Der Yuan - neue Weltwährung im Abwärtsstrudel
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/tNoVXihwQvQ
China wird immer mehr vom Hoffnungsträger zum Krisenherd der
Weltwirtschaft. In diesem Umfeld erklärt der IWF den Yuan zur neuen
Reservewährung und stellt ihn damit auf eine Stufe mit US-Dollar und Euro.
Warum?
Schock und Panik herrschten zu Jahresbeginn an den Märk-ten.
Auslöser für die weltweiten Kursturbulenzen war die Furcht vor einer weiteren
Destabilisierung des Finanzsystems und der Wirtschaft in China. Es war ein De
vu der Ereig¬nisse vom August 2015, als eine überraschend starke Ab¬wertung des
Chinesischen Yuan (offizielle Bezeichnung: Renminbi) zu Verunsicherung an den
globalen Finanzmärk¬ten geführt hatte. Auch Anfang Januar wurde der Yuan
gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, USD/CNY stieg auf den höchsten
Stand seit 2011. Viele befürchten, dass dies nur der Beginn einer Spirale aus
Abwertung, Ka¬pitalflucht und Kursstürzen an den Börsen sein könnte. Aber wurde
der Yuan tatsächlich aktiv von der Notenbank abgewertet? Stimmt diese
Formulierung überhaupt? Tat¬sächlich erklärt Peking seit geraumer Zeit, den
Wechselkurs des Yuan mehr den Marktkräften überlassen zu wollen. Das ist kein
generöses Zugehen auf die Anhänger der reinen Marktwirtschaft, sondern eine
ökonomische Notwendigkeit. Regierung und Notenbank in China wollen und müssen
den Kapitalverkehr schrittweise liberalisieren, wenn sie die wirtschaftliche
Entwicklung des Landes weiter vorantreiben wollen. Freier Kapitalverkehr ist
aber nur möglich, wenn der Wechselkurs die Marktbedingungen, sprich das
aktu¬elle Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, zumindest annähernd
widerspiegelt.
Tatsächlich hat Peking den Yuan nicht aktiv abgewertet,
sondern nur den Marktkräften nachgegeben, die seit einiger Zeit auf eine
Abwertung drängen. Wie in den meisten an-deren Bereichen der Wirtschaftspolitik
betreibt Peking auch am Devisenmarkt einen Mix aus direkter politischer
Steu-erung und Marktwirtschaft. Damit war China in den letzten Jahrzehnten sehr
erfolgreich. Nun aber nimmt die Skepsis zu, ob dies auch in Zukunft so sein
wird.
Yuan wird zur IWF-Reservewährung. Sicher sähe es der
Internationale Währungsfonds (IWF) gerne, wenn Peking noch mehr auf die
Marktwirtschaft setzen würde. Das hat den IWF aber nicht davon abgehalten, im
November 2015 für die meisten Experten überraschend den Yuan in seinen
exklusiven Währungskorb aufzunehmen. Die chinesische Währung wird damit neben
US-Dollar, Euro, Japanischem
DER CHINESISCHE YUAN
Chinas Währung ist der Renminbi, was so viel wie „Volksgeld'
bedeutet. Die Währung wird von der Notenbank Peoples Bank of China (PBoC)
herausgegeben. Die Einheit der Währung heißt Yuan (CNY). Dieser Begriff wird
gerade international synonym für den Renminbi (RMB) verwendet, obwohl dies
nicht korrekt ist.
Das Wechselkurssystem
Der Yuan war seit 1994 an den US-Dollar gekoppelt. Der
Wech-selkurs wurde von der PBoC nach bestimmten Kriterien festgelegt. In den
Letzten Jahren wurde das feste Wechselkurssystem schritt-weise in ein
flexibleres System überführt. Im Dezember 2015 hat die PBoC verkündet, den Wert
des Yuan nicht mehr allein gegen-über dem US-Dollar, sondern gegenüber einem
Index aus einem
Yen und Britischem Pfund zur fünften offiziellen
Weltreser-vewährung. Der US-Dollar bleibt allerdings mit einem Anteil von 41,7
Prozent im Währungskorb das Maß aller Dinge, der Yuan wird mit 10,9 Prozent
gewichtet und der Euro dafür von 37,4 auf 30,9 Prozent zurechtgestutzt.
