Sonntag, 26. Juli 2015

Antikörper-Therapie für das Rückenmark


Antikörper-Therapie für das Rückenmark

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/NyWxds0in4w

Von einer Sekunde auf die andere kann das Leben eine Kehrtwende nehmen, wenn es bei einem schweren Unfall zu Verletzungen des Rückenmarks kommt. Der Betroffene muss damit rechnen, eine Querschnittläh¬mung davonzutragen. Denn Fasern des zentralen Nervensystems wachsen nicht ohne Weiteres wieder zusammen.

Ein Team um den Schweizer Neurobio-logen Martin Schwab fand in den 1990er-Jahren heraus, dass körpereigene Wachs-tumshemmstoffe für dieses Phänomen verantwortlich sind. „Nogo-A" taufte das -.4 Team eines dieser Proteine und entwickel¬te  einen Antikörper dagegen, mit dem im -.:1 Tierversuch das scheinbar Unmögliche ä

gelang: Durchtrennte Nervenfasern des ci

-3, Rückenmarks wuchsen wieder zusam-men. 2005 standen nach jahrelangen

 

re Tests klinische Studien mit querschnitt¬gelähmten Menschen bevor (bild der wis-§ senschaft 10/2005, „Supermans Traum"). Mittlerweile ist Phase 1 dieser lang¬wierigen Studie mit mehr als 50 Patienten am Zentrum für Neurowissenschaften

Zürich abgeschlossen. Sie war sehr erfolg-

._

wie der 65-jährige Professor für

Hirnforschung an Universität und ETH

7, 3

Zürich berichtet: „Einige der Patienten, denen man die volle Dosis Antikörper über vier Wochen verabreicht hatte, zeig-

 

ten einen völlig unerwarteten Erholungs-verlauf, gemessen an der Größe ihrer Ver-letzungen." Nebenwirkungen traten nicht auf. „Das sind Resultate, die optimistisch stimmen und sich hoffentlich in der nächsten Phase bestätigen."

Erfolgversprechend ist die Therapie vor allem bei Menschen, die zwar eine schwere Verletzung, aber keine vollstän-dige Durchtrennung des Rückenmarks erlitten haben und deren Behandlung in-nerhalb der ersten zwei Wochen nach dem Unfall beginnt. Um für die nächste Phase der Studie aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen Spontanheilungen im voraus zuverlässig ausgeschlossen wer¬den. „Mit unserer verbesserten Diagnos¬tik gelingt uns das heute mit mehr als 85 Prozent Genauigkeit", sagt Schwab. „Dadurch können wir uns in Phase 2 des klinischen Versuchs, die hoffentlich noch 2014 beginnen wird, auf Patienten mit schlechtem Spontanerholungsverlauf kon¬zentrieren."

Warum der Körper das Nervenwachs-tum überhaupt blockiert, ist mittlerweile weitgehend geklärt: „Die Hauptfunktion der Wachstumshemmstoffe scheint die Stabilisierung des erwachsenen Zentral-nervensystems zu sein", erklärt der Neurobiologe. „Die Nervenfasern sollen keine zusätzlichen Seitenzweige in falsche Regionen ausbilden." In Tierversuchen zeigte sich, dass ein angeborenes völliges Fehlen von Nogo-A zu Fehlschaltungen

führt und folglich neuropsychiatrische Störungen erzeugt. Das Ausschalten die¬ses körpereigenen Stoppsignals für zwei bis vier Wochen, die eine Therapie dauern würde, wäre aber unbedenklich.

Auch bei der Behandlung von Schlag¬anfall-Patienten werden Nogo-A-Anti-körper in Zukunft eine Rolle spielen. Da¬bei geht es nicht primär um Faserwachs¬tum, erklärt Shih-Yen Tsai, Wissenschaft¬ler am Edward Hines Jr. Hospital in Chi¬cago. „Der Nogo-A-Antikörper fördert die Neuorganisation des Gehirns, sodass gesunde Gehirnregionen die verloren¬gegangenen Funktionen kompensieren können." In Tierversuchen wurden be¬reits vielversprechende Resultate erzielt, auch bei Schlaganfällen, die bereits Mo¬nate zurücklagen. „Das könnte für den Menschen bedeuten, dass eine erfolgrei¬che Behandlung selbst nach Jahren noch möglich ist", sagt Tsai.

Und damit nicht genug: Nogo-A-Anti-körper könnten außerdem bald bei Multi¬pler Sklerose und bei Amyotropher Late-ralsklerose zum Einsatz kommen. Für beide Erkrankungen laufen bereits groß angelegte Medikamentenstudien.


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