Montag, 27. Juli 2015

Kritisches zu Facebook


Kritisches zu Facebook

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/5x0QK1avj7k

Es ist so, ,8 Milliarden Menschen weltweit nutzen so

ziale Medien. Allein beim Marktführer Facebook

sind über eine Milliarde Menschen angemeldet. 33 Millionen davon sind Deutsche, von denen jeder durchschnittlich rund 300 Freunde hat. Über den Kurznachrichtendienst Twitter werden täglich eine halbe Milliarde Tweets verschickt — jeder dreizehnte davon enthält Schimpfwörter. Soziale Netzwerke verbinden enge Freunde, flüchtige Bekannte, alte Schulfreunde, Geschäftskontakte und Familienmitglieder. Keine Frage, dass sie das Internet beeinflussen — aber gilt das auch für den Teil des Lebens, der sich offline abspielt? Zehn Jahre, nachdem das bislang erfolgreichste soziale Netzwerk Facebook online ge

gangen ist, ist es Zeit für eine Zwischenbilanz.

Dislike!

Warum Facebook unglücklich macht

Jeder siebte Erdenbürger ist beim sozialen Netzwerk Facebook aktiv und loggt sich zum Teil mehrmals täglich ein, um sich durch die Neuigkeiten seiner durchschnittlich 338 Freunde zu scrollen und vieles mit „Gefällt mir" zu garnieren. Da liegt die Vermutung nahe, dass die Nutzung von Facebook glücklich macht. Doch Ethan Kross widerspricht: „Wir haben herausgefunden, dass Menschen sich umso schlechter fühlen, je mehr Zeit sie in den Stunden zuvor auf Facebook verbracht haben."

Das Team um den Psychologen von der Universität Michigan ging der Sache auf den Grund. Zwei Wochen lang schickten die Forscher ihren Probanden fünfmal täg

 

lich eine SMS, in der sie sich nach deren Wohlbefinden erkundigten — mit Fragen wie: Wie fühlen Sie sich im Moment? Wie einsam fühlen Sie sich? Und eben auch: Wie viel Zeit haben Sie, seit wir Sie das letzte Mal gefragt haben, bei Facebook verbracht?

Das Ergebnis war eindeutig: Die Probanden waren nicht nur umso unglücklicher, je mehr Zeit sie bei Facebook investiert hatten. Sie waren auch mit ihrem Leben insgesamt unzufriedener. „Als wir die Studie begannen, hatten wir keine Ahnung, ob Facebook glücklich oder unglücklich macht", betont Kross. „Danach waren wir überrascht, wie einheitlich unsere Ergebnisse waren."

Den negativen Einfluss von Facebook auf das Wohlbefinden untermauert auch eine kürzlich erschienene Studie zweier österreichischer Psychologen. Sie fanden durch eine Befragung deutschsprachiger Nutzer heraus, dass diese umso schlechter gelaunt waren, je mehr Zeit sie zuvor auf Facebook verbracht hatten. Die Probanden schätzten Facebook im Vergleich zum allgemeinen Surfen im Netz als weniger sinnvoll, weniger nützlich und als größere Zeitverschwendung ein. Das Stimmungstief blieb hingegen aus, wenn sie lediglich im Internet surften, ohne sich dabei in sozialen Netzwerken zu bewegen.

Als Nächstes wollten die beiden Forscher wissen, warum sich viele Nutzer täglich bei Facebook einloggen, obwohl es sie augenscheinlich verstimmt. Schuld daran ist offenbar ein psychologisches Phänomen namens „affektiver Vorhersagefehler". Das bedeutet: Bei den Probanden hapert es mit der Selbsteinschätzung. Sie glauben, bevor sie auf Facebook gehen, anschließend glücklicher zu sein

obwohl tatsächlich genau das Gegenteil der Fall ist. Wie die Psychologen im Fachmagazin „Computers in Human Behavior" schreiben, ist die schlechte Selbsteinschätzung ein häufiger Fehler — den Millionen FacebookNutzer täglich begehen.

