Sonntag, 31. Januar 2016

Das Gamma bei Wertpapieren


Das Gamma bei Wertpapieren

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/Py81i9DM2G4

In der vergangenen Ausgabe des ideas-Magazins haben wir uns mit dem »Delta« beschäftigt. Kurz zur Wiederholung: Das Delta zeigt die Veränderung des theoretischen Optionsscheinpreises (bereinigt um das Bezugsverhältnis) bei einer Bewegung des Kurses des zugrunde liegenden Basiswerts um eine Einheit.

Beispielsweise gibt ein Delta von 0,72 an, dass der Preis eines Call Optionsscheins um 0,72 Euro steigt, wenn der Kurs des Basiswerts um 1 Euro steigt. Das Delta kann Werte zwischen 0 und 1 für Calls und Werte zwischen 0 und -1 für Puts annehmen. Das Delta ist eine dynamische Kennzahl, die auf Veränderungen von Marktparametern reagiert. Insbesondere verändert sich das Delta, wenn sich der Basiswertkurs verändert. Die Stärke dieser Veränderung wird als Gamma bezeichnet.

Im Folgenden wollen wir anhand eines Beispiels die Beziehung zwischen dem Kurs des Basiswerts, dem Optionsscheinkurs und den beiden Sensitivitätskennzahlen Delta und Gamma näher betrachten:

Ein Put Optionsschein mit einem Basispreis von 65 Euro und einer einmonatigen Restlaufzeit auf die ABC-Aktie (Kurs der ABC-Aktie: 63,64 Euro) kostet 0,26 Euro. Das Bezugsverhältnis beträgt 0,1, das Delta liegt bei -0,59. Angenommen der Kurs der ABC-Aktie Put Optionsscheins + Delta x Bezugsverhältnis x Veränderung des Kurses der ABC-Aktie = neuer Optionsscheinpreis bzw. 0,26 Euro + -0,59 x 0,1 x 1,00 Euro = 0,20 Euro).

Tatsächlich fällt der Optionsschein jedoch nur auf 0,21 Euro. Wie lässt sich der Unterschied von 0,01 Euro zwischen dem tatsächli¬chen und dem zu erwartenden Wert erklären? Die Erklärung liegt im Gamma von 0,08. Denn während sich der Preis des Basiswerts verändert, ändert sich auch das Delta von -0,59 auf -0,51. Das Gamma von 0,08 besagt also in diesem Fall: Wenn der Kurs der ABC-Aktie um 1 Euro steigt, dann steigt das Delta um 0,08.

Das Beispiel soll verdeutlichen, dass neben der Betrachtung des Deltas auch das Gamma nicht außer Acht gelassen werden sollte. Denn die Kennzahl erlaubt es, die Veränderung des Deltas zu beurteilen. So wie das Delta, grafisch dargestellt, die Steigung der Optionsscheinpreiskurve an dem jeweils betrachteten Punkt zeigt, kann das Gamma als Steigung der Kurve des Deltas dargestellt werden. Mathematisch ausgedrückt handelt es sich beim Gamma um die zweite partielle Ableitung des Options-scheinwerts nach dem Kurs des Basiswerts.

Vergegenwärtigen wir uns den Verlauf des Deltas (siehe Grafik 2 auf Seite 30 der ideas-Ausgabe Januar 2016), wird klar, dass das Gamma am höchsten ist, wenn der Optionsschein »am Geld« liegt, da hier die Steigung des Deltas am steilsten ist. Je mehr der Optionsschein dagegen »aus dem Geld« bzw. »im Geld« liegt, desto kleiner ist die Steigung des Deltas und umso kleiner ist das Gamma (siehe Grafik 1).

Je kürzer nun die Restlaufzeit des jeweiligen Optionsscheins wird, desto steiler wird tendenziell das Delta »am Geld« sein und umso höher ist das Gamma. Das Gamma hilft Anlegern bei der Einschätzung, inwieweit ein »am Geld« notierender Optionsschein zusätzliche Hebelwirkung aufbaut, wenn der

Grafik 1: Tendenzieller Verlauf des Gammas

Gamma

0,20

0,18

 

Basiswert ins Geld läuft, bzw. wie viel Hebelwirkung im umge-kehrten Fall »verloren« geht.

Auch für die Emittentin von Optionsscheinen hat das Gamma eine ganz wesentliche Bedeutung im Zusammenhang mit seinem Hedge, dem sogenannten Delta-Hedge, den sie für die Produkte vornimmt, um risikoneutral zu sein. Angenommen die Emittentin verkauft 1.000 Call Optionsscheine (Bezugsverhältnis 1:1) mit einem Delta von 0,65. Bei dieser Position kann die Emittentin davon ausgehen, dass für jeden Euro, um den der zugrunde liegende Basiswert steigt, die entsprechende Optionsschein-position um 650 Euro steigt. Weiterhin zu beachten ist, dass das Delta die Anzahl der Aktien bestimmt, die für den Hedge gekauft werden müssten. Um also diese 1.000 Optionsscheine abzusi-chern, müsste die Emittentin 650 Aktien kaufen, um bei dieser Position »Delta-neutral« zu sein. Sie würde so ebenfalls 650 Euro »verdienen« mit jedem Euro, um den der Basiswert steigt, und so den Zugewinn der Optionsscheinposition des Anlegers decken. Allerdings wird sich, wie oben beschrieben, während sich der Preis des Basiswerts verändert, auch das Delta des Optionsscheins ändern, und zwar umso stärker, je größer das Gamma ist.

Nehmen wir an, das Gamma liegt bei 0,1, dann würde bei einem Anstieg des Basiswerts um 1 Euro auch das Delta von 0,65 auf 0,75 steigen. Die Hedge-Position der Emittentin müsste infolge-dessen zu dem jetzt höheren Kurs des Basiswerts um 100 Aktien erhöht werden, um eine weiterhin »Delta-neutrale« Position zu haben. Sinkt der Basiswert daraufhin wieder auf den vorherigen Wert, müssten die gerade gekauften Aktien zu einem niedrigeren Kurs wieder verkauft werden.

Das Risiko, den Delta-Hedge bei Änderungen des Kurses des Basiswerts ständig anpassen zu müssen, nennt man Gamma-Risiko. Jeder Verkauf von Optionsscheinen führt jeweils zu einer negativeren Gamma-Position seitens der Emittentin.

 

 

Gleitende Durchschnitte bei Wertpapieren


Gleitende Durchschnitte bei Wertpapieren

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/4GjFCS4fhiw

Als Klassiker unter den charttechnischen Indikatoren gilt der gleitende Durchschnitt (GD bzw. Moving Average). Dies liegt vor allem an seiner Vielseitigkeit. Anleger und Investoren können diesen von Technischen Analysten am häufigsten benutzten Indikator auf sehr unterschiedliche Art und Weise für ihre Zwe¬cke fruchtbar machen. Daneben ist er selber die Basis für eine Vielzahl anderer Indikatoren sowie Grundlage oder sogar aus¬schließlicher Bestandteil von kompletten Handelssystemen.

