Gravitation
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/Asoq3T8cVvg
Die Gravitation (von lateinisch gravitas für „Schwere“)[1],
auch Massenanziehung, Schwerkraft oder Gravitationskraft, ist eine der vier
Grundkräfte der Physik. Sie äußert sich in der gegenseitigen Anziehung von
Massen. Sie nimmt mit zunehmender Entfernung der Massen ab, besitzt aber
unbegrenzte Reichweite. Anders als elektrische oder magnetische Kräfte lässt
sie sich nicht abschirmen.
Auf der Erde bewirkt die Gravitation, dass alle Körper nach
unten fallen, sofern sie nicht durch andere Kräfte daran gehindert werden. Im
Sonnensystem bestimmt die Gravitation die Bahnen der Planeten, Monde,
Satelliten und Kometen und im Kosmos die Bildung von Sternen und Galaxien sowie
dessen Entwicklung im Großen.
Im Rahmen der klassischen Physik wird die Gravitation mit dem
newtonschen Gravitationsgesetz beschrieben, d. h. als eine instantan durch den
leeren Raum wirkende Fernwirkungskraft. Ein grundlegend anderes Verständnis der
Gravitation ergibt sich aus der allgemeinen Relativitätstheorie nach Albert
Einstein. Hierbei wirkt die Gravitation nicht in Form einer Kraft auf die
Körper, sondern durch eine Krümmung der vierdimensionalen Raumzeit, wobei die
Bahnen der Körper, auf die keine weiteren Kräfte wirken, einer kürzesten Linie,
d. h. einer Geodäte, entsprechen.
Der griechische Philosoph Aristoteles beschrieb in der
Antike die Schwere im Rahmen seiner Kosmologie, in der alle sublunaren Elemente
(Erde, Wasser, Luft, Feuer) und die daraus bestehenden Körper zum Mittelpunkt
der Welt streben. Diese Vorstellung war lange das physikalische Hauptargument
für das geozentrische Weltbild. Altindische Autoren führten den freien Fall auf
eine Kraft zurück, die proportional zur Masse eines Objektes ist und in
Richtung des Erdmittelpunkts wirkt. Der persische Astronom Muhammad ibn Musa
erklärte im 9. Jahrhundert die Bewegungen der Himmelskörper durch eine
Anziehungskraft. Al-Biruni übersetzte im 11. Jahrhundert die Werke der
indischen Autoren ins Arabische und ins Persische. Sein Zeitgenosse Alhazen
formulierte eine Theorie der Massenanziehung. Der Perser Al-Khazini stellte im
12. Jahrhundert die Vermutung auf, dass die Stärke der Erdanziehung abhängig
vom Abstand zum Erdmittelpunkt ist, und unterschied zwischen Masse, Gewicht und
Kraft.
Nikolaus Kopernikus ging 1543 in De revolutionibus orbium
coelestium davon aus, dass auch andere Körper als die Erde Gravitation ausüben:
„… Ich bin
wenigstens der Ansicht, dass die Schwere nichts Anderes ist, als ein von der
göttlichen Vorsehung des Weltenmeisters den Theilen eingepflanztes, natürliches
Streben, vermöge dessen sie dadurch, dass sie sich zur Form einer Kugel
zusammenschliessen, ihre Einheit und Ganzheit bilden. Und es ist anzunehmen,
dass diese Neigung auch der Sonne, dem Monde und den übrigen Planeten innewohnt
…“[2]
Johannes Kepler veröffentlichte 1609 in seiner Astronomia
nova folgende Axiome:[3]
Jede körperliche
Substanz ist, insoferne sie körperlich ist, von Natur aus dazu geneigt, an
jedem Ort zu ruhen, an dem sie sich allein befindet, außerhalb des
Kraftbereichs eines verwandten Körpers.
Die Schwere
besteht in dem gegenseitigen körperlichen Bestreben zwischen verwandten Körpern
nach Vereinigung oder Verbindung (von dieser Ordnung ist auch die magnetische
Kraft), so dass die Erde viel mehr den Stein anzieht; als der Stein nach der
Erde strebt.
Das Schwere wird
[…] nicht zum Weltmittelpunkt als solchen hingetrieben, sondern als den
Mittelpunkt eines verwandten runden Körpers …
Wäre die Erde
nicht rund, so würde das Schwere nicht überall geradlinig auf den Mittelpunkt
der Erde zu, sondern von verschiedenen Seiten aus nach verschiedenen Punkten
hingetrieben.
