Aelius Galen-Galenos 129-199
Author D.Selzer-McKenzie
Video https://youtu.be/8bYSD6ZDmS0
Galenos von Pergamon, auch Aelius Galenus (griechisch
Γαληνός, deutsch: Galēn, in frühneuzeitlichen Drucken auch Galienus; * 129 oder
131[1] in Pergamon[2]; † um 199, 201[1] oder 215 in Rom[3]), war ein
griechischer Arzt und Anatom. Der ihm in der Renaissance verliehene Vorname
Claudius beruht auf einer Fehldeutung der Abkürzung Cl. – für Clarissimus.[4]
Galen wurde in Pergamon geboren, wo sich das um die Mitte
des 2. Jahrhunderts berühmteste Heiligtum des Asklepios befand. Sein Vater, der
Architekt und Mathematiker Nikon, unterrichtete ihn zunächst in aristotelischer
Philosophie, Mathematik und Naturlehre.
Ab etwa 146 beschäftigte sich Galen vornehmlich mit der
Medizin. Er studierte in der Nähe von Smyrna und reiste viel, unter anderem im
Alter von 19 Jahren nach Alexandria, zu jener Zeit Zentrum der Heilkunst und
der einzige Ort, wo Humansektionen und Untersuchungen an Leichen durchgeführt
werden durften. Die Bücher der Bibliothek von Alexandria mit alten Zeichnungen
unterstützten die wissenschaftliche Ausbildung. Kuren wurden zu dieser Zeit von
Ärzten geleitet, Heilung und Pflege fanden in einem Asklepieion statt, in dem
Priester, Heilkundler und Ärzte tätig waren. 158 kehrte Galen nach Pergamon
zurück, war als Sport- und Wundarzt der Gladiatoren tätig und unterhielt
gleichzeitig eine Praxis. Während der Olympischen Spiele betreute er die
Athleten und studierte ihre Verletzungen unmittelbar nach deren Auftreten.
Ab 161 war Galen in Rom tätig, nach der Heilung des
geachteten Philosophen Eudemos von Pergamon wurde er Arzt der römischen
Aristokratie. Um 166 verließ er Rom, wahrscheinlich wegen der dort
ausgebrochenen Antoninischen Pest, und nahm seine Arbeit als Gladiatorenarzt in
Pergamon wieder auf. 168 reiste er auf Bitte des römischen Kaisers Marcus
Aurelius nach Aquileia, wo die „Pest“ unter den römischen Soldaten ausgebrochen
war. Seine präzise Beschreibung der Krankheitssymptome lässt die Vermutung zu,
dass es sich dabei eher um eine Pockenepidemie gehandelt haben wird. Seinem
Wunsch entsprechend wurde er in Rom ab 169 der Leibarzt des Kaisersohnes
Commodus, später vermutlich auch des Kaisers P. Septimius Severus.
Galen starb in Rom, der Zeitpunkt ist umstritten. Ging die
frühere Forschung vom Sterbejahr 199 aus, wird mittlerweile sein Tod um das
Jahr 216, in jedem Fall erst nach 204 favorisiert.[5]
Werk
Titelseite der 1547 in Venedig erschienen „Opera“
Galens medizinisches Hauptwerk ist der Methodus medendi, es
besteht aus 14 Büchern. Der Leitgedanke darin ist, dass alle Erscheinungen in
der Natur und im Menschen einen bestimmten Zweck erfüllen. Galen begriff den
Menschen als eine Leib-Seele-Einheit, die von zwei Seiten beeinflusst werden
kann: vom Spirituellen und von der Materie.
Er nahm die in der Philosophie entwickelte
Vier-Elemente-Lehre auf, wonach Feuer, Erde, Luft und Wasser in
unterschiedlicher Zusammensetzung die Grundelemente allen Seins darstellen.
Ebenso knüpfte er an die in der hippokratischen Medizin bereits in Ansätzen
entwickelte Viersäftelehre an, welche den für die vier Säfte stehenden Organen
Blut, Schleim, gelbe Galle und schwarze Galle jeweils die vier Qualitäten warm
und feucht, kalt und feucht, warm und trocken und kalt und trocken zuordnete.
Die von Galen postulierten vier Geschmacksqualitäten sind: Blut – süß, Schleim
– salzig, gelbe Galle – bitter, schwarze Galle – sauer und scharf. Darüber
hinaus verknüpfte er die vier Säfte auch mit den vier Lebensphasen des
Menschen. Krankheit war für ihn eine Dyskrasie, eine fehlerhafte Mischung der
Säfte.
