Montag, 27. Juli 2015

DNA Erbsubstanz


DNA Erbsubstanz

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/XjSZO0vgVLU

Die DNA ist nicht nur Trägerin der Erbinformation, sondern auch Nano-Baumaterial. Durch geschickte Manipulation kann sie sich von selbst zu erstaunlichen Strukturen falten.

Es funktioniert wie Kuchen backen", soll der Bioinformatiker

             Paul Rothemund einmal über

DNA-Origami gesagt haben. „Nur, dass man die Zutaten nicht genau abwiegen muss." Tatsächlich könnte man die Vorgänge in einem DNA-Origami-Labor für Handgriffe beim Backen halten: Man mischt ein langes Gerüst der Erbsubstanz in einer Lösung mit kleineren DNA-Stückchen, heizt das Ganze auf, kühlt sie langsam wieder ab — und erhält eine komplexe Struktur aus DNA: Würfel, Tunnel, Käfigstrukturen. Wissenschaftler, die in dem interdisziplinären Gebiet tätig sind, haben bereits unterschiedlichste Aufbauten realisiert.

 

Knapp zehn Jahre ist es her, dass Paul Rothemund, der heute am California Institute of Technology forscht, erstmals „Smileys" aus DNA schuf. Benannt hat er die neue Disziplin nach der japanischen Faltkunst Origami, bei der aus Papier durch exaktes Falten zwei- oder drei-dimensionale Objekte wie Tiere oder geometrische Körper entstehen. Allerdings besteht ein großer Unterschied zu DNA-Origami: Die komplexen DNA-Gebilde entstehen ganz von selbst, ohne dass man sie etwa mit Werkzeugen in die gewünsch-te Form bringen muss.

Das Prinzip der „Selbstassemblierung" ist in der Natur allgegenwärtig: Schneeflocken, Virushüllen, Galaxien: die komple

 

xen Strukturen finden ganz von allein zusammen. Ein praktischer Ansatz, der — könnte man ihn auf Technik und Industrie übertragen — die Herstellung von winzigen Bauteilen deutlich vereinfachen würde. Dazu muss es gelingen, intelligente Bausteine zu erschaffen, die die vorgegebene Struktur bereits in sich tragen.

Im Fall der DNA sind diese Bausteine bereits vorhanden: Die vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin sind auf g einem DNA-Molekül in einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Dass diese Abfolge.

Die typische DNA-Doppelhelix ent-steht, wiederum durch Selbstassemblie-rung, wenn ein zweiter Strang ins Spiel kommt, dessen Basen die exakt komplementäre Anordnung aufweisen. So geht Adenin stets mit Thymin eine chemische Bindung ein und Guanin stets mit Cyto-sin. Die zusammengehörigen Basen werden daher als komplementär bezeichnet. „Das Schöne am DNA-Origami ist, dass es so einfach ist", sagt Hendrik Dietz, Professor für Biophysik an der Technischen Universität München. „Es verlangt keinerlei ausgefeilte Algorithmen, wir arbeiten nur mit Basen-Komplementarität."

Moleküle wie Heftklammern

Das Ausgangsmaterial beim DNA-Ori-gami, gewissermaßen das Papier, ist ein langer DNA-Einzelstrang, der meist von einem Virus stammt. Damit er sich zur gewünschten Struktur faltet, kommen zusätzlich kurze DNA-Stränge zum Einsatz. Sie werden im Englischen als „Staple-Strands" bezeichnet, also „Heftklammern-Stränge". Wie Heftklammern halten sie den DNA-Strang in der vorgegebenen Struktur. Diese kurzen Stränge müssen auch eine bestimmte Basenabfolge aufweisen, damit sie ganz eindeutig nur an eine bestimmte Stelle der Gerüst-DNA passt. „Die Klammer-Moleküle sind nor-malerweise etwa 40 Basen lang", sagt Dietz. „Es gibt also 1,2 • 1024 verschiedene Möglichkeiten, wie sich die vier Basen auf die Plätze verteilen können. Die Wahrscheinlichkeit, dass das komplementäre Motiv am Gerüststrang mehr als einmal vorkommt, ist praktisch Null." Man

 


Nano-Maschine aus DNA: Italienische Forscher haben einen Spezialbehälter mit einer Klappe für kleine Moleküle (braun) konstruiert.

muss also nur die richtige Abfolge von Basen auf den Klammer-Molekülen bestimmen — und das erledigt der Computer für die Wissenschaftler.