Überraschend kam die Aufnahme deshalb, weil IWF-Chefin Christine Lagarde genau
das noch wenige Monate zuvor abgelehnt hatte. Doch am 14. November hieß es
plötzlich, China habe nun „alle operativen Probleme gelöst, der Yuan erfüllt
die beiden wesentlichen Kriterien einer Reservewäh¬rung - den weitgehenden
Gebrauch und die weitgehende Handelbarker. Diese Feststellung ist insofern
amüsant, als der Yuan alles andere als frei handelbar ist. Die freie Kon-
ganzen Korb von Währungen, gewichtet nach deren Bedeutung
für den Außenhandel Chinas, festzulegen.
Der Offshore Yuan (CNH)
Für den in Hongkong gehandelten und ausländischen Anlegern
zugänglichen Yuan wird die Bezeichnung „Offshore Yuan" (CNH) verwendet.
Die in Hongkong ermittelten Wechselkurse für den CNH können besonders in
unsicheren Marktphasen von den in Festland-China ermittelten Kursen für den CNY
abweichen. Anfang 2016 bestand ein positiver Spread zwischen USD/CNH und USD/
CNY, worin zum Ausdruck kommt, dass auf eine weitere Abwertung des Yuan
spekuliert wird. Peking ist daran interessiert, den Spread zwischen beiden
Wechselkursen klein zu haltenvertierbarkeit war bisher Grundvoraussetzung für
eine Aufnahme in den Währungskorb, aber für China macht man eine Ausnahme. Ein
Indiz für die fehlende Konvertierbarkeit ist der in Hongkong gehandelte
sogenannte „Offshore Yuan" (CNH), dessen Kurs von dem des „Onshore Yuan"
(CNY) abweicht. Auch von einem weitgehenden Gebrauch des Yuan außerhalb Chinas
kann keine Rede sein.
Machtkampf mit den USA? Kein Wunder, dass schnell wil¬de
Spekulationen ins Kraut schossen, was denn der wahre Grund für die Aufnahme in
den Währungskorb sei und wie die USA dazu stünden - abseits der üblichen
diplomatischen Floskeln. Manche Experten vermuten, dass die USA schon lange auf
diplomatischer Ebene gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb des IWF
gekämpft hätten. Sicher gibt es in den USA viele Hardliner, die in China den
größten wirtschaftlichen und politischen Gegner sehen. Tatsächlich liegt aber
die Integration des Yuan in die internationalen Finanzmärkte im Interesse der
USA, denn stoppen kann Washington den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas sowieso
nicht. Die Einbindung in internationale Vereinbarungen und Institutionen und
vor allem in die internationalen Kapital-märkte ermöglicht zwar keine Kontrolle
der neuen Super-macht, erschwert es aber China, einen Sonderweg zu gehen.
Gerechtfertigt oder nicht, letztlich spiegelt die Aufnahme des Yuan in den
exklusiven Währungskorb des IWF die wirtschaftlichen Realitäten wider, auch
wenn die chinesische Währung (noch) nicht frei konvertierbar ist: China ist in
den letzten Jahren zur größten Wirtschaftsmacht der Erde noch vor den USA
aufgestiegen.
Die Motive des IWF. Sollten die USA hinter den Kulissen
tatsächlich gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungs-korb gearbeitet haben,
wäre die Entscheidung des IWF eine klare Positionierung gegen die USA. Das ist
nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass die USA mit ihrem großen
Stimm-rechtsanteil wichtige Reformen im IWF blockieren können. Aber
wahrscheinlich sind die Motive des IWF einfacher: China will seine Wirtschaft
mehr nach außen öffnen, den Kapitalverkehr liberalisieren und auch den Yuan als
inter-nationale Anlagewährung etablieren. Das ist eine Zielsetzung, die aus
Sicht des marktwirtschaftlich orientierten IWF die Weltwirtschaft stabiler
macht. So gesehen ist die Aufnahme in den Währungskorb gerade in diesen Zeiten
instabiler globaler Finanzmärkte sinnvoll. Zumal die Aufnahme des
ANTEIL AN GLOBALEN GELDTRANSAKTIONEN
Quelle Society for Worldvvide Interbank Financial.