Konstruktion

Es existieren verschiedene Möglichkeiten, einen gleitenden Durchschnitt zu berechnen. Am meisten verbreitet ist der arith¬metische bzw. einfache gleitende Durchschnitt (Simple Moving Average - SMA). Hier werden einfach alle Schlusskurse eines betrachteten Zeitraums addiert und anschließend durch die Anzahl der Schlusskurse dividiert. Damit besitzt jeder einzelne Schlusskurs den gleichen Einfluss auf das Ergebnis. Durch die auf diese Weise berechnete Durchschnittslinie erfolgt eine Glättung des Kursverlaufs. Die Durchschnittslinie ist deswegen gleitend, weil mit jedem neu hinzukommenden Kurs in der Zeitreihe der älteste Kurs in der Berechnung wegfällt. Manche Technische Analysten bevorzugen nicht den einfachen gleitenden Durch¬schnitt, sondern einen sogenannten gewichteten gleitenden Durchschnitt. Dieser misst den jüngeren Kursen im Betrach¬tungszeitraum ein höheres Gewicht bei als den älteren. Hierdurch reagiert die Durchschnittslinie schneller auf eine Richtungsände¬rung in der Preiskurve, verliert damit jedoch auch einen Teil ihrer Glättungseigenschaft. Diese Gewichtung kann mathematisch auf verschiedene Arten herbeigeführt werden. Beim linear gewichte-ten gleitenden Durchschnitt (Weighted Moving Average - WMA)

 

werden die näheren Schlusskurse mit einem höheren Gewich-tungsfaktor multipliziert als die ferneren Schlusskurse, wobei der Gewichtungsfaktor linear abnimmt bis zum ältesten Schlusskurs. Beim exponentiellen gleitenden Durchschnitt (Exponential Moving Average - EMA) fließt immer die gesamte vorhandene Schlusskurs-Datenreihe in die Berechnung ein. Die eingestellte Periodenlänge dient ledig¬lich der Ermittlung des Gewichtungsfaktors. Auch beim EMA wird dem aktu¬elleren Kurs ein höheres Gewicht beigemessen als dem jeweils älteren. Der EMA wird bevorzugt im Bereich der Indikatorenbe-

rechnung (Beispiel: MACD)      

sowie bei automatisierten

Handelssystemen verwendet, während der SMA bei der visuellen (diskretionären) Analyse der Favorit unter den Technischen Ana¬lysten ist. Häufig verwendete Periodenlängen in allen Zeitebenen und allen Arten von gleitenden Durchschnitten sind 20, 50, 100 und 200. Im Tageschart genießt der GD 200 ganz besondere Aufmerksamkeit unter den Investoren, da er für den langfristigen Markttrend steht. Im Bereich des Wochencharts findet auch häufig der GD 40 Anwendung, da er dem GD 200 im Tageschart entspricht.

Trendindikation

Aufgrund der Eigenschaft des gleitenden Durchschnitts, den Kursverlauf zu glätten, erhält der Anleger einen besseren visu¬ellen Eindruck davon, in welche Richtung der untersuchte Wert im entsprechenden Zeitrahmen (Periodenlänge) tendiert. Der hierdurch generierte indikatorentechnische Trendbegriff ist aller¬dings sorgfältig von der klassischen Trendbestimmung durch die Abfolge von Hochs und Tiefs in der Preiskurve zu unterscheiden. In der praktischen Konsequenz ergeben sich dennoch kaum Unterschiede. Steigt der GD an, wird ein Aufwärtstrend indiziert, fällt der GD wird auf einen Abwärtstrend hingewiesen. Bewegt sich der GD über einen längeren Zeitraum seitwärts, kann von

einem Seitwärtstrend ausgegangen werden. Die Steilheit des GD signalisiert die Trenddynamik. Für den Anleger dient der GD als Filter. Solange er steigt, sind Long-Positionierungen zu bevorzu-gen. Fällt er, haben Short-Positionierungen eine größere Aussicht auf Erfolg. Das Konzept trendkonformen Handelns wird auf diese Weise einfach umsetzbar.

Unterstützung und Widerstand

Eine weitere wichtige Eigenschaft von gleitenden Durchschnitten ist, dass sie potenzielle Unterstützungen und Widerstände zei-gen. Insofern stellen sie praktisch eine Art gebeugte Trendlinie dar. Das Prinzip der wechselnden Polarität findet entsprechend ebenfalls Anwendung, das heißt: Fungierte der GD zuvor als Widerstand, mutiert er nach dessen Überwindung zur Unter-stützung. Welche konkreten Periodenlängen in diesem Sinne am besten funktionieren, kann nicht für alle Märkte einheitlich beantwortet werden und ist damit offen für eingehendere Unter-suchungen durch Backtest. Jedoch stellen erfahrungsgemäß die oben genannten Periodenlängen (20, 50, 100 und 200) eine gute Ausgangsbasis dar. Eine Optimierung der Periodenlängen bietet sich mit Blick auf den damit verbundenen Aufwand nur dann an, wenn der Anleger lediglich eine begrenzte Anzahl an Märkten genauer beobachtet.

Kreuzungen

Eine beliebte Anwendungsmöglichkeit von gleitenden Durch-schnitten ist die Erzeugung von Handelssignalen durch Kreuzun-gen. Diese Kreuzungen können sich entweder - bei Verwendung lediglich eines gleitenden Durchschnitts - dadurch ergeben, dass

Grafik 1: Vergleich SMA, WMA, EMA

 

die Preiskurve den GD per Schlusskurs über- oder unterschreitet. Dabei sollte zur Verbesserung der Signalqualität jedoch beachtet werden, dass der GD zugleich eine Steigung in Richtung des Signals aufweist. Oder man verwendet die Kreuzung eines kürzer-und eines längerfristigen GD als Signal (Double-Crossover-Methode). Der längerfristige GD definiert dabei den übergeord-neten Trend und der kürzerfristige GD liefert durch das Kreuzen mit dem längerfristigen GD die Einstiegssignale. Steigende Notierungen werden signalisiert, wenn der kürzerfristige GD den längerfristigen GD von unten nach oben schneidet (»Golden Cross«). Fallende Notierungen werden angezeigt, wenn der kürzerfristige GD unter den längerfristigen fällt (»Death Cross«).

Abstand und Marktbreite

Zwar ist der GD seinem Wesen nach ein klassischer Trendfolge-indikator, da er mit einer gewissen Verzögerung dem Trend folgt. Doch lässt er sich auch zur Anzeige eines überkauften oder überverkauften Marktzustands verwenden, was tendenziell der Anwendungsbereich von Oszillatoren wäre. Hierzu kann beispielsweise der prozentuale Abstand des Kurses zu einem bestimmten gleitenden Durchschnitt gemessen und als Indikator verwendet werden. Ferner kann ein GD zur Konstruktion eines Marktbreiteindikators genutzt werden, indem man beispielsweise misst, wie viele Aktien innerhalb eines Index oberhalb eines bestimmten GD notieren. Markiert dann der Index beispielsweise ein neues Allzeithoch, während nur eine geringe Anzahl der darin enthaltenen Titel oberhalb der 200-Tage-Linie notieren, so kann auf eine ungesunde Marktbreite geschlossen werden, was den Gesamtmarkt anfällig für eine Trendumkehr macht.

El Nino und die Warenterminmarkt-Börse


El Nino und die Warenterminmarkt-Börse

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/Tj7UBroTVd8

Ungewöhnlich starke Regenfälle in Verbindung mit Über-schwemmungen auf der einen Seite und große Dürreperioden, wo sie sonst nur selten auftreten, auf der anderen Seite - das ist die Handschrift von El Nitio. Etwa alle vier bis sechs Jahre tritt diese Wetteranomalie auf und bedroht die Rohstoffproduk¬tion weltweit. Betroffen sind vor allem Agrarrohstoffe, aber auch der Energiesektor und die Industriemetalle spüren den Einfluss der klimatischen Veränderung.

Das Wetterphänomen EI Niho kommt aus bis jetzt ungeklärten Gründen zustande. Wenn sich der Luftdruck über Südostasien und dem daran angrenzenden westlichen Pazifik erhöht und dieser gleichzeitig im östlichen Pazifik stark abnimmt, ist dies ein erstes Anzeichen für das Phänomen. Was folgt, ist eine Ver¬ringerung des Druckgegensatzes über dem Pazifik, was die Pas¬satwinde, die das Oberflächenwasser des Humboldtstroms von Südamerika westwärts nach Indonesien schieben, abflauen lässt (Grafik 1). Dies wiederum führt zu einer wärmeren Meeresober¬fläche und zu einem Meeresspiegelanstieg im östlichen Pazifik. Im Westpazifik sinken Meeresspiegel und Wasseroberflächen-temperatur.

