Dienstag, 19. Januar 2016

Falknerei in den Emiraten


Falknerei in den Emiraten

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/IHN-ut0_O2U

Die Emiratis lieben schnelle Autos, Pferde und Kamele... aber ihre wahren Lieblinge sind die Falken. Sie beschleunigen schneller als Formel-1-Boliden und sind die uneingeschränkten Könige der Lüfte. Die Scheichs schätzen ihre Schnelligkeit, Präzision und Ästhetik.

4         Aus der Ferne betrachtet sieht es fast so aus, als würde Amanu Lah mitten in der Wüste eine Cho-reographie einstudieren. Mit wallender Kandura tanzt er über den gelblichrot leuchtenden Sand und dreht immer wieder Pirouetten. Nur wer ge¬nau hinsieht, erkennt das Federspiel, das er an ei¬ner etwa zwei Meter langen Stange montiert durch die Lüfte schwingt Es dient als Köder für seinen Falken, der immer wieder pfeilschnell heranrast, um die Vogelattrappe zu schlagen. „Schon als Kind war ich ein Tiernarr und Greifvögel haben mich besonders fasziniert", sagt der 23-Jährige und streichelt seinem Falken über das Federkleid. „Schon im Punjab, in meiner Heimat Pakistan, habe ich die Falknerei gelernt Seit über zwei Jah¬ren bin ich jetzt hier in Abu Dhabi und kümmere mich um die Falkenshow des Quasr al Sarab-Ho-tels. Es gibt wohl kaum einen besseren Ort für mich und meine Falken als die Weite der Liwa-Wüste. Die Emiratis lieben ihre Falken, behandeln sie wie ihre eigenen Kinder. Und als Falkner genie¬ße ich ein gewisses Prestige", verkündet er stolz. Die Jagd mit Greifvögeln, die sogenannte Beiz, entstand schon vor über 3.000 Jahren in den zen¬tralasiatischen Steppen. In den baumlosen Weiten der Mongolei werden heute noch Steinadler zur Wolfsjagd eingesetzt. Auch die alten Ägypter kannten die Falkenjagd, war eine ihrer Gottheiten

 

 

Ein Podest mit grobem Kunststoffrasen: So hat der Falke einen festen und griffigen Untergrund.

doch Horus, der Falke. Durch die Kreuzzüge ge-langte arabisches Fachwissen auch in unsere Gefil-de. Das verhalf der Falkenjagd im Hochmittelalter zu einer neuen Blüte. Auch Friedrich II. (1194 bis 1250) war leidenschaftlicher Falkner.

Selbst ausgebildet und teuer

„Es hat ungefähr drei Monate gedauert, bis ich die nötige persönliche Beziehung zu meinen Falken aufgebaut hatte. Je enger diese Beziehung ist, desto

 

besser funktioniert die Show und desto glück¬licher macht es mich", erzählt Amanu. Und wie er seinen Falken so liebevoll anblickt, steht außer Frage, dass er mit diesem Job seine Bestimmung gefunden hat. „Normalerweise beginnt das Trai¬ning schon, wenn die Tiere fünf Monate alt sind. Dann füttere ich sie mit der Hand und es dauert ca. 20 bis 40 Tage, um sie auszubilden. Gut ausge¬bildete Falken kosten zwischen 10.000 und 25.000 Euro. Mittlerweile stammen sie alle aus Züchtun¬gen. Der Eierraub aus dem Nest ist schon lange verboten", erklärt er mit strengem Blick.

Früher nötig, jetzt gern gesehen

Auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten hat die Falknerei eine sehr lange Tradition: Sie lässt sich bis ins 13. Jahrhundert vor Christi be¬legen. Als das Öl noch nicht so reichlich spru¬delte, lebten die Beduinen von Datteln und Ka¬melmilch. Eine Trappe oder ein Kaninchen, er¬legt vom Falken, bedeutete damals eine will-kommene Aufbesserung der Speisekarte. So wie Söhne hierzulande mit ihren Vätern auf Berge steigen, gingen und gehen die Beduinen seit je¬her mit ihren Söhnen zur Falkenjagd. Die Falk¬nerei gehört unabdingbar zur beduinischen Tra¬dition. Somit ist es kaum verwunderlich, dass die UNESCO im Jahre 2010 die Falknerei, das Jahrtausende alte Kulturgut der arabischen Welt, zum immateriellen Kulturerbe erklärt hat. Heute ergänzen Falken zwar nicht mehr die Grundversorgung, aber durch ihre Schnelligkeit und Schönheit sind sie begehrte und gleicher¬maßen symbolträchtige Prestigeobjekte. Kein Wunder also, dass ein Falke das Wappen der Vereinigten Arabischen Emirate ziert und auch auf den Flugzeugen der Etihad Airways aus Abu Dhabi ein Falke prangt.

