Simon Stevin 1548-1620
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/QXicM_JSNQs
Simon Stevin (latinisiert Simon Stevinus; * 1548/49 in
Brügge (Flandern); † 1620) war ein flämischer Mathematiker, Physiker und
Ingenieur. Er war auf vielen Gebieten der Wissenschaften theoretisch und
praktisch tätig, aber am bekanntesten ist er für seine Übersetzungen vieler
mathematischer Begriffe in die niederländische Sprache. Er schlug außerdem
bereits 1585 ein rein dezimales Maßsystem vor.
Von Stevins Lebensumständen ist sehr wenig bekannt; der
genaue Tag seiner Geburt und der Tag (im Frühling) und der Ort seines Todes
(Den Haag oder Leiden) sind gleichermaßen unbekannt[1]. Er war der illegitime
Sohn von Antheunis Stevin und Cathelijen van de Poort, wohlhabende Bürger aus
Brügge. Ein paar Hinweise in seinem Werk besagen, dass er als kaufmännischer
Angestellter (Buchhalter) in Brügge und Antwerpen begann, dass er zwischen 1571
und 1577 nach Polen, Dänemark, Norwegen und andere Länder Nordeuropas reiste,
und dass er ab 1581 in Leiden war, wo er ab 1583 an der Universität studierte.
Über seinen religiösen Hintergrund und ob er vor Verfolgung in den spanischen
Niederlanden dorthin floh ist nicht bekannt. Er war mit Prinz Moritz von Nassau
bekannt, der seinen Rat bei vielen Gelegenheiten suchte und ihn zu einem
Angestellten und Direktor des sogenannten Waterstaat machte (der
Regierungsbehörde für Wasserangelegenheiten), und später (ab 1604) zum
General-Quartiermeister der Armee. Er war auch Verwalter der Güter von Moritz
von Nassau, arbeitete für diesen als Ingenieur und eröffnete für diesen eine
Ingenieursschule in Leiden.
1610 heiratete er Catherine Cray, mit der er vier Kinder
hatte. Der Sohn Hendrick war ebenfalls ein begabter Wissenschaftler und
veröffentlichte einige von Stevins Manuskripten.
In Brügge gibt es einen Simon-Stevin-Platz mit einer Statue
von ihm, die von Eugen Simonis geschaffen wurde.
Der Mondkrater Stevinus und der Asteroid (2831) Stevin sind
nach ihm benannt.
Wissenschaftliche Leistungen
Entdeckungen und Erfindungen: der Segelwagen, Windmühlen
Segelwagen von Stevin für Prinz Moritz von Oranien
Seine Verdienste sind vielfältig. Seine Zeitgenossen waren
besonders beeindruckt von seiner Erfindung eines Fahrzeugs mit Segeln, von dem
ein kleines Modell in Scheveningen bis 1802 aufbewahrt wurde. Das Fahrzeug war
lange zuvor verloren gegangen, aber man weiß, dass Stevin es ungefähr im Jahr
1600 mit Prinz Moritz von Oranien und 26 anderen an der Küste von Scheveningen
und Petten benutzte, dass es allein vom Wind angetrieben wurde und dass es eine
Geschwindigkeit erreichte, welche die von Pferden überstieg.
Stevin verbesserte auch die zur Entwässerung des Landes
eingesetzten Windmühlen[2] und es existieren von Stevin eine Reihe von
Patenten, die ihn wohlhabend machten. Er schrieb auch eine Abhandlung über
Windmühlen.
Philosophie der Wissenschaften
Eine andere Idee von Stevin, für die ihm Hugo Grotius große
Zustimmung erteilte, war seine Theorie eines vergangenen Zeitalters der
Weisheit. Das anzustrebende Ziel ist die Hervorbringung eines zweiten Zeitalters
der Weisheit, in dem die Menschheit alle ihre früheren Kenntnisse
wiederentdeckt. - Seine Landsleute waren stolz darauf, dass er in ihrem eigenen
Dialekt schrieb, den er für eine universelle Sprache geeignet hielt, weil keine
andere über so viele einsilbige Wortstämme verfügt.