Aber ganz so einfach ist es nicht. „In diesen Studien wurde nur die Gesamtnutzungsdauer von Facebook betrachtet", erklärt die Psychologin Fenne große Deters von der Freien Universität Berlin. „Und darunter fallen ganz unterschiedliche Aspekte." Denn obwohl soziale Netzwerke sich rühmen, ihre Nutzer miteinander zu verbinden, verbringen diese weniger als zehn Prozent ihrer Zeit mit Kommunikation. Stattdessen lassen sie sich berieseln: Sie browsen durch den Newsfeed, schauen Fotos an oder spielen Videospiele. Fenne große Deters bat deshalb in einem Experiment ihre Probanden, eine Woche lang mehr StatusUpdates als gewöhnlich auf Facebook zu veröffentlichen —jene kurzen Nachrichten, die für alle Freunde sichtbar sind und von diesen kommentiert werden können. Zwar machte diese Aktivität die Probanden nicht glücklicher, aber sie fühlten sich weniger einsam als die Teilnehmer der Kontrollgruppe, die keine solche Anweisung erhalten hatten.

Überrascht war Fenne große Deters nicht: „Es ist bekannt, dass sich aktive Tätigkeiten positiv auf das Wohlbefinden auswirken, passive Tätigkeiten hingegen einen eher negativen Effekt haben." Soziale Medien generell als Stirnmungskiller abzustempeln, wäre also zu einfach — es kommt ganz darauf an, wie man sie nutzt.

 

OMG!

Zerstören soziale Medien unsere Sprache?

„ALOAH! Na Süße, wie geht's? War gestern TOLL mit dir! H.D.G.D.L., Jessi PS: Your like a baby! <: abi="" beachten="" ber="" bis="" dein="" den="" der="" deutscher="" die="" dieser="" du="" folgende="" frag="" freiheiten="" gegen="" genommen="" geschafft="" glich="" grammatikalische="" grenzen_los="" hast.="" hat="" heute="" horror="" ich="" liest="" mich="" nachrichten="" o:p="" ohne="" orthografische="" regeln="" relativ="" sich="" sms="" solche="" sprachbewahrer.="" stilistischen="" t="" twitter="" twitternachricht="" und="" verfasser="" verschickt.="" werden="" whatsapp="" wie="" xd="" zahm:="" zu="" zum="">

Da wundert es nicht, dass der Vorsitzende des Rates für deutsche Rechtschreibung, Hans Zehetmair, von „Fetzenliteratur" spricht — und mit diesem Urteil nicht alleine da steht. Laut einer repräsentativen Umfrage des Allensbacher Instituts von 2008 sind 65 Prozent der Deutschen der Meinung, dass die deutsche Sprache immer mehr verkommt. Auf Platz drei der Gründe nannten sie soziale Medien, sogar noch vor dem traditionellen Buhmann Fernsehkonsum. 48 Prozent der Sprachbesorgten denken, dass beim Austausch von SMS oder EMails wenig auf eine gute Ausdrucksweise geachtet wird. Die Frage liegt daher nahe: Verflacht die dahingeschluderte Kommunikation in sozialen Medien unsere Sprache?

„Das beantworte ich mit einem relativ starken Nein", sagt Peter Schlobinski. Der Sprachwissenschaftler von der Universität Hannover forscht seit Jahren zur computervermittelten Kommunikation. Laut Schlobinski lässt sich die Kommunikation via SMS, WhatsAppNachrichten, Tweets und Chats nur bedingt mit anderen Schriftformen wie Briefen, Aufsätzen oder Zeitungsartikeln vergleichen. „Schriftkommunikation ist in der Regel Kommunikation, bei der die Antwort des Partners versetzt erfolgt, zum Beispiel beim Schreiben eines Briefs. Beim Chatten kommunizieren aber beide Partner gleichzeitig miteinander und sind kognitiv im Zustand der Gesprächssituation." OnlineKommunikation genügt also eher den Ansprüchen von Gesprächen, die nicht durchdacht und strukturiert sind wie Festtagsreden.

So vernachlässigen Nutzer Grammatik und Rechtschreibung, ignorieren Groß und Kleinschreibung, bauen Smileys ein und verschicken Abkürzungen wie „ OMG" (Oh My God oder Oh Mein Gott) und „lol" (laughing out loud). „Die Auslassungen haben mit der Knappheit des Mediums zu tun", sagt Schlobinski. Bei Twitter sind nur 140 Zeichen erlaubt. Die Kommunikation über soziale Netzwerke hat auch einen positiven Aspekt: „Jugendliche schreiben viel mehr als noch vor 20 Jahren", sagt Schlobinski. Für einen Großteil der Alltagskommunikation tippt man heute auf der Tastatur, wo man früher zum Telefon griff.