Wenn man zwei
Steine an einen beliebigen Ort der Welt versetzen würde, nahe beieinander
außerhalb des Kraftbereichs eines dritten verwandten Körpers, dann würden sich
jene Steine ähnlich wie zwei magnetische Körper an einem zwischenliegenden Ort
vereinigen, wobei sich der eine dem andern um eine Strecke nähert, die der
Masse des andern proportional ist.
Der Bereich der
Anziehungskraft des Mondes erstreckt sich bis zur Erde …
Ebenfalls Anfang des 17. Jahrhunderts beschrieb Galileo
Galilei den freien Fall eines Körpers als gleichmäßig beschleunigte Bewegung,
die unabhängig von seiner Masse oder sonstigen Beschaffenheit ist. Der
englische Gelehrte Robert Hooke erklärte um 1670 die Wirkung der Gravitation
mit Hilfe von „Gravitationstrichtern“ und erklärte, dass die Gravitation eine
Eigenschaft aller massebehafteten Körper sei und umso größer, je näher sich
zwei Körper zueinander befänden. Die Theorie, dass die Schwerkraft umgekehrt
proportional zum Quadrat des Abstands vom Massezentrum ist, taucht 1680 in
einem Brief Hookes an seinen Landsmann Isaac Newton erstmals auf. Newton
beschrieb in seiner Principia als erster die Gravitation mithilfe einer mathematischen
Formel. Dieses von ihm formulierte Gravitationsgesetz ist eine der
Grundgleichungen der klassischen Mechanik, der ersten physikalischen Theorie,
die sich in der Astronomie anwenden ließ. Sie bestätigt die keplerschen Gesetze
der Planetenbewegung und lieferte damit ein grundlegendes Verständnis der
Dynamik des Sonnensystems mit der Möglichkeit präziser Vorhersagen der Bewegung
von Planeten, Monden und Kometen. Danach ist die Gravitation eine Kraft
zwischen zwei Massepunkten, die zur Gravitationsbeschleunigung führt. Die nach
der newtonschen Gleichung berechneten Werte stimmten lange Zeit mit den
astronomischen Beobachtungen und Ergebnissen irdischer Experimente vollkommen
überein. Die erste Diskrepanz wurde Mitte des 19. Jahrhunderts an der Periheldrehung
der Bahn des Merkur beobachtet.
Zur Erklärung der Gravitation im Sinne eines
Prozessgeschehens wurden seit der Zeit Newtons bis zur Entwicklung der
allgemeinen Relativitätstheorie im frühen 20. Jahrhundert eine Reihe
mechanischer respektive kinetischer Erklärungen vorgeschlagen (siehe
Mechanische Erklärungen der Gravitation). Eine der bekanntesten ist die von
Fatio und Le Sage entwickelte Theorie der Le-Sage-Gravitation. Diese
argumentiert, dass die Gravitationsanziehung zweier Körper auf der Abschirmung
des aus Richtung des jeweils anderen wirkenden Drucks beruht. Im Zusammenhang
hiermit stehen die Theorien eines Äthers als Vermittler von Wechselwirkungen
(anstelle einer Fernwirkung), zu diesen Wechselwirkungen gehört auch der
Elektromagnetismus. Eine der letzten dieser Theorien war die um 1900
entstandene lorentzsche Äthertheorie, die schließlich von dem neuartigen Ansatz
der einsteinschen Relativitätstheorie verdrängt wurde. In dieser 1916 von
Albert Einstein aufgestellten allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird die
Gravitation auf eine geometrische Eigenschaft der Raumzeit zurückgeführt,[4]
die von jeder Form von Energie gekrümmt wird. In der ART wird die Gravitation
grundsätzlich anders interpretiert. Nach dem Äquivalenzprinzip kann die Wirkung
der Gravitation nicht von der Auswirkung einer Beschleunigung des Bezugssystems
unterschieden werden; insbesondere heben sich in einem frei fallenden
Bezugssystem die Wirkungen von Gravitation und Beschleunigung exakt auf. Man
sagt, die Gravitation sei durch den Übergang zu den neuen Koordinaten
„wegtransformiert“. In der allgemeinen Relativitätstheorie wird zu jedem Punkt
im Raum das entsprechende Lokale Inertialsystem ermittelt, worin es keine
Gravitation gibt und die spezielle Relativitätstheorie mit ihrer
vierdimensionalen Raumzeit in euklidischer Geometrie gilt. Die Wirkung der
Gravitation tritt dann bei der Rücktransformation in das Bezugssystem des
Beobachters zutage. Analog dazu, dass nach Galilei kräftefreie Bewegungen
geradlinig und gleichförmig verlaufen, bewegen sich in der allgemeinen
Relativitätstheorie Körper ohne nichtgravitative Kräfte auf Geodäten in einem
„gekrümmten“ Raum mit riemannscher Geometrie. Zur Bestimmung der an einem Punkt
herrschenden Krümmung der Raumzeit dienen die einsteinschen Feldgleichungen.