Die von ihm angewandten Medikamente unterteilte er in
elementare, die nur eine der vier Qualitäten besaßen, kombinierte – sie wiesen
zwei Qualitäten und damit eine Haupt- und eine Nebenwirkung auf – sowie
spezifische für besondere Fälle, etwa Abführ-, Brech- oder Entwässerungsmittel.
Die Wirkungsgrade seiner Stoffe unterschied er
folgendermaßen:
kaum merklich
mit den Sinnen
deutlich wahrnehmbar
heftig, leicht
schädigend
heftig,
zerstörend.
In seinem Werk vereinigte Galen zwei über Jahrhunderte
hinweg im Widerstreit stehende medizinische Herangehensweisen.
Die „empirische“
Tradition wurde von Hippokrates (um 400 v. Chr.) begründet. Diese
Herangehensweise war ausdrücklich nichtanatomisch, prognostisch und bestand
ausschließlich in der Analyse von Symptomen. Der Körper wurde vor dem
Hintergrund der Humoralpathologie vor allem als aus vier Säften bestehend
verstanden. Jeder Körper hat sein individuelles Gleichgewicht dieser Säfte.
Geraten die Säfte ins Ungleichgewicht, kommt es zur Krankheit.
Die „dogmatische“
Tradition geht auf die alexandrinische Medizin aus dem 3. Jahrhundert v. Chr.
zurück. Im Gegensatz zu der empirischen Tradition beschäftigt sich die
dogmatische mit den festen Bestandteilen des Körpers. Deren Urheber Herophilos
von Chalkedon und Erasistratos waren möglicherweise die Ersten, die je einen
Menschen seziert haben. Die Symptome des Patienten wurden als Folgen von
anatomischen Veränderungen betrachtet.
Diese Synthese machte Galen bis in die Renaissance hinein
maßgebend für die mittelalterliche Medizin. Galenos führte umfangreiche
Sektionen und Vivisektionen an Tieren durch. Er verfasste nahezu 400 Schriften,
die nach seinem Tod durch Oribasius (326–403) in 70 Büchern zusammengefasst
wurden. Knapp ein Viertel davon ist im griechischen Original oder in
lateinischen, arabischen oder syrischen Übersetzungen erhalten. Bis ins 17.
Jahrhundert und darüber hinaus dienten sie als medizinische Lehrgrundlage an
den Universitäten.
Viele von Galens Ansichten über die menschliche Anatomie
waren jedoch falsch, da er die anhand seiner Sektionen an Schweinen, Affen und
Hunden gewonnenen Erkenntnisse einfach auf den Menschen übertragen hatte.
Galens Werke waren die Grundlage anatomischer Vorlesungen. Seine Erkenntnisse
wurden als so vollständig angesehen, so dass man keinen Anlass zum
selbstständigen Forschen sah. Es war nicht üblich, menschliche Körper zu
sezieren und auch lange Zeit verboten. Stellten Forscher zufällig bei einer
Leiche Abweichungen von Galens Lehre fest, hielten sie das untersuchte Organ
für eine Missbildung. Vesalius war in den 1530er Jahren der erste, der
erkannte, dass Galen wohl nie einen Menschen seziert hatte. Er äußerte die
Ansicht, man hätte bei einem Metzger mehr über Anatomie lernen können als bei
anatomischen Vorlesungen. Vesalius’ eigene Sektionen an Leichen in den 1540er
Jahren, die er dank guter Beziehungen zur Obrigkeit hatte durchführen können,
belebten die anatomische Forschung.
Galen legte bei der Diagnose von Krankheiten besonderen Wert
auf die Untersuchung von Puls und Harn. Weiter lehrte er, Krankheiten mit
entgegengesetzten (allopathischen) Arzneimitteln zu therapieren, den
sogenannten und nach ihm benannten Galenika.
Bis heute gültig sind die von Celsus beschriebenen und
später von Galen ergänzten Kardinalzeichen der Entzündung:
Rubor (Rötung)
Calor
(Überwärmung)
Tumor (Schwellung)
Dolor (Schmerz)
Functio laesa
(Funktionseinschränkung)
Galens pathophysiologische Vorstellungen
Sind sämtliche Körperbestandteile – darunter versteht Galen
die Säfte, das Pneuma und die res naturales – in ausreichender Qualität und
Quantität vorhanden und diese körperlichen Funktionen im Sinne einer
Zweckmäßigkeit (Teleologie) im freien Fluss, resultiert Gesundheit, sanitas.
