Sonntag, 31. Januar 2016

Der Yuan - neue Weltwährung im Abwärtsstrudel


Der Yuan - neue Weltwährung im Abwärtsstrudel

Author D.Selzer-McKenzie

Video: https://youtu.be/tNoVXihwQvQ

China wird immer mehr vom Hoffnungsträger zum Krisenherd der Weltwirtschaft. In diesem Umfeld erklärt der IWF den Yuan zur neuen Reservewährung und stellt ihn damit auf eine Stufe mit US-Dollar und Euro. Warum?

 

Schock und Panik herrschten zu Jahresbeginn an den Märk-ten. Auslöser für die weltweiten Kursturbulenzen war die Furcht vor einer weiteren Destabilisierung des Finanzsystems und der Wirtschaft in China. Es war ein De vu der Ereig¬nisse vom August 2015, als eine überraschend starke Ab¬wertung des Chinesischen Yuan (offizielle Bezeichnung: Renminbi) zu Verunsicherung an den globalen Finanzmärk¬ten geführt hatte. Auch Anfang Januar wurde der Yuan gegenüber dem US-Dollar deutlich abgewertet, USD/CNY stieg auf den höchsten Stand seit 2011. Viele befürchten, dass dies nur der Beginn einer Spirale aus Abwertung, Ka¬pitalflucht und Kursstürzen an den Börsen sein könnte. Aber wurde der Yuan tatsächlich aktiv von der Notenbank abgewertet? Stimmt diese Formulierung überhaupt? Tat¬sächlich erklärt Peking seit geraumer Zeit, den Wechselkurs des Yuan mehr den Marktkräften überlassen zu wollen. Das ist kein generöses Zugehen auf die Anhänger der reinen Marktwirtschaft, sondern eine ökonomische Notwendigkeit. Regierung und Notenbank in China wollen und müssen den Kapitalverkehr schrittweise liberalisieren, wenn sie die wirtschaftliche Entwicklung des Landes weiter vorantreiben wollen. Freier Kapitalverkehr ist aber nur möglich, wenn der Wechselkurs die Marktbedingungen, sprich das aktu¬elle Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage, zumindest annähernd widerspiegelt.

Tatsächlich hat Peking den Yuan nicht aktiv abgewertet, sondern nur den Marktkräften nachgegeben, die seit einiger Zeit auf eine Abwertung drängen. Wie in den meisten an-deren Bereichen der Wirtschaftspolitik betreibt Peking auch am Devisenmarkt einen Mix aus direkter politischer Steu-erung und Marktwirtschaft. Damit war China in den letzten Jahrzehnten sehr erfolgreich. Nun aber nimmt die Skepsis zu, ob dies auch in Zukunft so sein wird.

Yuan wird zur IWF-Reservewährung. Sicher sähe es der Internationale Währungsfonds (IWF) gerne, wenn Peking noch mehr auf die Marktwirtschaft setzen würde. Das hat den IWF aber nicht davon abgehalten, im November 2015 für die meisten Experten überraschend den Yuan in seinen exklusiven Währungskorb aufzunehmen. Die chinesische Währung wird damit neben US-Dollar, Euro, Japanischem

DER CHINESISCHE YUAN

Chinas Währung ist der Renminbi, was so viel wie „Volksgeld' bedeutet. Die Währung wird von der Notenbank Peoples Bank of China (PBoC) herausgegeben. Die Einheit der Währung heißt Yuan (CNY). Dieser Begriff wird gerade international synonym für den Renminbi (RMB) verwendet, obwohl dies nicht korrekt ist.