Sie wurden so formuliert, dass im Grenzfall schwacher Gravitation die nach
ihnen berechneten Ergebnisse mit denen übereinstimmen, die nach der newtonschen
Gleichung berechnet werden. Die allgemeine Relativitätstheorie behandelt die
Gravitation also als Trägheitskraft und stellt sie mit Zentrifugalkraft,
Corioliskraft oder der Kraft, die man in einem Fahrzeug beim Anfahren oder
Abbremsen spürt, auf eine Stufe. Innerhalb des Sonnensystems, wo es sich um
schwache Felder bzw. geringe Krümmung der Raumzeit handelt, ergeben sich nur
geringe Abweichungen von den Vorhersagen des newtonschen Gravitationsgesetzes.
Das erste erfolgreiche Anwendungsbeispiel der allgemeinen Relativitätstheorie
war die Erklärung der kleinen Abweichung zwischen der beobachteten
Periheldrehung der Bahn des Merkur und dem Wert, der nach der newtonschen
Theorie aufgrund der Wirkung der anderen Planeten vorhergesagt wird. Bei
starker Krümmung, wie sie durch starke Konzentration großer Masse auf kleinem
Raum hervorgerufen wird, werden völlig neue Phänomene wie z. B. Schwarze Löcher
vorhergesagt. Als Quelle wie auch als Angriffspunkt der Gravitation gilt in der
newtonschen Mechanik allein die Masse, die, von dem ursprünglich ungenauen
Begriff einer gegebenen Materiemenge ausgehend, hier ihre erste präzise
physikalische Definition erfuhr. In der allgemeinen Relativitätstheorie ist die
Gravitation Ausdruck der Krümmung der Raumzeit, die ihrerseits nicht nur von
der Anwesenheit von Materie, sondern auch von Energie in jeder Form und darüber
hinaus von Massen- und Energieströmen beeinflusst ist. Alle der Beobachtung
zugänglichen Vorhersagen der allgemeinen Relativitätstheorie wurden durch
Messungen bestätigt. Experimentell nicht zugänglich sind extrem hohe
Konzentrationen von Masse bzw. Energie auf engstem Raum, für deren Beschreibung
neben der Gravitation auch Quanteneffekte berücksichtigt werden müssten.
Versuche einer Quantenfeldtheorie der Gravitation gibt es in Ansätzen. Es
mangelt allerdings an Vorhersagen, die sowohl berechenbar als auch beobachtbar
wären. In der Newtonschen Gravitation ging man noch von einer instantanen oder
augenblicklichen Ausbreitung der Gravitationswirkung aus, das heißt, dass die
Wirkung auch über große Entfernungen sofort erfolgt. Innerhalb der Einsteinschen
Sichtweise gilt jedoch, dass sich keine Wirkung, also auch nicht die
Gravitationswirkung, schneller als mit Lichtgeschwindigkeit ausbreitet. Durch
eine schnelle Veränderung der Position von Massen, wie zum Beispiel beim
Kollaps eines Sternes werden dann Gravitationswellen erzeugt, die sich mit
Lichtgeschwindigkeit ausbreiten.
