B.F. Skinner 1904-1990
Author D.Selzer-Mckenzie
Video https://youtu.be/JLwoBX4VxQ4
Burrhus Frederic Skinner (* 20. März 1904 in Susquehanna
Depot, Susquehanna County, Pennsylvania; † 18. August 1990 in Cambridge,
Massachusetts), bekannt als B. F. Skinner, war ein US-amerikanischer Psychologe
und der prominenteste Vertreter des Behaviorismus in den USA. Er prägte die
Bezeichnung operante Konditionierung, erfand das sogenannte programmierte
Lernen und verfasste den weltweit beachteten utopischen Roman Walden Two (auf
Deutsch zunächst unter dem Titel Futurum Zwei erschienen).
Skinner wurde 2002 in der Fachzeitschrift Review of General
Psychology (herausgegeben durch die American Psychological Association) vor
Jean Piaget und Sigmund Freud als der bedeutendste Psychologe des 20.
Jahrhunderts bezeichnet.[1]
Nach dem Besuch der High School absolvierte Skinner im
Hamilton College in Clinton, New York bis 1926 ein kunst- und sprachwissenschaftliches
Studium. Er wollte Schriftsteller werden, brachte jedoch nur ein Dutzend
Artikel in Zeitungen unter, so dass er in New York als Gehilfe in einer
Buchhandlung zu arbeiten begann. Der Biografie seiner Tochter Julie S. Vargas
zufolge wurde er erst dort auf die Schriften von Iwan Petrowitsch Pawlow und
John B. Watson aufmerksam und schrieb sich daher ab 1928 an der Harvard
University im Fach Psychologie ein. Damals war dort gerade eine neue
verhaltensphysiologische Abteilung eingerichtet worden, deren Leiter William
John Crozier Tiere „als Ganzes“ zu analysieren versuchte, also ohne Betrachtung
von Vorgängen in deren Innerem. Skinner wurde zu eigenen Experimenten ermuntert
und entwickelte letztlich die nach ihm benannte Apparatur, mit deren Hilfe das
Verhalten von Testtieren im Prinzip auch heute noch quantitativ erfasst wird –
auch viele deutsche Universitäten und Schulen verwenden derartige Apparaturen
im Rahmen von Praktika. 1952 wurde Skinner in die American Academy of Arts and
Sciences gewählt.
Die Skinner-Box
Solch ein Lernexperiment kann folgenden Ablauf haben: Ein
Tier wird in einen speziellen Testkäfig gesetzt, in den mindestens ein kleiner
Hebel hineinragt (heute wird eine solche Testapparatur als „Skinner-Box“
bezeichnet); jeder Hebeldruck des Test-Tieres wird übersetzt in die
Aufwärtsbewegung eines Schreibstiftes, unter dem ein Papierstreifen horizontal
zur Seite bewegt wird. So entsteht eine kumulative Aufzeichnung (das
Aufzeichnungsgerät heißt Cumulative Recorder), in der die Reaktion des Tieres
in Abhängigkeit von der Dauer des Lerntests dokumentiert wird – je steiler die
Kurve nach oben geht, desto schneller hat das Tier die vom Testleiter
erwünschte Aktion gelernt. Eine solche Aktion kann zum Beispiel wie folgt
aussehen: Das Testtier drückt nach dem Aufleuchten eines Lämpchens oder nach
einem akustischen Signal den Hebel.
Lernen auf Grund von Belohnung
Skinner entdeckte bei seinen Experimenten, dass die
Häufigkeit der Hebeldrücke seiner Ratten nicht allein von vorhergehenden
Stimuli abhängig war (wie dies Watson und Pawlow betont hatten), sondern auch –
und vor allem – von Reizen, die erst nach einem Hebeldruck folgten: Er
untersuchte also keine Verhaltensweisen, die (wie die Reflexe) nach dem relativ
starren Prinzip „Reiz – Reaktion“ abliefen, sondern durch Umwelteinflüsse
(sprich: die auf eine Reaktion folgenden Konsequenzen) beeinflusst wurden – zum
Beispiel durch eine Futterbelohnung. Skinner prägte für die so beim Testtier
aufgebauten Bewegungsabfolgen den Fachausdruck „operantes Verhalten“. Den
Vorgang, in dessen Verlauf das operante Verhalten erzeugt wird, bezeichnete er
als „operante Konditionierung“; das Wort „lernen“ verbietet sich hier, da es
sich hierbei um einen angenommenen mentalen Vorgang im Tier handelt, was im
Rahmen der Skinner’schen Lerntheorie aber als unwissenschaftlich angesehen
wird.
