Thomas Willis 16212-1675
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/BcMLOt7IQhk
Thomas Willis (* 27. Januar 1621 in Great Bedwyn, Wiltshire
bei Oxford; † 11. November 1675 in London) war ein englischer Arzt und gilt als
einer der Begründer der Anatomie des Nervensystems, wobei er hieraus
Rückschlüsse auch auf die psychischen Krankheiten zog. Er war Mitbegründer der
Royal Society of London.
Inhaltsverzeichnis
1 Leben
2 Leistungen
2.1 Kultur-
und psychiatriegeschichtliche Aspekte
3 Werke
4 Literatur
5 Weblinks
6 Einzelnachweise
Leben
Willis studierte in Oxford und wurde dort praktischer Arzt.
Zur Belohnung für seinen Royalismus wurde er zum Professor für Naturgeschichte
im Jahr 1660 ernannt. 1666 siedelte er nach London über, wo er bis zuletzt
forschte und als Arzt eine große Praxis betrieb.[1] Er starb 54-jährig an einer
Lungenentzündung.
Leistungen
Willis entdeckte unter anderem den nach ihm benannten
Arterienring (Circulus arteriosus cerebri) zur Blutversorgung des Gehirns und
beschrieb erstmals das Restless-Legs-Syndrom.
Mit seinem 1664 erschienenen Werk Cerebri anatome lieferte
er erstmals eine detaillierte Beschreibung des Gehirns und der Nerven,
illustriert wurde das Werk von Christopher Wren. Willis hat nicht nur den
Begriff der Neurologie geprägt, sondern damit auch den Grund für die
Jahrhunderte der Neurosenforschung gelegt, die zunächst u. a. mit George Cheyne
(1641–1743), Robert Whytt (1714–1766) und William Cullen (1710–1790) in England
begann, vgl. Kap. Kultur- und psychiatriegechichtliche Aspekte. Auch die
moralische Behandlung von William Battie (1703–1776) und William Tuke
(1732–1822) stand unter dem Eindruck des Spannungsfeldes, das durch die
somatischen Erkenntnisse geschaffen war.[2] Darüber hinaus führte Willis viele
Fachbegriffe auf dem Gebiet der Neuroanatomie, Neurophysiologie und
Neuropathologie ein, wie z. B. der den Begriff der Reflexantwort, der
Hirnrindenfunktion, der Hirnlokalisation und der inneren Sekretion. Er ist der
Erstbeschreiber der Myasthenia gravis und erwarb Verdienste bei der Beobachtung
des Schwachsinns, der Epilepsie und schizoaffektiver Verstimmungen.[1] Außerdem
führte er die heute noch gültige Nummerierung der Hirnnerven ein. Weitere
wichtige Strukturen, die Willis erstmals beschrieb sind: Corpus striatum,
Thalamus opticus, Pons und Corpus mamillare.
In seinem 1666 in London gedruckten Buch A Plain and Easy
Method for Preserving those that are Well from the Infection of the Plague, and
for Curing such as are Infected warnt er vor exzessivem Alkoholgenuss,
empfiehlt aber, wie vor ihm die mittelalterlichen Gesundheitslehren, moderates
Trinken.
Kultur- und psychiatriegeschichtliche Aspekte
Entsprechend den Begriffen aus den Gründungsjahren der Royal
Society ist Willis geprägt von den körperlichen und sozialmoralischen
Vorstellungen seiner Zeit. Willis war Zeitgenosse von John Locke (1632–1704)
und Thomas Sydenham (1624–1689) und bereitete die öffentlichen Diskussionen
über „madness“ und „English Malady“ vor, die u. a. durch Bernard Mandeville
(1670–1733), Jonathan Swift (1667–1745) und Daniel Defoe (1660–1731)
fortgesetzt wurden. Sydenham war ebenfalls Mitglied der Royal Society. Irresein
war damals durchaus ein politischer Gegenstand und durchaus von nationalem
öffentlichen Interesse, da dieses Thema sich sowohl in Klubs, in den
Zeitschriften, in Tee- und Kaffeehausdiskussionen, auf der Straße als auch in
der ärztlichen Sprechstunde (Sprechstundenpsychiatrie) bemerkbar machte.
Hierbei war es üblich, dass der Stimme des Volkes, der »common voice« oder des
»public spirit« bzw. des »common sense« ein hoher Stellenwert beigemessen
wurde. Dieser »common sense« und die reflektierend auf Innerlichkeit gerichtete
Bildungstätigkeit der Subjektivität wurde auch von Anthony Shaftesbury
(1671–1713) sowie von der Schottischen Schule aufgegriffen. Willis hat diese
Auffassungen in sein psychologisches Konzept der »Nerven-Spirits« (spiritus
animales) eingebaut. Hierbei sollten äußere mechanische Bewegungen ebenso wie
die Phantasietätigkeit eine Rolle spielen. Der Gemeinsinn (»sensus communis«)
liege in der Hirnmitte. Das Nervensystem sei aufgrund der »Nerven-Spirits« und
der »Corporeal Soul« begeistert und so zu psychologischen Empfindungen fähig.
Dazu führt der den Titel der »Psycheology« ein.[2]
Durch dieses neurologisch-psychologische System wurden die
früheren humoral-chemischen Erklärungen verdrängt. Insbesondere die
Funktionellen Syndrome wurden somit von Willis als Formen des Irreseins
erklärt, bei denen keine materielle Schädigung sichtbar sei. Hier seien nur die
an ihren Wirkungen erkennbaren Nerven-Spirits lädiert. Es konnten so beliebige
psychische, moralische, soziale und politische Phänomene als »krank« oder
»abnorm« angesehen werden.[2]
Willis vertrat die bis dahin neue und bisher außer ihm nur
von Charles Le Pois 1618 ausgesprochene Auffassung, dass Hysterie keine
Erkrankung der Gebärmutter sei, sondern eine Gehirnkrankheit.[1] Die
vorgenannte Krankheitslehre Willis' (Nerven-Spirits) wird hauptsächlich auf die
Hysterie angewendet. Mit Thomas Sydenham (1624–1689) und Francis Glisson
(1596–1677) zusammen wird dieses System der Nerven-Sprits auch auf die
Hypochondrie ausgedehnt. Hierbei sind meist Frauen von Hysterie betroffen,
außer wenn sie hart arbeiten, während Männer von Hysterie betroffen sind, vor
allem dann, wenn sie eher eine sitzende Tätigkeit ausüben. Dörner führt aus,
dass sich die Krankheitsbeschreibungen auf die sichtbare bürgerliche
Öffentlichkeit beziehen, speziell auf die in den kaufmännischen oder sonstigen
Büros oder in akademischen oder literarischen Berufen.
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