Gravitation in der klassischen Mechanik
Newtonsches Gravitationsgesetz
→ Hauptartikel: Gravitationsfeld und Newtonsches
Gravitationsgesetz
In der klassischen Mechanik ist die Gravitation oder
allgemeine Massenanziehung eine Eigenschaft aller Materie, die nur von deren
Masse abhängt, nicht aber von deren Art oder Bewegung. Die Gravitation drückt
sich in der Gravitationskraft oder dem Gravitationsfeld aus, das von einer
jeden Masse erzeugt wird, auf jede andere Masse anziehend wirkt und unendliche
Ausbreitungsgeschwindigkeit und Reichweite besitzt. Das newtonsche
Gravitationsgesetz gibt die Kraft F_\mathrm{G} an, die zwischen den zwei Massen
m_1 und m_2 im Abstand r wirkt:
F_\mathrm{G} = G
\frac{m_1 m_2}{r^2}
Darin ist G die universelle Gravitationskonstante. Aus
diesem Gesetz lassen sich die Beschleunigungen ermitteln, die beide Massen
erfahren. Für Masse m_1 ist die Beschleunigung (analoges gilt für m_2):
a_1 =
\frac{F_\mathrm{G}}{m_1} = G \frac{m_2}{r^2}
Da a_1 nicht von m_1 abhängt, ergibt sich, dass in einem
gegebenen Gravitationsfeld die Beschleunigung durch Gravitation für Körper
aller Massen gleich groß ist. Das erklärt die von Galileo Galilei zuerst
ausgesprochene Tatsache, dass im leeren Raum alle Körper gleich schnell fallen,
was auch als das Prinzip der Äquivalenz von träger und schwerer Masse (in
seiner schwachen Formulierung) bezeichnet wird.
Die Gravitation bestimmt maßgeblich die Gewichtskraft eines
Körpers auf der Erdoberfläche. Wegen der Erdrotation tragen auch
Trägheitskräfte zur Gewichtskraft bei, Gravitation und Trägheitskräfte zusammen
bilden das Schwerefeld.
Die klassische Beschreibung der Gravitation ist für viele
Anwendungsfälle hinreichend genau. Abweichungen treten allerdings im
Zusammenhang mit präzisesten Messungen auf, z. B. bei der Periheldrehung des
Merkur. Die klassische Beschreibung versagt völlig bei extremen Bedingungen,
wie Schwarzen Löchern.
Gravitationskonstante
→ Hauptartikel: Gravitationskonstante
Die Gravitationskonstante G ist eine Fundamentalkonstante
der Physik. Ihre genaue Bestimmung ist sehr schwierig, denn zwischen zwei
Körpern, deren Masse durch direkte Wägung bestimmt werden kann, ist die
Gravitationskraft äußerst gering. Ihr Wert ist daher nur auf vier
Dezimalstellen bekannt, im Unterschied zu den mindestens acht Dezimalstellen
anderer Fundamentalkonstanten.[5]
Die erste Bestimmung gelang 1798 Henry Cavendish. Das in
seinem Labor durchgeführte Experiment hat historische Bedeutung für die
Entwicklung der experimentellen und theoretischen Grundlagen der Gravitation.
Allgemeine Relativitätstheorie
Das Licht einer weit entfernten Galaxie kann durch die
Gravitation eines sehr schweren Körpers so abgelenkt werden, dass es auf der
Erde als Einstein-Ring erscheint
→ Hauptartikel: Allgemeine Relativitätstheorie
In der allgemeinen Relativitätstheorie (ART) wird die
Gravitation nicht wie eine Kraft im Sinne der klassischen Physik behandelt. Im
Unterschied zu den gewöhnlichen klassischen Feldtheorien, in denen die
Koordinaten für Ort und Zeit in einer festen Struktur vorgegeben werden,
betrachtet die ART diese Struktur selber als veränderlich. Als Grundlage nutzt
sie die aus der speziellen Relativitätstheorie bekannte Raumzeit, in der Orts-
und Zeitkoordinaten in einer vierdimensionalen pseudo-riemannschen
Mannigfaltigkeit zusammengefasst sind. Diese Raumzeit ist in der ART aber nicht
mehr „flach“ wie in der Euklidischen Geometrie, sondern wird durch das
Auftreten von Masse oder Energie „gekrümmt“. Die Krümmung ergibt sich an jedem
Punkt der Raumzeit aus der Metrik, die festlegt, wie der vierdimensionale
Abstand zwischen zwei Punkten der Raumzeit, also zwischen zwei Ereignissen, zu
ermitteln ist. Dabei wird der zeitliche Abstand mit positivem, der räumliche
Abstand aber mit negativem Vorzeichen gewertet. Weiter wird festgelegt, dass
ein Körper, auf den außer der Gravitation keine Kräfte wirken, sich zwischen
zwei Ereignissen (z. B. Abfahrt und Ankunft) stets entlang derjenigen
Verbindungslinie bewegt, die nach dieser raumzeitlichen Metrik die längste ist
(Geodäte), was wegen der erwähnten Vorzeichenwahl die räumlich kürzeste Strecke
bedeutet. Dort wo die Raumzeit flach ist, ist die Geodäte die gerade
Verbindungslinie der beiden Punkte. Umgerechnet in die üblichen Koordinaten für
Ort und Zeit gibt sie eine gleichförmige Bewegung auf dem räumlich kürzesten
Weg, also längs der räumlichen Verbindungsgeraden. Das entspricht dem
Trägheitsgesetz der klassischen Mechanik für den völlig kräftefreien Körper.