Tauben im Kriegsdienst
Aufgrund seiner erfolgreichen verhaltensbiologischen
Arbeiten konnte er nach dem Doktorexamen 1931 in Harvard fünf Jahre lang
eigenständig forschen, wechselte 1936 aber als Dozent (und später Professor)
für Psychologie an die Universität von Minnesota in Minneapolis, wo er seine
experimentellen Studien allerdings nicht mehr fortführte. Erst 1944, als
Deutschland im Zweiten Weltkrieg bereits ferngesteuerte Bomben gegen Ziele in
England einsetzte (V2-Raketen, die noch im Flug gelenkt werden konnten),
reaktivierte Skinner seine Experimentierfreudigkeit: Er ging auf die Suche nach
finanzieller Unterstützung für ein (heute grotesk anmutendes) streng geheimes
militärisches Projekt. Skinner dressierte Tauben, deren Pickbewegungen dazu
genutzt werden sollten, eine Fernrakete auf Kurs zu halten; offenbar plante er,
jeder Rakete eine Taube beizugesellen – man entschied sich dann aber doch für
radargestützte Fernlenksysteme. Gleichwohl blieben Tauben für Skinner auch in
späteren Jahren die wichtigsten Modellorganismen für seine Verhaltensstudien;
jedenfalls führte er niemals wieder Experimente mit Ratten durch.
Es existieren Filmaufnahmen von konditionierten Tauben,
anhand derer man beispielsweise das Entstehen von abergläubischem Verhalten
nachvollziehen kann.[2]
Leben in einer geplanten Gesellschaft
1948 kehrte Skinner als Ordinarius für Psychologie nach
Harvard zurück und blieb an dieser Hochschule bis zu seiner Emeritierung 1974.
Ebenfalls 1948 entstand, noch unter dem Eindruck hunderttausender
Kriegsheimkehrer, sein Roman Walden Two (die erste deutsche Ausgabe trug den
Titel: Futurum Zwei), der allerdings erst nach mehr als einer Dekade zu einem
viel diskutierten Buch wurde. Der Roman schildert das Leben einer durch
operante Konditionierung geformten Gemeinschaft und findet bis heute
international Beachtung. In ihm zeigt Skinner ein befriedetes Zusammenleben in
einer konfliktfreien Gesellschaft, die sich auf Technologien der
Verhaltenssteuerung stützt und insbesondere auf die positive Verstärkung von
sozial gewünschten Verhaltensweisen. Dieser utopische Roman wurde Skinners
bekanntestes Werk, wegen der in ihm propagierten, von vielen als manipulativ
bewerteten Sozial- und Verhaltenstechniken wird er aber weithin – gegen
Skinners Intention – als „negative Utopie“ rezipiert: Der Roman (und auch
Skinner selbst) lässt die Frage offen, wer das Recht (die Allmacht) haben soll,
die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen festzulegen, die hernach das
Zusammenleben der Angehörigen dieser Gesellschaft bis ins Kleinste bestimmen,
also auch die ethischen Normen.
Programmiertes Lernen und Sprachlabors, Sprache als
Verhalten
Skinners Lernmaschine, Außenansicht
Skinners Lernmaschine, Innenleben
1953 erschien Science and Human Behavior, in dem Skinner die
am Tiermodell gewonnenen Erkenntnisse auf den Menschen übertrug. Im weiteren
Verlauf der 1950er Jahre entwickelte Skinner auf der Grundlage seiner schon in
Walden Two beschriebenen lerntheoretischen Erwägungen sogenannte Lernmaschinen
und die Methode des programmierten Lernens, die darauf beruht, den gesamten
Lernstoff in kleine Untereinheiten zu zerlegen, deren korrekte Wiedergabe durch
die Erlaubnis „belohnt“ wird, den nächsten Lernschritt zu unternehmen, so dass
man im Selbststudium schrittweise sich Wissen selbst aneignen und den
Lernerfolg auch selbst kontrollieren kann. Diese Vorgehensweise war in den
1960er Jahren auch in Deutschland unter jungen Lehrkräften recht populär,
geriet dann aber weitgehend in Vergessenheit und feierte erst durch die
„modernen“ PC-gestützten Sprachlernprogramme ein gewisses Comeback. Auch die
sogenannten Sprachlabore verdanken ihre Existenz letztlich Skinner.
