte Kapernapfel. Ebenso wie die Kaper wird auch er in Salzlake und Essig eingelegt und konserviert. Dass die Kaper ebenso wie ihre Frucht viele Vorspeisenteller bereichert, liegt si¬cherlich an ihrem guten Geschmack. Vielleicht aber auch daran, dass sie appetitanregend und gut für den Verdauungstrakt ist. Einige beschwö¬ren, die Kaper sei aphrodisierend, andere essen

 

sie, weil ihre Inhaltsstoffe gegen Rheuma und Arthritis helfen sollen.

Kapern zu ernten ist ein Knochenjob. Und weil wie viele andere entlegene Inseln Italiens auch Pantelleria unter chronischer Überalterung lei¬det, helfen junge Rumänen aus. 3000 sind inzwi¬schen übergesiedelt, mit Kind und Kegel. In der Statistik macht das knapp die Hälfte der Bevölkerung der Insel aus, was ihr inzwischen den Beinamen Kleinbukarest eingebracht hat.

Individualtouristen und Wanderer

Panteschi, die nicht von der Landwirtschaft oder der Fischerei leben, sind Lebenskünstler oder le¬ben vom Tourismus. Bis jetzt kommen vor allem Individualtouristen, Wanderfreunde und Men¬schen, die gerade die Abwesenheit von Trubel schätzen. Georgio Armani entspannt einige Wochen im Jahr in seinem Haus an der West¬küste. Ralph Fiennes, Rupert Everett, Sting, Madonna und Naomi Campbell sind nur einige Namen aus einer langen Liste von Stars, die Wiederholungstäter in Sachen Pantelleria sind. Gerard Depardieu hatte sein Dammuso in sei¬nem Weingarten stehen, aus dessen Trauben er feinen Moscato und Passito machte. Passito di Pantelleria ist ein Wein, der aus getrockneten Trauben hergestellt wird, die beinahe schon Rosinen sind. Zucker und Geschmacksstoffe sind darin hoch konzentriert. Er zählt zu den großen Dessertweinen Italiens. Als mich am Flughafen eine gefühlte Ewigkeit später eine Windböe in den Rumpf des Fliegers schiebt, weiß ich, dass Pantelleria viel mehr ist als ein Hauch von Abenteuer.

 

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