2016 Jahr der Erholung des Euro
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/BF2qkS8KJ-I
Im Verlauf von 2015 musste der Euro zum US-Dollar weitere
Kursverluste hinnehmen und notierte im März mit Kursen von nur noch knapp 1,05
USD auf dem tiefsten Stand seit Januar 2003. Zum Jahresbeginn waren noch
Notierungen von gut 1,20 USD verzeichnet worden. Begonnen hatte die Abwertung
der Einheitswährung bereits im zweiten Halbjahr 2014, als die EZB die
Finanzmarktteilnehmer zunächst auf weitere Leitzinssenkungen und im weiteren
Jahresverlauf auf zusätzliche unorthodoxe geldpolitische Expansivmaßnah-men vorbereitete.
Mit dem Beginn der Staatsanleihenkäufe im Rahmen des QE-Programms im März 2015
setzte eine moderate Erholungsbewegung ein, die jedoch in den vergan¬genen
Wochen ins Stocken geriet. Nach der jüngsten Zins-entscheidung der EZB, welche
die Markterwartungen an das Ausmaß weiterer expansiver Schritte der
europäischen Wäh-rungshüter enttäuschte, legte der Euro wieder zu (Grafik 1).
Ist dies der Beginn einer nachhaltigen Erholungsbewegung oder wird im kommenden
Jahr erstmals seit 13 Jahren wie¬der die Parität erreicht?
Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein
verlässlicher indikator für eine Wertentwicklung in der Zukunft.
Euro zum US-Dollar Anfang 2015
noch bei 1,20 USD
In den vergangenen 18 Monaten hat die EZB nicht nur den
Hauptrefinanzierungssatz auf das neue Rekordniveau von nur noch 0,05 % gesenkt
(Grafik 2), sondern auch begonnen, die Geldbasis über „targeted long-term
refinancing operations" (TLTROs ab Juni 2014), den Ankauf von zunächst
Covered Bonds und ABS-Papieren (CBPP3 und ABSPP seit Oktober 2014) und dann
auch Staatsanleihen (seit März dieses Jah¬res) weiter auszuweiten. Neben dem
Versuch, dadurch den Kreditzyklus zu beleben und eine stabile wirtschaftliche Erho¬lung
anzustoßen, um die Inflation wieder in Richtung der mit¬telfristigen Zielmarke
von „unter, aber nahe 2 %" zu lotsen, hat die Notenbank bewusst auch eine
kräftige Abwertung des Euro in Kauf genommen. Durch die entsprechende
Wäh-rungsentwicklung konnten in vielen Ländern der Eurozone realwirtschaftliche
Impulse über die Belebung des Export-sektors erreicht werden, was dazu beitrug,
dass sich beson¬ders die Peripherie-Staaten aus ihrem Rezessionstal befreit
haben.
Die konjunkturelle Dynamik bleibt jedoch bisher hinter den
Erwartungen der Währungshüter zurück und auch die Infla¬tion lag im November
2015 mit nur 0,1 % gg. Vj. weiter deut¬lich unter dem angeführten
Notenbankziel. Dementspre¬chend haben die EZB-Experten ihre Wachstums- und
Infla¬tionsprognosen für 2016 und 2017 im Zeitablauf immer wei¬ter nach unten
revidiert. Rechnete man Ende 2014 für das kommende Jahr noch mit einer
durchschnittlichen Teue¬rung von 1,5 % - im September 2014 war man sogar noch
von einer Steigerung der Konsumentenpreise von im Schnitt 1,9 % ausgegangen -,
waren es gemäß der jüngsten Veröf¬fentlichung nur noch 1,0 %. Für 2017
prognostizierte die EZB im März 2015 noch eine Inflation von 1,8 %; diese
Ein¬schätzung wurde im September auf 1,7 % und zuletzt im Dezember auf nur noch
1,6 % reduziert (HSBCe: 1,3 %). Der implizit eingestandenen Zielverfehlung
versucht die EZB dadurch zu begegnen, dass man auf der letzten Ratssitzung am
3. Dezember weitere geldpolitische Expansivmaßnah-men beschlossen hat. So wurde
der Einlagensatz um 10 BP auf -0,30 % gesenkt und das quantitative
QE-Kaufprogramm sowohl zeitlich (Verlängerung um sechs Monate bis mindes¬tens
März 2017, das heißt zusätzliche Käufe in Höhe von 360 Mrd. EUR) als auch in
Bezug auf die aufzukaufenden Wertpapiere (Ausdehnung auf Papiere von Regionen
und Kommunen) ausgedehnt. Zudem werden die fälligen Wert¬papiere und Kupons
reinvestiert, sodass nach einer Been¬digung des Kaufprogramms nicht mit einem
zeitnahen Abschmelzen der EZB-Bilanz durch Fälligkeiten zu rechnen ist. Daneben
werden die Hauptrefinanzierungsgeschäfte und die längerfristigen
Refinanzierungsgeschäfte mit dreimonatiger Laufzeit mit Vollzuteilung bis Ende
2017 ver¬längert.