Das Wechselkurssystem

Der Yuan war seit 1994 an den US-Dollar gekoppelt. Der Wech-selkurs wurde von der PBoC nach bestimmten Kriterien festgelegt. In den Letzten Jahren wurde das feste Wechselkurssystem schritt-weise in ein flexibleres System überführt. Im Dezember 2015 hat die PBoC verkündet, den Wert des Yuan nicht mehr allein gegen-über dem US-Dollar, sondern gegenüber einem Index aus einem

 

Yen und Britischem Pfund zur fünften offiziellen Weltreser-vewährung. Der US-Dollar bleibt allerdings mit einem Anteil von 41,7 Prozent im Währungskorb das Maß aller Dinge, der Yuan wird mit 10,9 Prozent gewichtet und der Euro dafür von 37,4 auf 30,9 Prozent zurechtgestutzt. Überraschend kam die Aufnahme deshalb, weil IWF-Chefin Christine Lagarde genau das noch wenige Monate zuvor abgelehnt hatte. Doch am 14. November hieß es plötzlich, China habe nun „alle operativen Probleme gelöst, der Yuan erfüllt die beiden wesentlichen Kriterien einer Reservewäh¬rung - den weitgehenden Gebrauch und die weitgehende Handelbarker. Diese Feststellung ist insofern amüsant, als der Yuan alles andere als frei handelbar ist. Die freie Kon-

 

ganzen Korb von Währungen, gewichtet nach deren Bedeutung für den Außenhandel Chinas, festzulegen.

Der Offshore Yuan (CNH)

Für den in Hongkong gehandelten und ausländischen Anlegern zugänglichen Yuan wird die Bezeichnung „Offshore Yuan" (CNH) verwendet. Die in Hongkong ermittelten Wechselkurse für den CNH können besonders in unsicheren Marktphasen von den in Festland-China ermittelten Kursen für den CNY abweichen. Anfang 2016 bestand ein positiver Spread zwischen USD/CNH und USD/ CNY, worin zum Ausdruck kommt, dass auf eine weitere Abwertung des Yuan spekuliert wird. Peking ist daran interessiert, den Spread zwischen beiden Wechselkursen klein zu haltenvertierbarkeit war bisher Grundvoraussetzung für eine Aufnahme in den Währungskorb, aber für China macht man eine Ausnahme. Ein Indiz für die fehlende Konvertierbarkeit ist der in Hongkong gehandelte sogenannte „Offshore Yuan" (CNH), dessen Kurs von dem des „Onshore Yuan" (CNY) abweicht. Auch von einem weitgehenden Gebrauch des Yuan außerhalb Chinas kann keine Rede sein.

Machtkampf mit den USA? Kein Wunder, dass schnell wil¬de Spekulationen ins Kraut schossen, was denn der wahre Grund für die Aufnahme in den Währungskorb sei und wie die USA dazu stünden - abseits der üblichen diplomatischen Floskeln. Manche Experten vermuten, dass die USA schon lange auf diplomatischer Ebene gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb des IWF gekämpft hätten. Sicher gibt es in den USA viele Hardliner, die in China den größten wirtschaftlichen und politischen Gegner sehen. Tatsächlich liegt aber die Integration des Yuan in die internationalen Finanzmärkte im Interesse der USA, denn stoppen kann Washington den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas sowieso nicht. Die Einbindung in internationale Vereinbarungen und Institutionen und vor allem in die internationalen Kapital-märkte ermöglicht zwar keine Kontrolle der neuen Super-macht, erschwert es aber China, einen Sonderweg zu gehen. Gerechtfertigt oder nicht, letztlich spiegelt die Aufnahme des Yuan in den exklusiven Währungskorb des IWF die wirtschaftlichen Realitäten wider, auch wenn die chinesische Währung (noch) nicht frei konvertierbar ist: China ist in den letzten Jahren zur größten Wirtschaftsmacht der Erde noch vor den USA aufgestiegen.

Die Motive des IWF. Sollten die USA hinter den Kulissen tatsächlich gegen die Aufnahme des Yuan in den Währungs-korb gearbeitet haben, wäre die Entscheidung des IWF eine klare Positionierung gegen die USA. Das ist nicht abwegig, wenn man bedenkt, dass die USA mit ihrem großen Stimm-rechtsanteil wichtige Reformen im IWF blockieren können. Aber wahrscheinlich sind die Motive des IWF einfacher: China will seine Wirtschaft mehr nach außen öffnen, den Kapitalverkehr liberalisieren und auch den Yuan als inter-nationale Anlagewährung etablieren. Das ist eine Zielsetzung, die aus Sicht des marktwirtschaftlich orientierten IWF die Weltwirtschaft stabiler macht. So gesehen ist die Aufnahme in den Währungskorb gerade in diesen Zeiten instabiler globaler Finanzmärkte sinnvoll. Zumal die Aufnahme des