Der letzte starke El Niho trat 1997/1998 auf und hat den Roh-stoffmärkten das Fürchten gelehrt. Dürren und Überschwem¬mungen setzten den Agrarrohstoffen stark zu und auch die Minen zum Abbau von Kupfer mussten aufgrund starker Regen¬fälle und dadurch ausgelöster Erdrutsche ihre Produktion unter¬brechen. Wie dramatisch die Auswirkungen von El Niho sein können, wurde in einer von der Weltorganisation für Meteoro-

 

logie (WMO) veröffentlichten Studie beleuchtet. Demnach beliefen sich die weltweiten Schäden damals auf 34,3 Milliarden US-Dollar und 24.120 Menschen verloren aufgrund von Stürmen, Überschwemmungen, Sturmfluten oder Dürren ihr Leben.

Agrarrohstoffe sind mit Abstand am stärksten von den Auswir¬kungen eines El Nihos betroffen. Da sich die Wetterbedingungen durch die Anomalie stark von den üblich vorherrschenden Bedin¬gungen unterscheiden, nehmen die Ernteerträge in vielen Fällen stark ab. Trockenes Wetter und lang anhaltende Dürren können Angebot und Preise ebenso beeinflussen wie deutlich steigende Niederschläge, extreme Temperaturschwankungen oder Umwelt¬katastrophen.

Weizen ist einer der Rohstoffe, die von El Niho am stärksten in Mitleidenschaft gezogen werden. Da in Sommer- und Winterwei¬zen unterschieden werden kann, müssen nicht nur die Ernte- und Anbaubedingungen im Sommer beobachtet werden, sondern auch die der Wintermonate. In Australien, wo größtenteils Winter¬weizen angebaut wird, sind die Auswirkungen erheblich. Gerade im Winter und Frühling ist der Niederschlag vor allem im Osten des Landes deutlich verringert und schmälert den Ernteertrag damit dramatisch, wobei der Eintrittszeitpunkt des Wetter-phänomens entscheidend für das Ergebnis der Ernte ist. Für gewöhnlich gilt, dass die Entwicklung eines El Nihos am Früh-lingsanfang die Erträge dramatisch schmälert und eine Entwick-lung im November oder Dezember förderlich für diese sein kann. Laut der Universität Queensland und dem dort entwickelten Modell zur Bestimmung der Ernteerträge in Australien könnte das diesjährige Wetter einen stark negativen Einfluss in der (Winter-)Weizensaison haben. In den letzten acht El Niho-Jahren reduzierte sich die australische Weizenernte um durchschnittlich 29 Prozent (Grafik 2). Im folgenden Erntejahr normalisierten sich die Erträge wieder. Generell ist ein Ertragsrückgang der Weizen¬ernte von fast 50 Prozent möglich.

Bei Sojabohnen und Mais hat El Niho eher positive Auswirkun-gen auf die US-Ernteerträge, solange sich die Anomalie nicht, wie Mitte des Jahres 1988 geschehen, zu La Nifia umkehrt. In diesem sogenannten Wechseljahr fiel die Ernte für Mais und Sojabohnen deutlich schwächer aus. Dies ist mit Abstand das schlechteste Szenario für die Erträge von Sojabohnen und Mais. Neben dem Wechsel zwischen El Niho und La Niha wirkt sich ein regenreiches Frühjahr in den globalen Anbaugebieten negativ auf die Erträge aus. Durch den starken Regen verzögert sich die Aussaat und sehr heiße, trockene Sommermonate ziehen die

 

bereits zu spät ausgesäten Pflanzen in Mitleidenschaft. Jedoch bleibt festzuhalten, dass ein durchgängiges El Niho-Phänomen, das sich in der zweiten Jahreshälfte entwickelt, meist positive Auswirkungen auf die Ernten von Sojabohnen und Mais hat, da die Niederschläge nach der Aussaat einsetzen und dadurch das Pflanzenwachstum fördern. So fielen die Erträge in acht von elf El Niho-Jahren besser aus (Grafik 3).

Bei Baumwolle können durch El Niho Niederschläge, Boden-feuchtigkeit und Temperaturen, die zum Wachstum benötigt werden, beeinflusst werden. Entwickelt sich EI Niho und beeinflusst das Wetter während der Wachstumsphase in den US-Baumwollanbaugebieten, können die Erträge dadurch anstei¬gen. Hier gilt es allerdings zu differenzieren: Im Südosten der USA fallen die Erträge leicht geringer aus, während es in den Südstaaten, wo der Großteil der Ernte anfällt, tendenziell zu höheren Erträgen kommt. Während die US-Baumwollerträge von EI Niho somit per saldo profitieren können, verschlechtert sich das Bild beim zweitgrößten Baumwollproduzenten Indien. Der für die Produktion benötigte Monsun lässt deutlich nach und kann zu einer Verringerung der Erträge führen. Auch in Austra¬lien und Teilen von Afrika kommt es zu Dürren. Sollte El Niho die Baumwollproduktion in vollem Umfang treffen, dürfte dies zu einer Abnahme der weltweiten Produktionserträge und einer Verminderung der globalen Lagerbestände führen.

Kaffee und Zucker: Für Brasilien, den wichtigsten Anbauer von Kaffee und das weltgrößte Zuckerexportland, könnte ein Eintreten von El Niho positive Folgen haben. Die wichtigsten Anbaugebiete liegen im Süden und Osten des Landes und profi-tieren daher von den starken Regenfällen in den Gebieten. Bei Kaffee können die Blüten und die Ausbildung der Früchte durch die verstärkten Regenfälle profitieren. Erste Schätzungen gehen für 2016/2017 von einer deutlich höheren brasilianischen Kaffee-ernte aus. Bei Zucker verzögern die Regenfälle allerdings die Verarbeitung. Zudem könnten die Zuckerrohrernten in Thailand und Australien durch Trockenzeiten sowohl negativ als auch positiv beeinflusst werden. Es bleibt daher abzuwarten, welche Erträge am Ende der Erntezeit (Australien: Dezember; Thailand: März) erzielt wurden. Die durch EI Niho geringer ausfallenden Niederschläge in der Monsunzeit in Indien könnten hingegen die dortige Zuckerrohrernte beeinträchtigen. Die Auswirkungen von El Niho auf das globale Zuckerangebot sind somit nicht eindeutig. Die Internationale Zuckerorganisation ISO geht in ihrem veröffentlichten Quartalsbericht (November) von einem globalen Defizit von 3,5 Millionen Tonnen aus, was sie unter anderem auf eine geringere Produktion in Indien zurückführt.

Kakao: Die globale Kakaoproduktion reagiert hochempfindlich auf klimatische Veränderungen. Das schließt sowohl Dauer und Intensität der Sonneneinstrahlung als auch Niederschläge und Bodenfeuchtigkeit mit ein. Durch die teilweise starken klimati¬schen Veränderungen und die daraus resultierenden Dürren

 

durch El Niho muss laut der Internationalen Kakaoorganisation (ICCO) mit einer abnehmenden Produktion gerechnet werden. Im Durchschnitt geht die Produktion bedingt durch El Niho welt¬weit um 2,4 Prozent zurück.

Auch die Energierohstoffe       »Aufgrund von

reagieren auf unterschiedliche          geringeren Regenfällen

Wetterbedingungen, da diese            sind der Abbau und der

Auswirkungen auf die Produk¬          Transport von Erzen

tionsmengen und auf die Nach¬        unproblematischer.«

frage haben. Allerdings ist der

Einfluss regional beschränkt.