Tetecommunication
(Swift); Stand September 2015
Yuan in den Währungskorb den Kurs Pekings vor allem
symbolisch unterstützt, denn konkrete Folgen hat sie kurz-fristig kaum. Zudem
trägt der IWF damit der in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsenen Bedeutung
der Schwel-lenländer für die Weltwirtschaft Rechnung. Praktisch un-denkbar dass
eine andere Währung aus den Emerging Markets vor dem Yuan in den Währungskorb
hätte aufge-nommen werden können.
Was will China? Für Peking ist die Aufnahme in den
Wäh-rungskorb erst einmal ein Prestigeerfolg. Wichtig gerade in Zeiten, in
denen die „chinesische Erfolgsstory" nicht nur Kratzer bekommt, sondern
auf der Kippe zu stehen scheint. Eine globale Leitwährung wie der US-Dollar
wird der Yuan deswegen aber noch lange nicht. Das ist nicht einmal dem Euro
gelungen, obwohl dieser dafür weitaus bessere Vo-raussetzungen als der Yuan
mitbringt.
Trotzdem ist es auch ökonomisch sehr sinnvoll, den Status
der eigenen Währung zu verbessern und damit das Ver¬trauen der internationalen
Anleger sowie anderer Noten¬banken zu stärken. Dadurch wird es leichter und
billiger, Anleihen in der eigenen Währung zu platzieren - sprich: sich in der
eigenen Währung zu verschulden. Die USA kön¬nen ihren Status als
wirtschaftliche Weltmacht auch deshalb seit Jahren aufrechterhalten, weil der
US-Dollar auf dem ganzen Globus als Leitwährung anerkannt wird. Amerika¬nische
Anleihen finden stets reißenden Absatz in anderen Ländern, selbst wenn die
wirtschaftliche Lage der USA schlecht ist. Überspitzt gesagt: Die USA können
nicht plei-tegehen. Diesen Status wünscht sich Peking natürlich auch. Konkret
hat Peking in Letzter Zeit den inländischen Anlei-hemarkt wiederbelebt und so
die Abhängigkeit der Unter-nehmen von Dollarkrediten verringert. 2015 sind die
Emis-sionen von Yuan-Anleihen auf ein Rekordniveau von 312,8 Milliarden Yuan
gestiegen.
Zwischenfazit. Die kurzfristigen Folgen der Aufnahme des
Yuan in den Währungskorb sind gering. Niemand, kein Privatmann und keine
Notenbank, wird sich allein deswe¬gen den Yuan ins Depot legen. Jenseits aller
echten und vermuteten Machtspiele ist die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb
im Sinne der von China betriebenen Ent-wicklungspolitik aber ein folgerichtiger
Schritt - der auch im Interesse des IWF und der Weltwirtschaft liegt. Ein
in-stabiles China kann sich niemand mehr Leisten, auch die USA nicht. Die Gefahr
einer echten Wirtschaftskrise in China ist aber so groß wie seit Jahrzehnten
nicht mehr.
Abwertungsspirale durch Kapitalflucht. Peking verfolgt mit
der Aufnahme des Yuan in den Währungskorb aber nicht nur langfristige Ziele,
sie ist auch ein Mittel, um den Yuan kurzfristig zu stärken und die im Gang
befindliche Kapital-flucht aus China zu bremsen. Konkret erhofft sich Peking
eine zunehmende Nachfrage nach der neuen Reservewäh-rung Yuan durch die
Notenbanken anderer Länder, vor-nehmlich der Handelspartner. Das würde den
aktuellen Abwertungsdruck dämpfen. Das Problem der Kapitalabflüs-se aus China
hat das Potenzial, die globalen Finanzmärkte
zu destabilisieren, und führt sicher auch bei den Experten
des IWF zu Schweißausbrüchen. Der „Börsenguru" und Währungsexperte George
Soros sieht deswegen sogar die Gefahr einer Finanzkrise im Stil von 2008
heraufdämmern. Spürbar wird das bereits an den bislang als unerschütter¬lich
geltenden riesigen Währungsreserven Chinas, die 2015 deutlich geschrumpft sind.
