Montag, 18. Januar 2016

2016 Jahr der Erholung des Euro


2016 Jahr der Erholung des Euro

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/BF2qkS8KJ-I

Im Verlauf von 2015 musste der Euro zum US-Dollar weitere Kursverluste hinnehmen und notierte im März mit Kursen von nur noch knapp 1,05 USD auf dem tiefsten Stand seit Januar 2003. Zum Jahresbeginn waren noch Notierungen von gut 1,20 USD verzeichnet worden. Begonnen hatte die Abwertung der Einheitswährung bereits im zweiten Halbjahr 2014, als die EZB die Finanzmarktteilnehmer zunächst auf weitere Leitzinssenkungen und im weiteren Jahresverlauf auf zusätzliche unorthodoxe geldpolitische Expansivmaßnah-men vorbereitete. Mit dem Beginn der Staatsanleihenkäufe im Rahmen des QE-Programms im März 2015 setzte eine moderate Erholungsbewegung ein, die jedoch in den vergan¬genen Wochen ins Stocken geriet. Nach der jüngsten Zins-entscheidung der EZB, welche die Markterwartungen an das Ausmaß weiterer expansiver Schritte der europäischen Wäh-rungshüter enttäuschte, legte der Euro wieder zu (Grafik 1). Ist dies der Beginn einer nachhaltigen Erholungsbewegung oder wird im kommenden Jahr erstmals seit 13 Jahren wie¬der die Parität erreicht?

Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher indikator für eine Wertentwicklung in der Zukunft.

 

Euro zum US-Dollar Anfang 2015

noch bei 1,20 USD

In den vergangenen 18 Monaten hat die EZB nicht nur den Hauptrefinanzierungssatz auf das neue Rekordniveau von nur noch 0,05 % gesenkt (Grafik 2), sondern auch begonnen, die Geldbasis über „targeted long-term refinancing operations" (TLTROs ab Juni 2014), den Ankauf von zunächst Covered Bonds und ABS-Papieren (CBPP3 und ABSPP seit Oktober 2014) und dann auch Staatsanleihen (seit März dieses Jah¬res) weiter auszuweiten. Neben dem Versuch, dadurch den Kreditzyklus zu beleben und eine stabile wirtschaftliche Erho¬lung anzustoßen, um die Inflation wieder in Richtung der mit¬telfristigen Zielmarke von „unter, aber nahe 2 %" zu lotsen, hat die Notenbank bewusst auch eine kräftige Abwertung des Euro in Kauf genommen. Durch die entsprechende Wäh-rungsentwicklung konnten in vielen Ländern der Eurozone realwirtschaftliche Impulse über die Belebung des Export-sektors erreicht werden, was dazu beitrug, dass sich beson¬ders die Peripherie-Staaten aus ihrem Rezessionstal befreit haben.

Die konjunkturelle Dynamik bleibt jedoch bisher hinter den Erwartungen der Währungshüter zurück und auch die Infla¬tion lag im November 2015 mit nur 0,1 % gg. Vj. weiter deut¬lich unter dem angeführten Notenbankziel. Dementspre¬chend haben die EZB-Experten ihre Wachstums- und Infla¬tionsprognosen für 2016 und 2017 im Zeitablauf immer wei¬ter nach unten revidiert. Rechnete man Ende 2014 für das kommende Jahr noch mit einer durchschnittlichen Teue¬rung von 1,5 % - im September 2014 war man sogar noch von einer Steigerung der Konsumentenpreise von im Schnitt 1,9 % ausgegangen -, waren es gemäß der jüngsten Veröf¬fentlichung nur noch 1,0 %. Für 2017 prognostizierte die EZB im März 2015 noch eine Inflation von 1,8 %; diese Ein¬schätzung wurde im September auf 1,7 % und zuletzt im Dezember auf nur noch 1,6 % reduziert (HSBCe: 1,3 %). Der implizit eingestandenen Zielverfehlung versucht die EZB dadurch zu begegnen, dass man auf der letzten Ratssitzung am 3. Dezember weitere geldpolitische Expansivmaßnah-men beschlossen hat. So wurde der Einlagensatz um 10 BP auf -0,30 % gesenkt und das quantitative QE-Kaufprogramm sowohl zeitlich (Verlängerung um sechs Monate bis mindes¬tens März 2017, das heißt zusätzliche Käufe in Höhe von 360 Mrd. EUR) als auch in Bezug auf die aufzukaufenden Wertpapiere (Ausdehnung auf Papiere von Regionen und Kommunen) ausgedehnt. Zudem werden die fälligen Wert¬papiere und Kupons reinvestiert, sodass nach einer Been¬digung des Kaufprogramms nicht mit einem zeitnahen Abschmelzen der EZB-Bilanz durch Fälligkeiten zu rechnen ist. Daneben werden die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und die längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte mit dreimonatiger Laufzeit mit Vollzuteilung bis Ende 2017 ver¬längert.