Zu den betroffenen Energierohstoffen zählen US-Rohöl und US-Erdgas, denn Teile der Erdgasförderanlagen und der Ölpro-duktion sind im Golf von Mexiko angesiedelt. Auch wenn deren Bedeutung mit dem Schiefergas- und Schieferölboom etwas geschrumpft ist, kann die Produktion von einer dank El Niho schwächeren Hurrikansaison profitieren. Aufgrund der durch EI Nifio milderen Wintertemperaturen in den USA geht zudem der Verbrauch von Erdgas zu Heizzwecken zurück. Allerdings besteht nach El Nifio das Risiko einer höheren Hurrikanaktivität.

Industriemetalle: Vor der Küste Chiles, dem wichtigsten Kupfer-produzenten der Welt, bilden sich durch die Erwärmung der Meeresoberfläche und das damit verbundene Tiefdruckgebiet Wolken und es kommt zu kräftigen Regenfällen. Dadurch kann der Abbau und Transport von Kupfer verzögert bzw. gestört

werden. Denkbar sind auch Erdrutsche oder Überschwemmun¬gen, die die Minenproduktion kurzfristig unmöglich machen und die Angebotsseite belasten. Solche Angebotsausfälle können dem Kupferpreis Auftrieb geben. In Indonesien, wo sich mit Grasberg die zweitgrößte Kupfermine der Welt befindet, regnet es dagegen während El Niho für gewöhnlich weniger als üblich. Entsprechend ist hier nicht mit Beeinträchtigungen zu rechnen. Für Nickel, Zinn und Bauxit gilt, dass normalerweise die Pro¬duktion in Indonesien, den Philippinen und Malaysia zwischen Dezember und Januar aufgrund starker Regenfälle sinkt. Ein geringer ausfallender Monsun, ausgelöst durch El Niho, kann zu einer höheren Produktion führen als saisonüblich. Denn aufgrund von geringeren Regenfällen sind der Abbau und der Transport der Erze unproblematischer. Das höhere Angebot könnte auf den Preisen lasten.

EI Nifio 2015/2016 - erhöhte Unsicherheit, aber kein Krisenautomatismus

Wurde im Juni noch von einem mittelstarken El Niho ausgegan¬gen, verdichten sich die Anzeichen, dass das Wetterphänomen deutlich stärker ausfallen könnte als zunächst angenommen. Darauf deutet beispielsweise der Southern Oscillation Index

Grafik 4: Southern Oscillation Index (SOD signalisiert EI Nifio

Werte > 8 typisch für La Nina, Werte < 8 typisch für El Nine

SO -Index 30

20

10                              La Niha        

                                   diibteRiiN'ILK4

El Niho         

0                                            

-          10 -20                                             

                                              

-          30

-          40

1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 2009 2011 2013 2015

Stand: Dezember 2015

Quelle: Staatliche Australische Wetterbehörde, Commerzbank Research

 

(S01) hin. Er ist ein statistisch berechnetes Maß, welches allge¬mein den Luftmassenaustausch zwischen dem Indischen Ozean und dem Pazifik beschreibt. Ebenso gilt der SOI als Indikator für die relative Stärke und Schwäche der Passatwinde über dem Pazifischen Ozean. Dieser SOI-Index verzeichnete bis Oktober einen stetigen Abfall, was in Verbindung mit ungewöhnlich hohen Temperaturen im tropischen Pazifik steht (Grafik 4). Und nachdem er im November kurzzeitig in die neutrale Zone gestie¬gen war, ist er zuletzt wieder gefallen. Sollte El Niho bis in den Frühling 2016 andauern, könnte dies weltweit Ernten und Pro¬duktionen beeinträchtigen. Erste Auswirkungen von EI Niho sind bereits jetzt festzustellen. Laut indischen Wetterbehör¬den lagen die diesjährigen Niederschläge während der Monsunzeit zwischen Juni und September 14 Prozent unter dem Durchschnitt der letzten 50 Jahre.

Innerhalb der durch Wetterunsicherheiten gekennzeichneten Angebotssituation bei den oben erwähnten Rohstoffen spielen spezielle Wetterphänomene die Rolle eines Verstärkers. Dass dies durchaus Krisen verschärfen oder eine angespannte Situa¬tion zu einer Krise ausweiten kann, hat nicht zuletzt die Saison 2010/2011 gezeigt. Der Zusammenhang zwischen El Niho und den Ernteerträgen ist aber nicht eindeutig. Erhöhte Regenfälle können je nach Region und Zeitraum positive Auswirkungen auf die Erträge haben, während sie in anderen Regionen und einige Wochen früher oder später den Wachstumsverlauf der Pflanzen negativ beeinflussen. Wie sich der wiedererstarkende El Nina letztlich auswirken wird, bleibt abzuwarten. Es besteht zumin¬dest die Hoffnung, dass sich bei einem moderaten Verlauf dieses Phänomens über die kommenden Monate die negativen Aus¬wirkungen für die Produktion der Rohstoffsektoren in Grenzen halten werden und es nicht zu einer Wiederholung der Entwick¬lungen von 1997/1998 kommt. Zudem sind die Lager der meis¬ten Agrarrohstoffe aufgrund von sehr guten Ernten der letzten Jahre gut gefüllt und bilden daher im Falle eines starken El Niho einen Puffer.

wichtigen internationalen Aktienindizes - zum Jahresauftakt 2016 stark unter Druck und fiel innerhalb kürzester Zeit bis an die mittelfristige Unterstüt¬zungszone im Bereich von 1.820 bis 1.880 Punkten zurück. Einerseits liegt nach den Kursverlusten der Vorwochen und der dadurch entstandenen kurzfristig überverkauften technischen Lage eine Stabilisierungschance im Umfeld der Unterstützungsmarke vor. Andererseits würde sich die mittelfristige technische Lage im S&P 500 bei einem nachhaltigen Unterschreiten dieser Zone (Kurse unter¬halb von 1.785 Punkten) weiter eintrüben und ein neues Verkaufssignal entstehen. Dies würde eine mittelfristige technische Gegenbewegung (auf die Kursgewinne der Vorjahre) einläuten. Als Konsequenz sollte die Unterstützungszone bei 1.820 bis 1.880 Punkten genau beobachtet werden und bestehende Positionen im S&P 500 mit einem Sicherungsstopp belegt werden.

 

 

Mit den beiden Capped Bonus-Zertifikaten können Anleger an der Entwicklung des S&P 500-Index bis zum Cap partizipieren. Zudem erhalten Anleger den Bonus¬betrag, solange die Barriere bis zum Bewertungstag nicht erreicht oder unter¬schritten wird. Bei Unterschreitung der jeweiligen Barriere folgt das Zertifikat, unter Berücksichtigung des Bezugsver-hältnisses, dem Index bis zum Cap. An Kurssteigerungen über den Cap hinaus nehmen Anleger nicht teil. Zu beachten ist, dass die Zertifikate währungsgesichert sind, das heißt, für Anleger besteht kein Währungsrisiko bei Veränderungen des Euro/US-Dollar-Wechselkurses.

Mit den beiden Faktor-Zertifikaten Long auf den S&P 500 Future können Anleger gehebelt an der Entwicklung des S&P 500 Future partizipieren. Bezogen auf die tägliche prozentuale Wertentwicklung bedeutet das: Steigt der Future, steigt der Wert des Zertifikats circa um den jeweili¬gen Faktor (Hebel) und umgekehrt. Die Zertifikate sind nicht währungsgesichert, das heißt, Veränderungen des Euro/ US-Dollar-Wechselkurses werden im Preis der Zertifikate berücksichtigt.

 

Klimt _ Gustav Klimt Buch von Selzer_McKenzie SelMcKenzie


Klimt _ Gustav Klimt   Buch von Selzer_McKenzie SelMcKenzie

„Klimt _ Gustav Klimt“

von D.Selzer_McKenzie

mit kompletten Notenblättern der

Oper „Der Maler und sein Bild“

komponiert von D.Selzer_McKenzie

Ein Titelsatz für diese Publikation ist bei der Deutschen Staatsbibliothek hinterlegt.

