Mittwoch, 6. Januar 2016

Ausblick 2016 - Wendepunkte in Sicht


Ausblick 2016 - Wendepunkte in Sicht

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/g2p9r4IXtSU

Die mehrjährigen`Trends bei Rohstoffen, Aktien der Schwellenländer, der Inflation und womöglich sogar beim US-Dollar werden unseres Erachtens 2016 auslaufen und könnten drehen - obwohl sich der lange globale Zyklus niedrigen Wachstums und divergierender Notenbankpolitiken fortsetzen dürfte. 2016 dürfte dennoch so starten, wie 2015 endete: Die Märkte machen sich Gedanken über das Tempo der Zinserhöhungen der Fed, die anhaltende Lockerung der EZB, den stärkeren US-Dollar sowie die geringe Unterstützung für Schwellenländer und Rohstoffe, wobei Aktien der Industrieländer die Anlageklasse der Wahl bleiben. Mit zunehmenden Anzeichen für einen deutlichen Rückgang der US-Ölproduktion und in Anbetracht saisonal sinkender Öllagerbestände sollten sich Schwellenländer-Anlagen stabilisieren und im zweiten Halbjahr erholen. Angesichts nicht mehr fallender Roh¬stoffpreise und Schwellenländer-Währungen dürfte die Inflation anziehen. Insgesamt scheinen die Erträge für alle Anlageklassen begrenzt, wobei die Regionen- und Währungsallokation weiterhin entscheidend ist.

Langer globaler Zyklus niedrigen Wachstums zieht sich in die Länge

Es klingt langweilig, aber das weltweite Wachstum dürfte weiter um 3 Prozent pendeln. Die globalen Ein-kaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe haben sich abgeschwächt, die Indikatoren für den wichtigeren Dienstleistungssektor bleiben indes güns¬tig, und die globale Geldpolitik dürfte trotz der ersten Zinserhöhungen in den USA und Großbritannien weiter locker bleiben. Unsere Volkswirte erwarten, dass das globale Wachstum 2016 marginal auf 3,1 Prozent an-zieht, von 2,9 Prozent 2015. Dieses Muster passt gut zu unserer Überzeugung, dass dieser Zyklus außer-gewöhnlich lang sein wird - wesentlich länger als die Durchschnittsdauer globaler Wachstumszyklen von 7,7 Jahren der letzten ca. 60 Jahre. Obwohl er 2016 ins neunte Jahr eintritt, neigt sich der aktuelle Zyklus unseres Erachtens immer noch nicht dem Ende oder einem späten Zyklusmittestadium zu.

Das globale Niedrigwachstumsumfeld und die diver-gierenden Notenbankpolitiken bleiben ein zentrales

 

Thema der Märkte. 2016 dürfte aber dennoch einige Überraschungen bereithalten und könnte für viele mehr-jährige Trends des aktuellen Zyklus einen zentralen Wendepunkt darstellen. Das neue Jahr dürfte unseres Erachtens weitgehend so starten, wie das alte endete: Die Märkte machen sich insbesondere Gedanken über das Tempo der geldpolitischen Straffung in den USA und den Zeitpunkt der nächsten Zinserhöhung. Zudem steht die anhaltende Lockerung der EZB im Fokus, während Schwellenländer-Anlagen und Rohstoffe weiterhin ein schwieriges Thema bleiben. Industrieländer-Aktien sehen wir als Anlageklasse der ersten Wahl. Ab dem zweiten Quartal dürfte jedoch ein Wandel einsetzen. Nach zwei oder drei quartalsmäßigen Zinserhöhungen in Folge könnte die Fed zunehmend Schwierigkeiten haben, den Markt zu überzeugen, dass erstens ein behutsamer Zinserhöhungszyklus und zweitens kein Automatismus zu erwarten ist. Dann dürfte der Euro/ US-Dollar-Wechselkurs Richtung Parität (Verhältnis von 1:1) sinken, während zinssensitive Assets, Rohstoffe und Schwellenländer-Anlagen leiden. Folglich dürfte