Die Umfragen im Vorfeld der Ratssitzung und die Reaktionen
an den Aktien-, Zins- und Devisenmärkten — die Aktienkurse fielen deutlich
zurück, der Euro konnte zum US-Dollar spür¬bar zulegen und der Bund-Future
verzeichnete vorüber¬gehend kräftige Kurseinbußen — auf die Beschlüsse der
Notenbank lassen darauf schließen, dass die Finanzmarktteil¬nehmer trotz des
erhöhten Expansionsgrades der Geldpolitik enttäuscht vom Umfang der
zusätzlichen Maßnahmen waren und vor allem in Bezug auf das monatliche
Kaufvolumen eine Ausdehnung unterstellt hatten. Diesen Erwartungen dürfte die
EZB indes nicht nachkommen, weil man angesichts der selbstgesteckten
Restriktionen (Käufe nach dem EZB-Kapi-talschlüssel, Obergrenze von 33 % für
Emittenten und 25% bei mit „Collective Action Clause" begebenen Anleihen)
an¬sonsten noch schneller auf Angebotsprobleme stoßen würde.
Insofern bezweifeln wir, dass es der EZB gelingt, den
Euro-Kurs dauerhaft tief zu halten, um darüber Impulse für die Kon-junktur und
die Teuerung zu setzen, auch wenn wir im März 2016 mit einer weiteren Senkung
des Einlagensatzes um weitere 10 BP auf dann -0,40 % rechnen. Dies wird Druck
auf
Grafik 4: US-Dollar und die Fed
die zehnjährige Bundrendite ausüben (HSBCe: 0,2% per Ende
2016), ohne dass sich die Zinsspreads zu den entspre¬chenden US-Pendants jedoch
weiter ausweiten dürften. So ist die Differenz zwischen zehnjährigen
US-Treasuries und zehnjährigen Bundesanleihen von 2013 bis März 2015 bereits
auf den höchsten Stand seit dem Ende der 1980er Jahre angestiegen und hat sich
seither seitwärts bewegt (Grafik 3). Zwar hat die US-Notenbank am 16. Dezember
zum ersten Mal seit Juli 2006 wieder die Fed Funds Rate erhöht, wäh¬rend die
EZB im geldpolitischen Expansionsmodus verweilt. Da wir aber in den USA nur
einen sehr langsamen Zinserhö-hungszyklus erwarten, sollten die Renditen am
langen Ende der Zinskurve niedrig bleiben bzw. noch zurückgehen. Per Ende 2016
rechnen wir mit zehnjährigen US-Renditen von nur 1,50 %.
So versucht die Fed, mit ihrer Kommentierung der
wirt-schaftlichen Lage und den daraus resultierenden geldpoli-tischen
Aussichten, ein Emporschnellen der Zinserhöhungs-erwartungen und einen damit
verbundenen Anstieg der lang-fristigen Renditen zu verhindern, um den
konjunkturellen Auf-schwung nicht zu gefährden. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient
sich die Notenbank dem Mittel der „forward guidance" und verweist darauf,
dass weitere Leitzinserhö¬hungen im Anschluss an den ersten Zinsschritt seit
Mitte 2006 „graduell" erfolgen werden.
Eine implizite Bekräftigung einer langsamen geldpolitischen
Vorgehensweise erfolgte zudem durch die Abwärtsverschie-bung der „dot
plots", der individuellen Einschätzungen zum adäquaten Leitzinsniveau der
einzelnen Währungshüter. Im Anschluss an die Fed-Sitzung legten die
Aktienmärkte zu und der USD-Index verzeichnete nur moderate Kurszuwächse,
sodass die Kommunikationsstrategie zumindest kurzfristig als Erfolg einzustufen
ist. Interessant ist in diesem Zusammen-hang die historische Entwicklung des
USD-Index im Anschluss an den Beschluss, einen Zinserhöhungszyklus einzuleiten.