Geometrie und Physik
Stevin war der erste, der gezeigt hat, wie man regelmäßige
und unregelmäßige Vielflächenkörper modellieren kann, indem man sie in der
Ebene skizziert. Stevin unterschied auch das stabile vom instabilen Gleichgewicht.
Er bewies mit dem Stevinschen Gedankenexperiment das Gesetz vom Gleichgewicht
auf einer schiefen Ebene.
Statue von Stevin von Louis Simonis auf dem Stevinplatz in
Brügge
Er zeigte vor Pierre de Varignon die Auflösung von Kräften,
was vorher noch nicht erkannt worden war, obwohl es eigentlich eine einfache
Folge des Gesetzes ihrer Zusammensetzung ist (Kräfteparallelogramm und
Virtuelle Verschiebung).
Stevin entdeckte das hydrostatische Paradoxon, nach dem der
Druck am Boden einer Flüssigkeit unabhängig von der Form des Behälters ist und
nur von der Wasserstandshöhe über dem Boden abhängt.
Er gab auch das Maß des Druckes auf eine beliebige Stelle
der Wand eines Behälters an und erklärte, weshalb Flüssigkeiten in
kommunizierenden Röhren einen gleichmäßigen Wasserstand haben.
Stevin war ein unbedingter Befürworter des Kopernikanischen
Systems, das er auch in seinem Buch De Hemelloop darstellte. 1590 stellte er
die Theorie auf, dass die Gezeiten durch die Anziehung des Mondes zu erklären
sind.
1586 demonstrierte er, dass zwei Objekte mit verschiedenem
Gewicht mit derselben Geschwindigkeit zu Boden fallen, was üblicherweise als
Erkenntnis von Galileo Galilei gilt, aber auch schon von Physikern vor Galilei
erkannt wurde (im Fall von Stevin kam der Einfluss indirekt über Giovanni
Battista Benedetti).
Auch legte er überzeugend dar, dass ein Perpetuum Mobile
nicht existieren kann.
Festungen
Stevin stand seit ungefähr 1593 in den Diensten des Prinzen
Moritz von Oranien. 1599 erhielt Stevin den Auftrag, eine „instructie“ zur
Gründung einer Ingenieurschule zu entwerfen, die mit der Universität Leiden
verbunden sein sollte und die dann auch eröffnet wurde.[3]
Stevin war anscheinend der erste, der es zum Axiom gemacht
hat, dass Festungen nur mit Artillerie zu verteidigen sind. Vorher hat die
Verteidigung meistens auf kleine Feuerwaffen vertraut.
Er war der Erfinder der Verteidigung durch ein System von
Schleusen, was sich für die Niederlande als von höchster Wichtigkeit erwies.
Sein Eintreten für die Lehre der Wissenschaft der Festungen
an Universitäten und die Existenz solcher Vorlesungen in Leiden haben zu dem
Eindruck geführt, dass er selbst diesen Lehrstuhl ausfüllte, aber dies ist ein
Irrglaube, denn Stevin hatte niemals direkte Beziehungen mit der Universität,
obwohl er in Leiden wohnte.
Buchhaltung
Die doppelte Buchführung könnte Stevin als kaufmännischer
Angestellter in Antwerpen praktisch kennengelernt haben oder durch die Werke
von italienischen Autoren wie Luca Pacioli und Gerolamo Cardano. Jedenfalls war
er der erste, der die Anwendung von unpersönlichen Konten im nationalen
Staatshaushalt empfahl. Er praktizierte das für Prinz Moritz und empfahl es dem
französischen Staatsmann Sully.
Dezimalzahlen
Sein größter Erfolg war unbestritten ein kleines Buch mit
dem Titel De Thiende („Das Zehntel“), das zuerst 1586 auf Holländisch
veröffentlicht wurde und in der französischen Übersetzung aus nur sieben Seiten
bestand.
Dezimalbrüche waren ca. 500 Jahre vor seiner Zeit schon
angewandt worden, um Quadratwurzeln zu ziehen, aber keiner vor Stevin führte
sie zum täglichen Gebrauch ein. Und er war sich der Bedeutung seiner Neuerung
so bewusst, dass er erklärte, dass die allgemeine Einführung von Dezimalmünzen,
-Maßen und -Gewichten nur eine Frage der Zeit seien, womit er recht behielt.
