Charles Darwin 1809-1882
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/0iliR10HbQ8
Charles Robert Darwin [tʃɑrlz 'dɑː.wɪn] (* 12. Februar 1809
in Shrewsbury; † 19. April 1882 in Downe) war ein britischer Naturforscher. Er
gilt wegen seiner wesentlichen Beiträge zur Evolutionstheorie als einer der
bedeutendsten Naturwissenschaftler.
Die Ende 1831 begonnene und fast fünf Jahre andauernde Reise
mit der HMS Beagle, die den jungen Darwin einmal um die Welt führte, war
zugleich Schlüsselerlebnis und Grundlage für sein späteres Werk. Der breiten
Öffentlichkeit wurde Darwin erstmals durch seinen 1839 herausgegebenen
Reisebericht bekannt. Mit seiner Theorie über die Entstehung der Korallenriffe
und weiteren geologischen Schriften erlangte er in wissenschaftlichen Kreisen
die Anerkennung als Geologe. Seine Untersuchungen an den Rankenfußkrebsen
verschafften ihm Mitte der 1850er Jahre zusätzlich einen angesehenen Ruf als
Zoologe und Taxonom.
Bereits 1838 entwarf Darwin seine Theorie der Anpassung an
den Lebensraum durch Variation und natürliche Selektion und erklärte so die
phylogenetische Entwicklung aller Organismen und ihre Aufspaltung in
verschiedene Arten. Über 20 Jahre lang trug er Belege für diese Theorie
zusammen. 1842 und 1844 verfasste Darwin kurze Abrisse seiner Theorie, die er
jedoch nicht veröffentlichte. Ab 1856 arbeitete er an einem umfangreichen
Manuskript mit dem Titel Natural Selection. Durch einen Brief von Alfred Russel
Wallace, der dessen Ternate-Manuskript mit ähnlichen Gedanken zur Evolution
enthielt, kam es im Sommer 1858 schließlich zu einer Veröffentlichung der
Theorien über die Evolution durch die beiden Männer. Ein Jahr später folgte
Darwins Hauptwerk On the Origin of Species (Über die Entstehung der Arten), das
als streng naturwissenschaftliche Erklärung für die Diversität des Lebens die
Grundlage der modernen Evolutionsbiologie bildet und einen entscheidenden
Wendepunkt in der Geschichte der modernen Biologie darstellt.
1871 diskutierte Darwin in The Descent of Man, and Selection
in Relation to Sex (Die Abstammung des Menschen und die geschlechtliche
Zuchtwahl) mit der sexuellen Selektion einen zweiten Selektionsmechanismus und
nutzte seine Theorie, um die Abstammung des Menschen zu erklären. In seinem
letzten Lebensjahrzehnt untersuchte Darwin Kletterpflanzen, Orchideen und
fleischfressende Pflanzen und leistete wichtige Beiträge zur Botanik. Sein
offizielles botanisches Autorenkürzel lautet „Darwin“.
Das Anwesen Mount House, auf dem Charles Darwin geboren
wurde, auf einer um 1860 entstandenen Fotografie
Charles Darwin im Alter von sieben Jahren. Ausschnitt aus
einem Pastell von Rolinda Sharples von 1816.
Charles Robert Darwin wurde am 12. Februar 1809 auf dem in
Shrewsbury gelegenen Anwesen Mount House geboren. Er war das fünfte von sechs
Kindern des Arztes Robert Darwin und dessen Ehefrau Susannah, geborene Wedgwood
(1765–1817). Seine Großväter waren der Naturforscher und Dichter Erasmus Darwin
und der Keramikfabrikant Josiah Wedgwood.
Am 15. Juli 1817, als Charles Darwin acht Jahre alt war,
starb seine Mutter. Seine drei älteren Schwestern Marianne (1798–1858),
Caroline (1800–1888) und Susan (1803–1866) übernahmen seine Betreuung. Seit dem
Frühjahr 1817 besuchte er die Tagesschule der Unitarier-Gemeinde. Seine Mutter
war gläubige Unitarierin, sein Vater galt als ungläubig, Charles war hingegen
in der anglikanischen Kirche getauft. Im Juni 1818 wechselte er an die von
Samuel Butler geleitete private Internatsschule von Shrewsbury, auf der er
sieben Jahre blieb. Dem konventionellen, auf alte Sprachen und Literatur
ausgerichteten Unterricht konnte Darwin jedoch nicht viel abgewinnen.[1] Das
Durchdringen komplexer Sachverhalte wie Euklids Geometrie, in der ihn ein
Privatlehrer unterrichtete, oder die Feineinstellung eines Barometers, die ihm
sein Onkel Samuel Tertius Galton (1783–1844) erläuterte, bereiteten ihm
hingegen Freude. Schon zu dieser Zeit sammelte Darwin Muscheln, Siegel, Münzen
und Mineralien,[2] und seine unablässigen Streifzüge durch die Natur, bei denen
er die Verhaltensweisen von Vögeln untersuchte, schärften seine
Beobachtungsgabe. Angeregt durch Experimente seines älteren Bruders Erasmus
(1804–1881), die dieser in einem selbstgebauten Labor im elterlichen
Geräteschuppen durchführte und bei denen Darwin mithelfen durfte, beschäftigte
er sich intensiv mit Chemie. Charles sollte wie sein Vater Arzt werden und
hatte bereits in dessen Praxis hospitiert.
Im Oktober 1825 begann Darwin wie zuvor sein Bruder Erasmus
an der Universität Edinburgh mit dem Medizinstudium. Die Vorlesungen, mit
Ausnahme der Chemievorlesungen von Thomas Charles Hope, langweilten ihn.[3] Er
beschäftigte sich vornehmlich mit naturwissenschaftlichen Themen.
Einflussreichster Lehrer in seiner Edinburgher Zeit war Robert Edmond Grant,
ein Freidenker und Anhänger der Lamarckschen Evolutionslehre. Bei ihm lernte er
Meereszoologie, wissenschaftliches Beobachten und die Bedeutung von genauen
Aufzeichnungen.[4] Er beschäftigte sich ebenfalls mit dem Präparieren von
Vögeln, das er von John Edmonstone, einem ehemaligen schwarzen Sklaven, erlernte.[5]
Darwin war Mitglied der Royal Medical Society und der Studenten-Gesellschaft
Plinian Society, in der er seinen ersten wissenschaftlichen Vortrag über die
Selbstbeweglichkeit der Eier von Flustra (ein Moostierchen) hielt.
Als Darwins Vater bemerkte, dass sich sein Sohn mit dem
Studium der Medizin schwertat, schlug er ihm vor, Geistlicher der Kirche von
England zu werden und ein Studium der Theologie zu beginnen.[6] Nach kurzer
Bedenkzeit willigte Darwin ein und begann im Januar 1828 mit dem Studium in
Cambridge, nachdem er im Privatunterricht sein Griechisch aufgefrischt hatte.
