Freitag, 31. Juli 2015

Japanische Paralyse


Japanische Paralyse

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/7I2lUZehGqs

Die Bank of Japan (BoJ) verwirrte zuletzt mit ihrer Kommunikation bezüglich des Yen-Wechselkurses.

Ist eine weitere Lockerung der Geldpolitik und damit Yen-Schwäche vom Tisch? Wir analysieren, ob eine weitere Lockerung nötig, möglich und von der BoJ gewollt ist.

 

Es ist eine Frage, die den Markt schon länger be¬schäftigt: Plant die BoJ angesichts einer Inflationsrate nahe null eine erneute Ausweitung ihrer expansiven Maßnahmen oder nicht? Ist es also weiterhin ange¬bracht, auf einen schwächeren Yen zu setzen? Der Markt interpretierte die Äußerung von BoJ-Chef Haruhiko Kuroda vor einigen Monaten, dass der Yen real wohl nicht weiter abwertet, als Hinweis auf eine vorerst unveränderte Geldpolitik. Aber reicht eine Schlagzeile, die inzwischen wieder eingeschränkt wurde, um diese Schlussfolgerung zu ziehen?

 

Die Signale aus der BoJ deuteten schon länger auf

eine abwartende Haltung in der Geldpolitik hin: Die BoJ redet sich die Inflation schön und muss sich

gleichzeitig damit auseinandersetzen, ob eine weitere

Ausweitung ihres QE-Programms erfolgversprechend ist. Der Yen-Ausblick hängt von drei Fragen ab:

(1)      Ist eine expansivere Geldpolitik nötig?

(2)      Ist eine expansivere Geldpolitik möglich?

(3)      Ist die BoJ zu einer expansiveren Geldpolitik bereit?

(1)      Ist eine expansivere Geldpolitik nötig? Im April 2013 führte die BoJ als letzte der G10-Zen-tralbanken ein explizites Inflationsziel ein. Nach 15 Jahren niedriger Inflation sollte im Rahmen des Kon-junkturprogramms »Abenomics« ein erneuter Ver-such unternommen werden, die japanische Wirt-schaft zu re-inflationieren, das Wachstum zu beleben und damit früher oder später den Staatshaushalt zu sanieren. Solange das Inflationsziel von 2 Prozent noch nicht erreicht ist, bleibt die Geldpolitik expan¬siv. Darunter leidet der Yen, was die Importpreise erhöht und sich über kurz oder lang in einem höhe¬ren Inflationsniveau niederschlagen sollte. Nachdem seit April jedoch der Effekt der Mehrwertsteuererhö-hung vor einem Jahr aus der Inflation herausfällt, wird für jeden offensichtlich, dass sich die Inflation auch nach zwei Jahren der Steuerung nur knapp über null und damit noch weit vom Ziel entfernt befindet. Die Glaubwürdigkeit der BoJ ist in Gefahr, wenn sie nicht mit weiteren expansiven Maßnahmen ihrer Entschlossenheit Ausdruck verleiht oder zumindest glaubhaft begründet, warum in den nächsten Mona-ten höhere Inflationszahlen zu erwarten sind. Ohne einen schwächeren Yen wird das aus unserer Sicht schwer. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt angebracht, um die Glaubwürdigkeit des Inflationsziels zu ge-währleisten.

(2)      Ist eine expansivere Geldpolitik möglich? Aber würde eine weitere Ausweitung des QE-Pro-gramms etwas bringen? Ende Oktober 2014 weitete die BoJ ihre Anleihenkäufe um 10 Billionen Yen auf jährlich 80 Billionen Yen aus. Der Yen verlor darauf-hin innerhalb eines Monats gut 8 Prozent gegenüber dem US-Dollar und fast 7 Prozent gegenüber dem Euro. Der Einfluss auf die Zinsen jedoch war gering; so ist die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen inzwi-schen wieder auf das Niveau von vor der Ausweitung

57.3-d: 10. Juli 2015; Quelle: BIS

 

zurückgekehrt. Eine Beobachtung, die auch der BoJ-Zentralbanker Takehiro Sato teilt und infolgedessen den zusätzlichen positiven Effekt einer weiteren Aus¬weitung in Frage stellt. Tatsächlich ist das Preisni¬veau nach der erneuten Lockerung nur mäßig gestie¬gen. Das lag zwar teilweise auch am fallenden Öl¬preis, aber auch ohne die volatilen Komponenten Nahrungsmittel und Energie ist die Inflation enttäu¬schend. Eine weitere Ausweitung des QE-Volumens ist zudem nicht unbegrenzt möglich. Derzeit kauft die BoJ im Jahr bereits gut 90 Prozent aller neu ausgege¬benen Staatsanleihen auf.