die Fed eine Pause einlegen, was den USD schwächen sollte. Kommen vermehrte Anzeichen eines deutlichen Rückgangs der US-Ölproduktion so-wie eine Reduzie¬rung der Öllagerbestände durch die Fahrsaison hinzu, dürften sich Rohstoffe und Schwellenländer-Positionen stabilisieren und könnten sich im zweiten Halbjahr er-holen. Fallen die disinflationären Effekte fallender Roh-stoffpreise und der deutlichen Abwertung der Schwellen-länder-Währungen weg, dürfte die realisierte Inflation schließlich steigen, während sich der globale Zyklus niedrigen Wachstums weiter in die Länge zieht. Gegen Jahresende dürften die Anleihenrenditen wieder an¬ziehen und die US-Zinserhöhungen fortgesetzt werden. 2016 könnte sich dennoch als Wendepunkt für Roh¬stoffe, Schwellenländer-Aktien, Inflation und den Euro/ US-Dollar-Wechselkurs erweisen, da einige mehrjährige Abwärtstrends zumindest auslaufen. Die erwarteten Erträge für alle Assetklassen insgesamt sollten mindes-tens so begrenzt wie die 2015 realisierten sein (siehe Grafik 1), wahrscheinlich jedoch mit geringeren Mehr-erträgen für Anleger aus dem Euroraum, da der Euro in 2016 weniger als in 2015 abwerten sollte. Die Allokation in Regionen und Währungen ist weiterhin entscheidend.

SIEBEN KERNAUSSAGEN FÜR 2016

1. Der globale Zyklus niedrigen Wachstums geht weiter; nach vierjährigem Rückgang stabilisiert sich der Wachstumsvorteil der Schwellenländer

Das globale Wachstum dürfte weiter um 3 Prozent pendeln. Die globalen Einkaufsmanagerindizes für das verarbeitende Gewerbe haben sich abgeschwächt, die Indikatoren für den zunehmend wichtigeren Dienst-leistungssektor sind jedoch weiter günstig. Unsere Volkswirte prognostizieren für 2016 eine Zunahme des globalen Wachstums auf 3,1 Prozent. Da das Wachstum in den Schwellenländern nicht mehr sinkt, weil eine Stabilisierung der Rohstoffexporteure die anhaltende Abschwächung im übrigen Teil der Schwellenländer, vor allem in China, aufwiegen dürfte, sollte sich der Wachs-tumsvorteil der Schwellenländer stabilisieren, nachdem er vier Jahre in Folge geschrumpft ist. Das globale Um-feld niedrigen Wachstums heizt die Zahl und Intensität der geopolitischen und sozialen Spannungen weiter an.

 

TITELTHEMA

2.        Die Inflationserwartungen im Westen dürften steigen Die disinflationären Kräfte aus fallenden Rohstoff¬preisen und abwertenden Schwellenländer-Währungen dürften angesichts der Stabilisierung bei diesen beiden Faktoren abebben. Dadurch dürfte die allmählich stei¬gende Inflation ohne Lebensmittel und Energie aus¬schlaggebend für die Gesamtinflation sein, vor allem in den USA. Da die Rohstoffpreise im zweiten Halbjahr 2016 sogar inflationär werden könnten, und die Voll¬beschäftigung die Lohninflation in den USA entfacht, dürfte die Inflation steigen und die Inflationserwartun¬gen anheizen.

3.        Die globale Liquiditätswelle der Notenbanken schwillt weiter an; die Zinsen dürften dennoch steigen 2016 wird die stärkste Ausweitung der Bilanzen west¬licher Zentralbanken seit 2011 bringen, da die EZB und die Bank of Japan (BoJ) ihr Liquiditäts-Programm (Grafik 3) ausweiten bzw. erhöhen dürften und die Fed ihre Reinvestition fällig werdender Anleihen vor Ende 2016 nicht einstellt. Das wird die Assetpreise, wie etwa im historischen Vergleich nicht mehr sonderlich niedrig, und die Zinserhöhungen der Fed und BoE dürften die Bewertungen in beiden Regionen belasten. Wir erwarten daher nur eine begrenzte Erhöhung der Bewertungs-kennzahlen, vornehmlich in der Eurozone und Japan. Anfang 2016 sollten Aktien zudem von der typischer-weise günstigen Saisonalität profitieren.

6.        REITs (Immobilienaktien) erzielen positive Erträge, sollten aber schlechter als Aktien abschneiden Angesichts der Zentralbankunterstützung in der Eurozone und Japan und wahrscheinlich nur graduell steigender Renditen in den USA dürften sich REITs auf absoluter Basis ebenfalls gut entwickeln. Doch die überzogenen Bewertungen (relativ zu Aktien), ins-besondere in den USA und Europa, und der erwartete Anstieg der »Sicherer Hafen«-Renditen, der die Finan-zierungskosten von stärker fremdfinanzierten REITs erhöht und die Renditejagd verringert, sollten für ein schlechteres Abschneiden von REITs gegenüber Aktien sorgen. Die Verflachung der US-Renditekurve, die in der Vergangenheit unterstützend wirkte, dürfte nicht ausreichen, um das zu ändern. Die regionale Positionie-rung wird weiter von zentraler Bedeutung sein. US-REITs werden wohl unter steigenden US-Renditen leiden. REITs aus der Eurozone und Japan dürften hingegen von der anhaltenden quantitativen Lockerung und der Rendite-jagd profitieren, In Deutschland sollten auch die stei-genden Immobilienpreise für Unterstützung sorgen.

