Rohstoffpreise 2016 vor der Kehrtwende
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/MikC33sz1lE
An vielen Rohstoffmärkten tobt der Preiskampf (Grafik 1).
Schließlich hatten im Superzyklus viele Unternehmen in neue Kapazitäten
investiert. Nun ist der Ölmarkt überversorgt, weil die OPEC ihre Marktanteile
trotz neuer Schieferölproduzenten in den USA verteidigen will. Auf den
Industriemetallpreisen lasten zudem neben dem teils zu hohen Angebot Sorgen um
die Nach¬frage im mit Abstand größten Absatzmarkt China. Dabei zeigen die
harten Zahlen einen deutlich robusteren Bedarf als von vielen Marktteilnehmern
befürchtet. Doch die nun teilweise auf 7-Jah¬res-Tiefs gefallenen Preise
fordern ihren Tribut: An den Industrie-metallmärkten haben viele Unternehmen
deutliche Produktions-kürzungen angekündigt. Und am Ölmarkt lässt der Einbruch
der Bohraktivitäten in den Schieferölformationen der USA einen deutlichen
Rückgang der Produktion erwarten. Das knappere Angebot dürfte im Jahresverlauf
eine deutliche Preiserholung anschieben. Auch die Preisentwicklung der
Edelmetalle ent¬täuschte 2015: Der Ausblick auf die erste Zinserhöhung der
US-Notenbank seit dem Jahr 2006 gab dem US-Dollar Auftrieb und setzte den
Edelmetallen entsprechend zu. Mit dem ersten Zinsschritt dürfte die Fed aber
den Startschuss für glanzvollere Zeiten gegeben haben. Die Preisentwicklung am
Ölmarkt zählt 2015 wohl zu den grö߬ten Überraschungen. Hatten die meisten zu
Jahresbeginn noch mit einer schwierigen ersten Jahreshälfte gerechnet, traf sie
der Preiseinbruch von rund 30 Prozent in der zweiten Jahreshälfte vermutlich
ganz unerwartet. Schließlich hatte sich der Preis für Brent-Öl bis Jahresmitte
auf gut 60 US-Dollar je Barrel erholt. Die Ursachen für den folgenden Einbruch
sind weniger auf der Nachfrageseite zu suchen. Denn auch wenn sich die
Wirtschafts-dynamik in China abschwächte, wächst die globale Ölnachfrage unter
anderem dank der niedrigeren Preise so stark wie zuletzt nach der Finanz- und
Wirtschaftskrise. Doch das kräftige Nach-fragewachstum wurde von der Ausweitung
des Angebots übertroffen: Die OPEC produziert heute gut 1,5 Millionen Barrel pro
Tag mehr als Ende 2015, Russlands Ölproduktion ist auf ein neues Rekordhoch
geklettert und selbst die US-Produktion hat sich als überraschend robust
erwiesen. Die rekordhohen Ölvorräte bestätigen ein hohes Überangebot am Markt.
Doch diese Überversorgung dürfte 2016 abgebaut werden. Denn
der Einbruch der US-Bohraktivität um mehr als 50 Prozent lässt einen deutlichen
Rückgang der US-Rohölproduktion erwarten. Die Internationale Energieagentur IEA
erwartet für 2016 den stärksten Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots seit dem Jahr
1992 (Grafik 2). Durch den Rückgang des Nicht-OPEC-Angebots steigt der Bedarf
an OPEC-Öl 2016 laut Schätzung der IEA auf durchschnittlich 31,3 Millionen
Barrel pro Tag. Das ist nur etwas weniger als die derzeitige Fördermenge der
OPEC. Behält die OPEC ihr gegenwärtiges Produktionsvolumen aufrecht, wäre der
globale Ölmarkt ab Mitte 2016 sogar leicht unterversorgt und dies dürfte eine
Preiserholung anschieben. Eine große Unbe¬kannte im neuen Jahr ist, wie schnell
der Iran nach einer Aufhe¬bung der Sanktionen sein Ölangebot ausweiten wird.
Bei einer stärkeren Ausweitung würde das Überangebot für längere Zeit bestehen
bleiben und sich damit die Preiserholung weiter ver-zögern. Denn es ist
unwahrscheinlich, dass die anderen OPEC-Länder freiwillig ihre Produktion
zugunsten des Iran reduzieren.
Die meisten Industriemetallpreise sind im November auf den
tiefsten Stand seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 gefallen. Dabei
haben sie sich unseres Erachtens von den Fun-damentaldaten abgekoppelt. Zu den
Preisrückgängen kam es, obwohl sich die Industrie - gemessen am globalen
Einkaufsma-nagerindex für das verarbeitende Gewerbe - zuletzt stabilisiert hat.
Der Index liegt zudem weiter im expansiven Bereich (Gra¬fik 3). Die erwartete
solide Entwicklung der Weltwirtschaft wird 2016 unserer Meinung nach auch durch
die Industrie getragen. Der Preisrückgang wurde außerdem durch die spekulativen
Finanzanleger verstärkt, die sich entweder im großen Stil bei Metallen
zurückgezogen oder ihre Wetten auf fallende Preise ausgeweitet hatten. Wir
halten daher den Preisrutsch für überzogen.