Skeptiker könnte auch ein Blick in die Studien der Schweizer Sprachwissenschaftlerin Christa Dürscheid beruhigen. Sie wollte herausfinden, ob sich ein Einfluss von internetbasierten Kommunikationsformen auf den Sprachgebrauch in anderen Bereichen feststellen lässt —also ob Jugendliche verlernt haben, wie man richtig schreibt. Dafür verglichen Dürscheid und ihre Kollegen rund 1000 Aufsätze Schweizer Schüler mit deren Mitteilungen in sozialen Netzwerken. Das Ergebnis: Die Jugendlichen unterscheiden sehr wohl zwischen den unterschiedlichen Kommunikationsformen und Anforderungen und passen ihren Schreibstil entsprechend an.

Gleich getalctet

Welchen Einfluss haben OnlineFreunde?

Soziale Medien sind in dem Sinn ansteckend, dass uns Freunde dort genauso beeinflussen wie Menschen, mit denen wir nichtvirtuell kommunizieren. So können uns Freunde auf Facebook mit ihrer schlechten Laune sogar den Tag vermiesen. Wie genau die „emotionale Ansteckung" über OnlineKontakte funktioniert, hat ein Team amerikanischer Wissenschaftler untersucht. Facebook stellte die nötigen Daten zur Verfügung, um die Frage zu beantworten: Beeinflusst ein Regentag nicht nur die Stimmung eines Nutzers, sondern auch die seiner Freunde, die bei herrlichem Sonnenschein in einer anderen Stadt vor dem Bildschirm sitzen?

Die Forscher beobachteten die StatusUpdates über einen Zeitraum von drei Jahren in den 100 einwohnerstärksten USamerikanischen Städten und werteten sie auf positive oder negative Emotionen hin aus. Dabei stellten sie unter anderem fest: An einem durchschnittlichen Re

 

gentag verringert sich der Anteil positiver Posts um 1,19 Prozent, und der negativer Posts erhöht sich um 1,16 Prozent. Dass das kein großer Unterschied ist, geben die Forscher zu. Aber ihnen ging es vor allem darum, ob sich diese Posts auf die Freunde der Betroffenen auswirkten —und das taten sie. Jeder negative Post führte zu 1,29 mehr negativen Posts bei Freunden, und jeder positive Post sogar zu 1,75 mehr positiven Posts. Konkret heißt das: Ein Regentag in New York generierte durchschnittlich 1500 zusätzliche negative StatusUpdates von New Yorkern und weitere 700 negative Updates von Freunden, die in einer anderen Stadt lebten.

Insgesamt ergab die 100StädteStudie ein Verhältnis von indirekten zu direkten Posts von 1 zu 1,5. Bei einer Untersuchung der Mobilisierung von Wählern auf Facebook lag das Verhältnis sogar bei 1 zu 4. Das heißt, jede Person, die sich über Facebook dazu bekannte, zur Kongresswahl zu gehen, mobilisierte vier weitere Wähler (siehe Interview „Unsere Freunde werden uns immer ähnlicher".

Demnach breiten sich Emotionen tatsächlich in sozialen Netzwerken aus. Sollten sich die Befunde bestätigen. hätte dies erhebliche Konsequenzen. Schließlich sind wir inzwischen global vernetzt. Dadurch sind weltweite Synchronisationseffekte denkbar. Man sollte vielleicht vorsichtig sein, wenn man die nächste Freundschaftsanfrage von einem Griesgram erhält.

Keine Panik!

Welche Gefahr geht wirklich von Cybermobbing aus?

Die Kommunikation in sozialen Medien hat auf jeden Fall ihre Schattenseiten: Vor allem Jugendliche werden im Netz leicht Opfer von Cybermobbing. Statt im Klassenzimmer, auf dem Pausenhof oder an der Bushaltestelle traktiert zu werden, bekommen sie beleidigende oder bedrohliche Nachrichten. Die Täter machen sich über sie lustig oder verbreiten Gerüchte.