Originalausgabe ®Klimt _ Gustav Klimt

® 2016 by D.Selzer_McKenzie

(Dr.of Molekularbiology and Genetics)

published by SelMcKenzie Media Publishing

auch als Hörbuch und eBook (ePUB)

ISBN 978_1_326_55072_1 €uro 9,80  mit gesamt 977 Seiten

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie,Microfilm oder ein anderes Verfahren) ohne Genehmigung des Authors und Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert,verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.











Währungsausblick 2016


Währungsausblick 2016

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/LfZWvlMZRnQ

2016 könnte für Devisenmanager ein schwieriges Jahr werden. Wechselkurse dürften weiterhin von Zentralbankpolitiken dominiert werden. Gleichzeitig nehmen die Zentralbanken zunehmend Rücksicht auf die Wechselkursentwicklung. Markt und Zentralbanken bewegen sich somit in einer schwierigen Wechselbeziehung. Das spricht gegen einfache Trends und für eine hohe Schwankungsintensität der Wechselkurse.

Im Rückblick erscheinen die Neunzigerjahre als zivilisierte Zeit. Nach den Krisen des Europäischen Währungssystems Anfang des Jahrzehnts nahm die Schwankungsintensität der Wechsel-kurse deutlich ab (Grafik 1 und 2). So stabil wie in dieser Periode waren die Wechselkurse seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems selten gewesen. Ich befürchte, zumindest in diesem Jahr dürften wir in solche ruhigen Fahrwasser nicht zurückkeh¬ren. Im Gegenteil, die hohen Wechselkursschwankungen der Siebziger- und Achtzigerjahre könnten eher als Modell für das dienen, was uns in nächster Zeit bevorsteht.

 

Die volatilen Siebziger und Achtziger waren gekennzeichnet durch schnelle Änderungen der Wechselkurspolitiken, die somit wenig vorhersehbar waren. Sei es das »Volcker-Experiment« in den USA, seien es der Plaza-

und der Louvre-Akkord als Beispiele sehr wirksamer Politikkoordination. In den Neunzigerjahren hingegen hielt sich die Politik weitgehend aus dem Geschehen an den Devi-senmärkten heraus und die Zentralbanken agierten regelgebunden und damit vorhersehbar. Klar, auch damals verursachten Konjunkturzyklen Änderungen im Verhalten der Zentralbanken, die zu Wechselkursschwankungen führten. Dennoch waren die Ausschläge geringer als zuvor, weil die Art und Weise, wie Zentralbanken auf die Konjunktur reagier¬ten, vom Markt verstanden wurde. In einem gewissen Ausmaß konnte der Devisenmarkt somit »durch die Konjunkturzyklenhindurchschauen« und musste nicht bei jedem Abschwung damit rechnen, dass das System der Geld- und Wechselkurspolitik auf den Kopf gestellt wird.

Experimente, Überraschungen und Missverständnisse Diese Sicherheit fehlt heute. Auch im siebten Jahr nach der großen Rezession agieren Zentralbanken weiterhin mit »unkon¬ventionellen« Maßnahmen. In der Tat experimentieren sie und halten damit weiter das Niveau der Unsicherheit hoch. Wer will heute schon sagen, wie Zentralbanken in fünf oder zehn Jahren agieren werden? Noch unkonventionellere Maßnahmen als bisher - von Bargeld-Abschaffung bis Helikopter-Geld - müssen ernsthaft in die Erwägungen der Marktteilnehmer einbezogen werden. Und selbst der US-Geldpolitik, die auf einen Normali¬sierungskurs eingeschwenkt ist, steht keine ruhige Zeit bevor. Denn die Normalisierung ist für die Fed und den Markt ebenfalls

 

Neuland. Auch dieser Prozess ist damit ein Experiment, bei dem beiden Seiten Fehler unterlaufen können (und wahrscheinlich werden). Für die anderen Zentralbanken sieht es mindestens so schwierig aus. Immer noch sind die klassischen Transmissions-kanäle der Geldpolitik verstopft. Und immer noch sind viele Zen¬tralbanken auf der Suche nach neuen, wirksamen Alternativen. Bisher ohne Erfolg, aber wir können sicher sein, dass sie weiter experimentieren werden, wenn sich das Problem der niedrigen Inflation nicht von selbst löst oder eine von ihnen den Stein der Weisen findet.

Überraschungen und Missverständnisse sind somit wahrschein¬lich. Den Zentralbanken wird von Beobachtern häufig schlechte Kommunikation vorgeworfen. Auch ich habe in den vergangenen zwölf Monaten immer wieder über missglückte Kommunikation der einen oder anderen Zentralbank geschimpft. Die überra¬schende Abschaffung des Mindestkurses von 1,20 Schweizer Franken je Euro durch die SNB, die lange andauernde Unsicher¬heit über das Liftoff-Timing der Fed, die widersprüchlichen Sig¬nale der schwedischen Riksbank und zuletzt die überraschende EZB-Entscheidung im Dezember - die Liste der Kommunikati-onsfehler von Zentralbanken ist lang. Doch muss ich fairerweise eingestehen, dass der Job der Zentralbanker heute weitaus schwieriger ist als in den Neunzigerjahren und auch als Anfang dieses Jahrtausends. Ich als Analyst habe gut reden.

Interdependenz

Verkompliziert wird ihre Aufgabe dadurch, dass für Zentralban¬ken die Wechselkursentwicklung gegenwärtig viel wichtiger ist, als sie das früher war. Abwertung wird - zu Recht oder Unrecht - häufig als einziger halbwegs funktionierender Kanal der Geld¬politik betrachtet.

Doch auch ohne die Interdependenzen zwischen den verschiede¬nen Zentralbankpolitiken ist die Situation schon schwer genug. Denn es besteht auch eine Interdependenz zwischen den auf Wechselkurse schielenden oder offen auf Wechselkurse zielen¬den Geldpolitiken der Zentralbanken und dem Devisenmarkt. Theoretiker dürften diese Situation als nicht kooperatives Spiel beschreiben. Das Verhalten des einen bestimmt die Reaktion des jeweils anderen. Dass solche Situationen nicht unbedingt einen glatten Pfad zu einem stabilen Gleichgewicht generieren, wissen Spieltheoretiker nur allzu gut. Insbesondere weil beide Seiten sich nicht sicher über das Verhalten der Gegenseite sein können (beide sind ja neu in dieser Situation!), ist es wahrscheinlich, dass überschießende Reaktionen beobachtet werden: Die Zentral-

 

banken werden ihre Mittel - sei es die Zinsschraube der Fed, sei es das Quantitative Easing der Bank of Japan - das eine oder andere Mal zu heftig einsetzen. Und der Devisenmarkt wird auf Signale der Zentralbanken zu heftig reagieren. Dieses Thema dominiert zum Beispiel unsere Prognose der US-Dollar-spezifi¬schen Teile der Wechselkursentwicklung 2016.

Hier liegt die Ursache der Ähnlichkeit zur Situation der Siebziger und Achtziger. Auch damals mussten Markt und Zentralbanken (und damals noch: die Politik) sich aufeinander einpendeln. Das hat fast 20 Jahre gedauert und führte zu heftigen Wechselkursausschlägen mit realwirt¬schaftlichen Folgen, die teilweise noch heute zu spüren sind. Selbst wenn dieses Einschwingen heute schneller und weniger heftig verlaufen sollte, 2016 könnte das Jahr werden, das davon dominiert wird.

Der Yuan - neue Weltwährung im Abwärtsstrudel


Der Yuan - neue Weltwährung im Abwärtsstrudel

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/tNoVXihwQvQ

China wird immer mehr vom Hoffnungsträger zum Krisenherd der Weltwirtschaft. In diesem Umfeld erklärt der IWF den Yuan zur neuen Reservewährung und stellt ihn damit auf eine Stufe mit US-Dollar und Euro. Warum?

