Samstag, 18. Juli 2015

Seit 25 Jahren Zertifikate an der Börse


Seit 25 Jahren Zertifikate an der Börse

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/nH0wjztTikA

DER ZERTIFIKATEMARKT 2015

Im Mai 2015 gab es in Deutschland mehr als 1,4 Millionen verbriefte Derivate. Davon zählten gut 800.000 zu den Hebelprodukten. Hierunter werden beispielsweise Optionsscheine, MiniFutures und Turbos zusammengefasst. Mehr als 600.000 Wertpapiere waren den Anlageprodukten, also den Zertifikaten und strukturierten Anleihen, zuzuordnen. Während die Anzahl der Hebelprodukte die der Zertifikate übersteigt, ist der Anteil von Optionsscheinen, MiniFutures oder Turbos am Marktvolumen eher gering, er liegt bei rund 3 Prozent.

Die Vielfalt der angebotenen Produkte ist so groß wie nie zuvor. Der Open Interest, also die Summe der investierten Gelder, war seit der Finanzkrise jedoch rückläufig. Dem DDV zufolge betrug das Marktvolumen am hiesigen Derivatemarkt Ende April 2015 rund 75 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2007 hatte das Marktvolumen in der Spitze bei fast 140 Milliarden Euro gelegen.

Die hohe Zahl der Produkte wird von Kritikern gern moniert. Doch letztlich gibt sie Anlegern die Möglichkeit, ein Investmentprodukt auszuwählen, das auf die persönliche Markterwartung und die Risikoneigung zugeschnitten ist. Emittenten wie Goldman Sachs stellen auf ihren Websites Hilfsmittel für die Auswahl bereit.

INNOVATIONSMOTOR

In den vergangenen zweieinhalb Jahrzehnten war die Zertifikatebranche von hoher Innovationskraft geprägt. Den Anfang machten PartizipationsZertifikate, die es ermöglichten, in kleiner Stückelung

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flexibel und vergleichsweise kostengünstig in bestimmte Indizes zu investieren. Damals waren diese Produkte mit einer fixen Laufzeit ausgestattet. Es sollte etwa ein Jahrzehnt vergehen, ehe mit den OpenEndZertifikaten Produkte mit prinzipiell unbegrenzter Laufzeit eingeführt wurden.

Partizipations oder OpenEndZertifikate waren es häufig, die neue Basiswerte für Privatinvestoren überhaupt zugänglich machten. So wurden die Aktienmärkte vieler Schwellenländer oder auch Rohstoffe und Rohstoffindizes auch mit kleinen Geldbeträgen investierbar. Auch für verschiedene Branchen waren solche Zertifikate oft das erste Anlagevehikel.

Wenn es darum ging, mögliche Trends investierbar zu machen, kreierten Banken in Zusammenarbeit mit Indexanbietern einen bestimmten Index, der das Anlagethema abdeckt. In den ersten Jahren der Zertifikatehistorie begann man zunächst mit statischen Baskets, in denen Aktien eines bestimmten Sektors, eines Landes oder eines Anlagethemas gebündelt wurden. Allerdings waren hier Zusammensetzung und Laufzeit gewöhnlich fix.

Neue Basiswerte sind nur die eine Seite der Innovationsmedaille. Auf der anderen Seite entstanden immer neue Strukturen, mit denen Investoren bestimmte Marktmeinungen umsetzen konnten. Diese neuen Produkte sollten einen bestimmten Mehrwert bieten. Beispielsweise bieten DiscountZertifikate die Chance, auch in seitwärts tendierenden oder moderat fallenden Märkten positive Erträge zu erzielen.

GEBURTSSTUNDE DER SEITWÄRTSRENDITE Unter den ersten strukturierten Produkten, die sich in den 1990er Jahren am hiesigen Markt etablierten, waren DiscountZertifikate und Aktienanleihen. Beide boten die Möglichkeit, in den Aktienmarkt zu investieren und auch bei gleichbleibenden Kursen positive Erträge zu generieren. Lange bevorzugten viele Anleger DiscountZertifikate, weil sie in Deutschland steuerlich besser gestellt waren als Aktienanleihen. Erst mit Einführung der Abgeltungssteuer änderte sich das.