Die Öffentlichkeit reagiert besonders dann beunruhigt, wenn ein Teenager wegen Cybermobbing Selbstmord begeht, wie die 15jährige Kanadierin Amanda Todd. Sie veröffentlichte im September 2012 ein Video auf YouTube, in dem sie beschrieb, wie sie über ihre Webcam erpresst wurde, ihre Brüste zu entblößen. Als sie sich auf weitere Erpressungsversuche nicht einließ, wurden die Bilder an ihre Schulkameraden geschickt, und die Hetze über das Internet begann. Trotz mehrerer Umzüge und Schulwechsel nahm das Mobbing kein Ende, denn Amanda Todds Peiniger verfolgten das Mädchen online und verbreiteten die Bilder immer weiter. „Das ist glücklicherweise ein sehr seltener und dramatischer Fall", meint Sonja Perren von der Universität Konstanz. Die Psychologin hat mit 820 Schweizer Schülern eine sechsmonatige Studie durch

 

geführt, in der sie die Schüler zu traditionellem Mobbing und zu Cybermobbing befragte.

Perrens gute Nachricht: „Cybermobbing ist nur ein Drittel so häufig wie andere Mobbingformen." Viele internationale Studien ziehen den gleichen Schluss. Demnach sind rund fünf Prozent der Jugendlichen Opfer von Cybermobbing, das sich allerdings stark mit traditionellem Mobbing deckt: Ein Jugendlicher wird selten ausschließlich über das Internet gemobbt. Neun von zehn Cybertätern verfolgen ihre Opfer auch direkt. Den Ursprung hat Cybermobbing oft in der Schule. Die starke Überlappung lässt Wissenschaftler hoffen, dass Initiativen und Maßnahmen gegen traditionelles Mobbing auch gegen Cybermobbing wirken.

Faules Engagement

Wann bringt ein Klick nichts?

Im März 2012 erregte das „Kony2012"Video weltweit Aufmerksamkeit. Die Organisation „Invisible Children" hatte das knapp 30minütige Video produziert und damit die "Stop Kony"Kampagne gestartet. Deren Ziel war es, bis Ende 2012 den flüchtigen afrikanischen Kriegsverbrecher Joseph Kony weltweit bekannt zu machen, damit er noch innerhalb des Jahres gefasst würde. Bis heute wurde das Video über 99 Millionen Mal auf YouTube angeklickt. Einige Tage im März 2012 war es das beherrschende Thema im Internet.

Lässt sich mithilfe eines eindringlichen OnlineVideos die Welt zum Besseren verändern? Schon damals wurde

 

Kritik am Vorgehen von Invisible Children laut: Das Video Kony2012 befördere lediglich „Slacktivism" — frei übersetzt: „Aktivismus für Faule". Slacktivism ist die Bereitschaft, mit wenig Aufwand die Unterstützung für irgendetwas zu bekunden — etwa ein Video anzuschauen, eine OnlinePetition zu unterzeichnen oder der FacebookGruppe einer wohltätigen Organisation beizutreten.

Der kanadische Forscher Kirk Kristofferson von der Universität British Columbia hat das Phänomen des Slacktivism zusammen mit Kollegen in mehreren Studien untersucht und seine Ergebnisse kürzlich im Fachmagazin „Journal of Consumer Research" vorgestellt. Die Forscher hatten mehrere Szenarien offline sowie auf Facebook getestet. Zunächst baten sie die Probanden, einen guten Zweck mit wenig Aufwand zu unterstützen, etwa mit dem Beitritt zur FacebookGruppe einer wohltätigen Organisation. Anschließend forderten sie die Testpersonen auf, dieselbe Sache engagierter zu unterstützen  durch eine Geldspende etwa oder durch freiwilliges Engagement in der Organisation.

Dabei sorgte Kristofferson für zwei unterschiedliche Randbedingungen: Eine Gruppe machte ihre anfängliche Unterstützung öffentlich, ihr Beitritt zur FacebookGruppe war somit für alle Freunde sichtbar. Die zweite Gruppe äußerte ihre Unterstützung nur privat, der Beitritt war nicht sichtbar. Das Ergebnis war über alle Studien hinweg gleich: Probanden, deren anfängliche Unterstützung öffentlich erkennbar war, waren zu weniger tatsächlichem Engagement bereit als Probanden, deren Unterstützung ihre Privatsache blieb.