Die Umfragen im Vorfeld der Ratssitzung und die Reaktionen an den Aktien-, Zins- und Devisenmärkten — die Aktienkurse fielen deutlich zurück, der Euro konnte zum US-Dollar spür¬bar zulegen und der Bund-Future verzeichnete vorüber¬gehend kräftige Kurseinbußen — auf die Beschlüsse der Notenbank lassen darauf schließen, dass die Finanzmarktteil¬nehmer trotz des erhöhten Expansionsgrades der Geldpolitik enttäuscht vom Umfang der zusätzlichen Maßnahmen waren und vor allem in Bezug auf das monatliche Kaufvolumen eine Ausdehnung unterstellt hatten. Diesen Erwartungen dürfte die EZB indes nicht nachkommen, weil man angesichts der selbstgesteckten Restriktionen (Käufe nach dem EZB-Kapi-talschlüssel, Obergrenze von 33 % für Emittenten und 25% bei mit „Collective Action Clause" begebenen Anleihen) an¬sonsten noch schneller auf Angebotsprobleme stoßen würde.

Insofern bezweifeln wir, dass es der EZB gelingt, den Euro-Kurs dauerhaft tief zu halten, um darüber Impulse für die Kon-junktur und die Teuerung zu setzen, auch wenn wir im März 2016 mit einer weiteren Senkung des Einlagensatzes um weitere 10 BP auf dann -0,40 % rechnen. Dies wird Druck auf

Grafik 4: US-Dollar und die Fed

 

die zehnjährige Bundrendite ausüben (HSBCe: 0,2% per Ende 2016), ohne dass sich die Zinsspreads zu den entspre¬chenden US-Pendants jedoch weiter ausweiten dürften. So ist die Differenz zwischen zehnjährigen US-Treasuries und zehnjährigen Bundesanleihen von 2013 bis März 2015 bereits auf den höchsten Stand seit dem Ende der 1980er Jahre angestiegen und hat sich seither seitwärts bewegt (Grafik 3). Zwar hat die US-Notenbank am 16. Dezember zum ersten Mal seit Juli 2006 wieder die Fed Funds Rate erhöht, wäh¬rend die EZB im geldpolitischen Expansionsmodus verweilt. Da wir aber in den USA nur einen sehr langsamen Zinserhö-hungszyklus erwarten, sollten die Renditen am langen Ende der Zinskurve niedrig bleiben bzw. noch zurückgehen. Per Ende 2016 rechnen wir mit zehnjährigen US-Renditen von nur 1,50 %.

So versucht die Fed, mit ihrer Kommentierung der wirt-schaftlichen Lage und den daraus resultierenden geldpoli-tischen Aussichten, ein Emporschnellen der Zinserhöhungs-erwartungen und einen damit verbundenen Anstieg der lang-fristigen Renditen zu verhindern, um den konjunkturellen Auf-schwung nicht zu gefährden. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich die Notenbank dem Mittel der „forward guidance" und verweist darauf, dass weitere Leitzinserhö¬hungen im Anschluss an den ersten Zinsschritt seit Mitte 2006 „graduell" erfolgen werden.