Mit DiscountZertifikaten können Anleger eine Aktie oder einen anderen Basiswert mit einem Preisnachlass (Discount) erwerben. Der Discount bietet einen Risikopuffer, der mögliche Kursverluste abfedert. Gleichzeitig sorgt er in einem Seitwärtsmarkt für einen Gewinn, den der Anleger mit einer direkten Investition in den Basiswert nicht erzielt hätte. Zum Ausgleich für den Discount ist die Partizipation an der Kursentwicklung des Basiswerts nach oben durch einen Cap begrenzt. An weiteren Kursanstiegen über den Cap hinaus würde der Anleger nicht mehr teilnehmen.

Bei Aktienanleihen erhalten Anleger statt des Discounts einen überdurchschnittlich hohen Zinssatz. Dafür geht der Investor auch hier das Risiko fallender Aktienkurse und das Emittentenrisiko ein (vgl. dazu Seite 48). Am Laufzeitende bekommt der Inhaber der Aktienanleihe neben dem Zinsbetrag den Nominalbetrag ausbezahlt, wenn die Aktie auf oder über dem Basispreis notiert. Ansonsten kommt es zur Lieferung von Aktien, wobei Verluste möglich sind.

In einem Seitwärtstrend spielen Aktienanleihen also ihre Stärken aus. In fallenden Märkten kann es jedoch zu Verlusten kommen, wenn das Minus des Basiswerts den Zinssatz übersteigt. An dieser Stelle

 

setzen BarriereAktienanleihen an. Der Vorteil: Die Wahrscheinlichkeit, dass der Investor einen Geldbetrag erhält, ist bei einer BarriereAktienanleihe höher als bei der barrierelosen Variante. Denn der Investor erhält einen zusätzlichen Sicherheitspuffer. Bis zur Barriere ist der Anleger vor Verlusten geschützt. Verbleibt die zugrundeliegende Aktie stets über der Barriere, erhält der Anleger den Nominalbetrag bei Fälligkeit ausbezahlt — auch wenn die Aktie unter dem Basispreis notiert. Im Juni 2015 bot Goldman Sachs mehr als 4.900 Aktienanleihen und weitere rund 2.500 BarriereAktienanleihen an. Darüber hinaus standen mehr als 3.400 DiscountZertifikate zur Auswahl.

TEILABSICHERUNG UND BONUSCHANCE Die Möglichkeit, eine positive Seitwärtsrendite zu erzielen, bieten auch BonusZertifikate. Sie haben in ihrer ursprünglichen Form drei Vorteile: die Chance auf

 

eine Bonuszahlung, eine partielle Absicherung gegen Kursverluste und die Möglichkeit, nicht nur von steigenden, sondern auch von leicht fallenden oder seitwärts tendierenden Kursen zu profitieren. Ein BonusZertifikat besitzt eine Barriere und einen Bonuslevel. Solange der Kurs des Basiswerts die Barriere während der Laufzeit des Zertifikats nicht verletzt, erhält der Anleger gin Laufzeitende mindestens den Bonusbetrag, der sich am Bonuslevel orientiert.

So sind am Ende der Laufzeit zwei unterschiedliche Auszahlungsprofile möglich, abhängig davon, ob der Kurs des Basiswerts während der Laufzeit des Zertifikats die Barriere verletzt hat oder nicht. Hat der zugrundeliegende Basiswert zu keinem Zeitpunkt die Barriere berührt oder unterschritten, erhält der Anleger mindestens den Bonusbetrag. Sollte der Basiswert am Laufzeitende, konkret am letzten Bewertungs tag, über dem Bonuslevel notieren, nimmt der Investor an dieser Wertentwicklung des Basiswerts vollständig und unbegrenzt teil. Er bekommt dann eine Rückzahlung, die sich am Kurs des Basiswerts orientiert.

Verletzt der Basiswerts während der Laufzeit auch nur einmal kurzfristig die Barriere, so verliert der Anleger den Anspruch auf den Bonusbetrag. Er nimmt zum Lauf

 

zeitende an der Kursentwicklung des Basiswerts unbegrenzt und vollständig teil. Sollte sich der Kurs des Basiswertes dann nicht mehr deutlich erholen, kann es zum Verlust des eingesetzten Kapitals kommen, bis hin zum Totalverlust, wenn der Basiswert bis auf null fallen sollte.