Das heißt aber nicht, dass die BoJ am Ende ihrer geldpolitischen Möglichkeiten angekommen ist. Sie müsste für einen deutlichen Effekt aber wohl neue Wege gehen. Der mäßige Erfolg bisheriger Ma߬nahmen lässt uns vermuten, dass die geldpolitische Lockerung eine Form annehmen muss, die die Bud¬getrestriktion des Staates umgeht. Eine expansivere Geldpolitik kann nur dann inflationär wirken, wenn das Geld auch in Umlauf gebracht wird. Daran scheint es in Japan zu hapern. Möglicherweise weil die enormen Staatsschulden bei Konsumenten und Unternehmen Zweifel an der langfristigen Schulden-tragfähigkeit schüren — und sie sich in Erwartung höherer Abgaben in der Zukunft bei Investitionen und Konsum zurückhalten. Ohne eine experimentelle Geldpolitik wird es der BoJ wohl kaum möglich sein, diese Einschränkung zu umgehen — etwa über die Abschaffung von Bargeld zur Durchsetzung von Ne¬gativzinsen oder über monetäre Staatsfinanzierung.

(3) Ist die BoJ zu einer expansiveren Geldpolitik bereit?

Ob die BoJ zu neuen, bisher unerprobten geldpoli¬tischen Maßnahmen bereit ist, ist eine andere Frage. Gleich mehrere Faktoren lassen uns daran zweifeln. Da ist zum einen das bisherige Abwarten der BoJ, obwohl die Inflation nach dem Wegfall des Mehr-wertsteuereffekts nahe null tendiert. Insbesondere weil der von der BoJ viel beschworene unterliegende Inflationstrend zwar tatsächlich stabil ist, unseren Berechnungen zufolge aber seitwärts geht. Auch der häufige Verweis auf die Verantwortlichkeit der Fiskal¬politik wirkt zunehmend so, als würde die BoJ sich lieber zurücklehnen und die Arbeit verstärkt der Poli¬tik überlassen. Darüber hinaus zeigen die Äußerun¬gen Satos, dass auch innerhalb der BoJ die Wirksam¬keit einer weiteren QE-Ausweitung durchaus ange¬zweifelt wird. Und schon länger werden nach jeder etwas schnelleren Yen-Abwertung die negativen Fol¬gen einer schwachen Währung diskutiert. Kuroda, der eine weitere Yen-Schwäche insgesamt anzwei¬felt, setzt dem Ganzen nur die Krone auf. Natürlich ist der reale effektive Wechselkurs so niedrig wie seit über 20 Jahren nicht, aber das heißt doch nicht, dass er nicht weiter fallen kann, wenn der Wille zu einer lockeren Geldpolitik besteht! Wie auch immer Kuroda die Äußerung tatsächlich gemeint hat oder verstanden haben will, wie eine Zentralbank, die nur darauf wartet, wieder loszulegen, wirkt die BoJ wirklich nicht.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine paralysier-te BoJ wie schon zu Beginn der Neunzigerjahre zu einer deutlichen Yen-Aufwertung führt. Denn auch wenn fraglich ist, ob und wann die BoJ noch einmal eine geldpolitische Schippe drauflegt, so zweifelt doch niemand daran, dass sie ihren derzeitigen Expansionsgrad beibehalten wird. Die BoJ wird also

 

deutlich expansiver sein als die Fed und ähnlich ex¬pansiv wie die EZB. Damit bleibt der Yen gegenüber dem US-Dollar unter Abwertungsdruck. Vorerst dürfte der US-Dollar/Yen-Wechselkurs sich nach dem jetzi¬gen Stand jedoch erst einmal seitwärts bewegen.

Längerfristig glauben wir nicht, dass Kuroda seine Passivität wird durchhalten können, dafür ist der Druck von Seiten der Fiskalpolitik zu groß. Und auch wenn ein steigender Ölpreis vorübergehend für höhe¬re Inflationsraten sorgen kann, sehen wir keine Anzei¬chen für eine anhaltende Inflationsdynamik. Früher oder später wird sich die BoJ mit einer Anpassung ihrer Geldpolitik auseinandersetzen müssen. Vorerst deutet aber alles darauf hin, dass die Hemmschwelle hierfür noch zu hoch ist.

 

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