In Amanus Show zeigen die Falken, was sie zu leisten vermögen. Er nimmt immer nur einem Falken die Sichthaube ab und lässt ihn in die Höhe steigen. Dann kommt das Federspiel zum Einsatz: Es dient als Beuteattrappe und besteht meist aus einem Stück Leder, auf dem ein Vo-gelflügel fixiert wurde. Sobald er anfängt, das Federspiel durch die Luft zu wirbeln, weiß der Falke, was er zu tun hat. Mit über 100 Stunden¬kilometern eilt er horizontal heran. Wenn er in die Höhe steigt, bleibt er mit seinem charismati¬schen Rütteln quasi in der Luft stehen. Fixiert dabei die vermeintliche Beute. Saust dann verti¬kal im Sturzflug mit teilweise bis zu 400 Kilome¬tern pro Stunde herunter Amanu reißt das Fe¬derspiel in letzter Sekunde immer wieder zur Seite, dabei entstehen seine eingangs erwähnten Pirouetten. Erst nach etlichen Malen wirft er das Federspiel langsam nach oben und lässt den Fal¬ken die „Beute" erwischen. Dessen messerschar¬fe Klauen lassen erst los, wenn Amanu dem Fal¬ken ein Stück echtes Fleisch als Ersatz anbietet. Von seinem Falknerhandschuh wandert der Vo¬gel dann auf ein kleines, tragbares Podest, das mit grobem Kunststoffrasen bezogen wurde. So hat der Falke einen griffigen Untergrund, der gleichzeitig seine Füße massiert Amanu spritzt

das Fleisch zusätzlich mit Wasser ein, denn „hätte die Beute gerade noch gelebt, würde

der Falke natürlich auch das Blut mit auf¬nehmen. Und gerade in der Wüste dehydrie-

ren die Vögel schnell. Vor allem die Gerfalken, die häufig aus dem Alpenraum stammen. Sie müssen sich erst mit dem Wüstenklima an¬freunden und sind deswegen etwas anfälliger als der Sahin, der heimische Wanderfalke, oder der Suqr, der Würgefalke." Falken nehmen die Flüs-sigkeit hauptsächlich über die Haut und die, Füße auf. Deswegen besprüht Amanu die Tiere nach jeder Show und jedem Training. „Eigent-

 

Ein Gefieder in verschiedenen Brauntönen ist typisch für Falken.

lich läuft alles immer noch wie seit tausenden Jahren", erklärt Amanu, „einziger Unterschied: Die Falken tragen heute einen Mikrochip in der Brust, damit wir sie zur Not jederzeit orten kön¬nen. Novizen clippe ich auch immer einen klei-nen Peilsender zwischen die Schwingen, falls sie sich hier in der Wüste mal auf und davon ma¬chen. Und jeder Vogel wird beringt. Über den eingravierten Code sind sie eindeutig identifi¬zierbar und können im Notfall ihren Besitzern zurückgebracht werden."

Eine Ärztin ganz vorne dabei

Falken fokussieren ihre Beute extrem genau. So kann es schon mal vorkommen, dass sie ein Hin-dernis, zum Bespiel einen Zaun, übersehen. Für diese Notfälle gibt es in Abu Dhabi seit 1990 das weltweit größte Falkenhospital. Die deutsche Ve¬terinärin Dr. Margit Müller, die einst über Fu߬erkrankungen von Falken promovierte, leitet das hoch angesehene Tierklinikum. In der von Män¬nern dominierten Welt der Falknerei wird sie ehrfurchtsvoll „Doktora" genannt. Sie operiert komplizierte Beinbrüche und setzt verunfallten Falken auch wieder neue Federn in die Schwin¬gen ein, damit sie möglichst schnell wiederPirouette um Pirouette: Wenn Amanu mit seinem Falken arbeitet, sieht es aus, als würde er tanzen.

flügge werden. Seit 2007 gibt es äußerst interes¬sante Führungen mit Flugschau und der Mög¬lichkeit, sich mit einem Falken auf dem Arm fo¬tografieren zu lassen.

Das Falkenhospital kümmert sich natürlich auch um die Prestigefalken der Scheichs, die wie Olym-pioniken trainiert werden und auch regelmäßig zur Vorsorgeuntersuchung in die Klinik müssen. Sie konkurrieren bei zahlreichen, internationa¬len Meisterschaften um stattliche Preisgelder und Luxuskarossen, aber in erster Linie um die Ehre des Scheichs. Falken dieser Güte, die schon mal mehrere hunderttausend Euro kosten kön¬nen, stammen nicht selten auch von deutschen und österreichischen Züchtern. Wenn diese Fal¬ken auf Reisen gehen, wandern sie natürlich nicht in den Frachtraum, sondern sitzen neben dem Falkner - in der Business-Class, versteht sich. Das wäre auch Amanus größter Wunsch: „Ich möchte einen Falken so gut ausbilden, dass er für meinen Scheich eine Meisterschaft ge-

winnt

 

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