Renten 2016 Treasure Trading
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/FeCqfHjcPTA
Kleine Kerzenkörper — markante Dochte
„Die meisten Menschen überschätzen, was kurzfristig
erreichbar ist und unterschätzen, was langfristig möglich ist!" Dieses
Zitat, welches Andrä Kostolany zugeschrieben wird, kommt letztlich einem
Plädoyer gleich, sich zur Beantwortung der oben gestellten Frage bzw. als
Investor ganz grundsätz¬lich von Zeit zu Zeit mit sehr hohen Zeitebenen
auseinander¬zusetzen. Eine bessere Gelegenheit dazu, als den Jahres¬wechsel
kann es praktisch nicht geben. Wir sind der tiefen Überzeugung, dass langfristige
Kursverläufe — beispielsweise auf Quartals- oder gar Jahresbasis — oftmals
interessante Details zutage fördern. Anleger, die indes nur auf das hekti¬sche
„auf und ab" des Tagescharts oder möglicherweise auf noch niedrigere
Zeithorizonte fokussiert sind, drohen das „große Bild" aus den Augen zu
verlieren. Ein gutes Beispiel liefern aktuell die langfristigen US-Zinscharts.
Exemplarisch möchten wir den Halbjahreschart des US-T-Note-Future
herausgreifen, der für die letzten drei 6-Monats-Perioden jeweils Kerzen mit
kleinen Körpern und markanten Dochten ausweist (siehe Chart 1). Per Saldo wird
damit sowohl die Hürde in Form der 130er-Marke als auch in Form des seit dem
Jahr 2012 bestehenden Korrekturtrends (akt. bei 130 01/32) bestätigt.
„inside quarters" dokumentieren fehlendes
Aufwärtsmomentum
Mit anderen Worten: Aufgrund der jüngsten Candlestickmus-ter
dürfte ein erneuter Ausbruch auf der Oberseite bzw. ein Anlauf auf den
historischen Hochstand bei 135 29/32 ein schwieriges Unterfangen werden. In die
gleiche Kerbe schlägt der Quartalschart des US-Rentenbarometers, der seit fünf
Quartalen auf der Stelle tritt (siehe Chart 2). Da die Han¬delsspannen der
letzten beiden Quartale zudem innerhalb des Pendants vom 2. Quartal 2015
verblieben („inside quar-ters" 1, entweicht das Aufwärtsmomentum mehr und
mehr. Alles in allem ist dies nicht gerade die beste Ausgangslage für einen
Ausbruch auf der Oberseite. Vielmehr sollten Anle¬ger die Marke von 125
beachten, denn ein Abgleiten unter dieses Level würde zum einen die zuletzt
beschriebenen „Innenstäbe" und zum anderen die im Halbjahreschart
vorlie¬genden „shooting stars" nach unten auflösen. Als Konse¬quenz einer
negativen Weichenstellung sollten Anleger ein Wiedersehen mit den Jahrestiefs
von 2013 und 2014 bei 122 25/32 bzw. 122 23/32 einkalkulieren. Muss der
US-T-Note-Future auch diese Unterstützungen in Form des angeführten „tweezer
bottom" preisgegeben, schwillt die Gefahr einer großen Toppbildung
deutlich an. Die Kombination aus dem Basisaufwärtstrend seit dem Ende der
1980er-Jahre und der 200-Monats-Linie (auf Monatsbasis akt. bei 116 15/32 bzw.
115 31/32) definiert dann den nächsten markanten Rückzugs-bereich.
Trendkanal von höchster Relevanz
Traditionell werfen wir an dieser Stelle auch einen Blick
auf den Kursverlauf des US-T-Bond-Future, welchen wir seit Jah¬ren als „Mutter
aller Aufwärtstrendkanäle" bezeichnen. Seit Ende der 1980er Jahre hat der
zugrundeliegende Hausse-trendkanal auf der Unterseite immer wieder als
Unterstüt¬zung fungiert. Auf dem Weg nach Norden diente die obere
Kanalbegrenzung dagegen vielfach als limitierender Faktor (siehe Chart 3),
weshalb der oben genannte Titel mehr als zu Recht vergeben wurde. Auch 2015 kam
es mehrfach zu einem Test der Parallelen (akt. bei 158 08/32) zum
Basisauf¬wärtstrend. Wie bei den letzten Anläufen erwies sich der Anstieg über
die Trendkanalbegrenzung lediglich als tempo¬räres Phänomen. Deshalb sehen wir
für das gerade begon¬nene Jahr nur ein äußerst limitiertes Aufwärtspotenzial.