Eine implizite Bekräftigung einer langsamen geldpolitischen Vorgehensweise erfolgte zudem durch die Abwärtsverschie-bung der „dot plots", der individuellen Einschätzungen zum adäquaten Leitzinsniveau der einzelnen Währungshüter. Im Anschluss an die Fed-Sitzung legten die Aktienmärkte zu und der USD-Index verzeichnete nur moderate Kurszuwächse, sodass die Kommunikationsstrategie zumindest kurzfristig als Erfolg einzustufen ist. Interessant ist in diesem Zusammen-hang die historische Entwicklung des USD-Index im Anschluss an den Beschluss, einen Zinserhöhungszyklus einzuleiten. In den vier Zyklen seit Mitte der 1980er Jahre tendierte der USD-Index in den ersten 100 Tagen nach dem Beschluss zur ersten Zinserhöhung zur Schwäche (Grafik 4). Die Marktteilnehmer positionierten sich also offenbar bereits im Vorfeld des eigent¬lichen Ereignisses („buy the rumor, seil the fact") — in diesem Fall der Anhebung der Fed Funds Rate —, im Anschluss daran konnte die Notenbank aber die Markterwartungen im Hinblick auf weitere Zinserhöhungen nicht mehr übertreffen, sodass es trotz der Leitzinserhöhung zu einer Abwertung der Wäh¬rung kam.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Geschichte wie-derholen wird. Zwar rechtfertigt die zuletzt auf 5,0 % gefallene Arbeitslosenquote weitere leichte Zinserhöhungen, jüngst mehrten sich aber auch die Signale dafür, dass der Konjunk-turzyklus bereits in eine reife Phase vorgedrungen ist. Dies gilt besonders für das Verarbeitende Gewerbe, das den Konjunk-turzyklus leitet. Hier ist der ISM-Index mit 48,6 Punkten im November unter den Schwellenwert von 50 Punkten gefallen, ab dem ein Wachstum im entsprechenden Sektor angezeigt wird, und notiert damit auf dem niedrigsten Wert seit Juni 2009 (Grafik 5). Zu schaffen macht der Industrie neben den von einem Tief zum nächsten eilenden Ölpreisen die Stärke des US-Dollars. Entsprechend dürfte die US-Notenbank bei ihren Entscheidungen im kommenden Jahr ein besonderes Augenmerk auf die Herausforderungen für das Verarbeitende

Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für eine Wertentwicklung irr der Zukunft.

 

 

Gewerbe legen. Eine zu starke Aufwertung des US-Dollars dürfte sich bremsend auf künftige Zinserhöhungsschritte aus¬wirken. Schon im Jahresverlauf 2015 hatten Fed-Gouverneure darauf hingewiesen, dass eine der Vorausetzungen für eine Leitzinserhöhung ein stabiler Außenwert des US-Dollars sei.

Um die US-Notenbank dazu zu bewegen, die Fed Funds Rate im kommenden Jahr deutlich anzuheben, bedarf es nicht nur einer niedrigen Arbeitslosenquote, sondern vor allem auch eines anziehenden Preisdrucks. Seitens der Inflationsentwick¬lung besteht für die US-Notenbank derzeit jedoch keine Not¬wendigkeit, übereilt zu handeln und im Zweifelsfall durch eine zu aggressive Herangehensweise die Konjunktur abzuwürgen. Die Konsumentenpreise entfernten sich im November zwar leicht von der Nulllinie, liegen mit 0,5 % gg. Vj. aber weiter auf einem niedrigen Niveau. Mit Blick auf die neuerliche Schwä¬che bei den Ölpreisen, aber auch anderer Rohstoffe, ist nicht mit einer nachhaltigen Beschleunigung zu rechnen. Auch die PCE-Kernrate, das von der Fed favorisierte Inflationsmaß, notierte zuletzt mit 1,3 % gg. Vj. auf einem historisch niedrigen Niveau (Grafik 6). Die preisbremsenden Effekte durch die • Stärke des US-Dollars dürften im Jahresverlauf 2016 indesnachlassen, sodass sich die Jahresveränderung der 2 %-Marke langsam annähern dürfte. In diesem Umfeld gehen wir im Jah-resverlauf 2016 zwar von weiteren Anhebungen der Fed Funds Rate aus, die aber im Zeitablauf sehr langsam erfolgen dürften. Wir rechnen dabei nur mit zwei weiteren Zinsschrit¬ten um jeweils 25 BP im zweiten und vierten Quartal des kom¬menden Jahres, zumal die Wachstumsdynamik in den USA leicht nachlassen dürfte. Nach einem BIP-Plus von 2,5% in diesem Jahr gehen wir für 2016 lediglich von einem Zuwachs der Wirtschaftsaktivitäten um 2,3 % aus (2017e: 2,2 %). In dem nun seit 6 1/2 Jahren anhaltenden Aufschwung lag das durchschnittliche Wachstum bei 2,2 %. Dabei trauen wir der Binnennachfrage unter anderem getrieben durch eine weiter niedrige Inflation und eine robuste Arbeitsmarktsituation eine Expansion in einer Spanne von 2,5-3 % zu. Die deutliche Auf-wertung des US-Dollars seit Mitte 2014 dürfte allerdings den Ausfuhren zusetzen, sodass der Außenbeitrag die gesamt-wirtschaftliche Aktivität belasten dürfte.