In den vier Zyklen seit Mitte der 1980er Jahre tendierte der USD-Index in den
ersten 100 Tagen nach dem Beschluss zur ersten Zinserhöhung zur Schwäche
(Grafik 4). Die Marktteilnehmer positionierten sich also offenbar bereits im
Vorfeld des eigent¬lichen Ereignisses („buy the rumor, seil the fact") —
in diesem Fall der Anhebung der Fed Funds Rate —, im Anschluss daran konnte die
Notenbank aber die Markterwartungen im Hinblick auf weitere Zinserhöhungen
nicht mehr übertreffen, sodass es trotz der Leitzinserhöhung zu einer Abwertung
der Wäh¬rung kam.
Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Geschichte
wie-derholen wird. Zwar rechtfertigt die zuletzt auf 5,0 % gefallene
Arbeitslosenquote weitere leichte Zinserhöhungen, jüngst mehrten sich aber auch
die Signale dafür, dass der Konjunk-turzyklus bereits in eine reife Phase
vorgedrungen ist. Dies gilt besonders für das Verarbeitende Gewerbe, das den
Konjunk-turzyklus leitet. Hier ist der ISM-Index mit 48,6 Punkten im November
unter den Schwellenwert von 50 Punkten gefallen, ab dem ein Wachstum im entsprechenden
Sektor angezeigt wird, und notiert damit auf dem niedrigsten Wert seit Juni
2009 (Grafik 5). Zu schaffen macht der Industrie neben den von einem Tief zum
nächsten eilenden Ölpreisen die Stärke des US-Dollars. Entsprechend dürfte die
US-Notenbank bei ihren Entscheidungen im kommenden Jahr ein besonderes
Augenmerk auf die Herausforderungen für das Verarbeitende
Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein
verlässlicher Indikator für eine Wertentwicklung irr der Zukunft.
Gewerbe legen. Eine zu starke Aufwertung des US-Dollars
dürfte sich bremsend auf künftige Zinserhöhungsschritte aus¬wirken. Schon im
Jahresverlauf 2015 hatten Fed-Gouverneure darauf hingewiesen, dass eine der
Vorausetzungen für eine Leitzinserhöhung ein stabiler Außenwert des US-Dollars
sei.
Um die US-Notenbank dazu zu bewegen, die Fed Funds Rate im
kommenden Jahr deutlich anzuheben, bedarf es nicht nur einer niedrigen
Arbeitslosenquote, sondern vor allem auch eines anziehenden Preisdrucks.
Seitens der Inflationsentwick¬lung besteht für die US-Notenbank derzeit jedoch
keine Not¬wendigkeit, übereilt zu handeln und im Zweifelsfall durch eine zu
aggressive Herangehensweise die Konjunktur abzuwürgen. Die Konsumentenpreise
entfernten sich im November zwar leicht von der Nulllinie, liegen mit 0,5 % gg.
Vj. aber weiter auf einem niedrigen Niveau. Mit Blick auf die neuerliche
Schwä¬che bei den Ölpreisen, aber auch anderer Rohstoffe, ist nicht mit einer
nachhaltigen Beschleunigung zu rechnen. Auch die PCE-Kernrate, das von der Fed
favorisierte Inflationsmaß, notierte zuletzt mit 1,3 % gg. Vj. auf einem
historisch niedrigen Niveau (Grafik 6). Die preisbremsenden Effekte durch die •
Stärke des US-Dollars dürften im Jahresverlauf 2016 indesnachlassen, sodass
sich die Jahresveränderung der 2 %-Marke langsam annähern dürfte. In diesem
Umfeld gehen wir im Jah-resverlauf 2016 zwar von weiteren Anhebungen der Fed
Funds Rate aus, die aber im Zeitablauf sehr langsam erfolgen dürften. Wir
rechnen dabei nur mit zwei weiteren Zinsschrit¬ten um jeweils 25 BP im zweiten
und vierten Quartal des kom¬menden Jahres, zumal die Wachstumsdynamik in den
USA leicht nachlassen dürfte. Nach einem BIP-Plus von 2,5% in diesem Jahr gehen
wir für 2016 lediglich von einem Zuwachs der Wirtschaftsaktivitäten um 2,3 %
aus (2017e: 2,2 %). In dem nun seit 6 1/2 Jahren anhaltenden Aufschwung lag das
durchschnittliche Wachstum bei 2,2 %. Dabei trauen wir der Binnennachfrage
unter anderem getrieben durch eine weiter niedrige Inflation und eine robuste
Arbeitsmarktsituation eine Expansion in einer Spanne von 2,5-3 % zu. Die
deutliche Auf-wertung des US-Dollars seit Mitte 2014 dürfte allerdings den
Ausfuhren zusetzen, sodass der Außenbeitrag die gesamt-wirtschaftliche
Aktivität belasten dürfte.
