Montag, 14. Mai 2012

Baku Azerbaijan Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie



Baku Azerbaijan Reise Travel SelMcKenzie Selzer-McKenzie




Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie

4          Es war einmal ein Ort, den die Perser „bad kube" nannten — „Stadt der Winde". Die Wellen des Kaspischen Meers brandeten an ihre Befestigungen. Es war ein wildes „Land des Feuers", wo die Erde Flammen ausatmete, weshalb man ihr in Tempeln huldigte. Händler, unterwegs auf der Seidenstraße, genossen hier den Schutz des Schahs, der in einem prächtigen Palast residierte. Karawansereien gab es, Dampfbäder, Moscheen und ei¬nen Jungfrauenturm: Von dem soll sich einst eine Prinzessin ins Wasser gestürzt haben, um einer arrangier¬ten Ehe zu entgehen. So klingen die alten Märchen wie Geschichten aus 1001 Nacht. Und mit ein wenig Fan¬tasie spürt man in den verwinkelten Gassen der Altstadt Bakus, Unesco-Welt¬kulturerbe, noch einen Hauch dieser vergangenen Zeit.

Märchenkulisse

Jenseits des herausgeputzten histori¬schen Zentrums mit seinen Teppich¬händlern und Teeverkäufern, den alter¬tümlichen Hammaras und den Her¬bergen, die seit gut 500 Jahren existie¬ren, baut man in der alten „Stadt der Winde" an einer neuen Märchenku¬lisse. Schon vor mehr als 100 Jahren ließen sich Ölbarone, Banker und vermögende Kaufleute hier prächtige Villen errichten und importierten ih¬ren bevorzugten Baustil — mal Gotik, mal Barock.

Baku, die ehemalige Wüstenstadt, er

In Baku allgegenwärtig: Ex-Staatspräsident Heydar Aliyev.



grünte mit Erde aus dem Westen: Öltanker wurden mit Strafzöllen belegt, wenn sie auf dem Rückweg von den Häfen Europas keine fruchtbare Erde mit¬brachten. Im Boom des Fin de sikle baute die Gründerzeit-Society gar ein prunkvolles Casino an die historische Stadtmauer. Vorbild war der impo¬sante Bau von Charles Garnier in Monte Carlo. Inzwischen dient das alte Casino, prächtig restauriert, als Philharmonie. Denn jetzt, im 21. Jahrhundert, befeuern die Einnahmen aus den Ölquellen vor den Toren

der Stadt erneut einen Rausch.

„Baku verändert sich rasend schnell. Quasi über Nacht baut man Wolkenkratzer. Aserbaidschan hat gerade seine Bewerbung für die Olympischen Spiele 2020 abgege¬ben. Und auf einer künstlichen

Inselkette im Kaspischen Meer soll

nun sogar das höchste Gebäude

der Welt entstehen", freut sich

Orkhan Alakbarov. Der Director of

Rooms arbeitet für die amerikani

sche Hotelkette Hyatt, die 1995 als

Pionier das erste Fünf-Sterne

Hotel in Aserbaidschan eröffnete

und später mit einem weiteren Haus nachlegte (www.baku.hyatt.com). Inzwischen wollen in Baku alle großen Hotelketten vertreten sein: Sheraton, Hilton und Kempinski haben schon er¬öffnet, Four Seasons und Marriott star¬ten in diesem Monat.

Baku .boomt. Das sieht man an den Luxus-Boutiquen, die sich in den präch-Gründerzeitbauten niederlassen. weil jetzt der Eurovision Song Contest (ESC) ansteht und ganz Europa auf die Metropole am Kaspischen Meer blicken wird, lässt die Regierung die Stadt nun aufhübschen. Tausende



von Scheinwerfern beleuchten nachts die Gebäude an den wichtigsten Boulevards. Und wenn die Häu¬ser trotzdem zu sehr nach Sowjetunion aussehen, kleben eben Handwerker schnell eine Portion Sandstein auf die Fassaden — natürlich nur auf den der Straße zugewandten Seiten. Potemkinsche Dörfer mitten in der Stadt.

Das echte Baku findet man als Besucher trotzdem. In verrauchten Bars rockt der halbe Kaukasus — das Nachtleben der Stadt ist legendär. „Aserbaidschan ist eine Republik. Wir haben zwar den Iran als Nachbarn und sind Moslems. Gefeiert wird hier trotzdem", sagt ein Mädchen im Minirock. Und morgens, nach einer durchwachten Nacht, muss niemand Wodka und Schafskopf-Suppe frühstücken (eine lokale Spezialität). Auf den Basaren der Stadt gibt es auch weniger fettige Alternativen. Die Society trifft sich inzwischen ohnehin beim Brunch.

Helden der Vergangenheit

Am Kaspischen Meer verehrt man nicht nur die Helden von heute, zum Beispiel das Duo EH &

die Gewinner des ESC 2011. Sondern auch (und vor allem ziemlich unkritisch) die Helden der Vergan¬genheit. Für Teilnehmer des ESC und Fans, die mit ihnen nach Baku reisen, wird der Weg zum Ruhm vom Heydar-Aliyev-Flughafen über die Heydar¬Aliyev-Avenue führen, vorbei am gerade neu entste-henden Heydar-Aliyev-Kulturzentrum (der Heydar¬Aliyev-Park mit Statue liegt nicht auf der Strecke) zum Bulvar, der grünen Uferpromenade. Warum diese nicht den Namen des Ex-KGB-Kaders, Ex¬Politbüro-Mitglieds und (nach seiner schnellen Abkehr vom Kommunismus) auch ersten Präsi-denten der neu ausgerufenen Republik Aserbai¬dschan trägt, bleibt unklar. Der im Land allerorts auf Plakaten, Postern, Plaketten und Monumenten als weitsichtiger Führer gepriesene Heydar Aliyev ernannte vor seinem Tod Sohn Ilham zum Ministerpräsidenten; dieser wurde dann flugs sein Nachfolger im Präsidentenamt.

Menschenrechtler werfen dem autokratischen Re-gime die Gängelung der Medien vor, verweisen auf politische Gefangene und beklagen die Einschrän¬kung der Versammlungsfreiheit. Anlässlich des ESC wollen sie unter dem Motto „Sing for Democracy" ein weiteres Musikfestival organisieren — für Ein-heimische und Touristen. „Ich bin stolz, dass Aser-baidschan im vergangenen Jahr den ESC gewonnen hat, und freue mich auf den Wettbewerb. Niemand hier fordert einen Boykott des Eurovision Song Contest. Wir hoffen aber, dass Touristen nicht nur die schönen Seiten Bakus mit seinen Glitzer-Fassaden kennenlernen. Sie sollen auch über die Probleme des Landes Bescheid wissen", sagt Rasul Cafarov, ein 27-jähriger Jurist. Inzwischen unter¬stützen 27 lokale Organisationen die Initiative, die unter anderem den Abriss von Wohnhäusern doku¬mentiert, mit dem Platz geschaffen werden soll für neue Straßen und Gebäude

16.000 Fans werden laut Europäischer Rundfunk-union das Halbfinale (22. Mai und 24. Mai) und Finale (26. Mai) des Sänger-Wettstreits bejubeln



Gepflegte Athmosphäre: Chinar heißt dieses schicke Lounge-Restaurant im Herzen der Metropole.

können — in der Arena „Crystal Hall", die gerade am Ende der Bucht von Baku gebaut wird. Viele mehr werden auf der Straße feiern. Die aserbaidscha¬nische Regierung hat deswegen die Einreise¬bestimmungen gelockert.

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