Seine Schreibweise der Dezimalstellen ist aber sehr
unhandlich. Der Punkt, der die Ganzzahlen von den Zehnerbrüchen trennt, scheint
eine Erfindung von Bartholomäus Pitiscus zu sein, in dessen trigonometrischen
Tafeln er 1612 auftauchte. Der Punkt wurde auch von John Napier in seinen
logarithmischen Papieren 1614 und 1619 akzeptiert.
Rahmen
Stevin schrieb kleine Kreise um die Exponenten der
verschiedenen Potenzen der Zehntel. Die Tatsache, dass Stevin diese
eingekreisten Zahlen benutzte, um Exponenten darzustellen, ist offensichtlich,
weil er dieselben Zeichen für die Potenzen von algebraischen Größen verwandte.
Er vermied nicht einmal gebrochene Exponenten, und er kannte nur negative
Exponenten nicht.
Stevin schrieb auch über andere wissenschaftlichen Themen:
Optik, Geografie, Astronomie, und viele seiner Schriften wurden von W. Snellius
(Willebrord Snell) in das Lateinische übersetzt. Es gibt zwei vollständige
französische Ausgaben seiner Werke, beide in Leiden gedruckt, eine von 1608 und
die andere von 1634.
Musiktheorie
In seiner Schrift Van de Spiegheling der Singconst
formulierte Stevin eine polemische Antithese gegen Euklids Tonsystemtheorie,
der die Unteilbarkeit vieler musikalischer Intervalle wie Oktave, Quinte,
Quarte und Ganzton aufgrund ihrer Irrationalität behauptete. Stevin erklärte
das Irrationale für rational, weil er in der Lage war mit seinen Dezimalzahlen
auch die Wurzeln der Proportionen besagter Intervalle zu definieren. Er ging in
seiner Tonsystemtheorie von beliebigen Wurzeln der Oktav-Proportion 2 aus und
definierte die zwölfstufige Lautenstimmung über Potenzen der zwölften Wurzel
aus 2, die er dann durch Dezimalbrüche gut näherte. Das entspricht einer
Umrechnung der additiven Intervalle nach Aristoxenos in die multiplikativen
Proportionen mit einer Exponentialfunktion zur Basis 2. Er verwarf die übliche
Interpretation als temperiertes Tonsystem, weil er die pythagoreische Stimmung
der Konsonanzen nicht als wahr ansah, sondern seine Wurzelwerte als wahre Werte
betrachtete.
Wortschöpfungen (Neologismen)
Stevin hielt Niederländisch für eine ausgezeichnete Sprache
für das wissenschaftliche Schreiben, und er übersetzte viele mathematische
Ausdrücke ins Niederländische. Als Folge davon ist Niederländisch die einzige
westeuropäische Sprache, die viele mathematische Ausdrücke enthält, die nicht
vom Lateinischen (bzw. Griechischen) abstammen. So kam es zum Beispiel, dass „wiskunde“
im Niederländischen das Wort für Mathematik ist.
Er hatte ein Auge für die Wichtigkeit, dass die Sprache der
Wissenschaft dieselbe ist wie die Sprache der Handwerker, und das zeigt sich in
der Widmung seines Buches De Thiende („Das Zehntel“): 'Simon Stevin wünscht den
Sternguckern, Vermessern, Teppichvermessern, Körpervermessern im Allgemeinen,
Münzvermessern und Handelsleuten viel Glück.' Weiter unten in dem Buch schreibt
er: „[dieser Text] lehrt uns alle Berechnungen, die das Volk braucht, ohne
Brüche zu benutzen. Man kann alle Operationen reduzieren auf Addieren,
Subtrahieren, Multiplizieren und Dividieren mit Ganzzahlen.“
Die Worte, die er erfand, entwickelten sich: 'aftrekken'
(abziehen) und 'delen' (teilen) blieben gleich, aber im Laufe der Zeit wurde
aus 'menigvuldigen' (multiplizieren) 'vermenigvuldigen' (das hinzugefügte 'ver'
hat keine Bedeutung), und aus 'vergaderen' (addieren) wurde 'optellen'. Das
Wort 'zomenigmaal' (wörtlich 'so viele Male') wurde im modernen Niederländisch
zu dem wohl weniger poetischen Quotient.
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