Zwar absolvierte Darwin seine theologischen Studien ohne Begeisterung und
schätzte sie als Zeitverschwendung ein,[7] jedoch bezeichnete er später seine
Zeit in Cambridge als die glücklichste in seinem Leben.[8]
Er verschob auf Anraten seines Tutors John Graham
(1794–1865), des späteren Bischofs von Chester, seine erste Vorprüfung, das
sogenannte „Little Go“.[9] Nach zweimonatiger Vorbereitungszeit bestand er im
März 1830 das Little Go schließlich mit Leichtigkeit.[10] Zur Vorbereitung für
die Abschlussprüfung gehörten auch Werke von William Paley, einem
Hauptvertreter der damals in England vorherrschenden Naturtheologie. Besonders
Paleys Werk Natural Theology beeindruckte Darwin; Paleys Logik, Art der
Beweisführung und Sprache sollten ihn auch später noch prägen.[11] Am 22.
Januar 1831 bestand er als zehntbester von 178 Studenten seine
Abschlussprüfung, die Fragen zu Paley, Euklid sowie den griechischen und
lateinischen Klassikern umfasste.[12] Die Urkunde für den ersten akademischen
Grad Baccalaureus Artium konnte er erst am 26. April 1831[13] entgegennehmen,
da er aufgrund der am Anfang des Studiums versäumten Zeit noch zwei Semester in
Cambridge bleiben musste.[14]
Mit seinem Botanikprofessor John Stevens Henslow blieb
Darwin zeitlebens freundschaftlich verbunden.
Zu Beginn seines Studiums am Christ’s College in Cambridge
traf Darwin seinen Großcousin William Darwin Fox, der ihn in die Insektenkunde
einführte und durch den er zu einem leidenschaftlichen Sammler von Käfern
wurde. In den Sommermonaten unternahm er zahlreiche entomologische Exkursionen,
die ihn meist nach Nord-Wales führten, und begleitete dabei unter anderen
Frederick William Hope (1797–1862), George Leonard Jenyns (1763–1848) sowie
Thomas Campbell Eyton und dessen Vater Thomas Eyton. Eine weitere kleine
wissenschaftliche Anerkennung wurde ihm zuteil, als sein Name in dem im Juli
1829 erschienenen Werk Illustrations of British Entomology von James Francis Stephens
genannt wurde.[15]
Hohe Wertschätzung brachte Darwin den Botanikvorlesungen von
John Stevens Henslow entgegen. Durch seinen Großcousin Fox erhielt er
Einladungen zu den regelmäßig in Henslows Haus stattfindenden Abenden, die
dieser für Studenten durchführte, die noch keinen Abschluss hatten. Zwischen
beiden entwickelte sich eine Freundschaft, die lebenslang anhielt und die
Darwin als einflussreichste seines gesamten Werdeganges charakterisierte.[16]
Während seines letzten Jahres[17] in Cambridge las er John
Herschels Einführung in das Studium der Naturphilosophie[18] und Alexander von
Humboldts Reise in die Aequinoctial-Gegenden des neuen Continents.[19] Aus
Humboldts Werk machte er sich zahlreiche Notizen zur Kanarischen Insel
Teneriffa und begann im April 1831, eine Reise dorthin zu planen.[20] Er fing
an, Spanisch zu lernen,[21] was ihm Mühe bereitete.[22] Er holte Informationen
über Kosten und Termine von Passagen nach Teneriffa ein[23] und musste
enttäuscht feststellen, dass er die Reise nicht vor Juni 1832 antreten
könnte.[24]
Bereits im Frühjahr 1831 hatte Henslow ihn überzeugt, sich
mit Geologie zu beschäftigen, und ihn mit Adam Sedgwick, Professor für Geologie
in Cambridge, bekannt gemacht.[25] Im August 1831 unternahmen Darwin und
Sedgwick eine geologische Exkursion nach Nord-Wales, auf der sie etwa eine
Woche gemeinsam verbrachten.[26] Nach seiner Rückkehr nach Shrewsbury am 29.
August 1831 fand Darwin einen Brief von Henslow vor.[27] Henslow teilte Darwin
darin mit, dass Kapitän Robert FitzRoy für seine nächste Fahrt mit der HMS
Beagle einen standesgemäßen und naturwissenschaftlich gebildeten Begleiter
suche und er ihn für diese Position empfohlen habe. FitzRoy befürchtete, ohne
einen solchen Begleiter das Schicksal des ersten Kapitäns der HMS Beagle,
Pringle Stokes, zu erleiden, der 1828 Selbstmord verübt hatte. Das Ziel der von
FitzRoy geleiteten Expedition waren Patagonien und Feuerland an der Südspitze
Südamerikas, um dort kartographische Messungen durchzuführen. Ebenso sollten
die Küsten Chiles, Perus und einiger Südseeinseln vermessen werden. Nachdem
sich Darwin und FitzRoy zur gegenseitigen Zufriedenheit kennengelernt hatten
und er die Zustimmung seines Vaters zum geplanten Unternehmen erhalten hatte,
reiste Darwin nach London.
Die Reise mit der HMS Beagle
Die Stationen von Charles Darwins Weltumsegelung an Bord der
HMS Beagle von 1831 bis 1836
Die HMS Beagle an der Einfahrt zum Beagle-Kanal (Murray
Narrows) in Feuerland. Darstellung von Conrad Martens, von 1833 bis 1834
offizieller Schiffsmaler der HMS Beagle
Stürme verzögerten den Beginn der Vermessungsfahrt der HMS
Beagle immer wieder. Erst am 27. Dezember 1831 stach die HMS Beagle von
Devonport aus in See. Die Fahrt begann für Darwin unerfreulich. Er wurde sofort
seekrank, und sein Traum, die von Humboldt geschilderte artenreiche
subtropische Vegetation auf der kanarischen Insel Teneriffa zu erkunden,
scheiterte an einer Quarantäne, die aufgrund eines Choleraausbruchs in England
über die Besatzung verhängt wurde. Die erste Zeit auf dem Schiff verbrachte
Darwin damit, die in einem selbstkonstruierten, engmaschigen Schleppnetz
gefangenen Organismen (die später als Plankton bezeichnet wurden) mikroskopisch
zu untersuchen. Er begann sein erstes Notizbuch, dem zahlreiche weitere
folgten, die er während der Reise zu unterschiedlichen Zwecken anlegte. Es gab
Notizbücher, die er ausschließlich während der Exkursionen an Land benutzte. In
seinen geologischen und zoologischen Notizbüchern ordnete er die an Land
gewonnenen Eindrücke. In weitere Notizbücher trug er seine gesammelten Proben
sorgsam nummeriert ein.
Am 16. Januar 1832 konnte er bei Praia auf der kapverdischen
Insel Santiago zum ersten Mal an Land gehen. Henslow hatte Darwin geraten, sich
mit dem ersten Band von Charles Lyells Principles of Geology zu beschäftigen,
und FitzRoy hatte ihm diesen vor der Abfahrt geschenkt. Während des gut
dreiwöchigen Aufenthalts entdeckte er in den Klippen der Küste ein in 15 Meter
Höhe verlaufendes waagerechtes Muschelschalenband und fand zum ersten Mal eine
Bestätigung für Lyells Theorie der langsamen, graduellen, geologischen Formung
der Erde.
