Ausblick 2016 - Wendepunkte in Sicht
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/g2p9r4IXtSU
Die mehrjährigen`Trends bei Rohstoffen, Aktien der
Schwellenländer, der Inflation und womöglich sogar beim US-Dollar werden
unseres Erachtens 2016 auslaufen und könnten drehen - obwohl sich der lange
globale Zyklus niedrigen Wachstums und divergierender Notenbankpolitiken fortsetzen
dürfte. 2016 dürfte dennoch so starten, wie 2015 endete: Die Märkte machen sich
Gedanken über das Tempo der Zinserhöhungen der Fed, die anhaltende Lockerung
der EZB, den stärkeren US-Dollar sowie die geringe Unterstützung für
Schwellenländer und Rohstoffe, wobei Aktien der Industrieländer die
Anlageklasse der Wahl bleiben. Mit zunehmenden Anzeichen für einen deutlichen
Rückgang der US-Ölproduktion und in Anbetracht saisonal sinkender
Öllagerbestände sollten sich Schwellenländer-Anlagen stabilisieren und im
zweiten Halbjahr erholen. Angesichts nicht mehr fallender Roh¬stoffpreise und
Schwellenländer-Währungen dürfte die Inflation anziehen. Insgesamt scheinen die
Erträge für alle Anlageklassen begrenzt, wobei die Regionen- und
Währungsallokation weiterhin entscheidend ist.
Langer globaler Zyklus niedrigen Wachstums zieht sich in die
Länge
Es klingt langweilig, aber das weltweite Wachstum dürfte
weiter um 3 Prozent pendeln. Die globalen Ein-kaufsmanagerindizes für das
verarbeitende Gewerbe haben sich abgeschwächt, die Indikatoren für den
wichtigeren Dienstleistungssektor bleiben indes güns¬tig, und die globale
Geldpolitik dürfte trotz der ersten Zinserhöhungen in den USA und
Großbritannien weiter locker bleiben. Unsere Volkswirte erwarten, dass das
globale Wachstum 2016 marginal auf 3,1 Prozent an-zieht, von 2,9 Prozent 2015.
Dieses Muster passt gut zu unserer Überzeugung, dass dieser Zyklus
außer-gewöhnlich lang sein wird - wesentlich länger als die Durchschnittsdauer
globaler Wachstumszyklen von 7,7 Jahren der letzten ca. 60 Jahre. Obwohl er
2016 ins neunte Jahr eintritt, neigt sich der aktuelle Zyklus unseres Erachtens
immer noch nicht dem Ende oder einem späten Zyklusmittestadium zu.
Das globale Niedrigwachstumsumfeld und die diver-gierenden
Notenbankpolitiken bleiben ein zentrales
Thema der Märkte. 2016 dürfte aber dennoch einige
Überraschungen bereithalten und könnte für viele mehr-jährige Trends des
aktuellen Zyklus einen zentralen Wendepunkt darstellen. Das neue Jahr dürfte
unseres Erachtens weitgehend so starten, wie das alte endete: Die Märkte machen
sich insbesondere Gedanken über das Tempo der geldpolitischen Straffung in den
USA und den Zeitpunkt der nächsten Zinserhöhung. Zudem steht die anhaltende
Lockerung der EZB im Fokus, während Schwellenländer-Anlagen und Rohstoffe
weiterhin ein schwieriges Thema bleiben. Industrieländer-Aktien sehen wir als
Anlageklasse der ersten Wahl. Ab dem zweiten Quartal dürfte jedoch ein Wandel
einsetzen. Nach zwei oder drei quartalsmäßigen Zinserhöhungen in Folge könnte
die Fed zunehmend Schwierigkeiten haben, den Markt zu überzeugen, dass erstens
ein behutsamer Zinserhöhungszyklus und zweitens kein Automatismus zu erwarten
ist. Dann dürfte der Euro/ US-Dollar-Wechselkurs Richtung Parität (Verhältnis
von 1:1) sinken, während zinssensitive Assets, Rohstoffe und
Schwellenländer-Anlagen leiden. Folglich dürfte
die Fed eine Pause einlegen, was den USD schwächen sollte.
