Wurmloch im Kosmos
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/l-Jb45NIF7Q
Wurmlöcher sind theoretische Gebilde, die sich aus
speziellen Lösungen (Kruskal-Lösungen) der Feldgleichungen der allgemeinen
Relativitätstheorie ergeben. Erstmals wurden sie im Jahre 1935 von Albert
Einstein und Nathan Rosen beschrieben und deshalb ursprünglich
Einstein-Rosen-Brücke genannt.
Der Begriff wurde 1957 von John Archibald Wheeler
geprägt.[1][2] Der Name Wurmloch stammt von der Analogie mit einem Wurm, der
sich durch einen Apfel hindurchfrisst. Er verbindet damit zwei Seiten desselben
Raumes (der Oberfläche) durch einen Tunnel. Das beschreibt anschaulich die
besondere Eigenschaft der Kruskal-Lösungen, da diese zwei Orte im Universum
miteinander verbinden.
Simulation eines Blicks in ein Wurmloch, das den
gepflasterten Platz vor einem Hochhaus in Tübingen mit einer Dünenlandschaft am
Ärmelkanal verbindet.
Die allgemeine Relativitätstheorie erweitert den
anschaulichen euklidischen Raum der Alltagserfahrung zum allgemeineren Gebilde
der Raumzeit. Mathematisch gesehen ist die Raumzeit eine vierdimensionale,
pseudo-riemannsche Mannigfaltigkeit. Jegliche Form von Energie, wie etwa Masse,
Licht oder elektrische Ladung, ruft Veränderungen der geometrischen
Eigenschaften der Raumzeit hervor, die wiederum selbst einen Einfluss auf die
Bewegung der sich im Gebiet befindlichen Objekte haben. Dieser Einfluss ist die
Gravitation und man spricht dabei allgemein von einer Krümmung der Raumzeit. An
dieser Stelle sei angemerkt, dass es ein häufiger Fehler ist, wenn nur von
einer Krümmung des Raumes gesprochen wird, da auch die Zeit verzerrt wird,
wodurch Effekte, wie die gravitative Zeitdilatation, auftreten.
Das Gravitationsfeld einer spezifischen Energieverteilung
ist eine Lösung der Einsteingleichungen. Die bekannteste und einfachste ist die
Schwarzschild-Lösung, die das Gravitationsfeld einer homogenen, nicht geladenen
und nicht rotierenden Kugel beschreibt. Damit beschreibt sie in guter Näherung
auch das Gravitationsfeld der Erde oder eines Sterns im Außenraum. Fällt ein
Stern hingegen zu einem schwarzen Loch zusammen, genügen die
Schwarzschild-Koordinaten nicht, um das ganze Gebilde zu beschreiben. Am
Ereignishorizont des Objekts findet sich eine Koordinatensingularität, über die
die Schwarzschild-Koordinaten nicht hinausreichen. Es handelt sich nicht um
eine physikalische Singularität, da sie sich durch Wahl neuer Koordinaten
beheben lässt. Das geschieht mithilfe der Kruskal-Szekeres-Koordinaten, die
auch die Raumzeit im Innern des Ereignishorizontes beschreiben. Es zeigt sich,
dass es neben dem Außen- und Innenraum des schwarzen Loches noch dazu
äquivalente, gespiegelte Räume gibt. Somit zeichnet sich ein möglicher Übergang
zu einem weißen Loch ab, aus dem Materie zwar austreten, aber nicht in es
eindringen kann.
Die Verbindung zwischen den beiden Gravitationsanomalien
wird als Einstein-Rosen-Brücke und das gesamte Objekt als Wurmloch bezeichnet, speziell
bei Verbindung eines Schwarzen Lochs und eines Weißen Lochs als
Schwarzschild-Wurmloch, das nur in eine Richtung durchquerbar ist. Prinzipiell
ist es denkbar, dass Wurmlöcher zwei Orte derselben Raumzeit oder zwei
unterschiedliche Raumzeiten eines Multiversums miteinander verbinden.