Für Galen gibt es fließende Übergänge zwischen dem Zustand
der Gesundheit, sanitas, des Krankseins, aegritudo und einem Zwischenzustand,
neutralitas. Dieses Gleich- oder Ungleichgewicht wird durch Größen der res
naturales, res non naturales und res praeter naturales geregelt. Die
Einflussfaktoren jener drei Gruppierungen bestimmen den Umgang hinsichtlich
einer Prophylaxe, praeservatio, Gesunderhaltung, conservatio sanitatis oder
Therapie, curatio. Als „res naturales“ betrachtet Galen:
elementa, Feuer,
Luft, Wasser, Erde und ihre Qualitäten warm, kalt, feucht und trocken;
complexiones sive
commixtiones, die verschiedenen Mischungsverhältnisse der elementa und deren
innewohnenden Qualitäten;
compositiones sive
humores, die vier Körpersäfte Blut, Schleim, gelbe Galle, schwarze Galle und
deren Wechselwirkungen aufeinander;
membra, die Organe
des Körpers;
virtutes, die im
Körper wirkenden Kräfte virtus animalis, virtus naturalis und virtus
spiritualis;
operationes sive
actiones, die Wirkungen der virtutes im Körper
spiritus, die
durch eine hauchartige Substanz vermittelten organbezogenen Kräfte, die als
spiritus animalis vom Gehirn zu den Nerven, als spiritus vitalis vom Herzen in
die Arterien und als spiritus naturalis von der Leber in die Venen ziehen.[6]
Hingegen sind die sogenannten sex res non naturales (die
Bezeichnung stammt nicht direkt von Galen[7]) jene sechs fundamentalen Aspekte,
von denen jeder einzelne die Mischung der Körpersäfte beeinflusst:
aer, die Qualität der umgebenden Luft
(Helligkeit, Temperatur, Feuchte, Geruch und Reinheit sowie Windverhältnisse
und das jahreszeitliche Klima in bestimmten Gegenden; ebenso die Qualität von
Wohnung und Kleidung);
cibus et potus,
die Qualität der Nahrung nach ihren Eigenschaften warm, kalt, feucht, trocken,
ob vegetabiler oder animalischer Herkunft und die Art ihrer Zubereitung; ebenso
der Zeitpunkt und die Art der Nahrungsaufnahme;
motus et quies der
Einfluss von maßvoller, aber auch übermäßiger Bewegung des Körpers oder
einzelner Körperteile bei Arbeit, motus, und Ertüchtigungsübungen, exercitia,
sowie die Zeit der Ruhe und Erholung;
somnus et vigilia,
die Bedeutung von rechter Zeit und Dauer der Schlaf- und Wachzeiten für den
Ablauf physiologischer Prozesse; ebenso die gesundheitsförderliche Gestaltung
des Bettes (Kopfende höher als Fußteil) und richtige Schlafhaltung;
repletio et
evacutio, die Regulierung und Beobachtung der Körperausscheidungen wie Stuhl
und Winde, Urin, Sperma und Menstruationsblut, Tränenflüssigkeit und Speichel,
Auswürfe aus Mund und Nase, Erbrochenem, Ohrenschmalz;
accidentia animi,
der förderliche oder schädliche Einfluss der sechs Affekte Zorn, ira, Freude,
gaudium sive laetitia, Angst, angustia, Furcht, timor, Traurigkeit, tristitia,
und Scham, verecundia.
Nachwirkung
Galen, lithographisches Phantasieportrait der Neuzeit
Galens systematisch ausgebautes Werk, das im frühen
Mittelalter von Hunain ibn Ishāq (808–873) ins Syrische und Arabische übersetzt
wurde, war in seinem Umfang und in seinem wissenschaftlichen Niveau für die
Nachwelt von solcher Autorität, dass es 1400 Jahre brauchte, bis es durch
neuere Forschungen langsam überwunden wurde. Seine Auffassungen vom Fluss des
Blutes wurden erst im 17. Jahrhundert durch William Harvey und Marcello
Malpighi und teils gegen erhebliche Widerstände revidiert.
Seine Fassung der Humoralpathologie hatte als
Krankheitskonzept Bestand bis ins 19. Jahrhundert.
In der anatomischen Fachsprache wird die Vena cerebri magna
manchmal noch als „Galens Vene“ und der Ventriculus laryngis als „Galens
Ventrikel“ bezeichnet.
Nach Galenus ist auch die Lehre von der Zubereitung der
Arzneimittel, die Galenik, benannt (siehe Werk).
Carl von Linné benannte ihm zu Ehren die Gattung Galenia der
Pflanzenfamilie der Mittagsblumengewächse (Aizoaceae)
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