Trading Energieverbrauch im Blickfeld von SelMcKenzie
Selzer-McKenzie
Author D.Selzer-McKenzie
Wir leben im Bereich der globalen Energie in einer Zeit des
raschen Wandels. Zwar gab es auf der Angebotsseite an den Energiemärkten einige
vielversprechende Antworten auf die Marktentwicklungen der letzten Jahre, doch
die steigende zusätzliche Nachfrage aus den Emerging Markets bleibt eine
Herausforderung. Gleichzeitig wird die mögliche Schiefergasrevolution in den
USA (siehe KnowHow 3/2013) die Preisunterschiede unter den einzelnen
Energieträgern wohl vergrößern, wobei strukturelle Änderungen auf der Verbrauchsseite
vor allem außerhalb der USA nötig sein werden. Die vielerorts zunehmende
Fokussierung der Politiker auf Energiethemen wird vermutlich dazu führen, dass
Energieverbraucher künftig vermehrt die vollen Kosten zahlen müssen —das heißt,
auch Kosten für mögliche Um-weltschäden wären im Preis enthalten. Ein Grund
mehr, warum effiziente Energienutzung an Bedeutung gewinnen könnte.
Doch wer könnte Energie effizienter nutzen? Um dieser Frage
nachzugehen, ist es notwendig, zuerst einen Blick auf die Unterschiede in den
verschiedenen Ländern zu werfen. Energiereiche Länder wie Saudi-Arabien oder
Russland, aber auch klassische Produktionsstandorte wie China, Japan oder
Südkorea haben einen hohen Verbrauch. Die USA unternehmen aktuell
Anstrengungen, Energie produktiver einzu- setzen. Doch es bleibt abzuwarten, ob
Anreize geschaffen werden, damit insbesondere Unternehmen auf das billige
Schiefergas zugreifen. Schließlich ist Gas im Vergleich mit Öl und Kohle der
sauberere Brennstoff. Unternehmen aus energieinten-siven Sektoren, die
permanent auf effiziente Energienutzung setzen, könnten von einem Kostenvorteil
gegenüber ihren Mitbewerbern profitieren.
Ist der Anreiz zu mehr Energieeffizienz so groß wie in der
Mitte des ersten Jahrzehnts seit dem Jahr 2000, als es zu einem
schwindelerregenden Anstieg der Energiepreise kam? Vieles spricht dafür. Denn
bisher wurden überwiegend nur auf der Angebotsseite Maßnahmen ergriffen, um die
Energiepreise zu senken, während die globale Energienachfrage rapide anstieg.
So bietet die Reduzierung von Energieverschwendung und ineffizienter Nutzung
künftig enorme Chancen. Schließlich befindet sich mehr als die Hälfte unserer
Welt noch immer in einer sehr energieintensiven Periode des Wachstums. Gründe
dafür sind nicht nur die zunehmende Urbanisierung in den Wachstumsmärkten. Auch
die Entwicklung der Produktion hin zu mehr Automatisierung erhöht den
Energieverbrauch. Natürlich haben sogenannte Verlagerungseffekte Auswirkungen
auf die entwickelten Volkswirtschaften, insbesondere dann, wenn ein Teil der
energieintensiven Produktion aus dem Osten zurückverlagert wird.
Parallel hierzu ist eine steigende Fokussierung auf die
Begrenzung der Emissionen und die anderen Folgen des übermäßigen weltweiten
Energieverbrauchs zu beobachten. Die ökologischen Kosten sollen in den
Energiepreisen enthalten sein, die Verbraucher zahlen müssen. Höhere Steuern
auf Energie- und Stromverbrauch und ein gebremstes Wirtschaftswachstum könnten
die Folgen sein. Mehr Energieeffizienz könnte dem entgegenwirken.