„Wenn jemand auf Facebook zum Beispiel etwas zur Unterstützung einer Kampagne gegen Brustkrebs schreibt, geschieht das sicher nicht nur, um vor anderen gut da zu stehen", sagt Kristofferson. „Aber er engagiert sich anschließend weniger, weil seine Motivation dafür bereits befriedigt wurde." Für NonprofitOrganisationen oder Kampagnen, die auf die tatkräftige Unterstützung von freiwilligen Helfern angewiesen sind, sieht der Forscher nur eine Chance: Sie sollten die Menschen darum bitten, die öffentlichen „Gefällt Mir"Buttons und inspirierenden FacebookNachrichten wegzulassen und sich stattdessen im Privaten zu engagieren.

Diese Erfahrung machten auch die „Stop Kony"Organisatoren: Sie riefen am 20. April 2012 zur Aktion „Cover the Night" auf, bei der die Unterstützer Flyer und Poster in ihrer Stadt verteilen sollten. Das Ergebnis war ernüchternd: In Brisbane kamen 200 Unterstützer zusammen, in Vancouver nur ganze 17. In den meisten Städten suchte man vergebens nach Postern der Kampagne  und Joseph Kony ist weiterhin auf freiem Fuß.

 

 

Vorsicht, ansteckend!

Verbreiten sich Daten im Netz wie echte Viren?

Neue Informationen  aber auch banale Katzenvideos durchdringen manchmal rasend schnell das Internet, und plötzlich spricht jeder darüber. Das liegt häufig auch daran, dass die klassischen Medien sie aufgreifen. Zum Beispiel bei der #aufschreiKampagne, die die Netzfeministin Anne Wizorek Anfang 2013 über den Kurznachrichtendienst Twitter startete: Auslöser für #aufschrei (sprich: Hashtag aufschrei) war Wizoreks Begegnung mit FDPPolitiker Rainer Brüderle. Die Kampagne, die sich gegen Sexismus richtete, zog innerhalb weniger Tage Zehntausende von Tweets nach sich und eine umfassende mediale Berichterstattung. Das führte schließlich zu einer öffentlichen Debatte über Sexismus im Alltag.

Eine derartige Streuung geschieht über Videos, Fotos, Artikel oder sogenannte Hashtags auf Twitter  Schlagwörter mit vorangestelltem Doppelkreuz, die den Inhalt eines Tweets nennen. Nicht nur Forscher interessieren sich für diese „virale" Verbreitung, auch Unternehmen und deren Marketingabteilungen wollen herausfinden, wann genau etwas im Internet beliebt wird, und somit innerhalb kurzer Zeit ein großes Publikum erreicht.

Forscher machen dazu sogenannte Netzwerkanalysen. Darin werden Nutzer als Kr.,:tenpunkte dargestellt, die miteinander ved.s=.den sind. Bei der Analyse der so entstehen. Netze fanden Forscher heraus, dass es P2zzle

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Internet und der Ausbreitung ans:e..zimme Krankheiten gibt. „Wenn etwas

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ist es egal, ob es sich um die Grippe cx Information handelt", sagt Manut: ranz, Informatiker an der Aufmimme sität Madrid. „Beides erreiraii zentralen Knotenpunkte. Je m2tr mand kennt, desto wahrsz"..

er sich mit einer Grippedas genauso: Je mehr OnlineKontakte jemand  hat, desto wahrscheinlicher ist es, dass er neue OnlineTrends frühzeitig mitbekommt und sie weiter verbreitet.

GarciaHerranz und seine Kollegen untersuchten, wie sich solche ansteckenden Ausbrüche in sozialen Netzwerken frühzeitig aufspüren lassen. Dafür griffen sie auf mehr als eine halbe Milliarde Tweets von 40 Millionen Nutzern zurück. Als Einheit der Information verwendeten sie einzelne Hashtags und verfolgten deren zeitliche Ausbreitung durch das soziale Netzwerk.

Da Analysen des gesamten Netzwerks aufgrund der riesigen Datenmengen unmöglich sind, behalf sich GarciaHerranz mit einem Trick, der auf dem sogenannten Freundschaftsparadoxon basiert. Das besagt: Im Durchschnitt haben deine Freunde mehr Freunde als du selbst. Die simple Erklärung lautet: Man freundet sich lieber mit Menschen an, die viele Freunde haben.

