Mittwoch, 20. Januar 2016

Hohe Tauern


Hohe Tauern

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/mndXxXJ8ygA

Hohe Tauern - der Nationalpark in Österreich hat mehr zu bieten als nur über 3.000 Meter hohe Berge. Dazu zählen auch längst vermisste Tierarten, die wieder zurück sind.

Der Blick geht ganz tief in das Schwarz über unseren Köpfen in die endlose Weite unseres Uni-versums. Mehr oder weniger kleine Punkte ste-chen in scharfem Kontrast daraus hervor. Sterne, das sind entfernte Sonnen und das weiße Band der Milchstraße. Lichtjahre entfernt. Was das in Wirklichkeit bedeutet, will mir nicht in den Kopf. Beim Blick durch das Teleskop sehe ich, wie ein kleiner leuchtender Punkt zu einer hell gleißen¬den Erbse wird. Das wiederholt sich jedes Mal, wenn ich die Vergrößerung erhöhe. Außer dem großen Wagen werde ich mir auch nach dieser Nacht keines der Sternbilder merken können,

die unser Guide mit seinem Finger am Him-

mel markiert. Es sind verwirrend viele. Trotz-dem ist dieser Abend auf dem 2.600 Meter ho-hen Schareck über dem Ort Heiligenblut einfach

Zwei Tage später, frühmorgens, steige ich mit ei¬ner kleinen Gruppe einen Hang oberhalb von Apriach hoch. Gefühlt liegt es Stunden zurück, seit wir unsere Plastiksteighilfen unter die Berg¬schuhe gespannt haben. Seither laufen wir durch eine schneidend dicke Nebelsuppe. Nur die Tat¬sache, dass nach oben Anstrengung bedeutet und nach unten eben nicht, hilft mir bei der Ori¬entierung. Die Frage, warum ich nicht im Bett geblieben bin, scheint mir mehr als berechtigt. Dann aber bricht die Sonne durch die Nebel¬bank. Die Welt ist durchtränkt von gleißendem, in den Augen beißendem Licht. Die Weite lässt sich erahnen. Schließlich öffnet sich der Blick. Auf die andere Seite des Tals, dann auf die Skyline der Gipfelkette der Glocknergruppe: Großglock-ner, Racherin, Teufelshorn und viele andere. Kühn sind sie, wild, dick mit Schnee bedeckt, ab-weisend und allesamt mehr als 3.000 Meter hoch. Eine Aussicht, die ihresgleichen sucht.

Stille Glücksmomente in der Natur

Die Haifischrückenflosse des Großglockners darf sich mit 3.798 Metern höchster Berg Österreichs nennen. Monika, unser Guide, spürt den Stim-mungsumschwung in der Gruppe. Sie wird ge¬sprächig, erzählt uns von den Almwiesen, über die wir hier laufen, von der mühsamen Land¬wirtschaft hier oben, von Entbehrungen und den stillen Glücksmomenten in der Natur.

Der Morgennebel hat auf der Schneedecke des Hangs, den wir hochlaufen, fingernagelgroße Eiskristalle hinterlassen. Im Sonnenlicht fun¬keln sie tausendfach. Später gehen wir in einem Waldstück einen Bach entlang und finden Spu¬ren von Rehen und Hasen. Von Monika erfahren wir mehr darüber, wie Wildtiere versuchen, den Winter zu überleben. Auch über die stattliche Zahl von etwa 10.000 Tier¬arten, die es hier im Nationalpark Hohe Tauern gibt. Einige wurden, nachdem es sie hier nicht mehr gab, wieder angesiedelt. Andere kamen von selbst. Manche gibt es kaum noch anderswo.