Gemessen an der Kaufkraftparität (PPP) ist der Euro zudem mittlerweile deutlich unterbewertet. Ein „fairer" Wechselkurs zum US-Dollar läge gemäß unserer Berechnungen auf Basis von Großhandels- und Erzeugerpreisen derzeit bei 1,29 USD. Das muss nicht heißen, dass es in den kommenden Monaten nicht noch zu einer größeren Abweichung von der errechneten

Grafik 7: Euro deutlich unterbewertet

 

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KKP    n KKP 5 % — — -KKP 5 %           EUR/USD

Quelle: Macrobond & HSBC, Stand 17.12.2015

Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein verlässlicher Indikator für eine Wertentwicklung in der Zukunft.

 

        EUR/USD (rechte Achse)

        Nettopositionen von "non-commercials" an der CME (linke Achse)

Quelle: Macrobond & HSBC, Stand 17.12.2015

Kaufkraftparität kommen kann, jedoch ist diese Abweichung bereits recht stark ausgeprägt. In der Vergangenheit war eine Differenz von maximal rund 30 % zum jeweiligen „fairen" Kurs spätestens der Wendepunkt bei der Wechselkursentwicklung (Grafik 7).

Schließlich zeigen die Commitment of Traders (CoT)-Daten an der Chicago Mercantile Exchange (CME), dass der Grad der EUR-Pessimisten unter den Spekulanten bereits wieder spür¬bar ausgeprägt ist (Grafik 8). Eine weitergehende Short-Posi-tionierung zulasten der Einheitswährung ist für den Kontra-indikator auf diesem Niveau nur bedingt wahrscheinlich. Vor diesem Hintergrund gehen wir insgesamt im kommenden Jahr davon aus, dass der Euro zum US-Dollar zulegen kann.

Fazit: Bis zur jüngsten Sitzung des EZB-Rates war es EZB-Präsident Draghi im Jahresverlauf 2015 gelungen, die Erwar-tungen der Kapitalmärkte bezüglich des Umfangs der geld-politischen Expansionsmaßnahmen zu übertreffen. Die „Ent-täuschung" von Anfang Dezember führte dann postwendend zu einer kräftigen Erholung des Euro gegenüber dem US-Dol¬lar. Der EZB sind aufgrund selbst auferlegter Restriktionen auch perspektivisch die Hände gebunden, das QE-Kaufpro-gramm betragsmäßig aufzustocken. Dadurch dürfte es der Notenbank auch nicht ge-lingen, den Euro-Kurs dauerhaft tief zu halten. Seitens der US-Notenbank zeichnet sich zudem nur ein sehr gradueller Zinserhöhungszyklus ab. Mit Blick auf die zuletzt deutlich rückläufigen Umfragewerte aus dem Verarbei¬tenden Gewerbe stellt sich vielmehr die Frage, wie lange der konjunkturelle Aufschwung in den USA noch anhalten wird. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Fed im kommenden Jahr nur zwei weitere Zinserhöhungsschritte beschließt und der Euro — auch mit Blick auf die extreme Short-Positionierung der Spekulanten — seine Unterbewertung zum US-Dollar abbauen wird. Per Jahresende 2016 sollten sich Notierungen von 1,20 USD einstellen.

 

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