 

ANTEIL AN GLOBALEN GELDTRANSAKTIONEN

Quelle Society for Worldvvide Interbank Financial. Tetecommunication

(Swift); Stand September 2015

Yuan in den Währungskorb den Kurs Pekings vor allem symbolisch unterstützt, denn konkrete Folgen hat sie kurz-fristig kaum. Zudem trägt der IWF damit der in den letzten Jahrzehnten rasant gewachsenen Bedeutung der Schwel-lenländer für die Weltwirtschaft Rechnung. Praktisch un-denkbar dass eine andere Währung aus den Emerging Markets vor dem Yuan in den Währungskorb hätte aufge-nommen werden können.

Was will China? Für Peking ist die Aufnahme in den Wäh-rungskorb erst einmal ein Prestigeerfolg. Wichtig gerade in Zeiten, in denen die „chinesische Erfolgsstory" nicht nur Kratzer bekommt, sondern auf der Kippe zu stehen scheint. Eine globale Leitwährung wie der US-Dollar wird der Yuan deswegen aber noch lange nicht. Das ist nicht einmal dem Euro gelungen, obwohl dieser dafür weitaus bessere Vo-raussetzungen als der Yuan mitbringt.

Trotzdem ist es auch ökonomisch sehr sinnvoll, den Status der eigenen Währung zu verbessern und damit das Ver¬trauen der internationalen Anleger sowie anderer Noten¬banken zu stärken. Dadurch wird es leichter und billiger, Anleihen in der eigenen Währung zu platzieren - sprich: sich in der eigenen Währung zu verschulden. Die USA kön¬nen ihren Status als wirtschaftliche Weltmacht auch deshalb seit Jahren aufrechterhalten, weil der US-Dollar auf dem ganzen Globus als Leitwährung anerkannt wird. Amerika¬nische Anleihen finden stets reißenden Absatz in anderen Ländern, selbst wenn die wirtschaftliche Lage der USA schlecht ist. Überspitzt gesagt: Die USA können nicht plei-tegehen. Diesen Status wünscht sich Peking natürlich auch. Konkret hat Peking in Letzter Zeit den inländischen Anlei-hemarkt wiederbelebt und so die Abhängigkeit der Unter-nehmen von Dollarkrediten verringert. 2015 sind die Emis-sionen von Yuan-Anleihen auf ein Rekordniveau von 312,8 Milliarden Yuan gestiegen.

Zwischenfazit. Die kurzfristigen Folgen der Aufnahme des Yuan in den Währungskorb sind gering. Niemand, kein Privatmann und keine Notenbank, wird sich allein deswe¬gen den Yuan ins Depot legen. Jenseits aller echten und vermuteten Machtspiele ist die Aufnahme des Yuan in den Währungskorb im Sinne der von China betriebenen Ent-wicklungspolitik aber ein folgerichtiger Schritt - der auch im Interesse des IWF und der Weltwirtschaft liegt. Ein in-stabiles China kann sich niemand mehr Leisten, auch die USA nicht. Die Gefahr einer echten Wirtschaftskrise in China ist aber so groß wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Abwertungsspirale durch Kapitalflucht. Peking verfolgt mit der Aufnahme des Yuan in den Währungskorb aber nicht nur langfristige Ziele, sie ist auch ein Mittel, um den Yuan kurzfristig zu stärken und die im Gang befindliche Kapital-flucht aus China zu bremsen. Konkret erhofft sich Peking eine zunehmende Nachfrage nach der neuen Reservewäh-rung Yuan durch die Notenbanken anderer Länder, vor-nehmlich der Handelspartner. Das würde den aktuellen Abwertungsdruck dämpfen. Das Problem der Kapitalabflüs-se aus China hat das Potenzial, die globalen Finanzmärkte