Fast genau zwei Monate nach der Abreise erreichte die HMS
Beagle am 28. Februar 1832 die südamerikanische Ostküste und ankerte vor
Salvador da Bahia in der Allerheiligenbucht. Darwin genoss den Tropischen
Regenwald, beobachtete aber auch die Auswirkungen der Sklaverei, die er
aufgrund seiner Erziehung ablehnte und über die er mit FitzRoy in Streit
geriet. Zwei Monate später erhielt er in Rio de Janeiro die erste Post von zu
Hause. Während die HMS Beagle die Vermessung der Küste fortsetzte, blieb Darwin
mit einigen Besatzungsmitgliedern in Rio und unternahm geologische
Untersuchungen entlang der Küste. In der zweiten Augusthälfte schickte er von
Montevideo aus die ersten Proben, hauptsächlich geologische, an Henslow in
Cambridge. Bis Ende Juni 1835 folgten sieben weitere Sendungen mit
pflanzlichen, tierischen, fossilen und geologischen Fund- und Sammelstücken.
Am 22. September 1832 entdeckte Darwin in der Nähe von Bahía
Blanca in Punta Alta seine ersten Fossilien. Besser ausgerüstet konnte er am
nächsten Tag den Schädel eines Megatheriums und ein gut erhaltenes Skelett
eines Scelidotheriums, beides Riesenfaultiere, freilegen. Aus dem Fundort,
einer Muschelschicht, schloss er, dass sich die beiden ausgestorbenen Tiere
zeitgleich mit den sie umgebenden Muscheln entwickelt haben müssten.[28]
Über den Jahreswechsel hielt sich die HMS Beagle im Gebiet
von Feuerland auf, wo für Reverend Richard Matthews und die drei in England
erzogenen Feuerländer, die FitzRoy bei seiner ersten Fahrt nach England
gebracht hatte, eine Missionsstation errichtet wurde. Als die HMS Beagle ein
gutes Jahr später die Missionsstation erneut aufsuchte, war diese verlassen.
Nach einem einmonatigen Aufenthalt auf den Falklandinseln setzte die HMS Beagle
ihre Vermessungsarbeiten vor der südamerikanischen Ostküste fort. Darwin
unternahm währenddessen von April bis November 1833 Exkursionen in das Landesinnere
von Uruguay und Argentinien. Anfang Dezember verließ die HMS Beagle Montevideo,
vermaß unter anderem Teile der Magellanstraße und erreichte am 11. Juni 1834
den Pazifischen Ozean.
Überreste der Kathedrale von Concepción nach dem schweren
Erdbeben vom 20. Februar 1835
Über Chiloé, Valdivia und Concepción segelte die HMS Beagle
nach Valparaíso, wo sie am 23. Juli 1834 eintraf und mehrere Wochen blieb.
Darwin unternahm vom 14. August bis 27. September 1834 seine erste Expedition
durch die Anden, die ihn ein erstes Mal bis nach Santiago führte. Während die
HMS Beagle den Chonos-Archipel kartographierte, erkundete Darwin die
geologische Beschaffenheit der Insel Chiloé. Am 20. Februar 1835 wurde er Zeuge
des schweren, dreiminütigen Erdbebens bei Valdivia. Sechs Wochen später sahen
er und FitzRoy bei einem Ritt zur schwer zerstörten Stadt Concepción die
Auswirkungen dieses Bebens. Als Darwin Anfang März 1835 die Insel Quiriquina
bei Talcahuano untersuchte, fand er marine Ablagerungen, die infolge des Erdbebens
um einige Fuß gehoben worden waren, worin er eine weitere Bestätigung für
Lyells Theorie und das Alter der Erde sah. Bei einer zweiten Anden-Expedition
im März und April entdeckte er, dass das weit von der Küste entfernte Gebirge
hauptsächlich aus submariner Lava bestand. Er fand fossile und versteinerte
Bäume und begann, erste eigene geologische Theorien zu entwickeln. Bis zum
Sommer unternahm er zwei weitere Expeditionen, bei denen er Untersuchungen in
den Anden durchführte.
Aus Darwins Sammlung: Graswurzeln von Galápagos
Aus Darwins Sammlung:
Staub von der HMS Beagle
Aus Darwins Sammlung:
Proben von Kap Hoorn
Nach den bis zum 7. September 1835 andauernden
Vermessungsarbeiten vor Chile und Peru verließ die HMS Beagle die
südamerikanische Westküste endgültig und brach in Richtung Galapagosinseln auf.
Am 18. September betrat Darwin auf San Cristóbal zum ersten Mal eine der
zahlreichen Inseln. Die Vermessungsarbeiten dauerten gut einen Monat. Darwin
konnte auf den Inseln Floreana, San Salvador sowie Isabela Untersuchungen
vornehmen und Tier- und Pflanzenproben sammeln. Nicholas Lawson, der Direktor
des Strafgefangenenlagers auf der Insel Floreana, machte ihn darauf aufmerksam,
dass sich die auf den Galápagos-Inseln lebenden Schildkröten anhand ihrer Panzer
bestimmten Inseln zuordnen ließen. Darwin schenkte zu diesem Zeitpunkt weder
dieser Bemerkung noch den Galapagosfinken besonders viel Aufmerksamkeit.
Am 20. Oktober 1835 brach die HMS Beagle zur Durchquerung
des Pazifischen Ozeans auf. Gut drei Wochen später wurde das Atoll Puka-Puka im
Tuamotu-Archipel gesichtet und am Abend des 15. November Tahiti erreicht, wo
das Schiff zehn Tage ankerte. In Papeete trafen Darwin und FitzRoy mit der
tahitianischen Königin Pomaré IV. zusammen. Während der Weiterfahrt nach
Neuseeland vervollständigte Darwin seine Theorie über die Entstehung der
Korallenriffe, die er bereits an der Westküste Südamerikas begonnen hatte. Den
zehntägigen Aufenthalt im Norden der neuseeländischen Nordinsel nutzte Darwin
erneut zu Exkursionen in das Landesinnere. Er besuchte die Missionare der Te
Waimate Mission und untersuchte bei Kaikohe eigentümliche Formationen aus
Kalkstein.
Als die HMS Beagle am 12. Januar 1836 die Sydney Cove im
Port Jackson vor Sydney in Australien erreichte, war Darwin erleichtert,
endlich wieder in einer großen, kultivierten Stadt zu sein. Auf einem seiner
Ausflüge begegnete er einigen Aborigines, die ihm – für einen Shilling – ihre
Fähigkeiten im Speerwurf demonstrierten. In Hobart genoss Darwin, den es immer
mehr nach Hause zog, die Gastfreundschaft des Generalvermessungsinspektors
George Frankland (1800–1838). Er feierte seinen 27. Geburtstag, fing Skinke und
Schlangen, sammelte Plattwürmer und zahlreiche Insekten, darunter Mistkäfer,
die er in Kuhfladen fand. Die letzte Station des zweimonatigen Aufenthaltes in
Australien war Albany.