Ähnlich funktionieren sogenannte CapBonusZertifikate. Allerdings nimmt der

 

Investor hier nicht mehr unbegrenzt an den Kursgewinnen teil. Die mögliche Wertentwicklung ist von vornherein durch eine Gewinnbegrenzung (Cap) eingeschränkt. Ansonsten funktioniert die „gecappte" Variante genau wie ein klassisches BonusZertifikat. Für den Renditeverzicht durch den Cap bieten BonusZertifikate mit Cap in der Praxis komfortablere Absicherungen, also einen größeren Abstand zur Barriere, oder üppigere Bonuszahlungen als vergleichbare Produkte ohne Cap. Sie werden oftmals genutzt, um die Seitwärtsrendite zu optimieren.

BonusZertifikate gibt es seit 2003. Sie wurden anfangs meist als Zeichnungsprodukte angeboten. Goldman Sachs war mit einem BonusZertifikat auf den japanischen Nikkei225Index einer der ersten Anbieter solcher Produkte überhaupt. Später folgten auch BonusZertifikate auf EmergingMarkets und RohstoffIndizes, auf den EURO STOXX 50® und einzelne Aktien. Der DAX® etablierte sich als Basiswert von BonusZertifikaten erst etwas später, da hier die Dividenden in den Performanceindex mit eingerechnet werden. Die erwarteten Dividenden können daher nicht zur Finanzierung der Produktstruktur genutzt werden, weshalb DAX®BonusZertifikate mit einem Aufpreis gegenüber dem Indexkurs angeboten werden müssen.

Inzwischen sind Zeichnungen von BonusZertifikaten eher selten. Stattdessen finden Anleger eine Vielzahl solcher Produkte, die sie börsentäglich im Sekundärmarkt handeln können. Goldman Sachs bot im Juni 2015 mehr als 11.000 BonusZertifikate mit und ohne Cap an.

RENDITE IM RÜCKWÄRTSGANG

Was im Zertifikatemarkt lange Zeit fehlte, waren Anlageprodukte, mit denen Anleger auf fallende Kurse setzen können. Wer „short gehen" wollte, musste mit PutOptionsscheinen oder anderen Hebelprodukten vorliebnehmen. Inzwischen hat sich für solche Markterwartungen eine Produktgattung etabliert: ReverseBonusZertifikate. Sie existieren in der Variante mit

 

und ohne Cap und wenden das Bonuskonzept in spiegelverkehrter Form an.

Während Käufer von klassischen BonusZertifikaten prinzipiell von steigenden Kursen des Basiswerts ausgehen, ist der Blick bei der ReverseVariante nach unten gerichtet. Der Inhaber dieses Zertifikats nimmt zum Laufzeitende eins zu eins des Basiswerts teil. Darüber hinaus findet der Bonusmechanismus in umgekehrter Form Anwendung. So liegt das Bonuslevel zum Emissionszeitpunkt gewöhnlich unterhalb des Kurses des Basiswerts. Die Barriere ist oberhalb angesiedelt. Denn hier soll eine Absicherung für den Fall erfolgen, dass sich der Basiswert entgegen der Erwartung des Anlegers aufwärts bewegt.

Verbleibt der Basiswert unterhalb der Barriere, bekommt der Inhaber des Zertifikats den Bonusbetrag. Bei ReverseBonusZertifikaten ohne Cap kann sich die Rückzahlung weiter erhöhen, wenn der Basiswert am letzten Bewertungstag unter dem

 

Bonuslevel notiert. Sollte der Basiswert die Barriere überschreiten, geht die Teilabsicherung verloren. Dann kann es zu Verlusten kommen. Schlimmstenfalls ist der Totalverlust möglich, wenn der Basiswert bei Fälligkeit auf oder über dem Reverselevel notiert.

KAPITALSCHUTZ, EXPRESS & MORE

Eine weitere bedeutende Kategorie sind KapitalschutzZertifikate. Sie schützen Anleger zum Laufzeitende vor unerwünschten Kursentwicklungen. Es entsteht kein Verlust, wenn der Basiswert eine negative Wertentwicklung bei Fälligkeit aufweist, da Inhaber dieser Zertifikate dann in der Regel den Nominalbetrag als Rückzah

 

lungsbetrag erhalten. An der positiven Wertentwicklung nimmt der Anleger mit einer bestimmten Partizipationsrate teil.