 

Schock und Panik herrschten zu Jahresbeginn an den Märk-ten. Auslöser für die weltweiten Kursturbulenzen war die Furcht vor einer weiteren Destabilisierung des Finanzsystems und der Wirtschaft in China. Es war ein De vu der Ereig¬nisse vom August 2015, als eine überraschend starke Ab¬wertung des Chinesischen Yuan (offizielle Bezeichnung: Renminbi) zu Verunsicherung an den globalen Finanzmärk¬ten geführt hatte. Auch Anfang Januar wurde der Yuan gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, USD/CNY stieg auf den höchsten Stand seit 2011. Viele befürchten, dass dies nur der Beginn einer Spirale aus Abwertung, Ka¬pitalflucht und Kursstürzen an den Börsen sein könnte. Aber wurde der Yuan tatsächlich aktiv von der Notenbank abgewertet? Stimmt diese Formulierung überhaupt? Tat¬sächlich erklärt Peking seit geraumer Zeit, den Wechselkurs des Yuan mehr den Marktkräften überlassen zu wollen. Das ist kein generöses Zugehen auf die Anhänger der reinen Marktwirtschaft, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Regierung und Notenbank in China wollen und müssen den Kapitalverkehr schrittweise liberalisieren, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiter vorantreiben wollen. Freier Kapitalverkehr ist aber nur möglich, wenn der Wechselkurs die Marktbedingungen, sprich das aktu¬elle Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, zumindest annähernd widerspiegelt.

Tatsächlich hat Peking den Yuan nicht aktiv abgewertet, sondern nur den Marktkräften nachgegeben, die seit einiger Zeit auf eine Abwertung drängen. Wie in den meisten an-deren Bereichen der Wirtschaftspolitik betreibt Peking auch am Devisenmarkt einen Mix aus direkter politischer Steu-erung und Marktwirtschaft. Damit war China in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich. Nun aber nimmt die Skepsis zu, ob dies auch in Zukunft so sein wird.

Yuan wird zur IWF-Reservewährung. Sicher sähe es der Internationale Währungsfonds (IWF) gerne, wenn Peking noch mehr auf die Marktwirtschaft setzen würde. Das hat den IWF aber nicht davon abgehalten, im November 2015 für die meisten Experten überraschend den Yuan in seinen exklusiven Währungskorb aufzunehmen. Die chinesische Währung wird damit neben US-Dollar, Euro, Japanischem

DER CHINESISCHE YUAN

Chinas Währung ist der Renminbi, was so viel wie „Volksgeld' bedeutet. Die Währung wird von der Notenbank Peoples Bank of China (PBoC) herausgegeben. Die Einheit der Währung heißt Yuan (CNY). Dieser Begriff wird gerade international synonym für den Renminbi (RMB) verwendet, obwohl dies nicht korrekt ist.

Das Wechselkurssystem

Der Yuan war seit 1994 an den US-Dollar gekoppelt. Der Wech-selkurs wurde von der PBoC nach bestimmten Kriterien festgelegt. In den Letzten Jahren wurde das feste Wechselkurssystem schritt-weise in ein flexibleres System überführt. Im Dezember 2015 hat die PBoC verkündet, den Wert des Yuan nicht mehr allein gegen-über dem US-Dollar, sondern gegenüber einem Index aus einem

 

Yen und Britischem Pfund zur fünften offiziellen Weltreser-vewährung. Der US-Dollar bleibt allerdings mit einem Anteil von 41,7 Prozent im Währungskorb das Maß aller Dinge, der Yuan wird mit 10,9 Prozent gewichtet und der Euro dafür von 37,4 auf 30,9 Prozent zurechtgestutzt. Überraschend kam die Aufnahme deshalb, weil IWF-Chefin Christine Lagarde genau das noch wenige Monate zuvor abgelehnt hatte. Doch am 14. November hieß es plötzlich, China habe nun „alle operativen Probleme gelöst, der Yuan erfüllt die beiden wesentlichen Kriterien einer Reservewäh¬rung - den weitgehenden Gebrauch und die weitgehende Handelbarker. Diese Feststellung ist insofern amüsant, als der Yuan alles andere als frei handelbar ist. Die freie Kon-

 

ganzen Korb von Währungen, gewichtet nach deren Bedeutung für den Außenhandel Chinas, festzulegen.

Der Offshore Yuan (CNH)

Für den in Hongkong gehandelten und ausländischen Anlegern zugänglichen Yuan wird die Bezeichnung „Offshore Yuan" (CNH) verwendet. Die in Hongkong ermittelten Wechselkurse für den CNH können besonders in unsicheren Marktphasen von den in Festland-China ermittelten Kursen für den CNY abweichen. Anfang 2016 bestand ein positiver Spread zwischen USD/CNH und USD/ CNY, worin zum Ausdruck kommt, dass auf eine weitere Abwertung des Yuan spekuliert wird. Peking ist daran interessiert, den Spread zwischen beiden Wechselkursen klein zu haltenvertierbarkeit war bisher Grundvoraussetzung für eine Aufnahme in den Währungskorb, aber für China macht man eine Ausnahme. Ein Indiz für die fehlende Konvertierbarkeit ist der in Hongkong gehandelte sogenannte „Offshore Yuan" (CNH), dessen Kurs von dem des „Onshore Yuan" (CNY) abweicht. Auch von einem weitgehenden Gebrauch des Yuan außerhalb Chinas kann keine Rede sein.

Machtkampf mit den USA? Kein Wunder, dass schnell wil¬de Spekulationen ins Kraut schossen, was denn der wahre Grund für die Aufnahme in den Währungskorb sei und wie die USA dazu stünden - abseits der üblichen diplomatischen Floskeln. Manche Experten vermuten, dass die USA schon lange auf diplomatischer Ebene gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb des IWF gekämpft hätten. Sicher gibt es in den USA viele Hardliner, die in China den größten wirtschaftlichen und politischen Gegner sehen. Tatsächlich liegt aber die Integration des Yuan in die internationalen Finanzmärkte im Interesse der USA, denn stoppen kann Washington den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas sowieso nicht. Die Einbindung in internationale Vereinbarungen und Institutionen und vor allem in die internationalen Kapital-märkte ermöglicht zwar keine Kontrolle der neuen Super-macht, erschwert es aber China, einen Sonderweg zu gehen. Gerechtfertigt oder nicht, letztlich spiegelt die Aufnahme des Yuan in den exklusiven Währungskorb des IWF die wirtschaftlichen Realitäten wider, auch wenn die chinesische Währung (noch) nicht frei konvertierbar ist: China ist in den letzten Jahren zur größten Wirtschaftsmacht der Erde noch vor den USA aufgestiegen.

Die Motive des IWF. Sollten die USA hinter den Kulissen tatsächlich gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungs-korb gearbeitet haben, wäre die Entscheidung des IWF eine klare Positionierung gegen die USA. Das ist nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass die USA mit ihrem großen Stimm-rechtsanteil wichtige Reformen im IWF blockieren können. Aber wahrscheinlich sind die Motive des IWF einfacher: China will seine Wirtschaft mehr nach außen öffnen, den Kapitalverkehr liberalisieren und auch den Yuan als inter-nationale Anlagewährung etablieren. Das ist eine Zielsetzung, die aus Sicht des marktwirtschaftlich orientierten IWF die Weltwirtschaft stabiler macht. So gesehen ist die Aufnahme in den Währungskorb gerade in diesen Zeiten instabiler globaler Finanzmärkte sinnvoll. Zumal die Aufnahme des

 

ANTEIL AN GLOBALEN GELDTRANSAKTIONEN

Quelle Society for Worldvvide Interbank Financial. Tetecommunication

(Swift); Stand September 2015

Yuan in den Währungskorb den Kurs Pekings vor allem symbolisch unterstützt, denn konkrete Folgen hat sie kurz-fristig kaum. Zudem trägt der IWF damit der in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsenen Bedeutung der Schwel-lenländer für die Weltwirtschaft Rechnung. Praktisch un-denkbar dass eine andere Währung aus den Emerging Markets vor dem Yuan in den Währungskorb hätte aufge-nommen werden können.