Die weitere Fahrt führte ihn auf die Kokosinseln sowie nach
Mauritius und an der Südspitze von Madagaskar vorbei nach Südafrika. Am 31. Mai
1836 warf die HMS Beagle bei Simon’s Town in der Simons Bay die Anker. Darwin
eilte auf dem Landweg nach Kapstadt, wo er sich mit John Herschel traf. Am 29.
Juni querte die HMS Beagle den Südlichen Wendekreis. Auf St. Helena untersuchte
er die Geologie der Insel und auf Ascension bestieg er den 859 Meter hohen
Vulkan Green Mountain. Das heimatliche England rückte näher, doch am 23. Juni
entschied sich Kapitän FitzRoy, noch einmal nach Salvador da Bahia an der Küste
von Südamerika zurückzukehren, um fehlerhafte Messungen auszuschließen. Am 17.
August 1836 ging die HMS Beagle endgültig auf Heimatkurs. Nochmals wurde Praia
angesteuert und ein Zwischenstopp bei der Azoren-Insel Terceira eingelegt. Am
2. Oktober gegen 9 Uhr morgens lief das Schiff in den englischen Hafen Falmouth
ein. Darwin machte sich sofort auf den Weg zu seiner Familie in Shrewsbury.
Während der Rückreise hatte Darwin seine Notizen geordnet
und mit Unterstützung seines Gehilfen Syms Covington insgesamt zwölf Kataloge
seiner Sammlungen erstellt.[29] Seine zoologischen Notizen umfassten 368
Seiten, die über Geologie waren mit 1383 Seiten etwa viermal so umfangreich.
Zusätzlich hatte er 770 Seiten seines Reisetagebuchs beschrieben. 1529 in
Spiritus konservierte Arten sowie 3907 Häute, Felle, Knochen, Pflanzen etc.
waren das Ergebnis seiner fast fünfjährigen Reise.[30] Rückblickend resümierte
Darwin später in seiner Autobiographie: „Die Reise mit der Beagle war das bei
weitem bedeutendste Ereignis in meinem Leben und hat meinen gesamten Werdegang
bestimmt.“[31]
Zurück in England – Anfänge der Evolutionstheorie
Unter der Notiz „I think“ skizzierte Darwin 1837 in seinem
Notizbuch B erstmals seine Idee vom Stammbaum des Lebens.
Darwins Name war bereits vor seiner Rückkehr im Oktober 1836
in wissenschaftlichen Kreisen bekannt, da Henslow, ohne dass Darwin davon
wusste, einige seiner Briefe als Letters on Geology veröffentlicht hatte. Für
kurze Zeit weilte Darwin in Cambridge, wo er an seiner Sammlung und am
Manuskript des Journal arbeitete. Im März 1837 ließ er sich in London nieder.
Hier schloss er bald Freundschaft mit Charles Lyell und Richard Owen. Der
freundschaftliche Umgang mit Owen kühlte in späteren Jahren jedoch ab.[4]
In die Zeit nach der Rückkehr fallen Darwins erste Gedanken
über den Artwandel, auch wenn Darwin selbst später diesen Zeitpunkt auf die
Zeit in Südamerika vorverlegte.[4][32] Sein Glaube an die Konstanz der Arten
wurde vor allem durch die Arbeiten von John Gould im März 1837 über die Vögel
der Galápagos-Inseln erschüttert. Darwin hatte den Vögeln auf der Reise kaum Aufmerksamkeit
geschenkt, die gesammelten Exemplare auch nicht den einzelnen Inseln
zugeordnet. Gould zeigte nicht nur, dass alle Arten eng verwandt (heute als
Darwin-Finken zusammengefasst) sind, sondern dass bei diesen Vögeln keine klare
Trennung zwischen Arten und Varietäten möglich ist, also keine klaren
Artgrenzen bestehen.[32]
Darwins Überlegungen zur Entstehung der Arten waren
begleitet von einer breit gefächerten Lektüre in den Bereichen Medizin,
Psychologie, Naturwissenschaften, Philosophie, Theologie und politische
Ökonomie. Das Ziel Darwins war es, die Entstehung von Arten auf
naturwissenschaftliche Grundlagen zu stellen. Insbesondere lehnte er inzwischen
die Naturtheologie Paleys ab, in deren Tradition er in Cambridge ausgebildet
worden war. Viele von Darwins späteren Experimenten und Argumenten dienten
dazu, Paleys argument from design zu widerlegen und Anpassungen auf natürliche
Ursachen, nicht göttliches Wirken zurückzuführen. Dabei verwendete Darwin
häufig die gleichen Beispiele wie Paley und ähnliche Argumente.[33]
Philosophisch war Darwin vor allem geprägt durch den englisch-schottischen
Empirismus in der Tradition David Humes, aber auch durch Adam Smith, etwa
dessen Theorie der moralischen Gefühle. Wissenschaftstheoretisch hatten John
Herschel und William Whewell großen Einfluss auf ihn mit ihrer Betonung der
Bedeutung von Induktion und Deduktion für die Naturwissenschaften.
Charles Darwin auf einem Aquarell von George Richmond
(1809–1896) aus dem Jahr 1840
Emma Darwin im Jahr 1840, kurz nach ihrer Hochzeit mit
Charles, Aquarell von George Richmond
Darwin war spätestens im Sommer 1837 von der
Veränderlichkeit der Arten überzeugt und begann, Informationen zu diesem Thema
zu sammeln. In den folgenden 15 Monaten entstand langsam und schrittweise die
Theorie, die er erst 1858/1859 veröffentlichen sollte.[32] Im März 1837 begann
Darwin mit der Niederschrift seiner Überlegungen in Notizbüchern, den Notebooks
on Transmutation. Auf S. 36 des ersten Notizbuches, „B“, entwarf er unter der
Überschrift I think eine erste Skizze von der Entstehung der Arten durch
Aufspaltung.[34] Eine wichtige Grundlage für seine Überlegungen war der
Gradualismus, wie er ihn aus Lyells Principles of Geology kannte. Die
Veränderlichkeit der Arten und den Auslesemechanismus (künstliche Selektion)
kannte Darwin aus der Tier- und Pflanzenzucht.
Als Kristallisationspunkt für die Ausformulierung seiner
Selektionstheorie erwies sich das Wachstumsgesetz, wie es Thomas Robert Malthus
in seinem Essay on the Principle of Population formuliert hatte und den Darwin
im September 1838 las. Die Theorie von Malthus geht von der Beobachtung aus,
dass die Bevölkerungszahl (ohne Kontrolle oder äußere Beschränkung)
exponentiell wächst, während die Nahrungsmittelproduktion nur linear wächst.