Der Wind, der in diesem Jahr den Metallpreisen
entgegen¬schlug, sollte 2016 spürbar nachlassen. Denn die Metallmärkte haben
unseres Erachtens mittlerweile eine sogenannte »harte Landung« Chinas, des mit
Abstand größten Metallkonsumen¬ten, eingepreist. Hierzu wird es unserer Ansicht
nach aber nicht kommen. Vielmehr dürfte sich die chinesische Wirtschaft weiter
kontrolliert abkühlen. Dafür werden wohl die chinesische Regie¬rung und die
Zentralbank sorgen. Wir erwarten sowohl die
Umsetzung weiterer Infrastrukturmaßnahmen als auch weitere
Zinssenkungen und Reduzierungen des Mindestreservesatzes. Die Regierung strebt
offenbar in den nächsten fünf Jahren ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum
von 6,5 Prozent an, welches im neuen, ab 2016 geltenden Fünfjahresplan
verankert wird.
Ein weiterer Belastungsfaktor war 2015 der US-Dollar, der
gegenüber fast allen Wäh¬rungen teilweise stark auf¬gewertet hat. Dieser Trend
sollte sich 2016 nicht in die¬sem Ausmaß fortsetzen. Wir
erwarten zwar einen Anstieg
des US-Dollar auf Parität zum Euro, darüber hinaus sehen wir
aber zunächst nicht mehr viel Aufwärtspotenzial. Analog dazu sollte sich auch
die starke Abwertung der Währungen vieler Schwellenländer nicht wiederholen,
die die Kostenseite der Minenproduzenten spürbar entlastet hat.
Da viele Produzenten bei den derzeitigen Preisen nicht mehr
kostendeckend arbeiten können, wird es zu umfangreichen Pro-duktionskürzungen
kommen. Dies wird das Angebot spürbar einschränken und zu merklich
angespannteren Märkten führen. Einhergehend mit einer höheren Nachfrage sollten
die Metall-preise daher 2016 zu einer Erholungsbewegung ansetzen. Für die
Edelmetallpreise war 2015 ein erneut enttäuschendes Jahr. Nach einem starken
Start gerieten die Preise in der zweiten Jahreshälfte unter Druck und
markierten allesamt mehrjährige Tiefstände. Gold und Silber verbilligten sich
seit Jahresbeginn um bis zu 11 Prozent. Noch ärger traf es Platin und
Palladium, die beide mehr als 30 Prozent unter ihrem Jahreseinstands-niveau
liegen. Auch unter den Edelmetallen kam es zwischenzeitlich zu starken
Verschiebungen. So war Gold im November gegenüber Silber so teuer wie zuletzt
im Januar 2009. Der Preis¬abschlag von Platin gegenüber Gold weitete sich im
November auf ein Rekordniveau aus und Platin kostete gegenüber Palla¬dium im
Oktober so wenig wie zuletzt Anfang 2002.
Bestimmendes Thema an den Edelmetallmärkten war die
Dis-kussion über den Zeitpunkt der ersten Zinserhöhung der US-Notenbank Fed.
Diese Debatte dürfte nach der Mitte Dezember erfolgten Zinserhöhung endgültig
verstummen und damit ein
wesentlicher Belastungsfaktor für die Edelmetallpreise an
Bedeu-tung verlieren. Auch der Großteil der ebenfalls preisbelastenden US-Dollaraufwertung
dürfte hinter uns liegen. Denn die Fed dürfte die Zinsen nur in einem sehr
gemächlichen Tempo anhe-ben und eine weitere starke Aufwertung des US-Dollar
nicht tolerieren. Dennoch dürfte der US-Dollar eher weiter auf- als abwerten
und damit 2016 ein Bremsklotz für die Edelmetall-preise bleiben. Da die EZB die
Geldpolitik noch weiter lockert und damit den Euro schwächt, sollte sich dies
eher in einem steigenden Goldpreis in Euro niederschlagen als in einem
fallen-den Goldpreis in US-Dollar. Rückenwind für die Goldpreisent-wicklung
erwarten wir durch die physische Nachfrage in China und Indien. Die
Preisentwicklung der drei vornehmlich in der Industrie verwendeten Edelmetalle
Silber, Platin und Palladium hängt neben der Entwicklung bei Gold stark von der
Nachfrage der Elektro(nik)- und Autoindustrie ab. Im Gegensatz zu Gold spielt
hier zudem die Angebotsentwicklung eine wichtige Rolle. Und diese spricht in
den kommenden Monaten eher für stei¬gende Preise, da eine robuste industrielle
Nachfrage auf ein stabiles oder fallendes Angebot treffen wird. Die
Investment¬nachfrage dürfte im neuen Jahr bei allen Edelmetallen einen
positiveren Beitrag leisten als in 2015.
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