Pantelleria Sizilien Reise SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Ein Reisebericht von D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/AXw77qZICzY
Auf Pantelleria schlafen die Vulkane tief. Deswegen können
Wanderfreunde und Individualtouristen hier auch Höhlensaunen und natürliche
Whirlpools genießen.
4 Ein Hauch
von Abenteuer ist das schon, wenn sich das kleine Flugzeug aus Palermo, Rom
oder Mailand dem 83 Quadratkilometer großen Inselchen nähert. Vor allem dann,
wenn es sei¬nem Namen gerecht wird und den Zwölfsitzer kräftig durchschüttelt:
„Bint al-arah" bedeutet im Arabischen „Insel der Winde". Die
Italiener ha¬ben später Pantelleria daraus gemacht.
Weiche Knie und strammer Wind
Gegen die strammen Böen muss ich mich stem-men, als ich aus
der Maschine steige. Mit weichen Knien wanke ich zum Flughafengebäude und
weiter zum Hoteltaxi. Der Fahrer wartet im Auto auf mich - deutet an, dass der
Wind nervt, und bringt mich über viele Serpentinen dem tiefblau¬en Meer näher,
auf dessen Wellenbergen Schaum
tanzt. Und zu meinem Hotel im Hauptort. Pan-telleria ist rau
und schroff. Die dunkle Farbe des Wassers um die Insel mahnt mehr die Kraft der
großen Ozeane, als dass es die Leichtigkeit des Mittelmeers verspricht.
Strände gibt es nicht - ins Meer gelangt man über Felsen.
Meine Lieblingsbadestelle habe ich auf ei¬ner meiner Wanderungen gefunden. Sie
ist ein Felsenbogen beim Fischerort Scauri, der aussieht wie ein Elefant, der
seinen Rüssel zum Trinken ins Wasser hält. Er ist aus Lavagestein. Wie alles
hier auf Pantelleria. Es ist in Mauern verbaut, die Felder einfassen. Als
Geröll liegt es über Hänge verteilt, dämmert schwarz und funkelt anthrazit und
silber und leuchtet in vielen Braun- und Rotschattierungen. Auch die Hausmauern
beste¬hen aus Lavasteinen und sind mit einem flachen Dach gedeckelt, das sich
in der Mitte ein wenig nach oben wölbt. Die Türen und Fenster dieser Dammusi -
so nennt man die für die Insel typi-
schen Häuser - sind weiß ummalt. Verschwen¬derisch üppige,
violettblühende Bougainvillea-büsche schmücken sie, bewahren die Häuser dort,
wo sie Hausmauern bedecken, davor, sich in der unbarmherzig sengenden
Mittagssonne aufzuheizen. Blühende Geranien- und Hibiskus-büsche brechen den
Wind. Manchmal wachsen sie so hoch, dass die einstöckigen kubischen Dammusi
dahinter versteckt liegen. Diese Gärten wirken wie Oasen in der wilden, vom
Wind ge-peitschten Landschaft.
Pantelleria liegt etwa auf der Höhe von Tunis, 70 Kilometer
vom tunesischen Festland und 100 Kilometer von Sizilien entfernt. Seiner Lage
wegen war die Insel immer schon umkämpft. Seit den Punischen Kriegen vor 1104
Jahren gehört es zu Rom und schließlich zu Italien. Im Zweiten Weltkrieg begann
hier mit der Operation „Cork-screw" der Angriff auf Mussolinis Italien. Er
hatte die Insel zur Festung ausgebaut. 6300 Tonnen
Bomben legten die Inselhauptstadt im Frühjahr 1943 fast
komplett in Schutt und Asche.
Pantelleria liegt über einem Meeresgraben, ent¬lang dem die
afrikanische Platte der europäischen extrem Druck macht. Etwa zwei Zentimeter
rü¬cken die beiden Kontinente jedes Jahr näher zu¬sammen. Die Folgen: Das
Mittelmeer wird kleiner und in Italien bebt immer wieder die Erde, um
entstandene Spannung abzubauen. Die Alpen südlich des Hauptkamms wachsen noch
immer. Geologen glauben, dass vor 300.000 Jahren erst¬mals Magma aus diesem
Graben kam. Stück für Stück erhob sich die Insel vom Meeresgrund und wuchs aus
dem Meer. Heute befinden sich die pantesischen Vulkane in einem Tiefschlaf.
