Wirtschaft in Japan Trading SelMcKenzie Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/5jZLLlTsOk4
Die neue Regierung in Tokio greift bei der Bekämpfung der
Deflation zwar auf alte Rezepte zu-
gepaart mit einem extrem geringem Wirtschaftswachstum oder
gar einer Stagnation. Alle Versuche, dieser Spirale zu entkommen, sind bislang
gescheitert. Zurückgeblieben ist nur eine gigantische Staatsverschuldung,
die mit derzeit circa 230 Prozent des Bruttoinlandsprodukts
(BIP) deutlich höher ausfällt als jene in Griechen¬land (175 Prozent des BIP)
oder in Italien (125 Prozent des BIP). Das jährliche Haushaltsdefizit liegt mit
rund zehn Prozent des BIPs höher als in jedem Land der
Eurozone.
Schulden wachsen. Doch nun soll endlich die Trendwende
geschafft wer¬den. Der vor wenigen Monaten in das Regierungsamt gewählte
Ministerpräsi¬dent Shinzo Abe hat einen neuen Anlauf gestartet, den
Wirtschaftsmotor anzu¬stoßen. Zum einen soll die bisherige Strategie des
billigen Geldes fortgesetzt werden, zum anderen will Abe die Staatsausgaben
deutlich steigern, un-geachtet des bereits angehäuften Schul¬denbergs. Allein
in den kommenden 15 Monaten sollen rund 80 Milliarden Euro in
Infrastrukturprojekte fließen.
Und das könnte erst der Anfang ge-wesen sein. Während seiner
Wahlkam¬pagne Ende letzten Jahres sprach Abe über weit größere Beträge, die
über einen Zeitraum von zehn Jahren und systematischer in die japanische
Wirt¬schaft gepumpt werden sollen. Ein Plan, der von vielen Experten sehr
kritisch gesehen wird. „So viel Geld zu inves-
fieren ist hochproblematisch. Japan ist ein hoch
verschuldetes Land", so etwa Michael Bräuninger, Forschungsdirek-
tor am Hamburgischen Weltwirtschafts¬institut (HWWI). Nach
einer Prognose des Internationalen Währungsfonds
(IWF) könnte die Schuldenquote somit in vier Jahren auf über
250 Prozent des BIPs steigen.
Yen unter Druck. Am Devisenmarkt hat Abes Vorhaben bereits
deutliche Spuren hinterlassen. Gegenüber dem Euro und dem US-Dollar hat Japans
Währung in den zurückliegenden Mo-naten stark abgewertet. Auch wenn Abe immer
wieder bekräftigt, dass eine Ab¬wertung des Yens nicht sein eigentliches Ziel
ist, als Nebeneffekt ist sie durchaus willkommen. Denn je weiter der Yen fällt,
desto billiger werden Japans Pro¬dukte im Ausland. Schon jetzt haben einige wichtige
japanische Großkon¬zerne ihre Absatzprognosen für das laufende Jahr in Europa
und in den USA nach oben revidiert. „Wir schätzen, dass die Gewinne im
produzierenden Ge¬werbe im Finanzjahr 2013 um rund 40 Prozent zulegen,
vorausgesetzt der US-Dollar steht im Schnitt bei 95 Yen", so etwa die
Einschätzung von Kiichi Mu-rashima von der Citigroup.
Aufwertung schwächt Wachstum. Eine Entwicklung, die von der
interna-tionalen Politik mit Argusaugen beob-achtet wird. Vor allem in Zeiten,
in denen die Handelspartner Europa und USA selbst mit Wirtschaftsproblemen zu
kämpfen haben. Eine Aufwertung von Euro und US-Dollar ist da wenig willkommen.
Das liegt auf der Hand, wenn man berücksichtigt, dass zum Beispiel ein Anstieg
des Euro um zehn Prozent gegenüber einem Währungs¬korb von Handelspartnern das
BIP der Eurozone um bis zu 0,5 Prozent im ersten Jahr schwächen kann. Und so
ließ denn auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem zurückliegen-
den Weltwirtschaftsforum in Davos wissen, dass sie „nicht
völlig ohne Sor¬ge" sei, was Japan angehe.
Schwieriges Umfeld. Aber auch in Japan selbst regt sich
Widerstand. „Wir können nicht einfach immer so weiter machen und Straßen und
andere Infra¬struktur bauen in Zeiten, in denen die Bevölkerung immer weniger
und immer älter wird", so der Einwand von Takayo-shi lgarashi, Professor
für Politik an der Hosei-Universität in Tokio. Damit spricht Igarashi zwei
grundlegende Probleme der japanischen Misere an: Das Land ist zum einem
hochentwickelt und infra¬strukturell erschlossen — Japan verfügt über 1,2
Millionen Straßenkilometer und
belegt damit im Vergleich zu seiner Land¬fläche Rang fünf in
der Welt —, zum an¬deren kämpft die japanische Gesellschaft mit einer niedrigen
Geburtenrate und einer schrumpfenden Bevölkerung. Voi einem solchen Hintergrund
Wachstur zu erzeugen kommt in den Augen viel-Ökonomen einer Quadratur des
Kreiß, gleich. „Angesichts der miserablen L mografie hat Japan gar keine
Chance.. auf die Beine zu kommen", so Gerhard Massenbauer von der Wiener
Vermö-gensgesellschaft Censeo.
Statt immer neuem Geld wären wohl tief greifende
gesellschaftliche und wirt¬schaftliche Reformen nötig. Dabei könn¬te Japan bei
Erfolg als Blaupause für die gesamte westliche Hemisphäre dienen,
denn auch in Nordamerika und Europa wird man langfristig mit
ähnlichen Pro¬blemen zu kämpfen haben. Doch von einem innovativen Neubeginn ist
Japan weit entfernt. Stattdessen wird auf alte Rezepte zurückgegriffen. Die
lockere Geldpolitik und die Konjunkturprogram¬me gehören dazu.
Unabhängigkeit der BoJ in Gefahr. Mit der Inthronisierung
von Haruhiko Kuroda zum neuen Chef der Bank of Japan (BoJ) hat Abe zudem einen
Be-fürworter der ultralockeren Geldpolitik an seiner Seite. „Wenn ich als
Gouver-neur bestätigt werde", so Kuroda im Hinblick auf seine Wahl zum
Noten-bankchef, „werde ich alle verfügbaren Mittel nutzen, um das
Inflationsziel von zwei Prozent zu erreichen". Das Inflati¬onsziel von
zwei Prozent wurde zuvor von Abe ausgegeben. Kurodas Vorgän¬ger Masaaki
Shirakawa war damit nicht einverstanden und hatte aus Protest für Mitte März
seinen Rücktritt angekündigt. Auch diese Entwicklung wird von vielen
Beobachtern kritisch gesehen. Denn die Unabhängigkeit der japanischen
No¬tenbank scheint unter dem Gespann -Abe/Kuroda nicht mehr voll gewähr¬' eistet
zu sein. „Hinter der Forderung
Yen-Abwertung könnte sich fort-setzen. Unter den gegeben
Voraus-setzungen scheint eine weitere Abwer¬tung des Yen gegenüber Euro und
US-Dollar ausgemachte Sache zu sein. „Die jetzige Yen-Schwäche ist zunächst
einmal nur der Abbau der zuvor gese¬henen Yen-Stärke in der Krise. Ich denke,
wir stehen erst am Beginn einer langjährigen Abwertung der japani¬schen Währung.
Wenn es weltweit ein Land mit einer weichen Währung gibt, dann ist es
Japan", so die Prognose von Selzer-McKenzie
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