Kommen vermehrte Anzeichen eines deutlichen Rückgangs der US-Ölproduktion
so-wie eine Reduzie¬rung der Öllagerbestände durch die Fahrsaison hinzu,
dürften sich Rohstoffe und Schwellenländer-Positionen stabilisieren und könnten
sich im zweiten Halbjahr er-holen. Fallen die disinflationären Effekte
fallender Roh-stoffpreise und der deutlichen Abwertung der Schwellen-länder-Währungen
weg, dürfte die realisierte Inflation schließlich steigen, während sich der
globale Zyklus niedrigen Wachstums weiter in die Länge zieht. Gegen Jahresende
dürften die Anleihenrenditen wieder an¬ziehen und die US-Zinserhöhungen fortgesetzt
werden. 2016 könnte sich dennoch als Wendepunkt für Roh¬stoffe,
Schwellenländer-Aktien, Inflation und den Euro/ US-Dollar-Wechselkurs erweisen,
da einige mehrjährige Abwärtstrends zumindest auslaufen. Die erwarteten Erträge
für alle Assetklassen insgesamt sollten mindes-tens so begrenzt wie die 2015
realisierten sein (siehe Grafik 1), wahrscheinlich jedoch mit geringeren
Mehr-erträgen für Anleger aus dem Euroraum, da der Euro in 2016 weniger als in
2015 abwerten sollte. Die Allokation in Regionen und Währungen ist weiterhin
entscheidend.
SIEBEN KERNAUSSAGEN FÜR 2016
1. Der globale Zyklus niedrigen Wachstums geht weiter; nach
vierjährigem Rückgang stabilisiert sich der Wachstumsvorteil der
Schwellenländer
Das globale Wachstum dürfte weiter um 3 Prozent pendeln. Die
globalen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe haben sich
abgeschwächt, die Indikatoren für den zunehmend wichtigeren
Dienst-leistungssektor sind jedoch weiter günstig. Unsere Volkswirte
prognostizieren für 2016 eine Zunahme des globalen Wachstums auf 3,1 Prozent.
Da das Wachstum in den Schwellenländern nicht mehr sinkt, weil eine
Stabilisierung der Rohstoffexporteure die anhaltende Abschwächung im übrigen
Teil der Schwellenländer, vor allem in China, aufwiegen dürfte, sollte sich der
Wachs-tumsvorteil der Schwellenländer stabilisieren, nachdem er vier Jahre in
Folge geschrumpft ist. Das globale Um-feld niedrigen Wachstums heizt die Zahl
und Intensität der geopolitischen und sozialen Spannungen weiter an.
TITELTHEMA
2. Die Inflationserwartungen
im Westen dürften steigen Die disinflationären Kräfte aus fallenden
Rohstoff¬preisen und abwertenden Schwellenländer-Währungen dürften angesichts
der Stabilisierung bei diesen beiden Faktoren abebben. Dadurch dürfte die
allmählich stei¬gende Inflation ohne Lebensmittel und Energie aus¬schlaggebend
für die Gesamtinflation sein, vor allem in den USA. Da die Rohstoffpreise im
zweiten Halbjahr 2016 sogar inflationär werden könnten, und die
Voll¬beschäftigung die Lohninflation in den USA entfacht, dürfte die Inflation
steigen und die Inflationserwartun¬gen anheizen.
3. Die globale
Liquiditätswelle der Notenbanken schwillt weiter an; die Zinsen dürften dennoch
steigen 2016 wird die stärkste Ausweitung der Bilanzen west¬licher
Zentralbanken seit 2011 bringen, da die EZB und die Bank of Japan (BoJ) ihr
Liquiditäts-Programm (Grafik 3) ausweiten bzw. erhöhen dürften und die Fed ihre
Reinvestition fällig werdender Anleihen vor Ende 2016 nicht einstellt. Das wird
die Assetpreise, wie etwa im historischen Vergleich nicht mehr sonderlich
niedrig, und die Zinserhöhungen der Fed und BoE dürften die Bewertungen in
beiden Regionen belasten. Wir erwarten daher nur eine begrenzte Erhöhung der
Bewertungs-kennzahlen, vornehmlich in der Eurozone und Japan. Anfang 2016
sollten Aktien zudem von der typischer-weise günstigen Saisonalität
profitieren.
6. REITs
(Immobilienaktien) erzielen positive Erträge, sollten aber schlechter als
Aktien abschneiden Angesichts der Zentralbankunterstützung in der Eurozone und
Japan und wahrscheinlich nur graduell steigender Renditen in den USA dürften
sich REITs auf absoluter Basis ebenfalls gut entwickeln. Doch die überzogenen
Bewertungen (relativ zu Aktien), ins-besondere in den USA und Europa, und der
erwartete Anstieg der »Sicherer Hafen«-Renditen, der die Finan-zierungskosten
von stärker fremdfinanzierten REITs erhöht und die Renditejagd verringert,
sollten für ein schlechteres Abschneiden von REITs gegenüber Aktien sorgen. Die
Verflachung der US-Renditekurve, die in der Vergangenheit unterstützend wirkte,
dürfte nicht ausreichen, um das zu ändern. Die regionale Positionie-rung wird
weiter von zentraler Bedeutung sein. US-REITs werden wohl unter steigenden
US-Renditen leiden. REITs aus der Eurozone und Japan dürften hingegen von der anhaltenden
quantitativen Lockerung und der Rendite-jagd profitieren, In Deutschland
sollten auch die stei-genden Immobilienpreise für Unterstützung sorgen.
