Kimberley Australia
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/LDHqP3CdUWc
Australiens abgeschiedene Kirnberley-Region lässt sich am
schönsten vom Wasser aus erkunden. Bei einer Entdecker-Kreuzfahrt reist man zu
Wasserfällen in versteckten Canyons und uralter Aborigineskunst.
Rostrot verglühen die Felsen der Schlucht, bis sie sich in
der Dämmerung ganz ausblenden. Goldener Sand wärmt die feuchten Füße. Leise
rauscht das Meer. Vom Indischen Ozean weht eine angenehme Brise. Dort wartet
die „True North" - mehr eine Yacht als ein Kreuzfahrt¬schiff, auf jeden
Fall aber ein komfortables Zu¬hause für zwei Wochen Safari auf dem Wasser und
an Land. Zum Sonnenuntergang gibt es Austern, eigenhändig mit Hammer und Meißel
von schroffen Klippen abgeklopft, dazu ein Glas gekühlten Sauvignon Blanc. Doch
der wahre Luxus ist, an einer der schönsten Ecken Australi¬ens ganz alleine zu
sein.
Selbst für australische Verhältnisse ist es in der
Kimberley-Region weit und leer: Nur 40.000 Menschen leben in wenigen Siedlungen
auf einer Fläche, die größer ist als ganz Deutschland. Bis heute ist das Gebiet
im Nordwesten des Konti¬nents nicht erschlossen. Durchs Outback führt nur die
Trasse der Gibb River Road. Hier sieht
man rechts und links felsgespicktes Weideland mit
Affenbrotbäumen, die ihre Flaschen-Stäm¬me mit ein paar blätterlosen Ästen in
den stahl¬blauen Himmel recken. Nur wenige Wege führen an die Küste mit ihren
Schluchten, Kaskaden, Mangroven und Inselchen: Am besten lassen sie sich per
Schiff erkunden.
Entspannt-australisch für zwei Wochen unterwegs sein
Für jemanden wie Brad Benbow macht das auch Sinn. „Ins
Paradies kommt man ja nicht so ein¬fach. Das Gleiche gilt für Australiens
letzte große Wildnis", scherzt der Kapitän der „True North" bei der
Einschiffung im ehemaligen Perlentau¬cher-Städtchen Broome. 1.000 Seemeilen,
2.500 Inseln und 33 Flusssysteme liegen vor ihm, bis er im nächsten Hafen
anlegen wird. Das für die
Region gebaute, 50 Meter lange Schiff schafft die Strecke in
sieben Tagen. Lieber sind ihm indes die knapp zwei Wochen langen Touren: „Für
diese Landschaft muss man sich Zeit lassen." Auf For¬malitäten legt man an
Bord keinen Wert, schlie߬lich soll alles so entspannt-australisch wie mög¬lich
ablaufen. Kapitän, Crew und Passagiere sind per Du - und alle barfuß unterwegs.
Selbst die Tür zur Brücke steht immer offen.
Pioniere und Entdecker
Die Stimme des Cruise Director ruft an die Bar. „Selbst im
21. Jahrhundert dürfen wir uns hier noch als Pioniere und Entdecker fühlen. An
der Kimberley-Küste ist auch heute noch kaum je¬mand unterwegs", sagt
Nitty Origioni. „Wir su¬chen uns Ankerplätze nach dem Wetter und den Gezeiten.
Die Ausflüge planen wir nach euren Wünschen." Das funktioniert
tatsächlich: 24 Gäs¬te sind dieses Mal an Bord, sechs Beiboote stehen zur
Verfügung. Und so ziehen die eingefleisch¬ten Angler um Mike aus Melbourne und
Peter aus Perth in den nächsten Tagen stets früh am Morgen los, um im Gewirr
der Mangroven
Makrelen und Barramundi einzuholen. Und sich abends feiern
zu lassen, denn die Köche bringen den Fang auf die Teller.