Bei einer gekrümmten Raumzeit entspricht eine Geodäte im Allgemeinen einer
beschleunigten Bewegung längs einer räumlich gekrümmten Bahn. Die durch die
Anwesenheit von Masse oder Energie verursachte Krümmung der Raumzeit wird durch
die einsteinschen Feldgleichungen gerade so festgelegt, dass die Geodäte eine
Bewegung wiedergibt, die genau der Bewegung des ansonsten kräftefreien Körpers
im herrschenden Gravitationsfeld entspricht (also freier Fall, Wurfparabel,
Planetenbahn etc.). Da die Masse des betrachteten Körpers dabei gar nicht
einfließt, gilt für Körper mit verschiedener Masse dieselbe Geodäte, d. h. sie
bewegen sich in einem gegebenen Gravitationsfeld gleich. Damit ist auch das
Äquivalenzprinzip erklärt, das in der klassischen Physik die Gleichheit von
schwerer und träger Masse feststellt. Die Gravitation tritt demnach nicht wie
in der klassischen Physik als eine bestimmte Kraft auf, die auf den Körper
wirkt und eine Beschleunigung verursacht, sondern als eine Eigenschaft der Raumzeit,
in der der Körper sich kräftefrei bewegt. Gravitation wird auf diese Weise als
ein rein geometrisches Phänomen gedeutet.
In diesem Sinne reduziert die allgemeine Relativitätstheorie
die Gravitationskraft auf den Status einer Scheinkraft: Wenn man auf einem
Stuhl sitzend fühlt, wie man durch eine „Gravitationskraft“ zur Erde hin
gezogen wird, deutet die ART dies so, dass man von der Stuhlfläche fortwährend
daran gehindert wird, der Geodäte durch die von der Erdmasse gekrümmten
Raumzeit zu folgen, was der freie Fall wäre. Dabei ist die Kraft, mit der die
Stuhlfläche auf die Sitzfläche des Beobachters einwirkt, keineswegs eine
Scheinkraft. Sie geht letztlich zurück auf die elektrostatische Abstoßung bei
der Berührung der Atome der Stuhlfläche durch die Atome des Beobachters. Nach
der Sichtweise der allgemeinen Relativitätstheorie verschiebt sich also die
Interpretation der Ereignisse. Während nach der klassischen Mechanik die Erde
ein Inertialsystem darstellt, in dem die nach unten gerichtete Schwerkraft auf
den Beobachter durch die nach oben gerichtete Stützkraft des Stuhls
ausgeglichen wird, so dass der Beobachter in Ruhe bleiben kann, stürzt das nach
der allgemeinen Relativitätstheorie richtige Inertialsystem mit
Erdbeschleunigung g nach unten. Doch in diesem Inertialsystem übt der Stuhl
eine Kraft auf den Beobachter aus, die ihn konstant mit -g nach oben
beschleunigt.
Senkrecht frei fallende Körper hingegen, aber auch
Satelliten, Planeten, Kometen oder Parabelflüge folgen einer Geodäte durch die
Raumzeit. Ihre Bewegungen werden in der allgemeinen Relativitätstheorie als
(netto) kräftefrei angesehen, da die Erdmasse (oder Sonnenmasse) durch die
Raumzeitkrümmung die Definition davon beeinflusst, was im Sinne der Trägheit
von Körpern „geradeaus“ bedeutet. Direkter tritt die Raumzeitkrümmung z. B. in
astronomischen Beobachtungen in Erscheinung, in denen nachgewiesen werden
konnte (s. Abb.), dass große Massen die Krümmung von Lichtstrahlen bewirken.
