Hohe Tauern
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/mndXxXJ8ygA
Hohe Tauern - der Nationalpark in Österreich hat mehr zu
bieten als nur über 3.000 Meter hohe Berge. Dazu zählen auch längst vermisste
Tierarten, die wieder zurück sind.
Der Blick geht ganz tief in das Schwarz über unseren Köpfen
in die endlose Weite unseres Uni-versums. Mehr oder weniger kleine Punkte
ste-chen in scharfem Kontrast daraus hervor. Sterne, das sind entfernte Sonnen
und das weiße Band der Milchstraße. Lichtjahre entfernt. Was das in
Wirklichkeit bedeutet, will mir nicht in den Kopf. Beim Blick durch das
Teleskop sehe ich, wie ein kleiner leuchtender Punkt zu einer hell gleißen¬den
Erbse wird. Das wiederholt sich jedes Mal, wenn ich die Vergrößerung erhöhe.
Außer dem großen Wagen werde ich mir auch nach dieser Nacht keines der
Sternbilder merken können,
die unser Guide mit seinem Finger am Him-
mel markiert. Es sind verwirrend viele. Trotz-dem ist dieser
Abend auf dem 2.600 Meter ho-hen Schareck über dem Ort Heiligenblut einfach
Zwei Tage später, frühmorgens, steige ich mit ei¬ner kleinen
Gruppe einen Hang oberhalb von Apriach hoch. Gefühlt liegt es Stunden zurück,
seit wir unsere Plastiksteighilfen unter die Berg¬schuhe gespannt haben.
Seither laufen wir durch eine schneidend dicke Nebelsuppe. Nur die Tat¬sache,
dass nach oben Anstrengung bedeutet und nach unten eben nicht, hilft mir bei
der Ori¬entierung. Die Frage, warum ich nicht im Bett geblieben bin, scheint
mir mehr als berechtigt. Dann aber bricht die Sonne durch die Nebel¬bank. Die
Welt ist durchtränkt von gleißendem, in den Augen beißendem Licht. Die Weite
lässt sich erahnen. Schließlich öffnet sich der Blick. Auf die andere Seite des
Tals, dann auf die Skyline der Gipfelkette der Glocknergruppe: Großglock-ner,
Racherin, Teufelshorn und viele andere. Kühn sind sie, wild, dick mit Schnee
bedeckt, ab-weisend und allesamt mehr als 3.000 Meter hoch. Eine Aussicht, die
ihresgleichen sucht.
Stille Glücksmomente in der Natur
Die Haifischrückenflosse des Großglockners darf sich mit
3.798 Metern höchster Berg Österreichs nennen. Monika, unser Guide, spürt den
Stim-mungsumschwung in der Gruppe. Sie wird ge¬sprächig, erzählt uns von den
Almwiesen, über die wir hier laufen, von der mühsamen Land¬wirtschaft hier
oben, von Entbehrungen und den stillen Glücksmomenten in der Natur.
Der Morgennebel hat auf der Schneedecke des Hangs, den wir
hochlaufen, fingernagelgroße Eiskristalle hinterlassen. Im Sonnenlicht fun¬keln
sie tausendfach. Später gehen wir in einem Waldstück einen Bach entlang und
finden Spu¬ren von Rehen und Hasen. Von Monika erfahren wir mehr darüber, wie
Wildtiere versuchen, den Winter zu überleben. Auch über die stattliche Zahl von
etwa 10.000 Tier¬arten, die es hier im Nationalpark Hohe Tauern gibt. Einige
wurden, nachdem es sie hier nicht mehr gab, wieder angesiedelt. Andere kamen
von selbst. Manche gibt es kaum noch anderswo.