Viel¬mehr müssen sich Anleger des bestehenden Verkaufssignals seitens des
Monats-Stochastik bewusst sein. Noch stärker in den Vordergrund möchten wir die
Konstellation beim MACD rücken. Während der Trendfolger weiterhin auf
histo¬rischen Hochständen notiert, etabliert sich mehr und mehr eine divergente
Entwicklung, indem neue Verlaufshochs (166 27/32) nicht mehr durch
entsprechende Indikatorenpendants bestätigt werden.
Größerer Bewegungsimpuls vor der Tür?
Da sich eine solche Divergenz oftmals in der Spätphase eines
Aufwärtsimpulses ausbildet, nimmt der Reifegrad der Hausse am amerikanischen
Rentenmarkt deutlich zu. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die
Körper der letzten fünf Monatskerzen allesamt im Dunstkreis der Marke von rund
Quelle: CQG, Stand: 18.12.2015
Diese Angaben sind kein verlässlicher Indikator für die
künftige Wertentwicklung.
156 ausgeprägt wurden. Aus dieser Bewegungsarmut leiten wir
einen dynamischen Abwärtsimpuls für den Fall ab, dass das Novembertief bei 151
12/32 unterschritten wird. Mögli-cherweise begünstigt noch ein weiteres
Argument eine grö¬ßere Bewegung. Auf Tagesbasis liegen alle von uns
betrach¬teten Glättungslinien - konkret, die der letzten 38, 90 und 200 Tage -
ungewöhnlich dicht zusammen. In der Vergan¬genheit folgte diesem technischen
Phänomen oftmals ein neuer Trendimpuls. Das negative Schnittmuster zwischen der
38-Tages-Linie und dem 200-Perioden-Pendant (akt. bei 155 10/32 bzw. 155 29/32)
liefert dabei ein Indiz dafür, dass Anle¬ger diesen eher nach unten erwarten
sollten. Vor dem oben genannten Verkaufstrigger auf Monatsbasis bei 151 12/32
würde bereits der Bruch des Haussetrends seit Januar 2014 (akt. bei 153 17/32)
einen entsprechenden Hinweis liefern, denn zusammen mit dem Korrekturtrend seit
dem histori¬schen Allzeithoch (166 27/32) entsteht ein klassisches Drei¬eck
(siehe Chart 4). Kleine S-K-S, große S-K-S?
Im nächsten Schritt wollen wir uns dem Kursverlauf der
zehn-jährigen Rendite in den USA zuwenden, den wir als einen der wesentlichen
Seismographen für a'e Entwicklung an den internationalen Rentenmärkten im Jahr
2016 ansehen. Die bereits im Vorjahr gestellte Gretchenfrage: „Kleine
Schulter-Kopf-Schulter, große Schulter-Kopf-Schulter?" drängt sich mittlerweile
immer stärker auf. Doch der Reihe nach: Die kleine untere Umkehr aus dem Jahr
2013 ist übergeordnet betrachtet möglicherweise Teil einer größeren
Bodenbildung, die durch die Renditetiefs bei 2,04 %, 1,38 % und 1,64 %
definiert wird (siehe Chart 5). In diesem Zusammenhang war der Renditerutsch
vom Jahresauftakt 2015 wichtig. Schlie߬lich fungiert das entsprechende
Zinstief bei 1,64 % im Rah¬men des laufenden Umkehrprozesses als „rechte
Schulter". Dem Kreuzwiderstand aus den horizontalen Barrieren zwi¬schen
2,33 `)/0 und 2,47 % (diverse Hoch- und Tiefpunkte) und dem steilen
Abwärtstrend seit Juni 2007 lekt. bei 2,37 %) kommt dabei eine Schlüsselrolle
zu. Schließlich würde ein nachhaltiger Sprung über die angeführten Hürden dem
Sze¬nario „der laufenden unteren Umkehr" Nachdruck verleihen.
Markante Lunten als Vorboten des Trendbruchs?
Gelingt der Trendbruch, wäre unseres Erachtens der
Grund¬stein für einen Zinsanstieg in Richtung der Marke von gut 3 % gelegt. Auf
diesem Niveau bilden die Hochs aus den Jahren 2013 und 2014 (3,01/3,04 %)
zusammen mit dem Zinstief von Mitte 2003 (3,07 %) markante horizontale Hürden.