POTENZIAL FÜR MEHR ENERGIEEFFIZIENZ Die Frage, welche
Volkswirtschaften Energie produktiver verwenden könnten, hängt zunächst davon
ab, wie man Energieintensität misst. Die beiden am häufigsten verwendeten
Kennzahlen sind der Energieverbrauch pro Kopf und der Energieverbrauch pro
BIP-Einheit. Die USA verbrauchen relativ viel im Vergleich zu anderen
entwickelten Volkswirtschaften, lässt man energie- und rohstoffreiche Länder
wie Kanada, Australien und Norwegen außen vor. China und Brasilien befinden
sich aktuell in sehr energieintensiven Phasen ihres Wachstums. Ähnliches gilt
für Indien. Insgesamt zählt jedoch mehr, welches Niveau der Energieverbrauch
dieser drei Länder mit zunehmender Industrialisierung erreichen wird, denn sie
stehen immerhin für rund 40 Prozent der Weltbevölkerung.
Derzeit ist der Energiekonsum pro Person in China, Brasilien
und Indien nach wie vor gering (siehe Abb. 1). Aufgrund der großen Unterschiede
lässt sich eine Prognose über den künftigen Verbrauch nicht einfach aus den
heutigen Zahlen der Industrieländer extrapolieren. Indiens Bevölkerung
beispielsweise ist viermal so groß wie die der USA und lebt auf etwa einem
Drittel des Raums. Es ist schwer vorstellbar, was passieren würde, wenn die
Dichte der Autobesitzer von aktuell etwa 20 pro tausend Einwohner in Indien auf
das heutige Niveau der USA von über 800 steigen würde. Das Beispiel zeigt: die
Zusammensetzung der Volkswirtschaft, der Zugang zu Energie sowie die Fläche und
Bevölkerungsdichte sind wichtig.
Beim Blick auf die Struktur von entwi-
ckelten
Volkswirtschaften fällt auf, dass
viele
Länder in den vergangenen beiden
Jahrzehnten
durch die Verlagerung von
Fertigungsstandorten
ins meist östliche
Ausland
auch Energieintensität und öko-
logische
Kosten outgesourct haben. Da-
durch erscheint
die eine oder andere Na-
tion auf
den ersten Blick womöglich ener-
giebewusster,
als sie in Wirklichkeit ist.
Beispielsweise
hat sich die Energienutzung
pro Person
in Großbritannien seit 1990
um 14
Prozent verbessert. Aber gleichzei-
tig ging
der Anteil der Industrieprodukti-
on am
Bruttoinlandsprodukt von 19 auf
10 Prozent
zurück. Zum Vergleich: In
China sind
es heute 33 Prozent. Hinzu
kommt, dass
Energie, die in Importgütern
steckt,
kaum messbar ist. Möglicherweise
würde die
Verbesserung der Energieeffi-
zienz in
entwickelten Volkswirtschaften
wesentlich
weniger deutlich ausfallen,
wenn man
solche Aspekte mit einbezieht.
Beim Blick
auf die einzelnen Sektoren fällt
auf, dass
die Bereiche Bau, Transport und
Grundstoffe
die größten Verbraucher von
Energie
sind. Dabei bleiben die Stromver-
sorger und
die Chemieunternehmen als
direkte
Energiekonsumenten unberück-
sichtigt.
Im Allgemeinen ist die Investition
in neue
Anlagen eine der einfachsten
Möglichkeiten,
um die Energieeffizienz zu
verbessern.
Was hält die Unternehmen ei-
gentlich
davon ab?
Einer der Gründe ist Vorsicht: Als eine Art Reflex begannen
viele Firmen nach der Finanzkrise damit, Vertrauen zurückgewinnen zu wollen,
indem sie Liquidität horteten. Dies hat das Durchschnittsalter der
Energieeffizienz: die Verbraucherseite
Vermögenswerte tendenziell erhöht. Bei den Unternehmen, die
von Goldman Sachs in Europa untersucht werden, kam es beispielsweise zu einem
Anstieg von sechs auf 8,2 Jahre seit 2002. Diese Entwicklung scheint schwer
verständlich. Schließlich lassen sich solche Investitionen häufig recht schnell
amortisieren, zumal auch viele Regierungen derartige Projekte mit Geldern
unterstützen. Gerade im Infrastrukturbereich scheinen solche Ersatzinvestitionen
attraktiv, da sie Ertragsprofile
aufweisen, die mit
der Energiepreisentwicklung positiv korrelieren.