Was will China? Für Peking ist die Aufnahme in den Wäh-rungskorb erst einmal ein Prestigeerfolg. Wichtig gerade in Zeiten, in denen die „chinesische Erfolgsstory" nicht nur Kratzer bekommt, sondern auf der Kippe zu stehen scheint. Eine globale Leitwährung wie der US-Dollar wird der Yuan deswegen aber noch lange nicht. Das ist nicht einmal dem Euro gelungen, obwohl dieser dafür weitaus bessere Vo-raussetzungen als der Yuan mitbringt.

Trotzdem ist es auch ökonomisch sehr sinnvoll, den Status der eigenen Währung zu verbessern und damit das Ver¬trauen der internationalen Anleger sowie anderer Noten¬banken zu stärken. Dadurch wird es leichter und billiger, Anleihen in der eigenen Währung zu platzieren - sprich: sich in der eigenen Währung zu verschulden. Die USA kön¬nen ihren Status als wirtschaftliche Weltmacht auch deshalb seit Jahren aufrechterhalten, weil der US-Dollar auf dem ganzen Globus als Leitwährung anerkannt wird. Amerika¬nische Anleihen finden stets reißenden Absatz in anderen Ländern, selbst wenn die wirtschaftliche Lage der USA schlecht ist. Überspitzt gesagt: Die USA können nicht plei-tegehen. Diesen Status wünscht sich Peking natürlich auch. Konkret hat Peking in Letzter Zeit den inländischen Anlei-hemarkt wiederbelebt und so die Abhängigkeit der Unter-nehmen von Dollarkrediten verringert. 2015 sind die Emis-sionen von Yuan-Anleihen auf ein Rekordniveau von 312,8 Milliarden Yuan gestiegen.

Zwischenfazit. Die kurzfristigen Folgen der Aufnahme des Yuan in den Währungskorb sind gering. Niemand, kein Privatmann und keine Notenbank, wird sich allein deswe¬gen den Yuan ins Depot legen. Jenseits aller echten und vermuteten Machtspiele ist die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb im Sinne der von China betriebenen Ent-wicklungspolitik aber ein folgerichtiger Schritt - der auch im Interesse des IWF und der Weltwirtschaft liegt. Ein in-stabiles China kann sich niemand mehr Leisten, auch die USA nicht. Die Gefahr einer echten Wirtschaftskrise in China ist aber so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Abwertungsspirale durch Kapitalflucht. Peking verfolgt mit der Aufnahme des Yuan in den Währungskorb aber nicht nur langfristige Ziele, sie ist auch ein Mittel, um den Yuan kurzfristig zu stärken und die im Gang befindliche Kapital-flucht aus China zu bremsen. Konkret erhofft sich Peking eine zunehmende Nachfrage nach der neuen Reservewäh-rung Yuan durch die Notenbanken anderer Länder, vor-nehmlich der Handelspartner. Das würde den aktuellen Abwertungsdruck dämpfen. Das Problem der Kapitalabflüs-se aus China hat das Potenzial, die globalen Finanzmärkte

 

zu destabilisieren, und führt sicher auch bei den Experten des IWF zu Schweißausbrüchen. Der „Börsenguru" und Währungsexperte George Soros sieht deswegen sogar die Gefahr einer Finanzkrise im Stil von 2008 heraufdämmern. Spürbar wird das bereits an den bislang als unerschütter¬lich geltenden riesigen Währungsreserven Chinas, die 2015 deutlich geschrumpft sind. Peking hat im letzten Jahr 500 Milliarden US-Dollar eingesetzt, um im Währungsmarkt gegen eine Abwertung des Yuan zu kämpfen. Im Verlauf des Jahres 2015 haben sich dabei die AbfLüsse beschleunigt. Das kann nicht ewig so weitergehen, auch wenn die Reser¬ven immer noch 3.400 Milliarden US-Dollar betragen. Zumal auch die wieder expansiver ausgerichtete Geldpoli¬tik Pekings dadurch konterkariert wird, denn die Geldmen¬ge schrumpft durch den Kapitalabfluss. Das schwächt die Labile Konjunktur zusätzlich.

Chinas Entwicklung stößt an ihre Grenzen. Noch vor ein oder zwei Jahren hatte kaum jemand auf der Rechnung, dass der Yuan unter Abwertungsdruck kommen könnte. Die hohen Handelsüberschüsse und der immense Bestand an Devisenreserven sprachen im Gegenteil für eine Über-bewertung. Doch das scheint eine Fehleinschätzung gewe-sen zu sein, wie sich nun herausstellt. Die hohen Handels-bilanzüberschüsse waren vor allem ein Resultat der Politik der Exportförderung. Volkswirte sprechen hier von einer exportorientierten Entwicklungsstrategie, die auf einer Förderung des Angebots beruht. Diese Politik war nicht nurin China sehr erfolgreich, sondern hat auch Südkorea und andere ostasiatische Volkswirtschaften wirtschaftlich nach vorne gebracht. Das Gegenstück dazu ist eine nachfrage-orientierte Entwicklungsstrategie, die zum Beispiel darauf zielt, Importe aus dem Ausland zu reduzieren. Brasilien ist dafür ein Beispiel. Der Aufstieg des südamerikanischen Landes in den Jahren vor der aktuellen Krise war nicht nur auf den Boom am Rohstoffmarkt, sondern auch auf die Stärkung der Kaufkraft des Mittelstands zurückzuführen. Viele Brasilianer konnten sich unter der Regierung Lula erstmals einen Kühlschrank zulegen.

Das brasilianische Entwicklungsmodell ist an seine Grenzen gestoßen, weil strukturelle Probleme ungelöst blieben, darunter die großen Mängel in der Infrastruktur und der

ECKPUNKTE UND ZIELE DER NEUEN WÄHRUNGSPOLITIK PEKINGS

-          Der Wechselkurs des Yuan soll „marktgerechter" werden, sprich Angebot und Nachfrage besser widerspiegeln.

-          Der Yuan wird von der Notenbank gegenüber einem Wäh rungskorb gemanagt, nicht mehr gegenüber dem US-Dollar allein.

-          Peking bezeichnet den Yuan Anfang 2016 offiziell als gegen über dem Währungskorb „im Gleichgewicht".

-          Eine Abwertung des Yuan zum US-Dollar ist im aktuellen Rahmen möglich, insbesondere wenn der US-Dollar auch gegenüber anderen Währungen aufwertet.

 

Energieversorgung. Dazu kommt die Korruption. Auch Chi-nas Entwicklungsmodell ist nicht mehr so erfolgreich, weil zum Beispiel andere Schwellenländer längst günstiger produzieren als China. Überkapazitäten in der Industrie, Leerstand bei Immobilien, die massive Umweltverschmut-zung und andere Probleme zeigen, dass die reine Investi-tionsförderung zur Steigerung der Exporte an ihre Grenzen stößt. Dazu kommen auch im gut organisierten China Kor-ruption und Misswirtschaft.

Von der Exportförderung zur Stärkung der Inlandsnach¬frage. Will China den nächsten Entwicklungsschritt machen, dann muss die Inlandsnachfrage gestärkt werden, denn nur über Exporte und das Anhäufen von Devisen entsteht kein Wohlstand. Für Peking ebenfalls ein wichtiger Aspekt: Die Fokussierung auf den Export macht auch politisch abhän¬gig. Wenn andere Länder ihre Importe beschränken, trifft das Chinas Wirtschaft bis ins Mark. Das ist zwar im heu¬tigen vernetzten Welthandel, in dem jeder von jedem abhängig ist, kaum zu befürchten. Dafür aber gibt es eine Steuerung der Handelsströme über die Währungspolitik. Andere Länder werten ihre Währungen auch gegen den Yuan ab und mindern so die Exportchancen chinesischer Produzenten. Das wirkt sich negativ auf die Entwicklung Chinas aus.