„Im Prinzip könnte man es sich aber auch auf einem Blatt Papier überlegen", sagt Dietz: „Man zeichnet einfach die Struktur auf, die man aus DNA bauen möchte. Dann versucht man, mit einer durchgängigen Linie sämtliche Positionen in der Struktur abzufahren — wie beim Zeichenspiel ,Das Haus vom Nikolaus'. Diese Linie entspricht dann dem Gerüst-Strang." Die geeigneten Sequenzen für die Heftklammern bestimmt man schließlich, indem man die Basenabfolge dieses Gerüst-Strangs an den entsprechenden Stellen abliest.

Ob mit dem Computer oder per Handzeichnung — sobald man die richtigen Heftklammer-Moleküle zur Hand hat, geht es ans „Backen": mischen, aufheizen, abkühlen, fertig! Dass man die Zutaten nicht genau abwiegen muss, liegt daran, dass überschüssige Heftklammer-Moleküle einfach nicht in die DNA-Struktur eingebaut werden. So, als ob sich ein

 

Kuchen nur so viel Mehl nimmt, wie er" braucht — auch wenn man zu viel in den Teig gerührt hat.

„Wenn man genau darüber nachdenkt, ist es schon erstaunlich, dass das überhaupt funktioniert", so Dietz. „Mittlerweile wissen wir aber schon mehr über die Druck- und Temperaturbereiche, in denen die Assemblierung klappt. Oft entscheiden ein paar Zehntelgrad Temperatur-unterschied, ob sich die Strukturen bereitwillig falten oder nicht." In der Physik spricht man. von Bereichen unterschiedlicher Phasen: Genauso, wie Wasser unter Normaldruck bei zehn Grad Celsius nicht gefriert, gibt es auch für die DNA Druck-und Temperaturbereiche, in denen sie in einen gefalteten Zustand übergeht — oder eben nicht.

Eine Spezialsonde für Wirkstoffe

Das interdisziplinäre Forschungsgebiet der DNA-Nanotechnologie ist noch jung, trotzdem gibt es bereits vielversprechende Ansätze für künftige Anwendungen der DNA-Strukturen. Eine Idee, mit der sich einige Forschungsgruppen beschäftigen, besteht darin, mithilfe der DNA-Objekte medizinische Wirkstoffe zu erkrankten Zellen oder gar in die Zellen hinein zu befördern. Im April gab beispielsweise eine italienische Gruppe um Giuseppe Firrao von der Universität Udine bekannt, eine kleine DNA-Origami-Maschine entwickelt zu haben: Sie könnte als Behälter für Medikamente zum Einsatz kommen und hat eine Lasche, die sich unter bestimmten Umständen öffnet und das Präparat freisetzt (siehe Illustration oben).

DNA-Strukturen werden in vielen Labors auch dafür verwendet, nichtbiologische Partikel mit der Struktur zu verankern und sie so in einer gewissen Position zueinander zu halten. Das kann für die Untersuchung der Wechselwirkung dieser Partikel sinnvoll sein, oder auch zur Herstellung neuer Materialien.

Das Team von Hendrik Dietz arbeitet unter anderem daran, DNA als Gerüst zu benutzen, in das sich Proteine einlagern können. Auf diese Weise könnte man Proteine ordnen, um sie mit kristallogra-fischen Methoden analysieren zu können. DNA-Origami ist also längst keine wis-

senschaftliche Spielerei mehr.


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