Jen¬seits dieser Zone würde dann - erstmals seit 2007 - sogar der seit Beginn
der 1980er Jahre dominierende Baissetrend (akt. bei 3,38 %) wieder ins
Blickfeld rücken. Die Bedeutung des seit 35 Jahren bestehenden
Basisabwärtstrends wird
durch das 50%-Fibonacci-Retracement des letzten markan¬ten
Zinsrutsches von Sommer 2007 bis Sommer 2012 (3,36 %) untermauert. Auf den
Punkt gebracht, nimmt eine mögliche Zinswende zwar immer mehr Form an, dennoch
fehlt bisher der entscheidende Katalysator in Form eines Spurts über den oben
genannten Kreuzwiderstand. Die Ambi¬tionen hierzu unterstreichen dabei die
ausgeprägten Lunten der letzten drei Halbjahreskerzen, wobei die letzten beiden
sogar Züge von „Hammer"-Umkehrmustern tragen (siehe Chart 6). Um
andererseits die diskutierte Bodenbildung nicht zu gefährden, gilt es, die
Kreuzunterstützung aus der Paralle¬len zum Basisabwärtstrend und dem
Erholungstrend seit Juli 2012 nicht mehr zu unterschreiten, die im April 2016
auf monatlicher Basis jeweils bei knapp 1,80 % verlaufen.
Achtung: Korrekturflagge •
Auch auf der Rentenseite dient die Entwicklung in den USA
als wesentlicher Taktgeber für die weitere Zinsentwicklung hierzulande. Deshalb
haben wir die amerikanischen Renten¬märkte bewusst vorweggestellt, ehe wir uns
der zehnjähri¬gen Rendite in Deutschland zuwenden wollen. Ein Anleger, der
Kostolanys Empfehlung gefolgt wäre, Schlaftabletten genommen hätte und nach einem
Jahr an den Rentenmarkt zurückgekehrt wäre, würde sich verdutzt die Augen
reiben, denn die Rendite befindet sich nahezu auf dem gleichen Niveau wie vor
einem Jahr. Dazwischen lag allerdings ein his¬torisches Zinstief bei 0,05 % -
gefolgt von einer dynamischen Erholung. Per Saldo entsteht auf Jahresbasis ein
idealtypi¬scher „dor, der eine gewisse Unentschlossenheit der Markt-teilnehmer
signalisiert. Deshalb behelfen wir uns mit der Defi¬nition von Signalmarken:
Seit dem dynamischen Zinsanstieg von April bis Juni bildet sich eine
Korrekturflagge aus, deren obere Begrenzung aktuell bei 0,67 % verläuft (siehe
Chart 7). Da es sich hierbei um ein trendbestätigendes Kursmuster handelt,
würde ein Anstieg über das zuletzt genannte Level den Grundstein für einen
Anlauf auf die entscheidende Wider¬standszone zwischen 1,06 % und 1,22 % legen.
Schlusselzone zwischen 1,06 % und 1,22 (1/0
L _sem Niveau
bildet das Jahreshoch von 2015 (1,06 %)
--en mit den Tiefs von 2012 und 2013 bei 1,13/1,15 % e der
200-Wochen-Linie (akt. bei 1,22 %) einen extrem Kumulationspunkt. Oberhalb des
angeführten Bar¬- e-enbündels muss auch hier die Möglichkeit einer großen 1
-s.vende ernsthaft in Betracht gezogen werden. Die nächs--_en charttechnischen
Widerstände befinden sich dann erst .vieder in Form diverser alter Hoch- und
Tiefpunkte bei 1,64 % bzw. 1,75 %. Interessanterweise zeichnet sich im Verlauf
des RSI das äquivalente Konsolidierungsmuster ab. Da in der Vergangenheit
solche Indikatorformationen oftmals einen Vorlaufcharakter besaßen, liefert der
Oszillator möglicher¬weise einen Fingerzeig, in welche Richtung die angeführte
Korrekturflagge tatsächlich aufgelöst wird. Zum Abschluss wollen wir uns noch
mit der Unterseite auseinandersetzen. Aufgrund der Dynamik des Zinsanstiegs von
April und Mai 2015 markiert das Tief bei 0,05 % mit hoher Wahrscheinlich¬keit
das absolute Zinstief. In den letzten Monaten hat sich zudem eine horizontale
Auffangzone aus diversen Hochs und Tiefs zwischen 0,47 % und 0,42 % etabliert.
Da diese Halte¬marken zusätzlich durch zwei Fibonacci-Level untermauert werden,
besitzt diese Bastion eine hohe Bedeutung.
