Währungsausblick 2016
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/LfZWvlMZRnQ
2016 könnte für Devisenmanager ein schwieriges Jahr werden.
Wechselkurse dürften weiterhin von Zentralbankpolitiken dominiert werden.
Gleichzeitig nehmen die Zentralbanken zunehmend Rücksicht auf die
Wechselkursentwicklung. Markt und Zentralbanken bewegen sich somit in einer
schwierigen Wechselbeziehung. Das spricht gegen einfache Trends und für eine
hohe Schwankungsintensität der Wechselkurse.
Im Rückblick erscheinen die Neunzigerjahre als zivilisierte
Zeit. Nach den Krisen des Europäischen Währungssystems Anfang des Jahrzehnts
nahm die Schwankungsintensität der Wechsel-kurse deutlich ab (Grafik 1 und 2).
So stabil wie in dieser Periode waren die Wechselkurse seit dem Ende des Bretton-Woods-Systems
selten gewesen. Ich befürchte, zumindest in diesem Jahr dürften wir in solche
ruhigen Fahrwasser nicht zurückkeh¬ren. Im Gegenteil, die hohen
Wechselkursschwankungen der Siebziger- und Achtzigerjahre könnten eher als
Modell für das dienen, was uns in nächster Zeit bevorsteht.
Die volatilen Siebziger und Achtziger waren gekennzeichnet
durch schnelle Änderungen der Wechselkurspolitiken, die somit wenig
vorhersehbar waren. Sei es das »Volcker-Experiment« in den USA, seien es der
Plaza-
und der Louvre-Akkord als Beispiele sehr wirksamer
Politikkoordination. In den Neunzigerjahren hingegen hielt sich die Politik
weitgehend aus dem Geschehen an den Devi-senmärkten heraus und die
Zentralbanken agierten regelgebunden und damit vorhersehbar. Klar, auch damals
verursachten Konjunkturzyklen Änderungen im Verhalten der Zentralbanken, die zu
Wechselkursschwankungen führten. Dennoch waren die Ausschläge geringer als
zuvor, weil die Art und Weise, wie Zentralbanken auf die Konjunktur
reagier¬ten, vom Markt verstanden wurde. In einem gewissen Ausmaß konnte der
Devisenmarkt somit »durch die Konjunkturzyklenhindurchschauen« und musste nicht
bei jedem Abschwung damit rechnen, dass das System der Geld- und
Wechselkurspolitik auf den Kopf gestellt wird.
Experimente, Überraschungen und Missverständnisse Diese
Sicherheit fehlt heute. Auch im siebten Jahr nach der großen Rezession agieren
Zentralbanken weiterhin mit »unkon¬ventionellen« Maßnahmen. In der Tat
experimentieren sie und halten damit weiter das Niveau der Unsicherheit hoch.
Wer will heute schon sagen, wie Zentralbanken in fünf oder zehn Jahren agieren
werden? Noch unkonventionellere Maßnahmen als bisher - von Bargeld-Abschaffung
bis Helikopter-Geld - müssen ernsthaft in die Erwägungen der Marktteilnehmer einbezogen
werden. Und selbst der US-Geldpolitik, die auf einen Normali¬sierungskurs
eingeschwenkt ist, steht keine ruhige Zeit bevor. Denn die Normalisierung ist
für die Fed und den Markt ebenfalls
Neuland. Auch dieser Prozess ist damit ein Experiment, bei
dem beiden Seiten Fehler unterlaufen können (und wahrscheinlich werden). Für
die anderen Zentralbanken sieht es mindestens so schwierig aus. Immer noch sind
die klassischen Transmissions-kanäle der Geldpolitik verstopft. Und immer noch
sind viele Zen¬tralbanken auf der Suche nach neuen, wirksamen Alternativen.
Bisher ohne Erfolg, aber wir können sicher sein, dass sie weiter
experimentieren werden, wenn sich das Problem der niedrigen Inflation nicht von
selbst löst oder eine von ihnen den Stein der Weisen findet.
Überraschungen und Missverständnisse sind somit
wahrschein¬lich. Den Zentralbanken wird von Beobachtern häufig schlechte
Kommunikation vorgeworfen. Auch ich habe in den vergangenen zwölf Monaten immer
wieder über missglückte Kommunikation der einen oder anderen Zentralbank
geschimpft. Die überra¬schende Abschaffung des Mindestkurses von 1,20 Schweizer
Franken je Euro durch die SNB, die lange andauernde Unsicher¬heit über das
Liftoff-Timing der Fed, die widersprüchlichen Sig¬nale der schwedischen Riksbank
und zuletzt die überraschende EZB-Entscheidung im Dezember - die Liste der
Kommunikati-onsfehler von Zentralbanken ist lang. Doch muss ich fairerweise
eingestehen, dass der Job der Zentralbanker heute weitaus schwieriger ist als
in den Neunzigerjahren und auch als Anfang dieses Jahrtausends. Ich als Analyst
habe gut reden.
Interdependenz
Verkompliziert wird ihre Aufgabe dadurch, dass für
Zentralban¬ken die Wechselkursentwicklung gegenwärtig viel wichtiger ist, als
sie das früher war. Abwertung wird - zu Recht oder Unrecht - häufig als
einziger halbwegs funktionierender Kanal der Geld¬politik betrachtet.
Doch auch ohne die Interdependenzen zwischen den
verschiede¬nen Zentralbankpolitiken ist die Situation schon schwer genug. Denn
es besteht auch eine Interdependenz zwischen den auf Wechselkurse schielenden
oder offen auf Wechselkurse zielen¬den Geldpolitiken der Zentralbanken und dem
Devisenmarkt. Theoretiker dürften diese Situation als nicht kooperatives Spiel
beschreiben. Das Verhalten des einen bestimmt die Reaktion des jeweils anderen.
Dass solche Situationen nicht unbedingt einen glatten Pfad zu einem stabilen
Gleichgewicht generieren, wissen Spieltheoretiker nur allzu gut. Insbesondere
weil beide Seiten sich nicht sicher über das Verhalten der Gegenseite sein
können (beide sind ja neu in dieser Situation!), ist es wahrscheinlich, dass überschießende
Reaktionen beobachtet werden: Die Zentral-
banken werden ihre Mittel - sei es die Zinsschraube der Fed,
sei es das Quantitative Easing der Bank of Japan - das eine oder andere Mal zu
heftig einsetzen. Und der Devisenmarkt wird auf Signale der Zentralbanken zu
heftig reagieren. Dieses Thema dominiert zum Beispiel unsere Prognose der
US-Dollar-spezifi¬schen Teile der Wechselkursentwicklung 2016.
Hier liegt die Ursache der Ähnlichkeit zur Situation der
Siebziger und Achtziger. Auch damals mussten Markt und Zentralbanken (und
damals noch: die Politik) sich aufeinander einpendeln. Das hat fast 20 Jahre
gedauert und führte zu heftigen Wechselkursausschlägen mit
realwirt¬schaftlichen Folgen, die teilweise noch heute zu spüren sind. Selbst
wenn dieses Einschwingen heute schneller und weniger heftig verlaufen sollte,
2016 könnte das Jahr werden, das davon dominiert wird.
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