Peking hat im letzten Jahr 500 Milliarden US-Dollar eingesetzt, um im
Währungsmarkt gegen eine Abwertung des Yuan zu kämpfen. Im Verlauf des Jahres
2015 haben sich dabei die AbfLüsse beschleunigt. Das kann nicht ewig so
weitergehen, auch wenn die Reser¬ven immer noch 3.400 Milliarden US-Dollar
betragen. Zumal auch die wieder expansiver ausgerichtete Geldpoli¬tik Pekings
dadurch konterkariert wird, denn die Geldmen¬ge schrumpft durch den
Kapitalabfluss. Das schwächt die Labile Konjunktur zusätzlich.
Chinas Entwicklung stößt an ihre Grenzen. Noch vor ein oder
zwei Jahren hatte kaum jemand auf der Rechnung, dass der Yuan unter
Abwertungsdruck kommen könnte. Die hohen Handelsüberschüsse und der immense
Bestand an Devisenreserven sprachen im Gegenteil für eine Über-bewertung. Doch
das scheint eine Fehleinschätzung gewe-sen zu sein, wie sich nun herausstellt.
Die hohen Handels-bilanzüberschüsse waren vor allem ein Resultat der Politik
der Exportförderung. Volkswirte sprechen hier von einer exportorientierten
Entwicklungsstrategie, die auf einer Förderung des Angebots beruht. Diese
Politik war nicht nurin China sehr erfolgreich, sondern hat auch Südkorea und
andere ostasiatische Volkswirtschaften wirtschaftlich nach vorne gebracht. Das
Gegenstück dazu ist eine nachfrage-orientierte Entwicklungsstrategie, die zum
Beispiel darauf zielt, Importe aus dem Ausland zu reduzieren. Brasilien ist
dafür ein Beispiel. Der Aufstieg des südamerikanischen Landes in den Jahren vor
der aktuellen Krise war nicht nur auf den Boom am Rohstoffmarkt, sondern auch
auf die Stärkung der Kaufkraft des Mittelstands zurückzuführen. Viele
Brasilianer konnten sich unter der Regierung Lula erstmals einen Kühlschrank
zulegen.
Das brasilianische Entwicklungsmodell ist an seine Grenzen
gestoßen, weil strukturelle Probleme ungelöst blieben, darunter die großen
Mängel in der Infrastruktur und der
ECKPUNKTE UND ZIELE DER NEUEN WÄHRUNGSPOLITIK PEKINGS
- Der
Wechselkurs des Yuan soll „marktgerechter" werden, sprich Angebot und
Nachfrage besser widerspiegeln.
- Der Yuan
wird von der Notenbank gegenüber einem Wäh rungskorb gemanagt, nicht mehr
gegenüber dem US-Dollar allein.
- Peking
bezeichnet den Yuan Anfang 2016 offiziell als gegen über dem Währungskorb „im
Gleichgewicht".
- Eine
Abwertung des Yuan zum US-Dollar ist im aktuellen Rahmen möglich, insbesondere
wenn der US-Dollar auch gegenüber anderen Währungen aufwertet.
Energieversorgung. Dazu kommt die Korruption. Auch Chi-nas
Entwicklungsmodell ist nicht mehr so erfolgreich, weil zum Beispiel andere
Schwellenländer längst günstiger produzieren als China. Überkapazitäten in der
Industrie, Leerstand bei Immobilien, die massive Umweltverschmut-zung und
andere Probleme zeigen, dass die reine Investi-tionsförderung zur Steigerung
der Exporte an ihre Grenzen stößt. Dazu kommen auch im gut organisierten China
Kor-ruption und Misswirtschaft.
Von der Exportförderung zur Stärkung der Inlandsnach¬frage.
Will China den nächsten Entwicklungsschritt machen, dann muss die
Inlandsnachfrage gestärkt werden, denn nur über Exporte und das Anhäufen von
Devisen entsteht kein Wohlstand. Für Peking ebenfalls ein wichtiger Aspekt: Die
Fokussierung auf den Export macht auch politisch abhän¬gig. Wenn andere Länder
ihre Importe beschränken, trifft das Chinas Wirtschaft bis ins Mark. Das ist
zwar im heu¬tigen vernetzten Welthandel, in dem jeder von jedem abhängig ist,
kaum zu befürchten. Dafür aber gibt es eine Steuerung der Handelsströme über
die Währungspolitik. Andere Länder werten ihre Währungen auch gegen den Yuan ab
und mindern so die Exportchancen chinesischer Produzenten. Das wirkt sich
negativ auf die Entwicklung Chinas aus.