Hohe Hürden voraus
Nachdem wir mit dem Kursverlauf der zehnjährigen Rendite
einen der Schlüsselcharts für 2016 auf den Prüfstand gestellt haben, wollen wir
noch einen Blick auf den Euro-BUND-Future werfen. Da es sich bei der
technischen Analyse letzt¬lich um ein trendfolgendes Medium handelt, sind
technisch motivierten Anlegern nach wie vor die Hände gebunden. Das heißt, die
langfristigen Aufwärtstrends sind nach wie vor absolut intakt (siehe Chart 8).
Allerdings können wir uns in der gegenwärtigen Gemengelage nur schwer eine
erneute Trenddynamisierung über die Parallele (akt. bei 159,59) zum steilen
Aufwärtstrend seit Sommer 2008, das bisherige Rekordhoch bei 160,69 bzw. die
obere Begrenzung (akt. bei 161,03) des Basisaufwärtstrendkanals seit Beginn der
1990er Jahre vorstellen. Als weitere Bremsklötze fungieren in die¬sem
Zusammenhang der historische Hochstand seitens des MACD sowie der im
überkauften Terrain notierende RSI. In der Summe notieren verschiedene
Indikatoren auf Niveaus, die kaum noch eine Steigerung ermöglichen.
Andererseits bedarf es für eine obere Umkehr aber weiterhin eines Abglei-tens
unter das Jahrestief von 2015 bei 148,23 - dann wäre auch eine hochsignifikante
interne Trendlinie bzw. eine lang-fristige Glättungslinie Geschichte.
Geduld gefragt
Selbst wenn Anleger die Zeitebene zur Analyse des
Euro-BUND-Future herunterbrechen, so bleibt das Dilemma auf der Rentenseite
doch das Gleiche: Zum einen sind die über-geordneten Aufwärtstrends im
Tagesbereich vollkommen intakt, zum anderen wird das Aufwärtspotenzial durch
die his-torischen Rekordstände bei gut 160 limitiert. Deshalb müssen wir uns
mit der Definition von untergeordneten Signalmarken behelfen. Als erste
Unterstützung dient das jüngste „swing lovv" bei 156,78. Wesentlich wichtiger
ist aus charttechni-scher Sicht aber die Kombination aus dem steilen
Aufwärts¬trend seit Juni 2015 (akt. bei 155,98), der 200-Tages-Linie (akt. bei
155,49) sowie den Tiefpunkten von Anfang Dezem¬ber und Anfang November, die
jeweils in diesem Dunstkreis ausgeprägt wurden. Ein Bruch der beschriebenen
Bastion würde den Druck auf den Rentenfuture spürbar erhöhen. Der Tageschart
ist aber auch vor dem Hintergrund der im langfris-tigen Kontext angeführten
Signalmarke in Form des Jahres¬tiefs 2015 bei 148,23 von besonderem Interesse.
Schließlich würde ein Rutsch unter dieses Level aus Sicht des Tages¬charts für
den Abschluss eines klassischen Doppeltopps (siehe Chart 9) sorgen, womit die
Rentenmarktbullen einen echten Schlag ins Kontor zu beklagen hätten.
Fazit: Trendwende nimmt Form an, aber der
letzte Zündfunke fehlt noch
Mitunter wird die Hausse an den Aktienmärkten vollkommen zu
Recht als alt und betagt bezeichnet. Im Vergleich dazu hat der Aufwärtstrend an
den internationalen Rentenmärkten ein geradezu biblisches Alter erreicht. Das
alte Keynes-Zitat, wonach Märkte sehr viel länger irrational sein können, als
Investoren liquide sind, beschreibt die gegenwärtige Aus-gangslage weiter
absolut treffend. Dennoch war das Jahr 2015 wichtig im Sinne eines
Fortschreitens des unteren
60
Umkehrprozesses. Die USA sind dabei zweifelsfrei in der
„pole position", denn jenseits des Atlantiks nimmt die Zins¬wende
inzwischen Form an. Um dieser Einschätzung Nach¬druck zu verleihen, müssen aber
weiter wichtige Hürden überwunden werden. Für die zehnjährige Rendite in den
USA dient dabei der Kreuzwiderstand bei 2,33/2,47 % als wichti¬ger Signalgeber.
Die korrespondierenden Schlüsselmarken in Deutschland befinden sich bei 0,68 %
bzw. vor allem zwi¬schen 1,06 % und 1,22 `)/0 (siehe Chart 10). Obwohl das
abge¬laufene Jahr - angesichts vielfach sogar negativer Renditen - bereits eine
Herausforderung war, dürfte das Jahr 2016 noch sehr viel schwieriger werden.
Was unter fundamentalen Gesichtspunkten nur schwer vorstellbar erscheint,
findet charttechnisch mittlerweile einen immer deutlicheren Nieder¬schlag...
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