Bald erreichen wir von Wind und Wetter dunkel gegerbte
Holzhöfe. In einem kleinen Bergbauerndorf mit dick beschneiten Dächern, weit
ober¬halb Apriachs, kehren wir ein. Am Tisch neben dem massiven Kachel¬ofen
sitzen acht Menschen, vier Gene¬rationen, wie ich später erfahre. Der Vater
liest Zeitung, die Frauen reden, lachen, Urgroßvater hat die Zukunft der
Familie auf dem Knie. Das Mäd¬chen schaut ihn an, kichert und hat
— ein Blick sagt alles — über achtzig Jahre Lebenser¬fahrung
geschickt um den Finger gewickelt. Wäh¬rend ich meine wohlverdiente Brotzeit
esse, frage ich Monika, ob dies einer der magischen Momente ist, mit denen die
Region für sich wirbt. „Naja", meint sie, „wenn man die Augen offenhält,
kann man diese Momente ja immer erleben. Bucht man vorab (in Heiligenblut),
kann man hier oben auch romantische Fahrten mit dem Pferdeschlitten ma¬chen.
Wenn's Wetter passt, ist das ein Traum."
Alpenpop gegen Winterschlaf
Natürlich werben all die großen Skigebiete, die sich Arenen
nennen, mit ultimativem Pisten¬wahnsinn, mit hunderten Pistenkilometern und mit
den angesagten Drinks in den Apiis-Ski-bars. Viele Skifahrer stören sich nicht
an lauten Hüttenterrassen, die Gäste mit gut gelauntem Alpenpop beschallen, als
gelte es Auerhahn und Birkhuhn aus der Winterruhe aufzuschrecken, damit diese
„atemlos durch die Nacht" balzen. Mit Pistenzauber und magischen Momenten
ist es dann schnell vorbei. Eine Entwicklung in diese Richtung war nach der
Einrichtung des
Nationalparks Hohe Tauern im Jahr 1981 für das Mölltal nicht
mehr möglich. Seither mehrfach erweitert, ist er inzwischen das größte
Schutzge¬biet in den europäischen Alpen. Heute sind viele Menschen froh, dass
es so gekommen ist. Andere Skiressorts waren schon perfekt erschlossen und
verkehrstechnisch besser an die Ballungsräume angebunden. „Auch suchen immer
mehr Men¬schen die Ruhe", erzählen mir Gerhild und Heinz, die Besitzer des
Landguts Moserhof beim Örtchen Penk.
Nachdem ihr Bauernhof durch einen Brand zer¬stört wurde und
die Landwirtschaft ihnen kaum mehr eine Perspektive bot, haben sie auf
alternati¬ven Tourismus gesetzt. Die Hütten, die sie am Ufer der Möll
vermieten, sind urig und erfüllen die Sehnsucht von Stadtbewohnern nach
Einfach¬heit und Authentizität. Im Döllacher Gasthaus, eines der ältesten in
Kärnten, kommt nur Fleisch von selbst gezüchteten Tieren auf den Tisch. Und für
Erich Hohenwarter, zelebrierter Koch des Hotels Sonnenhof in Mallnitz, ist es
wichtig, dass die Zutaten für seine Gerichte heimisch, frisch, saisonal und bio
sind. „Essen soll nicht einfach nur gut schmecken", ist sein Credo. „Wenn
man
bewusst und das Richtige isst, dann fühlt man sich auch wohl
und kann leichter für den Alltag Kraft schöpfen."
Mal auf das Auto verzichten
Durch den Nationalpark Hohe Tauern sind inzwi-schen viele
Arbeitsplätze entstanden. Auch wirkt er positiv weit über seine Grenzen hinaus.
Die Nationalparkgemeinde Mallnitz etwa ist Interci-tybahnhof für diesen Teil
der Hohen Tauern. Andreas Kleinwächter, zuständig für Tourismus, ist der
Überzeugung, dass „man es für die Gäste attraktiv machen muss, mit öffentlichen
Verkehrs-mitteln hierher zu kommen und nicht mit dem ei-genen Auto". Dazu
arbeitet man mit einem Büro aus dem Bezirk Pongau zusammen, das Bahn- und
Busnutzern von günstigen Verbindungen hin zum Gepäckservice alles bietet. „In
Mallnitz brauchen Gäste kein Auto. Wintersportlern stehen zahlrei¬che Busse zur
Verfügung." Mit der Verbreitung von Smartphones und vielen praktischen
Anwen¬dungen steht einer kreativen grünen Entwicklung eigentlich nichts mehr im
Wege. Wohin das führt, steht noch in den Sternen
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