Somit kann das exponentielle Wachstum nur für eine beschränkte Zeit
aufrechterhalten werden und irgendwann kommt es zu einem Kampf um die
beschränkten Ressourcen. Darwin erkannte, dass sich dieses Gesetz auch auf
andere Arten anwenden ließ und ein solcher Konkurrenzkampf dazu führen würde,
dass vorteilhafte Variationen erhalten blieben und unvorteilhafte Variationen
aus der Population verschwänden. Dieser Mechanismus der Selektion erklärte die
Veränderung und auch die Entstehung von neuen Arten. Damit hatte Darwin eine
„Theorie, mit der ich arbeiten konnte“.[35]
Die Zeit in London war die arbeitsreichste in Darwins Leben.
Neben seinen umfangreichen Studien zur Evolution gab er die mehrbändige The
Zoology of the Voyage of H.M.S. Beagle (1838–1843) heraus. Sein zunächst als 3.
Band von The narrative of the voyages of H.M. Ships Adventure and Beagle (1839)
veröffentlichtes Reisebuch war derart erfolgreich, dass es unter dem Titel
Journal of Researches noch im selben Jahr separat veröffentlicht wurde. Es ist
heute noch neben den Origins sein meistgelesenes Buch. Darwin verfasste die auf
seinen Beobachtungen während der Reise beruhenden geologischen Arbeiten über
den Aufbau der Korallenriffe (1842) und Vulkane (1844), die wesentlich zu
seiner Reputation als Wissenschaftler beitrugen. Wie sehr Darwin in der
Gesellschaft verankert war, zeigen seine Aufnahme in die Royal Society und den
Athenaeum Club sowie seine Berufung zum Rat der Geological Society of London
und zum Rat der Royal Geographical Society.[36]
Am 29. Januar 1839 heirateten Darwin und seine Cousine Emma
Wedgwood (1808–1896), die Tochter seines Onkels Josiah Wedgwood II. Das
gemeinsame Vermögen, das sowohl von seinem eigenen Vater als auch vom Vater der
Braut stammte, ermöglichte Darwin ein Leben als Privatier. Er investierte das
Vermögen in Grundbesitz und später vor allem in Eisenbahnaktien. In der
Londoner Zeit kamen die Kinder William Erasmus (1839–1914), Anne (1841–1851)
und Mary Eleanor (1842–1842) zur Welt. Mary Eleanor verstarb jedoch bereits
nach wenigen Wochen. An William studierte Darwin die Ausdrucksformen des
Säuglings, die er später veröffentlichen sollte.[4]
Rückzug nach Down House
Im November 1842 zog sich die Familie Darwin in das Down
House in die kleine, südlich von London gelegene Ortschaft Down zurück. Hier
erhoffte sich Darwin mehr Ruhe für seine angeschlagene Gesundheit. Bereits seit
seiner Rückkehr von der Beagle-Reise, verstärkt seit 1839, hatten sich immer
wieder Krankheitssymptome eingestellt, über deren Ursachen bis heute spekuliert
wird. Die Symptome waren Schwächeanfälle, Magenschmerzen, Übelkeit und Erbrechen,
erhöhter Puls und Atemprobleme.[37] Darwin lebte daher sehr zurückgezogen,
begab sich selten auf Reisen und verließ die Britische Insel zeit seines Lebens
nicht mehr. Im September 1843 kam Tochter Henrietta zur Welt, der noch weitere
sechs Kinder folgten: George Howard (1845–1912), Elizabeth (* 1847), Francis
(1848–1925), Leonard (1850–1943), Horace (1851–1928) und Charles Waring (*
1856).
Down House, ab November 1842 der Wohnsitz der Familie
Darwin, ist heute ein Museum
1843 begann seine Freundschaft mit dem Botaniker Joseph
Dalton Hooker, der neben Lyell und Thomas Henry Huxley zu seinem stärksten
Verbündeten werden sollte. In einem Brief am 11. Januar 1844 gab ihm Darwin
erste Hinweise auf seine Evolutionstheorie und schrieb ihm, dass er „entgegen seiner
ursprünglichen Auffassung nun beinahe überzeugt [sei], dass die Arten (es ist
wie einen Mord zu gestehen) nicht unveränderlich“ seien.[38] Hooker antwortete,
dass seiner Meinung nach „eine graduelle Veränderung der Arten“ stattfinde und
er, Hooker, auf Darwins Ansatz gespannt sei, da er bisher noch keine
zufriedenstellende Erklärung gehört habe.[39] Darwin hatte seine Überlegungen
bereits 1842 in einer 35-seitigen Skizze dargelegt und arbeitete diese 1844 zu
einem rund 230-seitigen Essay aus, den jedoch nur seine Frau Emma zu lesen
bekam und den sie im Falle seines Todes veröffentlichen sollte. Beide Texte
stimmten in Inhalt und Grundstruktur bereits mit dem 1859 veröffentlichten Buch
überein.[40] War die Transmutationslehre bis jetzt vorwiegend auf sozialistische,
revolutionäre und teilweise medizinische Kreise beschränkt geblieben, hielt sie
ab 1844 Einzug in bürgerliche Kreise: mit dem von Robert Chambers anonym
publizierten Werk Vestiges of the Natural History of Creation, das – brillant,
aber journalistisch geschrieben – rasch zum Bestseller wurde, in
wissenschaftlichen Kreisen jedoch nicht ernst genommen wurde.
Die nächsten Werke, die Darwin veröffentlichte, waren die
Geologie der Vulkaninseln (Geological observations on the volcanic islands
visited during the voyage of H.M.S. Beagle) 1844 und die Geologischen
Beobachtungen in Südamerika (Geological observations on South America) 1846.
Damit waren die Sammlungen seiner Weltreise nach zehn Jahren aufgearbeitet, mit
Ausnahme eines seltsamen Exemplars der Rankenfußkrebse. Aus der Beschreibung
dieser Art entwickelte sich eine acht Jahre dauernde Bearbeitung aller
bekannten lebenden und fossilen Arten der gesamten Ordnung. Diese Arbeit, die
er in zwei dicken Bänden über die lebenden und zwei schmalen Bänden über die
fossilen Vertreter publizierte, machte ihn zu einem anerkannten Taxonomen, und
er erhielt für sie 1854 die Royal Medal. Er erhielt Sammlungen aus ganz Europa,
den USA und allen britischen Kolonien. Darwin selbst erkannte während der
Arbeit die Bedeutung der Variation und des Individuums. In dieser Zeit
entwickelte sich Hooker zum einzigen Ansprechpartner zum Thema Evolution, und
1847 gab Darwin ihm seinen Essay zu lesen.