Vorbild Pekings dürften in dieser Hinsicht die USA sein: Die
Vereinigten Staaten sind aufgrund der Größe ihres Binnenmarkts relativ
unabhängig von der Währungspolitik anderer Länder. Unabhängiger jedenfalls als
auf den Export fixierte Länder wie Deutschland, Japan und eben China. China
allerdings hat aufgrund seiner Größe ebenfalls die Chance, sich über einen
starken Binnenmarkt unabhängi¬ger von äußeren Einflüssen zu machen. Das ist das
Ziel Pekings.
Kapitalflucht gefährdet den Umbau der Wirtschaft. Der Umbau
der Wirtschaft, das Reduzieren der Exportförderung und der Kampf gegen illegale
Kreditvergabe führten zu einer starken Verlangsamung der Expansionsraten. Das
Land wächst so schwach wie seit 20 Jahren nicht mehr. China benötigt aber hohe
Wachstumsraten, um der nach wie vor in die Städte strömenden Bevölkerung Arbeit
zu geben und soziale Unruhen zu vermeiden. Für Peking ist der Umbau der
Wirtschaft daher ein Drahtseilakt. Kippt die Konjunktur („hard landing"),
dann droht eine weitere Abwärtsspirale. Die Regierung versucht dem seit 2015
mit einer Lockerung der Geldpolitik und Zinssenkungen ent-gegenzuwirken.
Beides - das geringere Wachstumstempo und der Rückgang der
Zinsen - führen aber dazu, dass Geldanlagen in China weniger lukrativ werden.
Das überschüssige Kapital drängt dahin, wo es mehr Rendite gibt, nämlich ins
Ausland. Die Kapitalflucht ist ein neues Phänomen in China und eine große
Gefahr. Hier könnte ein Sog entstehen, der kaum noch zu stoppen ist. Der
Abfluss an Kapital führt einerseits zu Abwertungsdruck auf die Währung,
andererseits verstärkt die Aussicht auf eine Abwertung der Währung den Anreiz,
aus dem Yuan zu fliehen, zusätzlich. Peking versucht diesem
Problem mit einer schrittweisen Öffnung der Kapitalmärk¬te, von Aktien über
Anleihen bis Währungen, entgegenzu¬wirken. Das Fallen von Beschränkungen
eröffnet den Chi¬nesen mehr Anlagemöglichkeiten, im Inland und im Ausland.
Dadurch sinkt zwar der Anreiz, Geld außer Landes zu schaf¬fen, andererseits
verliert Peking durch diese Öffnung aber auch die Kontrolle über die
Kapitalströme. Der bisher über Kapitalverkehrsbeschränkungen ausgeübte Zwang
muss durch Vertrauen ersetzt werden. Vertrauen in die Wirt¬schaftspolitik und
Vertrauen in die Währung. Dem Yuan mehr internationales Ansehen zu verschaffen
ist dafür ein wichtiges Instrument. Peking geht diesen Weg langsam, aber
zielstrebig. Die Aufnahme des Yuan in den IWF-Wäh¬rungskorb ist dabei nur ein
Baustein.
Wertet der Yuan weiter ab? Es ist immer wieder in Artikeln
und Kommentaren zu lesen, aber es stimmt so nicht: China betreibt keine
Abwertungspolitik. Peking lässt lediglich zu, dass der Yuan wie in den Jahren
zuvor fast gegenüber allen anderen Währungen weltweit und gegenüber dem
US-Dollar abwertet. Ein Beweis dafür: Der Wechselkurs des Euro zum Yuan
befindet sich trotz des jüngsten Kursanstiegs immer noch in der Nähe seines
Allzeittiefs. Chinas Noten¬bank will den Wechselkurs des Yuan stabil halten,
allerdings nicht mehr gegenüber dem US-Dollar, sondern gegenüber einem Index
aus vielen Währungen, die nach ihrem jewei¬ligen Handelsanteil gewichtet
werden. Das haben anschei¬nend viele Akteure an den Märkten noch nicht wirklich
verstanden - oder sie wollen es nicht verstehen. Gegenüber diesem Währungskorb
sieht Peking offiziellen Verlautbarun¬gen zufolge den Yuan aktuell „im
Gleichgewicht". Ökonomisch war die Entkoppelung vom US-Dollar eine
durchaus sinnvol¬le Entscheidung: Wenn der US-Dollar gegenüber den anderen
Währungen weltweit nicht weiter aufwertet, dann wertet er auch nicht gegen den
Yuan auf. So weit die Theorie.