Um eine Stichprobe der zentralen Knotenpunkte zu erhalten, wählte GarciaHerranz zunächst zufällig 50 000 Nutzer aus. Dann suchte er von diesen Nutzern jeweils einen Freund willkürlich heraus. Auf diese Weise erhielt er die sogenannte Sensorgruppe. Anschließend verglich er die Tweets dieser Nutzer mit denen einer zufälligen Stichprobe. Es zeigte sich, dass die Sensorgruppe die relevanten Hashtags durchweg früher benutzte als die Kontrollgruppe. In manchen Fällen betrug der Zeitunterschied zwar nur wenige Stunden, teilweise aber auch 20 Tage.

 

Dieses Muster stimmt mit der Ausbreitung von ansteckenden Krankheiten überein. 2009 hatten Wissenschaftler von der Universität Harvard das Ausbreitungsmuster eine Grippewelle unter Studenten untersucht. Auch in diesem Fall lieferte die Sensorgruppe fast 14 Tage vor der Kontrollgruppe Hinweise auf die kommende Grippewelle. Vereinfacht gesagt: Jemand. der 5000 Freunde hat, fängt sich eher die Grippe ein, als jemand, der nur 5 Freunde hatGarciaHerranz sagt: „Am Anfang unserer Studie wollten wir herausfinden, ob die Informationskaskaden wie biologische Viruskaskaden funktionieren. Wir hatten erwartet, dass sie diesen nur ein_ bisschen ähneln würden. Doch was wir gefunden haben, sieht tatsächlich fast genauso aus." In Zukunft könnte mit dieser Methode eine Art Frühwarnsystem für virale Inhalte im Netz entstehen.. was nicht nur für das nächste lustige YouTubeVideo Relevanz hätte, sondern auch helfen könnte, globale Stimmungsschwankungen und Trends nachzuvollziehen. Eine große Einschränkung gibt es allerdings: „Wir können nicht anhand des Inhalts voraussagen, ob etwas viral wird", sagt GarciaHerranz. „Das ist mehr oder weniger zufällig."

Eine unglaubliche Geschichte: Die Nachricht vom tunesischen Straßenhändler Mohamed Bouazizi, der sich aus Protest gegen die Regierung selbst verbrannte und damit eine Protestwelle auslöste, schwappte von Tunesien nach Ägypten und verbreitete sich von dort in Nordafrika und dem Mittleren Osten. Die Infrastruktur dafür lieferten Twitter und Facebook. Proteste wurden über soziale Netzwerke organisiert und Bilder und Videos an den Massenmedien vorbei direkt in die Herzen der Protestler gespielt. Haben soziale Medien also eine ernstzunehmende politische Macht?

Erkenntnisse dazu lieferte eine Befragung von rund 1000 Demonstranten auf dem TahrirPlatz, kurz nachdem der ägyptische Präsident Hosni Mubarak zurückgetreten war. Über die Hälfte der Demonstranten hatte ein Konto bei Facebook, und viele von ihnen nutzten es auch, um Fotos und Videos von den Protesten in Umlauf zu bringen. Daraus schlossen die Autoren der Studie, dass soziale Netzwerke eine wichtige Rolle bei der Revolution gespielt hätten. Die hohe Produktion und Verbreitung der Inhalte, die ungefähr von der Hälfte der Befragten kam, zeigt, dass es für das Regime schwierig wurde, Informationen über die Proteste zu unterdrücken.

Aber das ist nicht immer so: Jürgen Pfeffer und Kathleen Carley von der Carnegie Mellon Universität untersuchten anhandvon Medienberichten, wie sich soziale Medien in den Arabischen Frühling einordnen lassen. Sie analysierten, wann welche Medien über die Proteste berichtet hatten und nutzten dafür Daten aus rund 700 Zeitungen in 18 Ländern und auch Tweets. Ihr Ergebnis: „Das Muster der Revolutionsausbreitung passt nicht zum Muster der Nutzung sozialer Medien." Auch der Politikwissenschaftler Phil Howard von der Universität Washington sagt: „Es hat keinen Sinn, beim Arabischen Frühling von Facebook oder TwitterRevolutionen zu sprechen." Trotzdem meint der Forscher: „Die Geschichte des Arabischen Frühlings lässt sich ohne den Beitrag der sozialen Medien kaum erzählen."