1849 begab sich Darwin zu einer 16-wöchigen Wasserkur nach
Malvern in die Behandlung des Arztes James Gully, die seine Gesundheit wieder
wesentlich besserte. In den folgenden Jahren benötigte Darwin immer wieder
Kuren, um sich zu erholen, und er setzte die kalten Waschungen auch zu Hause
fort. 1851 erkrankte seine Lieblingstochter Annie schwer und starb am 23. April
1851.[41] Ihr Tod zerstörte die letzten Reste seines Glaubens an eine
moralische, gerechte Welt, der seit seiner Rückkehr von der Beagle-Reise
bereits stark geschwunden war.[42] Darwin bezeichnete sich in seinem späteren
Leben als Agnostiker.[43]
Ausschnitt aus einer Fotografie von 1854, die Charles Darwin
im Alter von 45 Jahren zeigt
Nach Beendigung der Arbeit an den Rankenfußkrebsen nahm
Darwin 1854 die Arbeit an der Evolutionstheorie wieder auf. In diesen Jahren führte
er unzählige Experimente durch. Unter anderem versuchte er, eine Lösung für das
Problem der Besiedlung von Inseln zu finden. Dafür untersuchte er
beispielsweise die Überlebensfähigkeit von Pflanzensamen in Salzwasser und zog
Vogelkot und Gewölle von Greifvögeln als Ausbreitungsmedien in Betracht. Für
das Thema der Variation wandte er sich den Tierzüchtern zu, sammelte von diesen
Informationen und begann selbst, Tauben zu züchten, um künstliche Selektion in
der Praxis zu untersuchen.
Charles Lyell, dem Darwin vieles über seine Ansichten
mitteilte, drängte Darwin 1856 dazu, seine Erkenntnisse zu publizieren, damit
ihm nicht jemand anders zuvorkomme. Grund für dieses Drängen war ein Aufsatz
von Alfred Russel Wallace, On the Law which has regulated the introduction of
New Species (1855), dessen Tragweite Darwin selbst aufgrund der
verklausulierten Sprache Wallace’ verkannte. Darwin begann nun, seine
Erkenntnisse in einem Manuskript niederzuschreiben, das den Titel Natural
Selection trug. Die Arbeit zog sich aufgrund des umfangreichen Materials hin,
im März 1858 waren zehn Kapitel, rund zwei Drittel des geplanten Umfangs,
fertig. In der Zwischenzeit hatte er in Asa Gray in Harvard einen weiteren
Korrespondenzpartner gefunden und ihm in einem Brief vom 5. September 1857 eine
Zusammenfassung seiner Theorie dargelegt. Im Juli 1857 wurde Darwin zum
Friedensrichter gewählt und im selben Jahr von der Deutschen Akademie der
Naturforscher Leopoldina zum Mitglied ernannt.
Über die Entstehung der Arten
→ Hauptartikel: Über die Entstehung der Arten
Die Titelseite der Erstausgabe von
On the Origin of Species (1859)
Diese bekannte Darwin-Karikatur erschien am 22. März 1871 im
Magazin The Hornet und trug den Titel „A venerable Orang-Outang. A contribution
to unnatural history“.
Wie berechtigt Lyells Drängen auf Publikation war, zeigte
sich, als Darwin im Juni 1858 Post von Wallace von der Molukken-Insel Ternate
bekam mit einem Manuskript namens On the Tendency of Varieties to depart
indefinitely from the Original Type, das im Wesentlichen die gleichen
Erklärungsmuster wie Darwins eigene Arbeit enthielt. Es verwendete den Begriff
struggle for existence und stützte sich auf die Arbeiten von Lyell, Malthus,
Lamarck und die Vestiges von Robert Chambers. Wallace bat Darwin um
Weiterleitung des Manuskripts an Lyell, ohne jedoch eine mögliche
Veröffentlichung zu erwähnen. Obwohl Darwin um seine Priorität bei der
Veröffentlichung fürchtete, leitete er das Manuskript weiter. Da sein jüngster
Sohn Charles Waring am 23. Juni an Scharlach erkrankte und wenige Tage später
starb, überließ Darwin die Angelegenheit seinen Freunden Lyell und Hooker.
Diese fanden die Lösung in einem gentlemanly agreement, das eine gemeinsame
Vorstellung der Arbeiten Wallaces und Darwins beinhaltete, die am 1. Juli 1858
in einer Sitzung der Linnean Society stattfand. Weder die Verlesung noch der
folgende Druck des Vortrages führte zu wesentlichen Reaktionen.
Anstatt sein Buch Natural Selection zu beenden, was zu lange
gedauert hätte, entschloss sich Darwin, eine Zusammenfassung des Buches zu
publizieren. Aus dem geplanten Aufsatz wurde letztendlich wiederum ein Buch von
rund 155.000 Wörtern. Hooker las und korrigierte das Manuskript. Der Verleger
John Murray akzeptierte auf Vermittlung Lyells das Manuskript ungesehen und
übernahm sogar die Kosten von 72 Pfund, die allein Darwins Änderungen in den
Korrekturfahnen verursachten. Die Erstauflage wurde von den ursprünglich
geplanten 500 auf 1250 erhöht. Am 22. November 1859 ging die vollständig
vorbestellte Auflage von On the Origin of Species by Means of Natural
Selection, or The Preservation of Favoured Races in the Struggle for Life (Die
Entstehung der Arten) an den Handel und kam am 24. November in den Verkauf. Im
Buch legte Darwin im Wesentlichen fünf voneinander unabhängige Theorien
dar:[44][45]
die Evolution als
solche, die Veränderlichkeit der Arten;
die gemeinsame Abstammung aller Lebewesen;
den Gradualismus,
die Änderung durch kleinste Schritte;
Vermehrung der
Arten beziehungsweise Artbildung in Populationen
und die natürliche
Selektion als wichtigsten, wenn auch nicht einzigen Mechanismus der Evolution.
Die Tatsache der Evolution wurde in den nächsten Jahren in
Wissenschaftskreisen praktisch universell akzeptiert, sehr viel weniger
allerdings die natürliche Selektion, mit der sich selbst Darwins Freunde Lyell
und Asa Gray nicht anfreunden konnten. John Herschel kritisierte sie scharf als
„law of the higgledy-piggledy“ („Regel von Kraut und Rüben“). Karl Ernst von
Baer stellte sie sogar in die Nähe eines Wissenschaftsmärchens. Darwins
väterlicher Freund Henslow lehnte die Evolution ab, blieb Darwin aber
freundschaftlich verbunden. Sedgwick und Richard Owen veröffentlichten hingegen
ablehnende Rezensionen. Darwins Freunde unterstützten das Buch mit mehreren
Rezensionen, so Huxley in der Times.
Im Juni 1860 kam es an der Universität Oxford während einer
Sitzung der British Association for the Advancement of Science zwischen dem
Unterstützer der Evolutionsgedanken Thomas Huxley und einem ihrer erklärten
Gegner, dem Bischof von Oxford Samuel Wilberforce, in Abwesenheit von Darwin zu
einem erbitterten Streitgespräch. In dessen Verlauf argumentierten Wilberforce
und Darwins ehemaliger Kapitän Robert FitzRoy gegen, Huxley sowie Joseph Dalton
Hooker für die Theorie. Beide Seiten beanspruchten den Sieg in der Debatte für
sich.[46][47]
Die weiteren Bücher nach Die Entstehung der Arten
Albuminpapierabzug einer 1868 von Julia Margaret Cameron
angefertigten Fotografie
In den nächsten Jahren veröffentlichte Darwin noch drei
bedeutsame Bücher, in denen er Aspekte der Evolutionstheorie wesentlich detaillierter
ausarbeitete als im Buch Entstehung der Arten.
