Im Bann niedriger Energiepreise
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/0jrq3awimVA
Im Bann der niedrigen Energiepreise
Wie nur wenige Länder leidet Russland unter der anhaltenden
Talfahrt bei Rohöl, Erdgas und anderen Rohstoffen. Die Wirtschaftsleistung
schrumpft in diesem Jahr. Die Inflation ist hoch. Der russische Rubel hat auf
Sicht von zwei Jahren gegenüber Euro und Dollar massiv an Wert verloren.
Moskaus Aktienmarkt befindet sich in einem mehrjährigen Abwärtstrend. Eine
Bestandsaufnahme.
Vieles hängt am Öl. Der wertvolle Rohstoff beeinflusst nicht
nur die Gewinn- und Verlustrechnungen von Unternehmen, sondern auch die
Portemonnaies der privaten Verbraucher. Der Preisrück¬gang des „schwarzen
Goldes" dauert nun schon etwa eineinhalb Jahre an. Seither freuen sich Firmen
über rückläufige Kosten. Pri¬vate Haushalte ebenso. Ausgaben für Benzin oder
Diesel und auch Heizkosten, die jahrelang scheinbar nur den Weg nach oben
kannten, gestalten sich seit geraumer Zeit deutlich moderater.
Was Unternehmen und Verbraucher mit Freude registrieren,
wird für Öl- und Gasförderländer zunehmend zum Problem. Die roh-stoffreichen
Nationen, die jahrelang von der Hausse der Energie¬träger profitierten, leiden
nun unter dem Preisverfall.
DEM ÖLPREIS FOLGEND
Zum Beispiel Russland. In diesem Jahr wird die
Wirtschaftsleistung im ehemaligen Zarenreich schrumpfen. Nach einem leichten
Plus von 0,6 Prozent im Jahr 2014 wird nach der Prognose des Inter¬nationalen
Währungsfonds (IWF) das Bruttoinlandsprodukt in diesem Jahr um 3,8 Prozent
fallen. 2016 wird das BIP dem IWF zufolge nochmals 0,6 Prozent kleiner
ausfallen. Hinzu kommt, dass die Inflationsrate nach IWF-Schätzungen in diesem
Jahr auf mehr als 15 Prozent steigen wird.
Einer Rezession sah sich Russland schon lange nicht mehr
gegenŸber. Seit 1998, dem Jahr der Russland-Krise, stieg die
Wirtschafts¬leistung abgesehen von einer Ausnahme jedes Jahr an. Lediglich
2009, im Jahr nach dem Höhepunkt der Finanzkrise, sank das russische BIP. Das
Bruttoinlandsprodukt pro Kopf hatte sich von 1999 bis 2013 von rund 1.300
Dollar auf etwa 14.500 Dollar mehr als verzehnfacht. Seither war es auf
Dollarbasis klar rückläufig, wegen der Rezession und des schwächer werdenden
Rubels.
Die von großen Rohstoffunternehmen wie Gazprom, Lukoil,
Rosneft oder Norilsk Nickel geprägte Wirtschaft hatte jahrelang von den höheren
Preisen für Energieträger und Industriemetalle profitiert. Entsprechend leiden
die Unternehmen nun unter den fallenden Grundstoffpreisen. Der Kursverlauf des
Russian Traded Index (RTX®) ist fast ein Spiegelbild der Charts bedeutender
Roh-stoffindizes.
In den vergangenen beiden Jahren zeigte der Euro/Rubel-Kurs
eine regelrechte Berg-und-Tal-Fahrt. Anfang Dezember pendelte sich der Kurs bei
etwa 71 Rubel ein.
Bisher hat sich die Wirtschaftsflaute erst leicht in steigender
Arbeits-losigkeit niedergeschlagen. Doch: „Zahlreiche Unternehmen haben
aufgrund des Abschwungs die Belegschaft reduziert, Löhne ge¬kürzt oder
Kurzarbeit bzw. unbezahlten Urlaub angeordnet", berichtet etwa das
Auswärtige Amt. Neben den niedrigen Energie¬preisen spielen bei dieser
Entwicklung auch die Sanktionen der Europäischen Union im Zuge des
Ukraine-Konflikts eine Rolle.
AKTIENMARKT UND WÄHRUNG
Sowohl Moskaus Aktienmarkt als auch der Rubel haben in den
vergangenen Jahren massiv an Wert eingebüßt. Der Abschwung begann schon vor dem
Ölpreisverfall, beschleunigte sich durch diesen aber zusätzlich. Nun stellt
sich die Frage, inwieweit Aktien¬markt und Währung die niedrigen Ölpreise schon
eingepreist hatten. Droht in den kommenden Monaten weiteres Ungemach —oder kann
sich Russlands Wirtschaft gerade durch den schwachen Rubel erholen?
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