Bei Investitionen in neue Anlagen außerhalb des
Ersatzinvestitionszyklus bedarf
es dagegen eines deutlicheren Anreizes
bzw. einer größeren Klarheit über die langfristigen
Einsparmöglichkeiten. Mit anderen Worten: Unternehmen müssen oft zwischen
Investitionen in mehr Wachstum und Ausgaben für das Energiesparen wählen.
Letzteres ist schwerer zu messen und in gewisser Weise auch weniger herausfordernd.
„LOST IN TRANSMISSION"
In welchen Bereichen kann Energieeffizienz erreicht werden?
Da wäre als erstes eine effizientere Erzeugung und Vertei-
lung ;1
von Strom. So werden
beispielsweise im Durchschnitt nur 35 Prozent der eingesetzten Energie von Kohleerzeugungsanlagen
in elektrischen Strom umgewandelt.
Neun Prozent des
produzierten e~ Stroms gehen
während der Übertragung verloren. Neue Anlagen und die Verwendung der neuesten
Technologien könnten diese Verluste deutlich reduzieren. Dies
'ürde von den Emerging Markets verlan-gen, Anlagen mit
Bedacht zu errichten, während die entwickelten Länder ihre alternde
Infrastruktur in diesem Bereich überholen sollten. Ein Beispiel: Über 60
Prozent der US-Kohlekraftwerke sind mehr als 40 Jahre alt.
Alternative Energiequellen sollen künftig einen größeren
Anteil an der Stromerzeugung haben. Europa hat ein 20-ProzentZiel für das Jahr
2020 gegenüber aktuell 12,5 Prozent. China will 30 Prozent bis zum Jahr 2015
erreichen. Aktuell sind es 21 Prozent. Sogenannte „Smart Grids", also
intelligente Stromnetze, werden benötigt, um die wetterbedingt inkonsistente
Stromversorgung aus Solar- und Windenergie auszugleichen. Die
Energiespeicherung ist ein weiterer Forschungs- schwerpunkt.
NEUE MATERIALIEN
Die zweite Möglichkeit, eine verbesserte Energieeffizienz zu
erreichen, beruht auf der Verwendung von neuen Materialien. Diese Materialien
reduzieren den Eneraie-
b
einsatt für eine bestimmte Output-Men-
ge. So nimmt beispielsweise der Einsatz` von Kunststoffen im
Automobilbau lang-
aber stetig zu. Immer
häufiger werden solche Teile anstelle von schwereren, mehr Energie
verbrauchenden Materialien z.B. aus Stahl verwendet. Neue Materialien, die
hitzebeständig sind und auch resistent gegen Wasser und viele andere organische
Stoffe, kommen in verschiedensten Branchen zum Einsatz — von der Ölförderung
bis hin zum Smartphone.
OPTIMIERTER ENERGIEVERBRAUCH
Bei der dritten Gruppe von Energieeffizienzlösungen geht es
um eine permanente Reduktion der Verschwendung. Auch sie optimieren den
Energieverbrauch. Automatisiertes oder sensorbasiertes Management von
Beleuchtung, Heizung und Lüftung
hilft, den
Energieverbrauch in Gebäuden zu optimieren. Ein weiteres Beispiel sind moderne
Navigationssysteme in
Autos. Denn 50 Prozent des Kraftstoff-+verbrauchs auf
Straßen wird durch Staus verursacht. So kann die kombinierte Nutzung von
Technologie, Datenbanken, Sensoren und Karten — auch bekannt als „Intelligent
Transportation Systems" — dazu beitragen, Kraftstoffe gezielter einzusetzen.
Weitere Beispiele finden sich im Haushalt. „Intelligente" Staubsauger oder
effizientere Geschirrspüler, die Strom und Wasser auf der Grundlage der
Waschladungen bestimmen, sind schon seit einiger Zeit erhältlich.
Es bleibt also spannend auf den Energiemärkten. Während die
Angebotsseite mit neuen Techniken, wie der Gewinnung von Schiefergas, Einfluss
auf die Energiepreise nehmen wird, können moderne Technologien den Verbrauch
senken. Welche Wirkung auf die Preise das langfristig hat, wird sich zeigen.
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