7.        Rohstoffe finden nach wie vor keine breite Unter-stützung, dürften sich im späteren Jahresverlauf aber stabilisieren und sogar erholen

Das verhaltene globale Wachstum, das rückläufige Wachstum der rohstoffimportierenden Schwellenländer, die begrenzte Inflation, die US-Dollar-Aufwertung und das globale Überangebot dürften die Rohstoffpreise zumindest im ersten Halbjahr 2016 belasten. Die stei-gende globale Ölnachfrage wird nicht ausreichen, um das aktuelle Überangebot der nächsten zwölf Monate zu absorbieren, ganz zu schweigen vom Zusatzangebot aus dem Iran. Nur wenn die US-Ölproduktion stark sinkt, sollte Aussicht auf ein ausgewogeneres Ange-

 

TITELTHEMA

bot-Nachfrage-Verhältnis bestehen. In den letzten Mo-naten stagnierte der Rückgang der US-Ölproduktion insgesamt. Die Schieferölförderung sank jedoch weiter und lässt hoffen, dass sich der Rückgang der US-Öl-produktion fortsetzt. Bis überzeugende Anzeichen da¬für zu erkennen sind, wird es noch einige Zeit dauern. Derweil ist die aktuelle Saisonalität ungünstig (die Lager-bestände steigen tendenziell in den Wintermonaten bis April) und die Konstellation der Öl-Terminkontrakte führt zu beträchtlichen Rollverlusten. Anleger dürften daher nicht zu schnell zu optimistisch werden. Doch obwohl das Aufwärtspotenzial für Öl begrenzt ist, weil die Schieferölproduzenten bei zu stark steigenden Öl¬preisen ihre Produktion erhöhen, sehen wir letztlich Chancen, dass Rohstoffe 2016 relativ positiv im Asset-klassenvergleich abschneiden.

Was könnte schiefgehen?

Rohstoffe könnten 2016 weiter fallen, etwa weil die US-Ölproduktion nicht genügend sinkt.

Das Wachstum der Schwellenländer geht weiter zurück, z.B. weil Rohstoffe weiter nachgeben oder Chinas Wachstum deutlicher sinkt.

Das Wachstum und die Inflation in den USA steigen schneller und zwingen die Fed zu aggressiveren Zinserhöhungen.

Der ISIS-Konflikt verschärft sich, Terroranschläge belasten die Verbraucherstimmung weltweit.

Die Eurozonenkrise flammt wieder auf.

Und die europäische Disintegration nimmt zu.

Die Inflation steigt nicht, und die Märkte verlieren ihr Vertrauen in das Arsenal der Notenbanken.

Der Fed-Zinserhöhungszyklus startet holprig. Empfehlungen für die Portfoliostruktur

Für das Jahr 2016 sind wir zunächst risikofreudig posi-

tioniert. Da die erste Zinserhöhung der Fed jetzt

hinter uns liegt,    starkes Potenzial für eine Umschich-

tung von Geldmarktanlagen in Aktien besteht,   die positive Saisonalität zu Jahresbeginn unterstützend

wirkt und     weder Einzelinvestoren noch Fondsbranche

extrem in Aktien positioniert sind, haben wir Aktien zulasten von Staatsanleihen übergewichtet. Wir sind in Industrieländer-Aktien um 9 Prozentpunkte (neutral in Schwellenländer-Aktien), in Unternehmensanleihen um 3 Prozentpunkte (mit regionalem Eurozone-Fokus) und in REITs um 1 Prozentpunkt übergewichtet positioniert. Dem steht eine Untergewichtung von Staatsanleihen um 9 Prozentpunkte und Kasse um 4 Prozentpunkte gegenüber. Bei Rohstoffen sind wir vorsichtig und bleiben vorerst neutral gewichtet, da sowohl erhebliche Abwärtsrisiken (z.B. durch das globale Überschuss¬angebot) als auch deutliche Aufwärtsrisiken (z.B. durch eine Neueinschätzung des Rohstoffmarkts und den damit einhergehenden Portfolioumschichtungen) be¬stehen

 

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