Der Rest der Gruppe entdeckt Australiens spek-takulärsten
Küstenabschnitt bei Exkursionen im Beiboot und zu Fuß. Guide Jarrad hat stets
ein Fernglas um den Hals: Er weiß am besten Be¬scheid über die Pflanzen- und
Vogelwelt der Kim-berley-Region. Sein Kollege Richard hat Koch gelernt und
deswegen besondere Freude daran, mit Gleichgesinnten Krebse aufzuspüren. Dabei
muss indes immer einer aufpassen, dass die Beute nicht geklaut wird, denn für
Krustentiere haben anscheinend auch Salzwasserkrokodile ein Faible. Ihretwegen
ist das Baden im Meer lei¬der tabu - eine Schande angesichts des türkis-grünen
Wassers und der weißen Strände. Doch an jedem Tag findet die Crew ein in einer
Schlucht verstecktes Wasserloch, um sich nach einer kleinen Wanderung zu
erfrischen. Einmal lockt sogar eine Quelle mit kühlem grauen Schlamm: Das ist
die perfekte Ganzkörperkur für sonnengerötete Touristenhaut.
Ein mariner Superlativ der Kimberley-Region ¬und eine
Sehenswürdigkeit - ist der Tidenhub: Der Unterschied zwischen Ebbe und Flut
beträgt
an manchen Stellen zwölf Meter, mehr als an je-dem anderen
Ort Australiens. Bei den Horizontal Falls, einem schmalen Durchlass in der
Talbot Bay, staut sich das bei Ebbe abfließende Wasser zu einem meterhohen
Schwall. Der kann indes nicht mit der pflanzenüberwachsenen King's Cascade und
den mächtigen King George Falls konkurrie¬ren. Das von den massiven
Wasserfällen herab-prasselnde Wasser bietet eine bessere Rücken-massage als das
teuerste Wellnesszentrum.
Mit dem Hubschrauber zum Picknick
„Go Wild in Style" lautet das Motto der
Kimber-ley-Kreuzfahrt, und einer in der Crew füllt es mehr mit Leben als alle
anderen: Rainor Marshall ist Pilot und hat seinen Hubschrauber die ganze Reise
lang an Bord der „True North" stationiert. Jeden Tag startet er zu
Rundflügen, doch an ei¬nem Morgen hat er besonders viel zu tun: Gäste und Crew
reisen zu einem Picknick irgendwo im Nirgendwo, und der Hubschrauber-Shuttle
spielt dabei eine entscheidende Rolle. Weil die grüne Oase, ein Wasserfall im
trockenen roten Felsen-
land, nicht zu Fuß erreichbar ist, fliegen alle hin - und
nehmen, damit es vor Ort auch komforta¬bel ist, eine ganze Palette an
Kühlboxen, Cam¬pingstühlen und Badehandtüchern mit.
Guide James Terrys Passion ist dagegen die Kul¬tur der
Aborigines, denn er hat einige Jahre in Ureinwohner-Gemeinden gearbeitet.
„Inzwischen kenne ich viele Stellen, an denen wir alte Zeich-nungen finden
können. Doch immer wieder ent-decken wir mit einer Gruppe ein paar neue. Also:
Augen offen halten!" Wer seinem Rat folgt, er¬blickt plötzlich Abbildung
neben Abbildung un¬ter den Felsüberhängen: meterhohe Figuren, so¬genannte
Windjinas, gemalt mit rotem Ocker, Holzkohle und weißem Lehm. „Sie sind
Wetter¬geister, die nach den Schöpfungsmythen der Aborigines für Regen und
Sturm verantwortlich sind", erklärt James. Keines der Gesichter mit ihren
wie Blitze zuckenden Haaren hat indes einen Mund: „Der Regen würde ständig
heraus¬strömen - alle Menschen würden ertrinken."
17.500 Jahre alte Zeichnungen
Früher als die bis zu 1.000 Jahre alten Wandjinas, die von
den Aborigines immer wieder nachge¬malt wurden, entstanden die sogenannten
Gwi-on-Gwion-Panele, deren Geschichte die heutigen Ureinwohner nicht mehr
kennen. Tanzende oder jagende Menschen sind hier als dynamische Strichfiguren
zu sehen, oft mit vielen Details wie Waffen und zeremoniellem Schmuck. „Die
Datie-rung ist schwierig", sagt James Terry mit belegter Stimme. „Experten
gehen aber davon aus, dass die Zeichnungen bis zu 17.500 Jahre alt sind."
Am Ende ist es aber doch die vorbeiziehende Landschaft, die Stein gewordene
Einsamkeit der Kimberley-Küste, die am meisten beeindruckt. Wenigstens hier,
spürt man, darf man für einige Tage aussteigen, sich Zeit nehmen, abschalten,
und unerreichbar sein
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