Aber wie geht es praktisch weiter? Chinas Wirtschaft lahmt
und die Notenbank senkt die Zinsen, während in den USA der Leitzins angehoben
wird. Das spricht für einen starken US-Dollar und damit für anhaltenden
Aufwärtsdruck auf den Wechselkurs USD/CNY. Ob der Yuan auch gegenüber dem Euro
- gegen den er bislang relativ stabil blieb - abwertet, hängt von der
allgemeinen Entwicklung des Euro und speziell vom Wechselkurs Euro/US-Dollar
(EUR/USD) ab.
Sollte sich der Euro erholen, dann würde die Abwertung des
Yuan gegen den Euro noch stärker ausfallen als gegenüber dem US-Dollar. Die
meisten Experten rechnen in den nächsten zwölf Monaten mit einem weiteren
Kursanstieg von USD/CNY und von EUR/CNY.
Die grundsätzliche Änderung der Währungspolitik in China
sorgt auch aufgrund der schlechten Kommunikation durch die Notenbank für
Verunsicherung an den Finanzmärkten. Das ist ein Grund für die Turbulenzen, die
im Januar die Märkte er¬schütterten. Tatsächlich ist Peking nicht an weiteren
drastischen Abwertungsschritten interessiert, sondern wird eher die Poli¬tik
eines moderaten Kursrückgangs des Yuan gegenüber dem US-Dollar verfolgen. Dabei
wird es auch zwischenzeitliche Phasen der Aufwertung geben. Schließlich will
Peking verhin¬dern, dass der Kapitalabfluss aus China außer Kontrolle gerät.
Schlussfazit. Regierung und Notenbank in China wollen eine
möglichst schonende Abkopplung des Yuan vom US-Dollar. Dadurch soll die
Wirtschaft unabhängiger und die Kapitalflucht gebremst werden. Eine Abwertung
des Yuan ist kein Ziel Pekings. Der Kapitalabfluss aus China ist ei¬nerseits
ein Misstrauensvotum gegen die Wirtschaftspo¬litik Pekings, andererseits aber
auch die logische Folge des abnehmenden Wachstumstempos, der sinkenden Zinsen
und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Gegen eine weitere
Destabilisierung des Finanzsystems in China spricht der
Leistungsbilanzüberschuss, der 2015 sogar gewachsen ist und den Prognosen der
Experten von Goldman Sachs zufolge 2016 weiter zulegen dürfte. Kapitalabflüsse
können daher verkraftet werden.
Die Turbulenzen am Devisenmarkt und die Abwertungs-schübe
des Yuan gegenüber dem US-Dollar sind auf das Bemühen Pekings zurückzuführen,
den Kapitalmarkt zu öffnen und den Wechselkurs zu liberalisieren. Eine
voll-ständige Liberalisierung wird es aber noch lange nicht geben, dafür
fürchtet Peking zu sehr den Kontrollverlust. Voraussichtlich wird USD/CNY im
Jahresverlauf weiter steigen, die Abwertung des Yuan wird aber geordnet
ver-laufen. Ihr Tempo hängt nicht zuletzt von der Konjunktur in China und von
der allgemeinen Entwicklung des US-Dollar ab. Eine generelle Überbewertung des
Yuan sieht Peking auf dem aktuellen Kursniveau nicht - und steht damit nicht
allein: Der Emerging-Markets-Experte Mark Mobius spricht sogar von einer
Unterbewertung des Yuan. Das zeigt: Die Wechselkursentwicklung des Yuan ist
keine Einbahnstraße.
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