Montag, 27. Juli 2015

Weisse Zwerge Sterne


Weisse Zwerge Sterne

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/4cdi27rBGZk

Insgesamt 1816 Exoplaneten haben Astronomen laut dem „Exoplanet Archive" der US-Weltraumagentur NASA bis zum März 2015 aufgespürt. Diese Zahl wird weiter steigen, da die Forscher inzwischen davon ausgehen, dass fast alle sonnenähnlichen Sterne von Planeten umkreist werden. Allerdings tun sie das nicht ewig. Denn sobald der nukleare Brennstoff ihres Sterns erschöpft ist, bläht sich dieser zum Roten Riesen auf und verschluckt dabei alle ihm nahen Planeten. Übrig bleibt ein ausgebranntes, extrem dichtes Gebilde: ein Weißer Zwerg. Solche Sternruinen sind ungefähr so schwer wie die Sonne, aber nur so groß wie die Erde (bild der wissenschaft 2/2012, „Sterne mit Burn-Out" ). Sie küh-

Kompakt

Um Weiße Zwerge können lebens-freundliche Planeten kreisen.

Wenn ihre Atmosphäre schwere Elemente enthält, könnte das ein Hinweis auf erdähnliche Planetensysteme sein.

Möglicherweise haben Astronomen beobachtet, wie ein kleiner Gesteinsplanet durch einen Weißen Zwerg zerrissen wurde.

 

von Franziska Konitzer

len im Verlauf von Jahrmilliarden langsam ab, umkreist von den Trümmern ihres einstigen Planetensystems.

Es ist keine besonders freundliche Um-gebung, die da zunehmend in den Fokus von Forschern wie Eric Agol von der Universität Washington gerät. Im Astrophysi-cal Journal schlug er vor, die Suche nach erdähnlichen Planeten auf Weiße Zwerge auszudehnen, die bislang von den Planetenjägern ignoriert wurden. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass auch unsere eigene Sonne während ihrer Riesenphase in 7,6 Milliarden Jahren Merkur und Venus zerstören wird und dabei die Erde nicht verschont (bild der wissenschaft 11/2007, "Flammendes Finale").

„Ein Weißer Zwerg ist kühler als die Sonne. Deshalb liegt die habitable Zone bei etwa einem Hundertstel des Abstands, den die Erde von der Sonne hat", sagt Agol. Diese Zone ist der Temperaturbereich, in dem flüssiges Wasser vorkommen könnte — eine notwendige Bedingung für erdähnliches Leben, daher „habitabel" ( „bewohnbar" ).

Ein Roter Riesenstern entfaltet seine Zerstörungskraft also genau in jener Region, die später die habitable Zone um den Weißen Zwerg einschließt — keine gute Voraussetzung für Planeten dort. Allerdings hält Agol es für möglich, dass ein Planet von außen in die Nähe des Weißen Zwergs wandert und dort in einer stabilen Umlaufbahn bleibt. Alternativ könnten sich neue Planeten aus der Staub- und Trümmerscheibe um den Weißen Zwerg bilden. Genug Zeit wäre dafür auf jeden Fall, meint Agol: „Weiße Zwerge kühlen langsam ab. Ein Planet in der habitablen

 

Zone würde rund acht Milliarden Jahre bei Temperaturen zwischen denen von Mars und Venus verbringen. Das ist eine lange Zeit, in der es dort Wasser geben könnte."

Zehntausende Weißer Zwerge

Auch Abraham Loeb von der Havard-Universität und Dan Maoz von der Uni-versität Tel Aviv sind optimistisch: Ihre Modellrechnung legt nahe, dass mehrere der 500 erdnächsten Weißen Zwerge Planeten in der habitablen Zone beher-bergen.

„Es wäre möglich, solche Planeten mit Teleskopen auf der Erde aufzuspüren", sagt Agol. Bislang sind allerdings nur rund 10 000 Weiße Zwerge bekannt, was nach kosmischen Standards nicht viel ist. Agol schätzt aber, dass die aktuelle Himmelsdurchmusterung Gaia der euro-päischen Weltraumagentur ESA sowie das Large Synoptic Survey Telescope, das derzeit in Chile gebaut wird, Zehntausende von Weißen Zwergen ausfindig machen werden.

Zwar ist bislang noch kein Planet um einen Weißen Zwerg nachgewiesen worden, aber: „Es gibt definitiv Überreste von Planetensystemen", sagt Boris Gän-sicke, Astrophysiker an der britischen Universität Warwick. „Und Weiße Zwer- = ge eignen sich derzeit am besten, um etwas über die Zusammensetzung solcher Systeme herauszufinden."

Den ersten Hinweis auf derartige Über-reste fand Adriaan van Maanen schon vor . fast 100 Jahren. Der niederländische For-scher ist in der Astronomiegeschichte alsPechvogel bekannt: Anfang des 20. Jahrhunderts tobte eine heftige Debatte, ob helle Spiralnebel wie der Andromeda-nebel Teil unserer Galaxie sind oder vielmehr eigenständige Sterneninseln. Unterstützung fanden die Vertreter der ersten Theorie in van Maanens Entfernungsberechnung der Spiralnebel. Doch später stellte sich heraus: Der Astronom hatte sich gründlich verrechnet, denn der An-dromedanebel ist eine extrem weit ent-fernte Spiralgalaxie.

