Sonntag, 31. Januar 2016

Währungsausblick 2016


Währungsausblick 2016

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/LfZWvlMZRnQ

2016 könnte für Devisenmanager ein schwieriges Jahr werden. Wechselkurse dürften weiterhin von Zentralbankpolitiken dominiert werden. Gleichzeitig nehmen die Zentralbanken zunehmend Rücksicht auf die Wechselkursentwicklung. Markt und Zentralbanken bewegen sich somit in einer schwierigen Wechselbeziehung. Das spricht gegen einfache Trends und für eine hohe Schwankungsintensität der Wechselkurse.

Im Rückblick erscheinen die Neunzigerjahre als zivilisierte Zeit. Nach den Krisen des Europäischen Währungssystems Anfang des Jahrzehnts nahm die Schwankungsintensität der Wechsel-kurse deutlich ab (Grafik 1 und 2). So stabil wie in dieser Periode waren die Wechselkurse seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems selten gewesen. Ich befürchte, zumindest in diesem Jahr dürften wir in solche ruhigen Fahrwasser nicht zurückkeh¬ren. Im Gegenteil, die hohen Wechselkursschwankungen der Siebziger- und Achtzigerjahre könnten eher als Modell für das dienen, was uns in nächster Zeit bevorsteht.

 

Die volatilen Siebziger und Achtziger waren gekennzeichnet durch schnelle Änderungen der Wechselkurspolitiken, die somit wenig vorhersehbar waren. Sei es das »Volcker-Experiment« in den USA, seien es der Plaza-

und der Louvre-Akkord als Beispiele sehr wirksamer Politikkoordination. In den Neunzigerjahren hingegen hielt sich die Politik weitgehend aus dem Geschehen an den Devi-senmärkten heraus und die Zentralbanken agierten regelgebunden und damit vorhersehbar. Klar, auch damals verursachten Konjunkturzyklen Änderungen im Verhalten der Zentralbanken, die zu Wechselkursschwankungen führten. Dennoch waren die Ausschläge geringer als zuvor, weil die Art und Weise, wie Zentralbanken auf die Konjunktur reagier¬ten, vom Markt verstanden wurde. In einem gewissen Ausmaß konnte der Devisenmarkt somit »durch die Konjunkturzyklenhindurchschauen« und musste nicht bei jedem Abschwung damit rechnen, dass das System der Geld- und Wechselkurspolitik auf den Kopf gestellt wird.

Experimente, Überraschungen und Missverständnisse Diese Sicherheit fehlt heute. Auch im siebten Jahr nach der großen Rezession agieren Zentralbanken weiterhin mit »unkon¬ventionellen« Maßnahmen. In der Tat experimentieren sie und halten damit weiter das Niveau der Unsicherheit hoch. Wer will heute schon sagen, wie Zentralbanken in fünf oder zehn Jahren agieren werden? Noch unkonventionellere Maßnahmen als bisher - von Bargeld-Abschaffung bis Helikopter-Geld - müssen ernsthaft in die Erwägungen der Marktteilnehmer einbezogen werden. Und selbst der US-Geldpolitik, die auf einen Normali¬sierungskurs eingeschwenkt ist, steht keine ruhige Zeit bevor. Denn die Normalisierung ist für die Fed und den Markt ebenfalls

 

Neuland. Auch dieser Prozess ist damit ein Experiment, bei dem beiden Seiten Fehler unterlaufen können (und wahrscheinlich werden). Für die anderen Zentralbanken sieht es mindestens so schwierig aus. Immer noch sind die klassischen Transmissions-kanäle der Geldpolitik verstopft. Und immer noch sind viele Zen¬tralbanken auf der Suche nach neuen, wirksamen Alternativen. Bisher ohne Erfolg, aber wir können sicher sein, dass sie weiter experimentieren werden, wenn sich das Problem der niedrigen Inflation nicht von selbst löst oder eine von ihnen den Stein der Weisen findet.

Überraschungen und Missverständnisse sind somit wahrschein¬lich. Den Zentralbanken wird von Beobachtern häufig schlechte Kommunikation vorgeworfen. Auch ich habe in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder über missglückte Kommunikation der einen oder anderen Zentralbank geschimpft. Die überra¬schende Abschaffung des Mindestkurses von 1,20 Schweizer Franken je Euro durch die SNB, die lange andauernde Unsicher¬heit über das Liftoff-Timing der Fed, die widersprüchlichen Sig¬nale der schwedischen Riksbank und zuletzt die überraschende EZB-Entscheidung im Dezember - die Liste der Kommunikati-onsfehler von Zentralbanken ist lang. Doch muss ich fairerweise eingestehen, dass der Job der Zentralbanker heute weitaus schwieriger ist als in den Neunzigerjahren und auch als Anfang dieses Jahrtausends. Ich als Analyst habe gut reden.

Interdependenz

Verkompliziert wird ihre Aufgabe dadurch, dass für Zentralban¬ken die Wechselkursentwicklung gegenwärtig viel wichtiger ist, als sie das früher war. Abwertung wird - zu Recht oder Unrecht - häufig als einziger halbwegs funktionierender Kanal der Geld¬politik betrachtet.

Doch auch ohne die Interdependenzen zwischen den verschiede¬nen Zentralbankpolitiken ist die Situation schon schwer genug. Denn es besteht auch eine Interdependenz zwischen den auf Wechselkurse schielenden oder offen auf Wechselkurse zielen¬den Geldpolitiken der Zentralbanken und dem Devisenmarkt. Theoretiker dürften diese Situation als nicht kooperatives Spiel beschreiben. Das Verhalten des einen bestimmt die Reaktion des jeweils anderen. Dass solche Situationen nicht unbedingt einen glatten Pfad zu einem stabilen Gleichgewicht generieren, wissen Spieltheoretiker nur allzu gut. Insbesondere weil beide Seiten sich nicht sicher über das Verhalten der Gegenseite sein können (beide sind ja neu in dieser Situation!), ist es wahrscheinlich, dass überschießende Reaktionen beobachtet werden: Die Zentral-

 

banken werden ihre Mittel - sei es die Zinsschraube der Fed, sei es das Quantitative Easing der Bank of Japan - das eine oder andere Mal zu heftig einsetzen. Und der Devisenmarkt wird auf Signale der Zentralbanken zu heftig reagieren. Dieses Thema dominiert zum Beispiel unsere Prognose der US-Dollar-spezifi¬schen Teile der Wechselkursentwicklung 2016.

Hier liegt die Ursache der Ähnlichkeit zur Situation der Siebziger und Achtziger. Auch damals mussten Markt und Zentralbanken (und damals noch: die Politik) sich aufeinander einpendeln. Das hat fast 20 Jahre gedauert und führte zu heftigen Wechselkursausschlägen mit realwirt¬schaftlichen Folgen, die teilweise noch heute zu spüren sind. Selbst wenn dieses Einschwingen heute schneller und weniger heftig verlaufen sollte, 2016 könnte das Jahr werden, das davon dominiert wird.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.