 

zu destabilisieren, und führt sicher auch bei den Experten des IWF zu Schweißausbrüchen. Der „Börsenguru" und Währungsexperte George Soros sieht deswegen sogar die Gefahr einer Finanzkrise im Stil von 2008 heraufdämmern. Spürbar wird das bereits an den bislang als unerschütter¬lich geltenden riesigen Währungsreserven Chinas, die 2015 deutlich geschrumpft sind. Peking hat im letzten Jahr 500 Milliarden US-Dollar eingesetzt, um im Währungsmarkt gegen eine Abwertung des Yuan zu kämpfen. Im Verlauf des Jahres 2015 haben sich dabei die AbfLüsse beschleunigt. Das kann nicht ewig so weitergehen, auch wenn die Reser¬ven immer noch 3.400 Milliarden US-Dollar betragen. Zumal auch die wieder expansiver ausgerichtete Geldpoli¬tik Pekings dadurch konterkariert wird, denn die Geldmen¬ge schrumpft durch den Kapitalabfluss. Das schwächt die Labile Konjunktur zusätzlich.

Chinas Entwicklung stößt an ihre Grenzen. Noch vor ein oder zwei Jahren hatte kaum jemand auf der Rechnung, dass der Yuan unter Abwertungsdruck kommen könnte. Die hohen Handelsüberschüsse und der immense Bestand an Devisenreserven sprachen im Gegenteil für eine Über-bewertung. Doch das scheint eine Fehleinschätzung gewe-sen zu sein, wie sich nun herausstellt. Die hohen Handels-bilanzüberschüsse waren vor allem ein Resultat der Politik der Exportförderung. Volkswirte sprechen hier von einer exportorientierten Entwicklungsstrategie, die auf einer Förderung des Angebots beruht. Diese Politik war nicht nurin China sehr erfolgreich, sondern hat auch Südkorea und andere ostasiatische Volkswirtschaften wirtschaftlich nach vorne gebracht. Das Gegenstück dazu ist eine nachfrage-orientierte Entwicklungsstrategie, die zum Beispiel darauf zielt, Importe aus dem Ausland zu reduzieren. Brasilien ist dafür ein Beispiel. Der Aufstieg des südamerikanischen Landes in den Jahren vor der aktuellen Krise war nicht nur auf den Boom am Rohstoffmarkt, sondern auch auf die Stärkung der Kaufkraft des Mittelstands zurückzuführen. Viele Brasilianer konnten sich unter der Regierung Lula erstmals einen Kühlschrank zulegen.

Das brasilianische Entwicklungsmodell ist an seine Grenzen gestoßen, weil strukturelle Probleme ungelöst blieben, darunter die großen Mängel in der Infrastruktur und der

ECKPUNKTE UND ZIELE DER NEUEN WÄHRUNGSPOLITIK PEKINGS

-          Der Wechselkurs des Yuan soll „marktgerechter" werden, sprich Angebot und Nachfrage besser widerspiegeln.

-          Der Yuan wird von der Notenbank gegenüber einem Wäh rungskorb gemanagt, nicht mehr gegenüber dem US-Dollar allein.

-          Peking bezeichnet den Yuan Anfang 2016 offiziell als gegen über dem Währungskorb „im Gleichgewicht".

-          Eine Abwertung des Yuan zum US-Dollar ist im aktuellen Rahmen möglich, insbesondere wenn der US-Dollar auch gegenüber anderen Währungen aufwertet.

 

Energieversorgung. Dazu kommt die Korruption. Auch Chi-nas Entwicklungsmodell ist nicht mehr so erfolgreich, weil zum Beispiel andere Schwellenländer längst günstiger produzieren als China. Überkapazitäten in der Industrie, Leerstand bei Immobilien, die massive Umweltverschmut-zung und andere Probleme zeigen, dass die reine Investi-tionsförderung zur Steigerung der Exporte an ihre Grenzen stößt. Dazu kommen auch im gut organisierten China Kor-ruption und Misswirtschaft.

Von der Exportförderung zur Stärkung der Inlandsnach¬frage. Will China den nächsten Entwicklungsschritt machen, dann muss die Inlandsnachfrage gestärkt werden, denn nur über Exporte und das Anhäufen von Devisen entsteht kein Wohlstand. Für Peking ebenfalls ein wichtiger Aspekt: Die Fokussierung auf den Export macht auch politisch abhän¬gig. Wenn andere Länder ihre Importe beschränken, trifft das Chinas Wirtschaft bis ins Mark. Das ist zwar im heu¬tigen vernetzten Welthandel, in dem jeder von jedem abhängig ist, kaum zu befürchten. Dafür aber gibt es eine Steuerung der Handelsströme über die Währungspolitik. Andere Länder werten ihre Währungen auch gegen den Yuan ab und mindern so die Exportchancen chinesischer Produzenten. Das wirkt sich negativ auf die Entwicklung Chinas aus.