In The Variation of Animals and Plants under Domestication
(„Das Variieren der Thiere und Pflanzen im Zustande der Domestication“), das
Ende Januar 1868 erschien, legte er all das von ihm in den letzten Jahrzehnten
gesammelte Material vor, das die Variation, die Veränderlichkeit, von Tieren
und Pflanzen unter dem Einfluss des Menschen zeigt. In diesem Buch präsentierte
er auch seine Spekulationen über einen Vererbungsmechanismus, nämlich die
Pangenesistheorie. Sie stieß selbst bei seinen Freunden auf Ablehnung und
stellte sich als falsch heraus.
Die Abstammung des Menschen zu erörtern, hatte Darwin bis zu
diesem Zeitpunkt immer vermieden. Erst im 1871 erschienenen Buch The Descent of
Man, and Selection in Relation to Sex (Die Abstammung des Menschen und die
geschlechtliche Zuchtwahl) legte Darwin dar, was zu diesem Zeitpunkt bereits
weithin diskutiert wurde und was bereits Huxley (Evidence as to Man’s Place in
Nature, 1863) und Haeckel öffentlich vertreten hatten: die Verwandtschaft des
Menschen mit dem Affen, mit dem er gemeinsame Vorfahren teilt. Die von Darwin
als erstem ausgesprochene Vermutung, der Mensch habe sich in Afrika entwickelt,
erwies sich viel später als richtig. Darwin führte auch die geistigen
Eigenschaften des Menschen auf evolutionäre Vorgänge zurück. Weiterhin betonte
er die Einheit des Menschen als eine einzige Art und sprach sich dagegen aus,
die Rassen (oder Subspezies) des Menschen als unterschiedliche Arten
aufzufassen (im 7. Kapitel: „Über die Rassen des Menschen“). Die Entstehung
dieser Menschenrassen erklärte er durch sexuelle Selektion. Im zweiten Teil des
Buches konzentrierte er sich auf die sexuelle Selektion, die Auswahl von
Partnern durch das andere Geschlecht. Mit dieser Theorie konnte Darwin
Phänomene wie das Hirschgeweih erklären, die es aufgrund der natürlichen
Selektion nicht geben dürfte. Das Buch war ebenfalls eine Antwort auf das Buch
The Reign of Law des liberalen Duke of Argyll, in dem dieser, von Owen
beeinflusst, Darwins natürliche Selektion angegriffen und den Ursprung der
Naturgesetze auf Gott zurückgeführt hatte.[48]
1872 folgte On the Expression of the Emotions in Man and
Animals (Der Ausdruck der Gemütsbewegungen bei dem Menschen und den Tieren), in
dem Darwin darlegte, dass auch die Gefühle und deren Ausdrucksweise bei Mensch
und Tieren gleich und wie äußere Merkmale durch Evolution entstanden sind. Das
Buch war zugleich eine Argumentation gegen Charles Bell und dessen Buch Anatomy
and Physiology of Expression, in dem dieser die Meinung vertrat, dass die
Gesichtsmuskeln des Menschen zu dem Zweck geschaffen wurden, seine Gefühle
auszudrücken. Im selben Jahr kam noch die sechste und zugleich letzte Auflage
von Entstehung der Arten heraus. In jeder Auflage hatte Darwin zahlreiche
Änderungen durchgeführt, Fehler korrigiert und war auf Kritik eingegangen.
1874 wurde Darwin in die American Academy of Arts and
Sciences gewählt.
Das letzte Jahrzehnt: Botanik
In seinem letzten Lebensjahrzehnt konzentrierte sich Darwins
Publikationstätigkeit auf botanische Themen. Darwin führte zu diesem Zweck
zahlreiche Versuche durch, bei denen ihn besonders sein Sohn Francis
unterstützte.
The Movements and Habits of Climbing Plants (Über die
Bewegungen der Schlingpflanzen) von 1867 (erweiterte 2. Auflage 1875) und das
mit 592 Seiten sehr umfangreiche Buch The Power of Movement in Plants (Das
Bewegungsvermögen der Pflanzen) von 1880 sind grundlegende Werke der
Pflanzenphysiologie. Bei der Beobachtung der Reizbarkeit von Hafer-Koleoptilen
postulierte er einen Botenstoff (Hormon), der Jahrzehnte später als Auxin
identifiziert werden sollte. Er untersuchte die Reaktion der Wurzelspitzen auf
Reize und setzte dabei die Wurzelspitze der Pflanzen in Analogie zu den
Gehirnen von Niederen Tieren, ein Gedanke, der im 21. Jahrhundert als
Pflanzenintelligenz im Umkreis der kontrovers diskutierten
Pflanzenneurobiologie wieder zu Ehren kam. Darwin entdeckte die Circumnutation,
die endogen gesteuerte Kreisbewegung vieler Pflanzen. In seinem Buch
Insectivorous Plants (Insectenfressende Pflanzen) von 1875 konnte er
nachweisen, dass manche Pflanzen tatsächlich fleischfressend sind.
Diese zeitgenössische Darstellung von Darwins Begräbnis in
der Westminster Abbey wurde am 6. Mai 1882 in der Zeitschrift The Graphic
veröffentlicht.
Gräber von Sir John Herschel und Charles Darwin in der
Westminster Abbey
Übergabe der Darwin-Statue von Sir Joseph Edgar Boehm am 9.
Juni 1885 durch Thomas Henry Huxley an den Prinzen von Wales
In drei Arbeiten beschäftigte er sich mit Blütenbiologie: In
On the various contrivances by which British and foreign orchids are fertilised
by insects, and on the good effects of intercrossing (Über die Einrichtungen
zur Befruchtung Britischer und ausländischer Orchideen durch Insekten und über
die günstigen Erfolge der Wechselbefruchtung) (1862) zeigte er, dass der
Blütenbau der Orchideen dazu dient, eine möglichst hohe Rate an Fremdbestäubung
zu erreichen. Er beschrieb die Täuschblumen wie etwa der Fliegen-Ragwurz, die
Grabwespenweibchen nachahmt und damit die Männchen anlockt. Für die
madagassische Orchidee Angraecum sesquipedale mit einem 25 cm langen
Nektarsporn sagte er einen bestäubenden Schmetterling mit einem ebenso langen Rüssel
vorher, der erst Jahre später entdeckt werden sollte. Seine Veröffentlichung
The effects of cross and self fertilisation in the vegetable kingdom (Die
Wirkungen der Kreuz- und Selbst-Befruchtung im Pflanzenreich) (1876) war das
Ergebnis umfangreicher Bestäubungsexperimente seit 1866, die er teilweise über
zehn Pflanzengenerationen hinweg durchführte. Fremdbestäubung führte in den
meisten Fällen zu stärkeren Nachkommen als Selbstbestäubung. In The different
forms of flowers on plants of the same species (Die verschiedenen Blüthenformen
an Pflanzen der nämlichen Art) (1877) zeigte er, dass die unterschiedlichen
Blütenformen mancher Pflanzen ebenfalls dazu dienen, Fremdbestäubung
sicherzustellen, etwa bei Heterostylie. Das Buch war eines der wenigen, die Darwin
einer Person widmete: Asa Gray.