Gemessen an der Kaufkraftparität (PPP) ist der Euro zudem
mittlerweile deutlich unterbewertet. Ein „fairer" Wechselkurs zum
US-Dollar läge gemäß unserer Berechnungen auf Basis von Großhandels- und
Erzeugerpreisen derzeit bei 1,29 USD. Das muss nicht heißen, dass es in den
kommenden Monaten nicht noch zu einer größeren Abweichung von der errechneten
Grafik 7: Euro deutlich unterbewertet
i3
hhh rlhhh,h ,%,4%hhhh.highh rlhihihhih
KKP n KKP 5 % — —
-KKP 5 % EUR/USD
Quelle: Macrobond & HSBC, Stand 17.12.2015
Eine Wertentwicklung der Vergangenheit ist kein
verlässlicher Indikator für eine Wertentwicklung in der Zukunft.
— EUR/USD
(rechte Achse)
— Nettopositionen
von "non-commercials" an der CME (linke Achse)
Quelle: Macrobond & HSBC, Stand 17.12.2015
Kaufkraftparität kommen kann, jedoch ist diese Abweichung
bereits recht stark ausgeprägt. In der Vergangenheit war eine Differenz von
maximal rund 30 % zum jeweiligen „fairen" Kurs spätestens der Wendepunkt
bei der Wechselkursentwicklung (Grafik 7).
Schließlich zeigen die Commitment of Traders (CoT)-Daten an
der Chicago Mercantile Exchange (CME), dass der Grad der EUR-Pessimisten unter
den Spekulanten bereits wieder spür¬bar ausgeprägt ist (Grafik 8). Eine
weitergehende Short-Posi-tionierung zulasten der Einheitswährung ist für den
Kontra-indikator auf diesem Niveau nur bedingt wahrscheinlich. Vor diesem
Hintergrund gehen wir insgesamt im kommenden Jahr davon aus, dass der Euro zum
US-Dollar zulegen kann.
Fazit: Bis zur jüngsten Sitzung des EZB-Rates war es
EZB-Präsident Draghi im Jahresverlauf 2015 gelungen, die Erwar-tungen der
Kapitalmärkte bezüglich des Umfangs der geld-politischen Expansionsmaßnahmen zu
übertreffen. Die „Ent-täuschung" von Anfang Dezember führte dann
postwendend zu einer kräftigen Erholung des Euro gegenüber dem US-Dol¬lar. Der
EZB sind aufgrund selbst auferlegter Restriktionen auch perspektivisch die
Hände gebunden, das QE-Kaufpro-gramm betragsmäßig aufzustocken. Dadurch dürfte
es der Notenbank auch nicht ge-lingen, den Euro-Kurs dauerhaft tief zu halten.
Seitens der US-Notenbank zeichnet sich zudem nur ein sehr gradueller
Zinserhöhungszyklus ab. Mit Blick auf die zuletzt deutlich rückläufigen
Umfragewerte aus dem Verarbei¬tenden Gewerbe stellt sich vielmehr die Frage,
wie lange der konjunkturelle Aufschwung in den USA noch anhalten wird.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass die Fed im kommenden Jahr nur zwei weitere
Zinserhöhungsschritte beschließt und der Euro — auch mit Blick auf die extreme
Short-Positionierung der Spekulanten — seine Unterbewertung zum US-Dollar
abbauen wird. Per Jahresende 2016 sollten sich Notierungen von 1,20 USD
einstellen.
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