Aufgrund des Relativitätsprinzips und der daraus folgenden
Invarianz gegenüber Lorentztransformationen trägt nicht nur Masse, sondern auch
jede Form von Energie zur Krümmung der Raumzeit bei. Dies gilt einschließlich
der mit der Gravitation selber verbundenen Energie. Daher sind die
einsteinschen Feldgleichungen nichtlinear. Sie lassen sich im Bereich schwacher
Krümmung durch lineare Gleichungen annähern, in denen sich das newtonsche
Gravitationsgesetz wiederfinden lässt. Gegenüber den nach dem newtonschen
Gesetz berechneten Phänomenen ergeben sich aber kleine Korrekturen, die durch
genaue Beobachtungen sämtlich bestätigt werden konnten (siehe Tests der
allgemeinen Relativitätstheorie). Völlig neue Phänomene jedoch ergeben sich bei
starker Krümmung der Raumzeit, hier insbesondere die schwarzen Löcher.
Gravitation und Quantentheorie
Quantengravitation, Quantenfeldtheorie
→ Hauptartikel: Quantengravitation und Quantenfeldtheorie
Im Rahmen einer Quantenfeldtheorie wird die Gravitation in
linearer Näherung durch den Austausch eines als Graviton bezeichneten
masselosen Teilchens beschrieben, das den Spin 2 hat. Darüber hinaus führt
schon die Formulierung einer Quantentheorie der Gravitation zu prinzipiellen
Problemen, die bisher ungelöst sind. Auch die supersymmetrische Erweiterung
führte bisher nicht zu einer konsistenten Theorie. Als derzeit
aussichtsreichste Kandidaten gelten die Stringtheorie und die
Loop-Quantengravitation. Ein wesentliches Ziel ist dabei, die Gravitation mit
den übrigen Wechselwirkungen zu einer „Großen Vereinheitlichten Theorie“ (GUT)
zu vereinen, um somit eine Theorie zu formulieren, die alle Naturkräfte auf
einmal beschreiben kann. Das bedeutet, dass die Gravitation, welche die Effekte
der Quantenfeldtheorie nicht berücksichtigt, um diese erweitert würde. Im
Rahmen der vereinigten Superstringtheorien, der M-Theorie, wird das Universum
als elfdimensionale Mannigfaltigkeit beschrieben. Dabei stellt der Teil des Universums,
in welchem wir existieren, eine höherdimensionale Membran (p-Brane) dar, die
selbst in eine noch höherdimensionalere Mannigfaltigkeit eingebettet ist, in
der noch weitere Branen schwingen könnten und somit parallele Raumzeiten
innerhalb desselben Universums darstellen. In der M-Theorie werden die
Gravitonen als geschlossene Strings dargestellt, die nicht an die Grenzen einer
Brane gebunden sind. Daher sind sie in der Lage, sich durch alle zusätzlichen
Raumdimensionen auszubreiten und auch in andere Branen zu gelangen. Auf diese
Weise wird die Stärke der Gravitation hinreichend abgeschwächt, so dass sie im
Rahmen unserer vierdimensionalen Erfahrungswelt als die schwächste der vier
Wechselwirkungen erscheint.
Quantenphysikalische Wirkungen des Gravitationsfelds
Die Wirkung des Gravitationspotentials auf die
quantenmechanische Phase der Wellenfunktion wurde 1975 durch ein
Interferenzexperiment an freien Neutronen nachgewiesen.[6] Die Wellenfunktion
und Energie von Neutronen, die einen im Gravitationsfeld gebundenen Zustand
besetzen, konnte 2012 ausgemessen werden.[7] In beiden Fällen bestätigen die
Messergebnisse die aufgrund der Quantenmechanik berechneten Voraussagen.
Spekulationen im Umfeld der Gravitation
Im Bereich der Science-Fiction gibt es zahlreiche Konzepte
einer gravitativen Abschirmung oder einer Antigravitation. Jenseits des
Wissenschaftsbetriebs bzw. des wissenschaftlichen Mainstreams gibt es immer
wieder Bemühungen, einen solchen Effekt nachzuweisen. Relative Bekanntheit
haben Experimente von Quirino Majorana, der um 1920 eine abschirmende Wirkung
durch schwere Elemente gefunden haben will[8] (entkräftet u. a. durch Henry
Norris Russell[9]), und von Jewgeni Podkletnow, der 1995 bei rotierenden
Supraleitern eine Abnahme der Gewichtskraft behauptete,[10] was allerdings
ebenfalls nicht bestätigt werden konnte.[11][12][13]
Gravitation auf der Erde
Gravitation (genauer: Erdbeschleunigung) im Erdinnern nach
dem seismischen PREM-Erdmodell, sowie Näherungen durch konstante und linear
nach innen zunehmende Gesteinsdichte.