1957 beendete Skinner die über 20 Jahre dauernde Arbeit an
Verbal Behavior, seiner Theorie des sprachlichen Verhaltens. Skinner
interpretierte menschliche Sprache als ein Verhalten, das denselben Gesetzen
unterliegt wie auch alles andere Verhalten. Skinner selbst betrachtete Verbal
Behavior als sein Hauptwerk. Zugleich kennzeichnet Verbal Behavior aber auch
den Beginn der sogenannten kognitiven Wende. Viele Psychologen wandten sich in
den folgenden Jahren und Jahrzehnten vom Behaviorismus allgemein und Skinners
Verhaltensanalyse im Besonderen ab und der kognitiven Psychologie zu.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang die Besprechung des Buches durch den
Sprachwissenschaftler Noam Chomsky. Chomskys Kritik fand breite Beachtung und
wird gelegentlich auch heute noch als Widerlegung von Skinners Positionen
betrachtet.[3]
Späte Jahre
In seinen späteren Jahren zeigte sich Skinner sehr
pessimistisch hinsichtlich der Fähigkeit der Menschen, in der Zukunft drohende
Gefahren globalen Ausmaßes wie Umweltzerstörung, Ressourcenverknappung und
Überbevölkerung abzuwenden.[4][5] In einem Essay[6] lieferte er eine
psychologische Erklärung für das Ausbleiben von wirksamen Vorsorgemaßnahmen
trotz vorhandenen technischen und wissenschaftlichen Wissens.
Skinner, dessen Hauptwerk Science and Human Behavior
(deutsch: Wissenschaft und menschliches Verhalten) 1953 erschienen war, schrieb
bis ins hohe Alter Bücher und Aufsätze, selbst nachdem 1989 eine Leukämie bei
ihm diagnostiziert worden war. Zehn Tage vor seinem Tod hielt er seinen letzten
Vortrag vor der American Psychological Association. Seine Tochter hielt fest:
„Er beendete den Artikel, aus dem die Rede stammte, am 18. August 1990, dem
Tag, an dem er starb.“ („He finished the article from which the talk was taken
on August 18, 1990, the day he died.“)
Operante Konditionierung: ein kurzer Überblick
→ Hauptartikel: Instrumentelle und operante Konditionierung
Skinner setzte die grundlegende Arbeit von Edward Lee
Thorndike fort und prägte die Bezeichnung operante Konditionierung in
Abgrenzung zur klassischen Konditionierung.
Die klassische Konditionierung, die zuerst von Iwan
Petrowitsch Pawlow erforscht wurde, nutzt die Existenz einer bereits
vorhandenen Abfolge von Reiz und Reaktion (schon das Riechen von Nahrung hat
zur Folge, dass Speichelfluss einsetzt). Der Versuchsleiter bietet sodann
parallel zum gewöhnlichen Reiz stets einen andersartigen Reiz (zum Beispiel
einen Glockenton) an, mit der Folge, dass nach erfolgreicher Konditionierung
schon beim Ertönen der Glocke der Speichelfluss einsetzt.
Im Unterschied zur klassischen Konditionierung wird bei der
operanten Konditionierung spontanes Verhalten durch die folgende Konsequenz
gefördert oder vermindert. Als am wirkungsvollsten haben sich auch im
Tierexperiment angenehme Konsequenzen herausgestellt, also eine Belohnung zum
Beispiel durch Futter. Allerdings können auch Vermeidungsreaktionen
konditioniert werden, bei Katzen und anderen Haustieren zum Beispiel mit Hilfe
einer Bestrafung durch Wasserspritzer.
Während die klassische Konditionierung also stets auf einem
bereits weitgehend vorhandenen Verhaltensrepertoire aufbaut und dieses im
Grunde nur variiert, können mit Hilfe der operanten Konditionierung sehr
vielfältige neue Verhaltensmuster erzeugt werden (gleichwohl müssen natürlich
auch hier die grundlegenden Bewegungsabfolgen zumindest als physiologisch
möglich schon vorher existieren). Das Abrichten von Pferden und das
erfolgreiche Absolvieren einer „Hundeschule“ basiert seit langem schon
vollständig auf den von Skinner systematisch erforschten Techniken der
Verhaltensformung.
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