Vorbild Pekings dürften in dieser Hinsicht die USA sein: Die Vereinigten Staaten sind aufgrund der Größe ihres Binnenmarkts relativ unabhängig von der Währungspolitik anderer Länder. Unabhängiger jedenfalls als auf den Export fixierte Länder wie Deutschland, Japan und eben China. China allerdings hat aufgrund seiner Größe ebenfalls die Chance, sich über einen starken Binnenmarkt unabhängi¬ger von äußeren Einflüssen zu machen. Das ist das Ziel Pekings.

Kapitalflucht gefährdet den Umbau der Wirtschaft. Der Umbau der Wirtschaft, das Reduzieren der Exportförderung und der Kampf gegen illegale Kreditvergabe führten zu einer starken Verlangsamung der Expansionsraten. Das Land wächst so schwach wie seit 20 Jahren nicht mehr. China benötigt aber hohe Wachstumsraten, um der nach wie vor in die Städte strömenden Bevölkerung Arbeit zu geben und soziale Unruhen zu vermeiden. Für Peking ist der Umbau der Wirtschaft daher ein Drahtseilakt. Kippt die Konjunktur („hard landing"), dann droht eine weitere Abwärtsspirale. Die Regierung versucht dem seit 2015 mit einer Lockerung der Geldpolitik und Zinssenkungen ent-gegenzuwirken.

Beides - das geringere Wachstumstempo und der Rückgang der Zinsen - führen aber dazu, dass Geldanlagen in China weniger lukrativ werden. Das überschüssige Kapital drängt dahin, wo es mehr Rendite gibt, nämlich ins Ausland. Die Kapitalflucht ist ein neues Phänomen in China und eine große Gefahr. Hier könnte ein Sog entstehen, der kaum noch zu stoppen ist. Der Abfluss an Kapital führt einerseits zu Abwertungsdruck auf die Währung, andererseits verstärkt die Aussicht auf eine Abwertung der Währung den Anreiz,

 

aus dem Yuan zu fliehen, zusätzlich. Peking versucht diesem Problem mit einer schrittweisen Öffnung der Kapitalmärk¬te, von Aktien über Anleihen bis Währungen, entgegenzu¬wirken. Das Fallen von Beschränkungen eröffnet den Chi¬nesen mehr Anlagemöglichkeiten, im Inland und im Ausland. Dadurch sinkt zwar der Anreiz, Geld außer Landes zu schaf¬fen, andererseits verliert Peking durch diese Öffnung aber auch die Kontrolle über die Kapitalströme. Der bisher über Kapitalverkehrsbeschränkungen ausgeübte Zwang muss durch Vertrauen ersetzt werden. Vertrauen in die Wirt¬schaftspolitik und Vertrauen in die Währung. Dem Yuan mehr internationales Ansehen zu verschaffen ist dafür ein wichtiges Instrument. Peking geht diesen Weg langsam, aber zielstrebig. Die Aufnahme des Yuan in den IWF-Wäh¬rungskorb ist dabei nur ein Baustein.

Wertet der Yuan weiter ab? Es ist immer wieder in Artikeln und Kommentaren zu lesen, aber es stimmt so nicht: China betreibt keine Abwertungspolitik. Peking lässt lediglich zu, dass der Yuan wie in den Jahren zuvor fast gegenüber allen anderen Währungen weltweit und gegenüber dem US-Dollar abwertet. Ein Beweis dafür: Der Wechselkurs des Euro zum Yuan befindet sich trotz des jüngsten Kursanstiegs immer noch in der Nähe seines Allzeittiefs. Chinas Noten¬bank will den Wechselkurs des Yuan stabil halten, allerdings nicht mehr gegenüber dem US-Dollar, sondern gegenüber einem Index aus vielen Währungen, die nach ihrem jewei¬ligen Handelsanteil gewichtet werden. Das haben anschei¬nend viele Akteure an den Märkten noch nicht wirklich verstanden - oder sie wollen es nicht verstehen. Gegenüber diesem Währungskorb sieht Peking offiziellen Verlautbarun¬gen zufolge den Yuan aktuell „im Gleichgewicht". Ökonomisch war die Entkoppelung vom US-Dollar eine durchaus sinnvol¬le Entscheidung: Wenn der US-Dollar gegenüber den anderen Währungen weltweit nicht weiter aufwertet, dann wertet er auch nicht gegen den Yuan auf. So weit die Theorie.