→ Hauptartikel: Schwerefeld
Die Erde hat eine Masse von 5,974·1024 kg. Ihr Radius
beträgt an den Polen 6356 km bzw. wegen der Erdabplattung 6378 km am Äquator.
Daraus ergibt sich mithilfe des Gravitationsgesetzes von Newton, dass die
Gravitationsbeschleunigung zwischen 9,801 m s−2 (am Äquator) und 9,867 m s−2
(an den Polen) beträgt. Die tatsächlich wirksame Fallbeschleunigung weicht
jedoch von dem auf diese Weise berechneten Wert ab, man spricht deshalb auch
vom Ortsfaktor. Diese Ortsabhängigkeit, die auch die Richtung der
Fallbeschleunigung betrifft, hängt mit der Zentrifugalwirkung, die durch die
Erdrotation hervorgerufen wird, mit der Höhe des Standorts und mit lokalen
Schwereanomalien zusammen. Dementsprechend ist die Gewichtskraft im Schwerefeld
der Erde nicht nur eine reine Gravitationskraft im Sinne des
Gravitationsgesetzes.
Schwerelosigkeit
→ Hauptartikel: Schwerelosigkeit
Wenn von „Schwerelosigkeit“ gesprochen wird, ist (meist)
Gewichtslosigkeit gemeint, also nicht die Abwesenheit von Gravitation, sondern
die Abwesenheit eines spürbaren Gewichts als einer ihrer gewöhnlich bemerkbaren
Folgen. Dies tritt genau dann auf, wenn die (räumlich konstante) Gravitation
als einzige äußere Kraft überhaupt auf den Körper wirkt und alle im Normalfall
wirkenden Gegenkräfte fehlen.[14] Das geschieht etwa bei einem freien Fall im
Vakuum oder in einem Satelliten. Der freie Fall hat auf der Erde ein baldiges
Ende. Außerhalb der Erdatmosphäre ist es aber möglich, unentwegt um die Erde
herumzufallen, wenn die Bahngeschwindigkeit tangential zu einem Kreis um den
Erdmittelpunkt hinreichend groß ist. Für eine erdnahe Umlaufbahn ist die erste
kosmische Geschwindigkeit erforderlich, mit zunehmender Entfernung von der Erde
nimmt die erforderliche Geschwindigkeit kontinuierlich ab. Für lediglich durch
ihre Eigengravitation zusammengehaltene Körper begrenzen die Gezeitenkräfte die
möglichen Kreisbahnen, siehe Roche-Grenze.
Schwerelosigkeit ohne Bewegung relativ zur Verbindungslinie
zweier Himmelskörper, z. B. Erde und Sonne, ist an wenigen Stellen, den
sogenannten Lagrange-Punkten möglich. Dort heben sich die Gravitationskraft der
Erde, die Gravitationskraft der Sonne und die Zentrifugalkraft der Bahnbewegung
gegenseitig auf. Dies wird etwa für das Planck-Weltraumteleskop genutzt.
Nach dem klassischen Newtonschen Gravitationsgesetz ist im
Innern einer hohlen elliptischen oder kugelsymmetrischen homogenen
Massenverteilung, z. B. einer Kugelschale, die Gravitationskraft null. So heben
sich auch im Erdmittelpunkt alle Gravitationskräfte der Erdmassen auf und
lassen dort Schwerelosigkeit entstehen.
Gravisphäre
Nahe Massen haben mehr Einfluss auf die
Gravitationsbeschleunigung als ferne Massen. Daher sind auch um relativ kleine
Körper im Schwerefeld großer Körper Satellitenbahnen möglich. Der Raumbereich,
in dem dies der Fall ist, ist die Gravisphäre des jeweiligen
Himmelskörpers.[15] Aus dem gleichen Grund ist die Gravitationsbeschleunigung
eines unregelmäßig geformten Körpers nicht an allen Raumpunkten auf sein
Baryzentrum ausgerichtet.
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