Erloschen sind sie nicht. Deswegen können Tou¬risten sowohl das Schwitzbad in
der Höhlensauna von Monestero, als auch den natürlichen Whirl¬pool in der
Santariahöhle genießen, in der sich schon Kalypso mit Odysseus vergnügt haben
soll. Dort heizen unterirdische, vulkanisch dampfende Stellen Wasser und
Steine. Und am Lago Specchio di Venere reichem sie Schlamm mit Mineralien an,
die Haut und Haar guttun.
Sonnenschein und feuchte Luft
Natürlich muss man Pantelleria nicht zur Kur¬insel ausrufen,
um es sich hier gut gehen zu las¬sen. Die Wanderwege sind gut ausgeschildert.
Die Insel ist zwar wild, doch Sonnenschein und hohe Luftfeuchtigkeit helfen der
Vegetation. Was hier wächst, kommt in den Kochtopf. Eine Pantelleriadiät gibt
es noch nicht - aber das kann ja noch werden. Wenn, dann ist es eine Küche, die
das Beste aus Italien und dem Mahgreb ver¬eint. Kapern, Tomaten, Zwiebeln,
Petersilie, Zitronensaft und Couscous zu einer Variation
Kapern gehören zur Inselküche. Geerntet wird die
Blütenknospe des Buschs - je kleiner, desto besser.
des Tabbouleh. Kartoffeln, Paprika, Tomaten, Oliven, Kapern
und Oktopus zu einem pantelle-rischen Kartoffel-Krakensalat. Und frisches
Schwertfischcarpaccio mit Kapern, Olivenöl und Zitronensaft.
Kapern gehören zur Inselküche wie Senf zum Leberkäs und sind
ein Exportschlager. Geerntet wird die Blütenknospe des Strauchs. Je kleiner sie
ist, desto besser - und teurer. Die filigrane Ka-pernblüte ist wunderbar
anzusehen. Weil sie nur kurz blüht, dient sie im Buch Kohelet des Alten
Testaments als Bild für die Vergänglichkeit der Welt. Aus ihr entwickelt sich
eine Frucht, der so¬genannte Kapernapfel. Ebenso wie die Kaper wird auch er in
Salzlake und Essig eingelegt und konserviert. Dass die Kaper ebenso wie ihre
Frucht viele Vorspeisenteller bereichert, liegt si¬cherlich an ihrem guten
Geschmack. Vielleicht aber auch daran, dass sie appetitanregend und gut für den
Verdauungstrakt ist. Einige beschwö¬ren, die Kaper sei aphrodisierend, andere
essen
sie, weil ihre Inhaltsstoffe gegen Rheuma und Arthritis
helfen sollen.
Kapern zu ernten ist ein Knochenjob. Und weil wie viele
andere entlegene Inseln Italiens auch Pantelleria unter chronischer
Überalterung lei¬det, helfen junge Rumänen aus. 3000 sind inzwi¬schen
übergesiedelt, mit Kind und Kegel. In der Statistik macht das knapp die Hälfte
der Bevölkerung der Insel aus, was ihr inzwischen den Beinamen Kleinbukarest
eingebracht hat.
Individualtouristen und Wanderer
Panteschi, die nicht von der Landwirtschaft oder der
Fischerei leben, sind Lebenskünstler oder le¬ben vom Tourismus. Bis jetzt
kommen vor allem Individualtouristen, Wanderfreunde und Men¬schen, die gerade
die Abwesenheit von Trubel schätzen. Georgio Armani entspannt einige Wochen im
Jahr in seinem Haus an der West¬küste. Ralph Fiennes, Rupert Everett, Sting,
Madonna und Naomi Campbell sind nur einige Namen aus einer langen Liste von
Stars, die Wiederholungstäter in Sachen Pantelleria sind. Gerard Depardieu
hatte sein Dammuso in sei¬nem Weingarten stehen, aus dessen Trauben er feinen
Moscato und Passito machte. Passito di Pantelleria ist ein Wein, der aus
getrockneten Trauben hergestellt wird, die beinahe schon Rosinen sind. Zucker
und Geschmacksstoffe sind darin hoch konzentriert. Er zählt zu den großen
Dessertweinen Italiens. Als mich am Flughafen eine gefühlte Ewigkeit später
eine Windböe in den Rumpf des Fliegers schiebt, weiß ich, dass Pantelleria viel
mehr ist als ein Hauch von Abenteuer.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.