Bald erreichen wir von Wind und Wetter dunkel gegerbte Holzhöfe. In einem kleinen Bergbauerndorf mit dick beschneiten Dächern, weit ober¬halb Apriachs, kehren wir ein. Am Tisch neben dem massiven Kachel¬ofen sitzen acht Menschen, vier Gene¬rationen, wie ich später erfahre. Der Vater liest Zeitung, die Frauen reden, lachen, Urgroßvater hat die Zukunft der Familie auf dem Knie. Das Mäd¬chen schaut ihn an, kichert und hat

— ein Blick sagt alles — über achtzig Jahre Lebenser¬fahrung geschickt um den Finger gewickelt. Wäh¬rend ich meine wohlverdiente Brotzeit esse, frage ich Monika, ob dies einer der magischen Momente ist, mit denen die Region für sich wirbt. „Naja", meint sie, „wenn man die Augen offenhält, kann man diese Momente ja immer erleben. Bucht man vorab (in Heiligenblut), kann man hier oben auch romantische Fahrten mit dem Pferdeschlitten ma¬chen. Wenn's Wetter passt, ist das ein Traum."

Alpenpop gegen Winterschlaf

Natürlich werben all die großen Skigebiete, die sich Arenen nennen, mit ultimativem Pisten¬wahnsinn, mit hunderten Pistenkilometern und mit den angesagten Drinks in den Apiis-Ski-bars. Viele Skifahrer stören sich nicht an lauten Hüttenterrassen, die Gäste mit gut gelauntem Alpenpop beschallen, als gelte es Auerhahn und Birkhuhn aus der Winterruhe aufzuschrecken, damit diese „atemlos durch die Nacht" balzen. Mit Pistenzauber und magischen Momenten ist es dann schnell vorbei. Eine Entwicklung in diese Richtung war nach der Einrichtung des

 

Nationalparks Hohe Tauern im Jahr 1981 für das Mölltal nicht mehr möglich. Seither mehrfach erweitert, ist er inzwischen das größte Schutzge¬biet in den europäischen Alpen. Heute sind viele Menschen froh, dass es so gekommen ist. Andere Skiressorts waren schon perfekt erschlossen und verkehrstechnisch besser an die Ballungsräume angebunden. „Auch suchen immer mehr Men¬schen die Ruhe", erzählen mir Gerhild und Heinz, die Besitzer des Landguts Moserhof beim Örtchen Penk.

Nachdem ihr Bauernhof durch einen Brand zer¬stört wurde und die Landwirtschaft ihnen kaum mehr eine Perspektive bot, haben sie auf alternati¬ven Tourismus gesetzt. Die Hütten, die sie am Ufer der Möll vermieten, sind urig und erfüllen die Sehnsucht von Stadtbewohnern nach Einfach¬heit und Authentizität. Im Döllacher Gasthaus, eines der ältesten in Kärnten, kommt nur Fleisch von selbst gezüchteten Tieren auf den Tisch. Und für Erich Hohenwarter, zelebrierter Koch des Hotels Sonnenhof in Mallnitz, ist es wichtig, dass die Zutaten für seine Gerichte heimisch, frisch, saisonal und bio sind. „Essen soll nicht einfach nur gut schmecken", ist sein Credo. „Wenn man

 

bewusst und das Richtige isst, dann fühlt man sich auch wohl und kann leichter für den Alltag Kraft schöpfen."

Mal auf das Auto verzichten

Durch den Nationalpark Hohe Tauern sind inzwi-schen viele Arbeitsplätze entstanden. Auch wirkt er positiv weit über seine Grenzen hinaus. Die Nationalparkgemeinde Mallnitz etwa ist Interci-tybahnhof für diesen Teil der Hohen Tauern. Andreas Kleinwächter, zuständig für Tourismus, ist der Überzeugung, dass „man es für die Gäste attraktiv machen muss, mit öffentlichen Verkehrs-mitteln hierher zu kommen und nicht mit dem ei-genen Auto". Dazu arbeitet man mit einem Büro aus dem Bezirk Pongau zusammen, das Bahn- und Busnutzern von günstigen Verbindungen hin zum Gepäckservice alles bietet. „In Mallnitz brauchen Gäste kein Auto. Wintersportlern stehen zahlrei¬che Busse zur Verfügung." Mit der Verbreitung von Smartphones und vielen praktischen Anwen¬dungen steht einer kreativen grünen Entwicklung eigentlich nichts mehr im Wege. Wohin das führt, steht noch in den Sternen

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.