Sonntag, 21. April 2013

Wirtschaft in Japan Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie


Wirtschaft in Japan Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie

Author D.Selzer-McKenzie



 
 

 

Die neue Regierung in Tokio greift bei der Bekämpfung der Deflation zwar auf alte Rezepte zu-

 

gepaart mit einem extrem geringem Wirtschaftswachstum oder gar einer Stagnation. Alle Versuche, dieser Spirale zu entkommen, sind bislang gescheitert. Zurückgeblieben ist nur eine gigantische Staatsverschuldung,

 

die mit derzeit circa 230 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) deutlich höher ausfällt als jene in Griechen¬land (175 Prozent des BIP) oder in Italien (125 Prozent des BIP). Das jährliche Haushaltsdefizit liegt mit

 

rund zehn Prozent des BIPs höher als in jedem Land der Eurozone.

Schulden wachsen. Doch nun soll endlich die Trendwende geschafft wer¬den. Der vor wenigen Monaten in das Regierungsamt gewählte Ministerpräsi¬dent Shinzo Abe hat einen neuen Anlauf gestartet, den Wirtschaftsmotor anzu¬stoßen. Zum einen soll die bisherige Strategie des billigen Geldes fortgesetzt werden, zum anderen will Abe die Staatsausgaben deutlich steigern, un-geachtet des bereits angehäuften Schul¬denbergs. Allein in den kommenden 15 Monaten sollen rund 80 Milliarden Euro in Infrastrukturprojekte fließen.

Und das könnte erst der Anfang ge-wesen sein. Während seiner Wahlkam¬pagne Ende letzten Jahres sprach Abe über weit größere Beträge, die über einen Zeitraum von zehn Jahren und systematischer in die japanische Wirt¬schaft gepumpt werden sollen. Ein Plan, der von vielen Experten sehr kritisch gesehen wird. „So viel Geld zu inves-

 

fieren ist hochproblematisch. Japan ist ein hoch verschuldetes Land", so etwa Michael Bräuninger, Forschungsdirek-

 

tor am Hamburgischen Weltwirtschafts¬institut (HWWI). Nach einer Prognose des Internationalen Währungsfonds

(IWF) könnte die Schuldenquote somit in vier Jahren auf über 250 Prozent des BIPs steigen.

Yen unter Druck. Am Devisenmarkt hat Abes Vorhaben bereits deutliche Spuren hinterlassen. Gegenüber dem Euro und dem US-Dollar hat Japans Währung in den zurückliegenden Mo-naten stark abgewertet. Auch wenn Abe immer wieder bekräftigt, dass eine Ab¬wertung des Yens nicht sein eigentliches Ziel ist, als Nebeneffekt ist sie durchaus willkommen. Denn je weiter der Yen fällt, desto billiger werden Japans Pro¬dukte im Ausland. Schon jetzt haben einige wichtige japanische Großkon¬zerne ihre Absatzprognosen für das laufende Jahr in Europa und in den USA nach oben revidiert. „Wir schätzen, dass die Gewinne im produzierenden Ge¬werbe im Finanzjahr 2013 um rund 40 Prozent zulegen, vorausgesetzt der US-Dollar steht im Schnitt bei 95 Yen", so etwa die Einschätzung von Kiichi Mu-rashima von der Citigroup.

 

Aufwertung schwächt Wachstum. Eine Entwicklung, die von der interna-tionalen Politik mit Argusaugen beob-achtet wird. Vor allem in Zeiten, in denen die Handelspartner Europa und USA selbst mit Wirtschaftsproblemen zu kämpfen haben. Eine Aufwertung von Euro und US-Dollar ist da wenig willkommen. Das liegt auf der Hand, wenn man berücksichtigt, dass zum Beispiel ein Anstieg des Euro um zehn Prozent gegenüber einem Währungs¬korb von Handelspartnern das BIP der Eurozone um bis zu 0,5 Prozent im ersten Jahr schwächen kann. Und so ließ denn auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem zurückliegen-

 

den Weltwirtschaftsforum in Davos wissen, dass sie „nicht völlig ohne Sor¬ge" sei, was Japan angehe.

Schwieriges Umfeld. Aber auch in Japan selbst regt sich Widerstand. „Wir können nicht einfach immer so weiter machen und Straßen und andere Infra¬struktur bauen in Zeiten, in denen die Bevölkerung immer weniger und immer älter wird", so der Einwand von Takayo-shi lgarashi, Professor für Politik an der Hosei-Universität in Tokio. Damit spricht Igarashi zwei grundlegende Probleme der japanischen Misere an: Das Land ist zum einem hochentwickelt und infra¬strukturell erschlossen — Japan verfügt über 1,2 Millionen Straßenkilometer und

 

belegt damit im Vergleich zu seiner Land¬fläche Rang fünf in der Welt —, zum an¬deren kämpft die japanische Gesellschaft mit einer niedrigen Geburtenrate und einer schrumpfenden Bevölkerung. Voi einem solchen Hintergrund Wachstur zu erzeugen kommt in den Augen viel-Ökonomen einer Quadratur des Kreiß, gleich. „Angesichts der miserablen L mografie hat Japan gar keine Chance.. auf die Beine zu kommen", so Gerhard Massenbauer von der Wiener Vermö-gensgesellschaft Censeo.

Statt immer neuem Geld wären wohl tief greifende gesellschaftliche und wirt¬schaftliche Reformen nötig. Dabei könn¬te Japan bei Erfolg als Blaupause für die gesamte westliche Hemisphäre dienen,

denn auch in Nordamerika und Europa wird man langfristig mit ähnlichen Pro¬blemen zu kämpfen haben. Doch von einem innovativen Neubeginn ist Japan weit entfernt. Stattdessen wird auf alte Rezepte zurückgegriffen. Die lockere Geldpolitik und die Konjunkturprogram¬me gehören dazu.

Unabhängigkeit der BoJ in Gefahr. Mit der Inthronisierung von Haruhiko Kuroda zum neuen Chef der Bank of Japan (BoJ) hat Abe zudem einen Be-fürworter der ultralockeren Geldpolitik an seiner Seite. „Wenn ich als Gouver-neur bestätigt werde", so Kuroda im Hinblick auf seine Wahl zum Noten-bankchef, „werde ich alle verfügbaren Mittel nutzen, um das Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen". Das Inflati¬onsziel von zwei Prozent wurde zuvor von Abe ausgegeben. Kurodas Vorgän¬ger Masaaki Shirakawa war damit nicht einverstanden und hatte aus Protest für Mitte März seinen Rücktritt angekündigt. Auch diese Entwicklung wird von vielen Beobachtern kritisch gesehen. Denn die Unabhängigkeit der japanischen No¬tenbank scheint unter dem Gespann -Abe/Kuroda nicht mehr voll gewähr¬' eistet zu sein. „Hinter der Forderung

Yen-Abwertung könnte sich fort-setzen. Unter den gegeben Voraus-setzungen scheint eine weitere Abwer¬tung des Yen gegenüber Euro und US-Dollar ausgemachte Sache zu sein. „Die jetzige Yen-Schwäche ist zunächst einmal nur der Abbau der zuvor gese¬henen Yen-Stärke in der Krise. Ich denke, wir stehen erst am Beginn einer langjährigen Abwertung der japani¬schen Währung. Wenn es weltweit ein Land mit einer weichen Währung gibt, dann ist es Japan", so die Prognose von Selzer-McKenzie

 

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