Das letzte Buch Darwins behandelte ein Thema, das ihn über
40 Jahre beschäftigt hatte: die Tätigkeit der Regenwürmer. The formation of
vegetable mould, through the action of worms, with observations on their habits
(Die Bildung der Ackererde durch die Tätigkeit der Würmer) kam 1881 heraus,
wenige Monate vor Darwins Tod. Er postulierte hier eine zentrale Rolle der
Regenwürmer in der Boden- und Humusbildung. In einem 30 Jahre dauernden
Freilandexperiment zeigte er, dass durch die Arbeit der Regenwürmer
Kalkstückchen von der Oberfläche bis 18 cm tief in den Boden eingearbeitet
werden. Er widerlegte auch die damals weit verbreitete Meinung, Regenwürmer
seien schädlich für den Pflanzenbau. Mit diesem Werk war Darwin einer der
Wegbereiter der Bodenbiologie.[49]
Charles Darwin starb am 19. April 1882 im Alter von 73
Jahren in seinem Haus in Downe. Er wurde am 26. April in der Westminster Abbey
beigesetzt, zu Füßen des Monuments für Sir Isaac Newton und neben Sir John
Herschel. Einer seiner Sargträger war Alfred Russel Wallace. Die Errichtung
einer Statue im neuen Natural History Museum musste bis 1885 warten, bis zur
Pensionierung Richard Owens.
Rezeption und Nachwirkung
„Natural Selection“: Karikatur von Carlo Pellegrini in einer
Zeitschrift vom 30. September 1871
Charles Darwin gilt durch seine wesentlichen Beiträge zur
Evolutionstheorie als einer der bedeutendsten Naturwissenschaftler überhaupt
und ist durch diese Leistung auch im Bewusstsein der Öffentlichkeit immer noch
stark präsent. So wurde Darwin 1992 in einer Liste der einflussreichsten
Personen in der Geschichte auf dem 16. Platz gereiht,[50] und in Großbritannien
wurde er auf den vierten Platz der 100 Greatest Britons gewählt.[51]
Heute stellt die von Darwin begründete und seitdem ständig
weiterentwickelte Evolutionstheorie für die Biologie das grundlegende Paradigma
dar: Durch sie werden alle biologischen Teildisziplinen, wie Zoologie, Botanik,
Verhaltensforschung, Embryologie und Genetik, „unter einem einheitlichen Dach“
versammelt.[37] Theodosius Dobzhansky formulierte dies 1973 prägnant in dem
vielzitierten Satz: „Nichts in der Biologie hat einen Sinn, außer im Licht der
Evolution.“[52]
Darwins Werke, allen voran Entstehung der Arten und
Abstammung des Menschen, lösten schon kurz nach ihrem Erscheinen eine Flut von
Rezensionen und Reaktionen aus. Darwins Theorien berührten nicht nur
biologische Fragestellungen, sie hatten auch „weitreichende Implikationen für
Theologie, Philosophie und andere Geisteswissenschaften sowie für den Bereich
des Politischen und Sozialen“.[53] Darwins Theorien wurden nicht nur in
Wissenschaftskreisen, sondern auch vom Klerus und der breiten Öffentlichkeit
diskutiert. Themen waren beispielsweise das Teleologieproblem, die Rolle eines
Schöpfers, das Leib-Seele-Problem oder die Stellung des Menschen in der Natur.
Dass der Mensch keine eigenständige Schöpfung ist, sondern ein
Evolutionsprodukt wie Millionen anderer Arten, steht im Widerspruch zur
christlichen Lehre sowie vielen philosophischen Schulen.[54] Sigmund Freud
bezeichnete die Evolutionstheorie als eine der drei Kränkungen der Eigenliebe
der Menschheit.[55]
Wichtige Teile seiner Theorie hatten sich rasch
durchgesetzt: die Tatsache der Evolution an sich und die gemeinsame Abstammung.
Der Mechanismus der Selektion blieb jedoch lange umstritten und nur einer von
mehreren diskutierten Mechanismen. Beim ersten großen Jubiläum anlässlich
Darwins 100. Geburtstag 1909 gab es fast niemanden, der die Selektionstheorie
unterstützte. Diese Zeit wurde später von Julian Huxley als „Finsternis des
Darwinismus“ (eclipse of Darwinism)[56] bezeichnet. Erst die synthetische
Evolutionstheorie, auch als zweite darwinsche Revolution bezeichnet, verhalf
auch der Selektionstheorie zum Durchbruch. Im 20. Jahrhundert entstanden unter
dem Einfluss Darwins neue Disziplinen wie die Verhaltensforschung und die
Soziobiologie, deren Anwendung auf den Menschen in der Philosophie als
„evolutionäre Ethik“ diskutiert wird. Die Evolutionäre Erkenntnistheorie geht
letzten Endes auf Darwin zurück und wichtige Elemente der Evolutionsökonomik
wurden von seinem Werk beeinflusst.[57]
Eine missbräuchliche Umdeutung und Übertragung ins
Politische erfuhren Darwins Theorien in der Ideologie des Sozialdarwinismus.
Diese unter anderem auf einem naturalistischen Fehlschluss beruhende
Übertragung lässt sich weder zwangsläufig aus Darwins Werk ableiten, noch
entspricht sie im Entferntesten Darwins Welt- und Menschenbild.[58]
„Kein anderer Wissenschaftler des 19. Jahrhunderts hat unser
modernes Weltbild – sowohl in der Biologie als auch über sie hinaus – stärker
beeinflußt als dieser englische Forscher.“[59]
Ehrungen
Nach Darwin wurden die Darwinfinken benannt. Außerdem
folgende geographische Orte: Charles-Darwin-Nationalpark (Australien), Charles
Darwin University (Australien), Darwin College in Cambridge (England), Darwin
(Falklandinseln), Darwin (Australien), Darwin-Gletscher und Mount Darwin
(Kalifornien), Darwin Island (Galapagos-Inseln), Darwin Island (Antarktis),
Darwin Sound (Kanada), Darwin Sound (Feuerland), Monte Darwin (Feuerland),
Mount Darwin (Tasmanien), Cordillera Darwin (Chile). Der Zoo Rostock eröffnete
2012 das Darwineum, eine Mischung aus Zoo und Museum, in welchem die Evolution
erläutert wird.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.