Auch im Fall des Weißen Zwergs hatte van Maanen kein glückliches Händchen: 1917 untersuchte er den nach ihm benannten Van Maanens Stern, einen 14 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg im Sternbild Fische. Die charakteristischen Spektrallinien in seinem Licht, die von bestimmten chemischen Elementen stammen, sollten eigentlich nur Wasserstoff und Helium anzeigen. Denn alle schwereren Elemente müssten aufgrund der großen Schwerkraft des Zwergsterns innerhalb kürzester Zeit aus der Atmosphäre in sein Inneres sinken.

Doch Van Maanens Stern wies Spuren von Eisen, Kalzium und Magnesium auf. Sie können nicht von dem Weißen Zwerg beziehungsweise seinem Vorläuferstern

 

selbst stammen, sondern müssen von außen in seine Atmosphäre gelangt sein. Van Maanen konnte seinen Fund aller-dings nicht richtig einordnen, sondern hielt den Weißen Zwerg fälschlicherweise für einen gewöhnlichen Stern. Somit verpasste er die Chance, den ersten Beleg von fremden Planetensystemen zu er-kennen, lange bevor überhaupt ein Exo-planet nachgewiesen wurde — das gelang erst 1995.

Staub aus dem Trümmerfeld

Inzwischen kennen Astrophysiker • die „Verschmutzer" der Sternatmosphären: Die schweren Elemente stammen aus steinigen Trümmerfeldern ähnlich dem Planetoidengürtel unseres Sonnensystems. „Weiter außen gelegene Planeten stören die Bahnen dieser Asteroiden und schicken sie in die Richtung des Weißen Zwergs", erklärt Boris Gänsicke. „Wenn sie dem ausgebrannten Stern nahe genug kommen, werden sie durch die Gezeitenkräfte zerrissen und bilden eine Staubscheibe um den Weißen Zwerg, die unseren Teleskopen als zusätzliche Strahlung im Infrarotbereich erscheint." Dieses Material wird anschließend vom WeißenZwerg eingefangen, und Astronomen sehen dadurch zusätzliche Linien in seinem Lichtspektrum.

Zusammen mit Kollegen schätzte Gän-sicke 2014 die Häufigkeit solcher Trüm-merfelder ab. Dafür untersuchten die Astronomen mit dem Hubble-Weltraum-teleskop die Spektrallinien von 85 Weißen Zwergen mit einem Alter von 20 bis 200 Millionen Jahren. Das Ergebnis: Jeder vierte bis jeder zweite Weiße Zwerg hat Spuren von Metallen in der Atmosphäre. „Das weist auf die Akkretion von Planetoiden hin. Und das sind richtig große Gesteinsbrocken, die 10 oder 100 Kilometer messen", sagt Gänsicke (siehe Kasten oben „Ein Planet wird zerrissen").

Spuren fremder Zivilisationen?

Dieses Material liefert den Forschern Auf-schlüsse über die Zusammensetzung der Planetensysteme. Zwar ist ein einzelner Weißer Zwerg nur eine winzige Stichprobe. „Das ist so, als ob wir von einzelnen Meteoriten, wie wir sie zum Beispiel in der Sahara oder Antarktis finden, auf unser

 

ganzes Sonnensystem schließen wollten", sagt Gänsicke. Doch aus den bislang un-tersuchten Weißen Zwergen lassen sich durchaus Trends erkennen: „Insgesamt sind in fast allen Fällen Sauerstoff, Eisen, Silizium und Magnesium die Haupt-bestandteile — und aus diesen Elementen besteht auch das Gestein unserer Erde."

Ein spektakulärer Fund gelang Jay Farihi von der Universität Cambridge und Kollegen im Jahr 2013. Im Fachmagazin Science beschreiben sie den Nachweis eines Planetoiden, den der Weiße Zwerg GD 61 im Sternbild Perseus in rund 150 Lichtjahren Entfernung von der Erde zerfetzt hatte. Dieser Planetoid bestand wohl zu einem Viertel aus Wasser und ähnelte somit in seiner Zusammensetzung Ceres, dem größten Objekt im Planetoidengürtel unseres Sonnensystems. Demnach gab es in diesem System zumindest diejenige Zutat, die als unabdingbar für biologische Aktivität gilt: Wasser.

Bleibt die Frage: Könnten die Astronomen auch Spuren von vergangenen, vielleicht zerstörten Zivilisationen finden? „Im Prinzip schon", sagt Gänsicke, „wenn wir ein Element in einem Weißen Zwerg aufspüren, das in der Natur gar nicht oder sehr selten vorkommt, zum Beispiel Tech-netium. Aber das ist Science-Fiction."

 

 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.