7. Rohstoffe
finden nach wie vor keine breite Unter-stützung, dürften sich im späteren
Jahresverlauf aber stabilisieren und sogar erholen
Das verhaltene globale Wachstum, das rückläufige Wachstum
der rohstoffimportierenden Schwellenländer, die begrenzte Inflation, die
US-Dollar-Aufwertung und das globale Überangebot dürften die Rohstoffpreise
zumindest im ersten Halbjahr 2016 belasten. Die stei-gende globale Ölnachfrage
wird nicht ausreichen, um das aktuelle Überangebot der nächsten zwölf Monate zu
absorbieren, ganz zu schweigen vom Zusatzangebot aus dem Iran. Nur wenn die
US-Ölproduktion stark sinkt, sollte Aussicht auf ein ausgewogeneres Ange-
TITELTHEMA
bot-Nachfrage-Verhältnis bestehen. In den letzten Mo-naten
stagnierte der Rückgang der US-Ölproduktion insgesamt. Die Schieferölförderung
sank jedoch weiter und lässt hoffen, dass sich der Rückgang der
US-Öl-produktion fortsetzt. Bis überzeugende Anzeichen da¬für zu erkennen sind,
wird es noch einige Zeit dauern. Derweil ist die aktuelle Saisonalität
ungünstig (die Lager-bestände steigen tendenziell in den Wintermonaten bis
April) und die Konstellation der Öl-Terminkontrakte führt zu beträchtlichen
Rollverlusten. Anleger dürften daher nicht zu schnell zu optimistisch werden.
Doch obwohl das Aufwärtspotenzial für Öl begrenzt ist, weil die
Schieferölproduzenten bei zu stark steigenden Öl¬preisen ihre Produktion
erhöhen, sehen wir letztlich Chancen, dass Rohstoffe 2016 relativ positiv im
Asset-klassenvergleich abschneiden.
Was könnte schiefgehen?
Rohstoffe könnten 2016 weiter fallen, etwa weil die
US-Ölproduktion nicht genügend sinkt.
Das Wachstum der Schwellenländer geht weiter zurück, z.B.
weil Rohstoffe weiter nachgeben oder Chinas Wachstum deutlicher sinkt.
Das Wachstum und die Inflation in den USA steigen schneller
und zwingen die Fed zu aggressiveren Zinserhöhungen.
Der ISIS-Konflikt verschärft sich, Terroranschläge belasten
die Verbraucherstimmung weltweit.
Die Eurozonenkrise flammt wieder auf.
Und die europäische Disintegration nimmt zu.
Die Inflation steigt nicht, und die Märkte verlieren ihr
Vertrauen in das Arsenal der Notenbanken.
Der Fed-Zinserhöhungszyklus startet holprig. Empfehlungen
für die Portfoliostruktur
Für das Jahr 2016 sind wir zunächst risikofreudig posi-
tioniert. Da die erste
Zinserhöhung der Fed jetzt
hinter uns liegt, starkes
Potenzial für eine Umschich-
tung von Geldmarktanlagen in Aktien besteht, die positive Saisonalität zu Jahresbeginn
unterstützend
wirkt und weder
Einzelinvestoren noch Fondsbranche
extrem in Aktien positioniert sind, haben wir Aktien
zulasten von Staatsanleihen übergewichtet. Wir sind in Industrieländer-Aktien
um 9 Prozentpunkte (neutral in Schwellenländer-Aktien), in Unternehmensanleihen
um 3 Prozentpunkte (mit regionalem Eurozone-Fokus) und in REITs um 1
Prozentpunkt übergewichtet positioniert. Dem steht eine Untergewichtung von
Staatsanleihen um 9 Prozentpunkte und Kasse um 4 Prozentpunkte gegenüber. Bei
Rohstoffen sind wir vorsichtig und bleiben vorerst neutral gewichtet, da sowohl
erhebliche Abwärtsrisiken (z.B. durch das globale Überschuss¬angebot) als auch
deutliche Aufwärtsrisiken (z.B. durch eine Neueinschätzung des Rohstoffmarkts
und den damit einhergehenden Portfolioumschichtungen) be¬stehen
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