Vorbild Pekings dürften in dieser Hinsicht die USA sein: Die Vereinigten Staaten sind aufgrund der Größe ihres Binnenmarkts relativ unabhängig von der Währungspolitik anderer Länder. Unabhängiger jedenfalls als auf den Export fixierte Länder wie Deutschland, Japan und eben China. China allerdings hat aufgrund seiner Größe ebenfalls die Chance, sich über einen starken Binnenmarkt unabhängi¬ger von äußeren Einflüssen zu machen. Das ist das Ziel Pekings.

Kapitalflucht gefährdet den Umbau der Wirtschaft. Der Umbau der Wirtschaft, das Reduzieren der Exportförderung und der Kampf gegen illegale Kreditvergabe führten zu einer starken Verlangsamung der Expansionsraten. Das Land wächst so schwach wie seit 20 Jahren nicht mehr. China benötigt aber hohe Wachstumsraten, um der nach wie vor in die Städte strömenden Bevölkerung Arbeit zu geben und soziale Unruhen zu vermeiden. Für Peking ist der Umbau der Wirtschaft daher ein Drahtseilakt. Kippt die Konjunktur („hard landing"), dann droht eine weitere Abwärtsspirale. Die Regierung versucht dem seit 2015 mit einer Lockerung der Geldpolitik und Zinssenkungen ent-gegenzuwirken.

Beides - das geringere Wachstumstempo und der Rückgang der Zinsen - führen aber dazu, dass Geldanlagen in China weniger lukrativ werden. Das überschüssige Kapital drängt dahin, wo es mehr Rendite gibt, nämlich ins Ausland. Die Kapitalflucht ist ein neues Phänomen in China und eine große Gefahr. Hier könnte ein Sog entstehen, der kaum noch zu stoppen ist. Der Abfluss an Kapital führt einerseits zu Abwertungsdruck auf die Währung, andererseits verstärkt die Aussicht auf eine Abwertung der Währung den Anreiz,

 

aus dem Yuan zu fliehen, zusätzlich. Peking versucht diesem Problem mit einer schrittweisen Öffnung der Kapitalmärk¬te, von Aktien über Anleihen bis Währungen, entgegenzu¬wirken. Das Fallen von Beschränkungen eröffnet den Chi¬nesen mehr Anlagemöglichkeiten, im Inland und im Ausland. Dadurch sinkt zwar der Anreiz, Geld außer Landes zu schaf¬fen, andererseits verliert Peking durch diese Öffnung aber auch die Kontrolle über die Kapitalströme. Der bisher über Kapitalverkehrsbeschränkungen ausgeübte Zwang muss durch Vertrauen ersetzt werden. Vertrauen in die Wirt¬schaftspolitik und Vertrauen in die Währung. Dem Yuan mehr internationales Ansehen zu verschaffen ist dafür ein wichtiges Instrument. Peking geht diesen Weg langsam, aber zielstrebig. Die Aufnahme des Yuan in den IWF-Wäh¬rungskorb ist dabei nur ein Baustein.

Wertet der Yuan weiter ab? Es ist immer wieder in Artikeln und Kommentaren zu lesen, aber es stimmt so nicht: China betreibt keine Abwertungspolitik. Peking lässt lediglich zu, dass der Yuan wie in den Jahren zuvor fast gegenüber allen anderen Währungen weltweit und gegenüber dem US-Dollar abwertet. Ein Beweis dafür: Der Wechselkurs des Euro zum Yuan befindet sich trotz des jüngsten Kursanstiegs immer noch in der Nähe seines Allzeittiefs. Chinas Noten¬bank will den Wechselkurs des Yuan stabil halten, allerdings nicht mehr gegenüber dem US-Dollar, sondern gegenüber einem Index aus vielen Währungen, die nach ihrem jewei¬ligen Handelsanteil gewichtet werden. Das haben anschei¬nend viele Akteure an den Märkten noch nicht wirklich verstanden - oder sie wollen es nicht verstehen. Gegenüber diesem Währungskorb sieht Peking offiziellen Verlautbarun¬gen zufolge den Yuan aktuell „im Gleichgewicht". Ökonomisch war die Entkoppelung vom US-Dollar eine durchaus sinnvol¬le Entscheidung: Wenn der US-Dollar gegenüber den anderen Währungen weltweit nicht weiter aufwertet, dann wertet er auch nicht gegen den Yuan auf. So weit die Theorie.

Aber wie geht es praktisch weiter? Chinas Wirtschaft lahmt und die Notenbank senkt die Zinsen, während in den USA der Leitzins angehoben wird. Das spricht für einen starken US-Dollar und damit für anhaltenden Aufwärtsdruck auf den Wechselkurs USD/CNY. Ob der Yuan auch gegenüber dem Euro - gegen den er bislang relativ stabil blieb - abwertet, hängt von der allgemeinen Entwicklung des Euro und speziell vom Wechselkurs Euro/US-Dollar (EUR/USD) ab.

Sollte sich der Euro erholen, dann würde die Abwertung des Yuan gegen den Euro noch stärker ausfallen als gegenüber dem US-Dollar. Die meisten Experten rechnen in den nächsten zwölf Monaten mit einem weiteren Kursanstieg von USD/CNY und von EUR/CNY.

Die grundsätzliche Änderung der Währungspolitik in China sorgt auch aufgrund der schlechten Kommunikation durch die Notenbank für Verunsicherung an den Finanzmärkten. Das ist ein Grund für die Turbulenzen, die im Januar die Märkte er¬schütterten. Tatsächlich ist Peking nicht an weiteren drastischen Abwertungsschritten interessiert, sondern wird eher die Poli¬tik eines moderaten Kursrückgangs des Yuan gegenüber dem US-Dollar verfolgen. Dabei wird es auch zwischenzeitliche Phasen der Aufwertung geben. Schließlich will Peking verhin¬dern, dass der Kapitalabfluss aus China außer Kontrolle gerät.

 

Schlussfazit. Regierung und Notenbank in China wollen eine möglichst schonende Abkopplung des Yuan vom US-Dollar. Dadurch soll die Wirtschaft unabhängiger und die Kapitalflucht gebremst werden. Eine Abwertung des Yuan ist kein Ziel Pekings. Der Kapitalabfluss aus China ist ei¬nerseits ein Misstrauensvotum gegen die Wirtschaftspo¬litik Pekings, andererseits aber auch die logische Folge des abnehmenden Wachstumstempos, der sinkenden Zinsen und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Gegen eine weitere Destabilisierung des Finanzsystems in China spricht der Leistungsbilanzüberschuss, der 2015 sogar gewachsen ist und den Prognosen der Experten von Goldman Sachs zufolge 2016 weiter zulegen dürfte. Kapitalabflüsse können daher verkraftet werden.

Die Turbulenzen am Devisenmarkt und die Abwertungs-schübe des Yuan gegenüber dem US-Dollar sind auf das Bemühen Pekings zurückzuführen, den Kapitalmarkt zu öffnen und den Wechselkurs zu liberalisieren. Eine voll-ständige Liberalisierung wird es aber noch lange nicht geben, dafür fürchtet Peking zu sehr den Kontrollverlust. Voraussichtlich wird USD/CNY im Jahresverlauf weiter steigen, die Abwertung des Yuan wird aber geordnet ver-laufen. Ihr Tempo hängt nicht zuletzt von der Konjunktur in China und von der allgemeinen Entwicklung des US-Dollar ab. Eine generelle Überbewertung des Yuan sieht Peking auf dem aktuellen Kursniveau nicht - und steht damit nicht allein: Der Emerging-Markets-Experte Mark Mobius spricht sogar von einer Unterbewertung des Yuan. Das zeigt: Die Wechselkursentwicklung des Yuan ist keine Einbahnstraße.