Dominikanische Republik
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/UPJEvNxnUtI
Die Dominikamsc e Republik bietet mehr als Sand am Meer.
Lange schlummerte das 500 Jahre alte koloniale Zentrum Santo Domingos im
Dornröschenschlaf. Jetzt putzt es sich heraus: Bars, Galerien und viel
Open-Air-Kultur beleben die älteste Stadt der Neuen Welt.
1> Wenn sich der Vorhang der Nacht über Santo Domingo
senkt, schlägt die Stunde der Musiker. Mit den karibischen Rhythmen von Bachata
und Merengue, mit dem Klang von Klassik und Jazz, Funk und House, erwacht die
Stadt zu neuem Leben. Am Nachmittag, als sich die Hit¬ze in der Zona Colonial
breitgemacht hatte, wa¬ren fast nur noch Tagestouristen in den histori¬schen
Gassen unterwegs gewesen. Die Ein¬heimischen hatten sich lieber in von dicken
Wänden kühl gehaltenen Häusern versteckt, de¬ren Fassaden nicht verraten, dass
sich dahinter lauschige Innenhöfe mit schattigen Arkaden und plätschernden
Springbrunnen verbergen. Jetzt aber, am milden Abend, treffen sich schein¬bar
alle auf der Straße.
Unterhalb der Festung Ozama, die den gleich¬namigen Fluss
bewacht, hat sich ein Jazzensem¬ble aufgebaut. Einmal in der Woche gibt es hier
ein kostenloses Open-Air-Konzert. Wer nach diesem
inspirierenden Auftakt weiterschlendert, geht an brummenden Bars und Cafs
vorbei und hört aus jedem zweiten Haus Musik. Im Spani¬schen Kulturzentrum
tritt eine Sängerin auf, die wortreich eine verlorene Liebe beklagt. Auf der
ganz in violettes Licht getauchten Bühne einer Bar glänzt ein junges Trio mit
Gitarren und Cel¬lo. Nebenan beginnt ein DJ, seine Gäste auf eine lange Nacht
einzustimmen Am meisten Betrieb herrscht allerdings vor den Ruinen des Klosters
San Francisco. Hunderte von Menschen sind zu¬sammengekommen, um mitzuerleben,
wie erst die Zylindertrommel Tambora erklingt und dann jemand mit dem
Eisenbesen über das Schlagins-trument Güira reibt. Schließlich setzen Piano,
Bass, Blechbläser und Saxofone ein. Jetzt gibt es kein Halten mehr: Alle tanzen
verliebt ganz eng beieinander und mit erotischen Hüftbewe-
gungen. Wenn es ein Kulturgut gibt, das die ka¬ribische
Lebensart der Dominikanischen Repub¬lik verkörpert, so ist es der Merengue.
Tanzen vor der Geschichte
Getanzt wird vor historischer Kulisse: Das Klos¬ter, von
Franziskanermönchen 1508 erbaut, war das erste überhaupt in der Neuen Welt. Von
hier aus nahm die Missionierung der Insel Hispanio¬la, die heute mit der
Dominikanischen Republik im Osten und Haiti im Westen in zwei Länder geteilt
ist, ihren Anfang. Von den ursprünglich drei miteinander verbundenen Kapellen
des mehr als 500 Jahre alten Ensembles sind nur noch eini¬ge bröckelnde Mauern
übrig geblieben, die sich dramatisch in den Himmel recken.
Das Kloster wurde einst von Seeräubern geplün¬dert und in
Brand gesteckt und dann von einemErdbeben zerstört. Als der Wiederaufbau
voll¬endet war, kam gleich das nächste Erdbeben. Die letzte Nutzung hatte es
als Heilanstalt für seelisch Kranke, doch dann deckte ein Hurri¬kan das Dach
ab. Es folgten viele Jahrzehnte des Verfalls, und nur gelegentlich fanden hier
Kon¬zerte statt. Doch nun könnte das alte Kloster bald aus seinem Dornröschenschlaf
erwachen: Das weitläufige Areal soll zu einem riesigen Kul¬turzentrum umgebaut
werden. Bei einem Wett¬bewerb setzte sich Rafael Moneo gegen 42 Kon¬kurrenten
aus aller Welt durch: Der spanische Stararchitekt, der bereits mit dem
renommier¬ten Pritzker-Preis geehrt wurde, will die histori¬schen Kreuzgänge
wieder errichten und Platz für mehrere Konzertsäle schaffen. Zwar haben
Denkmalschützer ihre Bedenken angemeldet, doch die Position der Regierung ist
klar: Mög¬lichst rasch soll hier neues Leben einziehen. Auch die übrige
Altstadt verändert sich.
Die Modellstadt, deren Konzept überallhin exportiert wurde
Christoph Kolumbus hatte die Qual der Wahl: Schließlich war
vor ihm ja noch kein anderer Entdecker hier gewesen, und er hatte gleich
Dut¬zende von Inseln für die spanische Krone in Be¬sitz genommen. Der Seefahrer
und sein Bruder Bartolomeo entschieden sich indes im Jahr 1498, die erste
europäische Stadt der Neuen Welt ge-nau hier zu errichten an der Mündung des
Flus¬ses Ozama: Santo Domingo war geboren. „517 Jahre später sieht die Zona
Colonial auch heute noch aus wie ein Schachbrett: Alle Straßen des historischen
Zentrums sind im rechten Winkel
Christoph Kolumbus, hier vor der Kathedrale von Santo
Domingo, gründete mit seinem Bruder Bartolomeo 1498 die Stadt.
angeordnet. Die Häuser mussten aus Stein sein, nicht aus
Holz - so wollte man Feuersbrünsten vorbeugen", erzählt Kin Sänchez, der
über die Geschichte Santo Domingos so gut Bescheid weiß wie kaum ein anderer.
Er ist auch für das offizielle Kulturprogramm des Quartiers zustän¬dig.
„Havanna auf Kuba und San Juan auf Puerto Rico sind zwar bekannter für ihr
koloniales Erbe, aber Santo Domingo war die Modellstadt, deren Konzept
überallhin exportiert wurde."
Die meisten Touristen reisen zwar vor allem we¬gen Sonne,
Sand und See in die Dominikanische Republik und nicht wegen des wilden
Landesin¬neren. An der Nordküste rund um Puerto Plata liegen die klassischen
All-Inclusive-Resorts. Die Hotelanlagen bei Punta Cana sind inzwischen meist
deutlich exklusiver. Über eine neue Auto¬bahn ist man von hier aus in nur zwei
Stunden in Santo Domingo. So kommen inzwischen mehr und mehr Tagesausflügler
zum Shopping oder Sightseeing in die Hauptstadt.
Sie statten dem Palast des Vizekönigs einen Be¬such ab: Hier
residierte einst Diego Kolumbus, der erste Sohn des berühmten Seefahrers.
An¬derswo in der Karibik hadert man inzwischen mit dem Entdecker, weil dieser
die Ureinwohner versklavte und dazu zwang, ihm das begehrte Gold zu liefern. In
Santo Domingo wird Chris¬toph Kolumbus aber noch mit einem Standbild in
Herrscherpose vor der imposanten Kathedra¬le geehrt. Ob seine Gebeine indes
noch in der
Stadt sind, ist umstritten:
Zwar kann man in einem
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