Sonntag, 19. Juli 2015

Endlich Urlaub für Politiker


Endlich Urlaub für Politiker

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/C7IbDs8W52k

Kein Zweifel: In diesem Sommer haben sich die europäischen Spitzenpolitiker ihren Urlaub redlich verdient. Einige sitzen auf ihren gepackten Koffern, die anderen sind schon weit weg vom politischen Be-trieb. Sie müssen sich von langen Gipfeltreffen erholen. 18 Stunden - so lange hatten die Staats- und Regierungschefs der Eurozone vor einer Woche in Brüssel durchverhandelt, um Griechenland im Euro zu halten. Journalisten, die im Pressezentrum auf eine Einigung warteten, legten sich zum Schlafen auf die Stühle und unter die Tische. Dann endlich, mit kleinen Augen und großen Augenringen, traten die Politiker vor die Presse, um den Durchbruch zu verkünden.

Auch an Bundeskanzlerin Angela Mer-kel ging das nicht spurlos vorbei. Am vergangenen Montag, als sie nach Deutschland zurückkam, besuchte sie gleich ein Treffen zum Thema „Frauen in Führungspositionen". Da fielen ihr beim Zuhören hin und wieder die Augen zu. Heu

 

te wird sie noch ein Fernsehinterview geben, dann ist erst einmal Entspannung angesagt. Am nächsten Samstag wird Merkel wie fast jedes Jahr die 'Wagner-Festspiele in Bayreuth besuchen. „Tristan und Isolde" wird diesmal zur Premiere gegeben - falls nicht wieder ein Krisengipfel dazwischenkommt. Wird wohl nicht. Dann kann die Kanzlern, wie in den vergangenen Jahren, in Südtirol wan-dern. Sie hat bei diesen Urlauben immer Mitarbeiter und ein mobiles Büro dabei, wird auf dem Laufenden gehalten und führt Telefonate.

Denn Spitzenpolitiker wie sie können nie ganz abschalten. Angela Merkel ist immer im Dienst, sie hat fast immer Abendtermine, oft bis zehn Uhr oder auch bis Mitternacht, sie braucht wenig Schlaf. Wie schafft sie das? Ein paar Dinge kommen zusammen: Sie ist körperlich und psychisch robust. Sie braucht wenig Zeit, um von Arbeit auf Erholung umzuschalten. Und sie übt sich in Selbstbeschei

 

dung, kann auch drei Stunden Freizeit genießen wie andere zwei Tage. Dann ist sie am liebsten in ihrem kleinen Haus in der Uckermark, freut sich an ihrem Garten, kocht und hört klassische Musik.

Auch Wolfgang Schäuble hat anstrengende Wochen hinter sich. Er hat wenig geschlafen und überaus viel gearbeitet. Am Freitag war ihm das im Bundestag anzusehen. In der Gipfelwoche war er vier Tage lang in Brüssel, in der Woche davor reiste er viermal von Berlin in die belgische Hauptstadt. Man hätte in Brüssel schon eine Wohnung mieten und eine Wohngemeinschaft gründen können, wird in seiner Mannschaft gescherzt. Schäuble ist zäh; er kann stundenlang in schrecklichen Räumen sitzen und immer wieder nachhaken, wenn andere schon keine Lust mehr haben. Doch am Freitag geht er in Urlaub, wie jedes Jahr in das Familienhaus auf Sylt. Dort erholt er sich mit seiner Frau und einem Teil der Kinder und Schwiegerkinder. Die Griechen.

land-Krise wird ihn im Urlaub nicht los-lassen. Auch von Sylt aus wird er Telefonkonferenzen führen; notfalls ist er in wenigen Stunden wieder in Berlin.

Der französische Präsident Framois Hollande hat seinen Ministern sogar un-tersagt, sich im Urlaub mehr als zwei Flugstunden von Paris zu entfernen. Die Sommerpause hat er von einem Monat auf knapp zwei Wochen zusammengestrichen. Eine klare Botschaft: Minister und Staatschef sind ständig im Einsatz, faul ist verboten. Zukünftig soll es außerdem keine Urlaubsbilder vom Präsidenten mehr geben. Sie führten vor drei Jahren zu einem Debakel für Hollande: Als ihn Fotos in Badehosen am Strand der Festung Br6-gaffln zeigten, dem Urlaubsdomizil der französischen Präsidenten, sanken seine Umfragewerte deutlich. Anfang August will Hollande nach Ägypten reisen -wenn möglich ohne Fotografen.

Auf die würde auch der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi gerne ver

 

richten. Statt wie früher vier Wochen dauert die parlamentarische Sommerpause außerdem nur noch zwei. Die Haushaltssünder der EU wollen den Eindruck vermeiden, sich zurückzulehnen.

Für Kommissionspräsident Jean-Claude Junker und EU Ratspräsident Donald Tusk kommt das ohnehin nicht in Frage. Sie erlauben sich nur einen kurzen Urlaub; wohin, wird nicht verraten. Da die Verhandlungen, über das dritte Rettungspaket gerade erst am Anfang stehen, ist aber klar: Sie werden sich wohl nicht allzu weit von ihrem Arbeitsort entfernen. Im Fall des ehemaligen griechischen Fi-nanzministers Giannis Varoufakis kam das nämlich nicht gut an. Kurz vor der Abstimmung über das Rettungspaket in Athen ließ er sich entschuldigen: „familiäre Verpflichtungen". Beobachter rätselten: Was verbirgt sich dahinter? Schließlich entdeckten ihn Journalisten auf einer Fähre mit Kurs auf die Insel Ägina. Da hat Varoufakis ein Ferienhaus.

 

Frank-Walter Steinmeier gönnen dagegen alle seinen Urlaub. Der Außenminister hat krasse Wochen hinter sich. Die Verhandlungen über den Atomdeal mit Iran gingen auf Kosten von Schlaf und Familie. Vierzehn Tage verbrachte er ohne Tageslicht in einem Hotel in Wien, da wegen der Sicherheitsvorkehrungen für den amerikanischen Außenminister John Ker-ry alle Vorhänge zugezogen und alle Jalousien heruntergelassen wurden. Zur Abwechslung stieg Steinmeier mal auf das Laufband -im Fimessraum oder las einen kubanischen Krimi. Am Tag nach der Vertragsunterzeichnung machte er seine traditionelle Sommerradtour durch den Brandenburger Wahlkreis. In derselben Nacht noch reiste er nach Kuba, kehrte am Samstagmorgen zurück, um dann mit seiner Frau in den Urlaub nach Bozen zu fliegen: zwei Wochen Wandern in Südtirol. Vielleicht trifft er ja auf Frau Merkel. Zu wünschen ist es ihnen nicht.


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