Der Kapitalschutz greift allerdings nur zum Laufzeitende. Während der Laufzeit kann der Kurs unter den Mindestrückzahlungsbetrag sinken. Das sollten Investoren bedenken, die möglicherweise zwischendurch verkaufen möchten. Ein weiteres Problem kommt aktuell hinzu: die niedrigen Zinsen. Ein Kapitalschutzprodukt setzt sich für gewöhnlich aus einer Anleihekomponente und aus Optionen zusammen. Die Anleihekomponente sichert per Fälligkeit die Mindestrückzahlung. Da die Zinsen aktuell sehr niedrig sind, wäre die Anleihekomponente für ein Kapitalschutzprodukt recht teuer. Das macht die Konditionen aktuell nicht besonders attraktiv.

ExpressZertifikate verfügen indes meist über eine Teilabsicherung. Diese Produkte bieten Anlegern an bestimmten Terminen die Möglichkeit der vorzeitigen Rückzahlung. Dann erhalten sie neben dem Nominalbetrag eine Zusatzzahlung. Am Laufzeitende schützt eine Barriere teilweise vor Kursverlusten.

ExpressZertifikate werden auch als Autocallables bezeichnet. Es handelt es sich dabei um strukturierte Produkte, die unter bestimmten Bedingungen die vorzeitige Rückzahlung eines bei Laufzeitbeginn festgelegten Betrags bieten: Zu einer automatischen vorzeitigen Rückzahlung kommt es, wenn der zugehörige Basiswert, beispielsweise der EURO STOXX 50®, an einem bestimmten Bewertungstag auf oder über dem sogenannten Triggerlevel notiert. Der Inhaber des Zertifikats erhält dann den Nominalbetrag, beispielsweise 100 Euro, plus einen Zusatzbetrag. Damit kann ein ExpressZertifikat ein interessantes Auszahlungsprofil bei seitwärts tendierenden bzw. leicht steigenden Markterwartungen bieten.

Neben den bisher vorgestellten Zertifikatearten gibt es weitere Anlageprodukte, die aktuell aber weniger bedeutend sind. Hierzu zählen Outperformance, HiScore, TwinWin oder auch RainbowZertifikate. Einen kompletten Überblick finden Sie in unserem ZertifikateKompass, der in Kürze in einer überarbeiteten Version erscheinen wird.

GEMEINSAMKEITEN

Um Zertifikate und strukturierte Anleihen zu erwerben, benötigen Anleger ein Depot, das sie in Bankfilialen oder auch bei Onlinebanken eröffnen können. Die meisten Depotbanken bieten ihren Kunden neben dem Handel über einen bestimmten Börsenplatz auch die Möglichkeit des Direkthandels mit dem Emittenten. Der Direkthandel wird auch als außerbörslicher Handel bezeichnet. Hierbei kommt ein Geschäft direkt zwischen einem Direkthandelspartner und dem Emittenten zustande.

Zum Handel beispielsweise von Aktien gibt es bei Zertifikaten allerdings einen

 

entscheidenden Unterschied: Der Preis, zu dem der Kauf oder Verkauf abgewickelt wird, ist nicht das Ergebnis von Angebot und Nachfrage in dem jeweiligen Wertpapier, sondern resultiert in der Regel aus mehreren Einflussfaktoren, wie z.B. Basiswertkurs, Volatilität, Zinsen und vor allem Auszahlungsprofil des Produkts. Auch für Zertifikate, bei denen es tagelang keine Umsätze gibt, sorgt der Emittent für Liquidität, indem er börsentäglich An und Verkaufskurse (Geld und Briefkurse) stellt.

Bei sämtlichen Zertifikaten und strukturierten Anleihen handelt es sich aus rechtlicher Sicht um Inhaberschuldverschreibungen. Daher kommt neben dem Kursrisiko noch eine weitere Komponente hinzu: das Emittentenrisiko (vgl. dazu Seite 48).

 

Sollte es zu einer Insolvenz der Emittentin und der Garantin des Zertifikats kommen, entsteht dem Anleger ein Totalverlust.

Genau wie bei Unternehmens oder Staatsanleihen kann es also auch bei Zertifikaten und strukturierten Anleihen zum Zahlungsausfall kommen. Neben den Ratings von bekannten Agenturen wie Standard & Poor's, Moody's oder Fitch spielen hier auch Faktoren wie Credit Default Swap Spreads (CDSSpreads), die Kernkapitalquote (Tier1Ratio)

 

 

 


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