Aber wie geht es praktisch weiter? Chinas Wirtschaft lahmt und die Notenbank senkt die Zinsen, während in den USA der Leitzins angehoben wird. Das spricht für einen starken US-Dollar und damit für anhaltenden Aufwärtsdruck auf den Wechselkurs USD/CNY. Ob der Yuan auch gegenüber dem Euro - gegen den er bislang relativ stabil blieb - abwertet, hängt von der allgemeinen Entwicklung des Euro und speziell vom Wechselkurs Euro/US-Dollar (EUR/USD) ab.

Sollte sich der Euro erholen, dann würde die Abwertung des Yuan gegen den Euro noch stärker ausfallen als gegenüber dem US-Dollar. Die meisten Experten rechnen in den nächsten zwölf Monaten mit einem weiteren Kursanstieg von USD/CNY und von EUR/CNY.

Die grundsätzliche Änderung der Währungspolitik in China sorgt auch aufgrund der schlechten Kommunikation durch die Notenbank für Verunsicherung an den Finanzmärkten. Das ist ein Grund für die Turbulenzen, die im Januar die Märkte er¬schütterten. Tatsächlich ist Peking nicht an weiteren drastischen Abwertungsschritten interessiert, sondern wird eher die Poli¬tik eines moderaten Kursrückgangs des Yuan gegenüber dem US-Dollar verfolgen. Dabei wird es auch zwischenzeitliche Phasen der Aufwertung geben. Schließlich will Peking verhin¬dern, dass der Kapitalabfluss aus China außer Kontrolle gerät.

 

Schlussfazit. Regierung und Notenbank in China wollen eine möglichst schonende Abkopplung des Yuan vom US-Dollar. Dadurch soll die Wirtschaft unabhängiger und die Kapitalflucht gebremst werden. Eine Abwertung des Yuan ist kein Ziel Pekings. Der Kapitalabfluss aus China ist ei¬nerseits ein Misstrauensvotum gegen die Wirtschaftspo¬litik Pekings, andererseits aber auch die logische Folge des abnehmenden Wachstumstempos, der sinkenden Zinsen und der Liberalisierung des Kapitalverkehrs. Gegen eine weitere Destabilisierung des Finanzsystems in China spricht der Leistungsbilanzüberschuss, der 2015 sogar gewachsen ist und den Prognosen der Experten von Goldman Sachs zufolge 2016 weiter zulegen dürfte. Kapitalabflüsse können daher verkraftet werden.

Die Turbulenzen am Devisenmarkt und die Abwertungs-schübe des Yuan gegenüber dem US-Dollar sind auf das Bemühen Pekings zurückzuführen, den Kapitalmarkt zu öffnen und den Wechselkurs zu liberalisieren. Eine voll-ständige Liberalisierung wird es aber noch lange nicht geben, dafür fürchtet Peking zu sehr den Kontrollverlust. Voraussichtlich wird USD/CNY im Jahresverlauf weiter steigen, die Abwertung des Yuan wird aber geordnet ver-laufen. Ihr Tempo hängt nicht zuletzt von der Konjunktur in China und von der allgemeinen Entwicklung des US-Dollar ab. Eine generelle Überbewertung des Yuan sieht Peking auf dem aktuellen Kursniveau nicht - und steht damit nicht allein: Der Emerging-Markets-Experte Mark Mobius spricht sogar von einer Unterbewertung des Yuan. Das zeigt: Die Wechselkursentwicklung des Yuan ist keine Einbahnstraße.

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