Howard und seine Kollegen haben ein entsprechendes Modell des Arabischen Frühlings erstellt. Darin nahmen sie alle 20 Länder auf, in denen die Mehrheit der Bevölkerung Muslime sind. Und sie bestimmten, inwiefern dort politische Proteste stattfanden und erfolgreich waren. Anschließend legten sie mehrere Faktoren fest, die maßgeblich den Erfolg von Protesten beeinflussen: zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt eines Landes, den Anteil an Jugendlichen, die Arbeitslosenquote und die Verbreitung des Internets. Keiner dieser Faktoren allein kann politische Proteste auslösen — aber das richtige Verhältnis mehrerer Faktoren schon.

„Der Arabische Frühling wurde nicht durch soziale Medien verursacht", sagt Howard. „Aber soziale Medien kombiniert mit einem hohen Anteil an jungen, arbeitslosen Bürgern in einem autoritären Regime, das schwerfällig reagiert, liefert die Erklärung für das, was in Nordafrika und im Mittleren Osten passiert ist." Facebook hat derzeit rund 1,2 Milliarden Nutzer. Das Unternehmen steht einsam an der Spitze der sozialen Netzwerke. Zum Vergleich: Während Facebook im Februar 2014 rund 509 Millionen Seitenaufrufe verzeichnete, wurde Google+ auf Platz 2 nur 31 Millionen Mal aufgerufen und Twitter 24,7 Millionen Mal. Bisher ging es für das Unternehmen stets nach oben.

Hinweise darauf, dass Facebooks Höhenflug nicht ewig währen könnte, liefert allerdings die Tatsache, dass einigen Jugendlichen die Lust auf das soziale Netzwerk vergangen ist: So verlor Facebook Ende 2013 den Status als beliebtestes soziales Netzwerk unter amerikanischen Jugendlichen an Twitter. Außerdem nutzen ein Viertel weniger USAme

 

rikaner im Alter von 13 bis 17 Jahre Facebook als noch vor drei Jahren. Auch die 17 bis 24Jährigen wenden sich al (siehe Grafik links). Und diejenigen, die im Netzwerk bleiben, loggen sich seltener ein.

Allerdings gibt es in allen Alterssegmenten jenseits der 25 Zuläufe: Vor allem bei den über 55Jährigen verzeichnet Facebook Zuwächse von über 80 Prozent. Und das mag auch ein Grund für die Abkehr der Jugend sein: Für Teenager ist Facebook weniger cool, seit sie Freundschaftsanfragen ihrer Eltern und Großeltern bekommen.

Dazu passen die Ergebnisse zweier Forscher der Universität Princeton, die die Nutzung sozialer Netzwerke mit dem Verlauf ansteckender Krankheiten verglichen: So wie man sich von einer Grippe erholt, verlässt man irgendwann auch ein soziales Netzwerk. Der Trend verstärkt sich, je mehr dem Netzwerk den Rücken kehren. Die Wissenschaftler erstellten ein entsprechendes Modell, das den Verlauf einer solchen „Epidemie" beschreibt. Als Gradmesser der Infektions und Erholungsrate verwendeten sie Daten von Suchmaschinen, also wie oft nach dem Begriff „Facebook" gesucht wurde, um die Seite anschließend im Browser aufzurufen.

Ein Test mit der inzwischen ziemlich verlassenen OnlinePlattform MySpace bestätigte die Aussagekraft des Modells. Dann war Facebook an der Reihe: Laut dem Modell hat das soziale Netzwerk seinen Höhepunkt bereits 2012 überschritten und wird in den kommenden Jahren rapide an Nutzern verlieren — bis 2017 nur noch 20 Prozent übrig sind.

Chance oder Bedrohung?

Obwohl Facebook vermutlich immer mehr an Popularität einbüßen wird und auch Twitter, Google+ oder WhatsApp nicht für die Ewigkeit gemacht sind, ist es unwahrscheinlich, dass soziale Medien aus dem Alltag wieder verschwinden werden. Schließlich haben auch andere Medien wie das Telefon und das Fernsehen überlebt. Die langfristigen Auswirkungen auf unser Leben sind allerdings schwer abzuschätzen. Klar ist: Ein Großteil des mitmenschlichen Austauschs, der früher auf dem Schulhof, am Küchentisch oder in der Kneipe zwischen Freunden, Bekannten und Verwandten stattfand, hat sich in eine elektronische Umgebung verlagert, wo die Kommunikation gespeichert wird und potenziell wiederverwertet und für wirtschaftliche Interessen genutzt werden kann. Ist das nun eine Chance oder eine Bedrohung — oder beides? •

 


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