Modelle
Es gibt bislang keine experimentellen Beweise für
Wurmlöcher. Wheeler und Fuller zeigten sogar 1962, dass Wurmlöcher in der
Allgemeinen Relativitätstheorie instabil sind.[3] Einige Wissenschaftler wie
Kip Thorne[4] gehen davon aus, dass eine Instabilität der Wurmlochverbindung
nur durch sogenannte exotische Materie verhindert werden könne und er
konstruierte unter der Annahme von deren Existenz Modelle in beider Richtungen
durchquerbarer Wurmlöcher (Morris-Thorne-Wurmloch 1988). Stephen Hawking
schließt nicht völlig aus, dass es durch hineinfallende Teilchen normaler
Materie trotzdem zu einem schnellen Zusammenbrechen des Wurmloches kommen
könnte. In seinem Buch Das Universum in der Nussschale stellt Hawking zahlreiche
Überlegungen dazu an, welche praktischen Auswirkungen nutzbare Wurmlöcher zur
Folge hätten.
Die exotische Materie hat die Eigenschaft, in einem
bestimmten Raumgebiet (dort, wo das Wurmloch sein soll) antigravitativ zu
wirken (genauer, es hat eine negative mittlere Energiedichte). Bisher ist keine
Möglichkeit bekannt, wie man exotische Materie herstellen, geschweige denn, wie
man damit Wurmlöcher bauen kann. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass man
für ein Wurmloch mit einem Meter Durchmesser exotische Materie äquivalent einer
Jupitermasse brauchen würde. Eventuell sind nur mikroskopische Wurmlöcher (das
heißt von der Größe weniger Atomradien) möglich, wenn exotische Materie
beziehungsweise negative Energiedichten im Spiel sind. Matt Visser von der
Universität von Victoria (Wellington) geht jedoch davon aus, dass auch sehr
kleine Mengen exotischer Materie zur Erzeugung von Wurmlöchern ausreichen.[5]
Visser spekulierte auch darüber, dass Varianten von Kosmischen Strings
Wurmlöcher in der Frühzeit des Universums erzeugt haben könnten, die heute über
den Gravitationslinseneffekt beobachtbar wären.[6]
Theoretisch wäre es möglich, aus einem passierbaren Wurmloch
eine Zeitmaschine zu machen[7], indem ein Ende auf relativistische
Geschwindigkeiten beschleunigt wird, ähnlich wie im Zwillingsparadoxon. Die
Diskussion darum, welche Schutzmechanismen (eventuell unter Einbeziehung der
Quantentheorie) dies hier und in anderen Fällen[8] verhindern (Chronology
Protection Hypothesis), wird zum Beispiel in dem Buch von Kip Thorne Black
holes and time warps geschildert.[9][10]
Science-Fiction
Science-Fiction, die sich im Rahmen der Wissenschaft bewegen
will, nutzt gerne Wurmlöcher, um Reisen im Weltraum zu beschleunigen. Die Serie
Deep Space Nine aus der Star-Trek-Reihe beispielsweise handelt von einer
abgelegenen Raumstation, die durch ein in der Nähe entdecktes Wurmloch große
strategische und wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Allerdings ist dieses
Wurmloch kein Wurmloch im eigentlichen Sinne, sondern eine künstlich erzeugte
Passage. Auch die mehrere Jahre laufende Serie Stargate bedient sich dieser
Technologie. In dem Kinofilm Donnie Darko wird dagegen die Existenz eines
Wurmlochs als Ausgangspunkt für eine paradoxe und vieldeutige Geschichte um
Zeitreisen, Schicksal und Metaphysik verwendet. Auch hier ist der Rahmen der
Geschichte aber nur scheinbar wissenschaftlicher Natur und wird mit zahlreichen
Elementen der Fantasy aufbereitet. Des Weiteren kommt im Film Déjà Vu –
Wettlauf gegen die Zeit eine Maschine vor, die mittels Wurmlöchern in die
Vergangenheit sehen, geringe Mengen Materie in die Vergangenheit schleusen und
die Vergangenheit sogar verändern kann. In dem Film Contact wird ein künstlich
hergestelltes Wurmloch dazu verwendet, um mit einer anderen Zivilisation
Kontakt aufzunehmen. In der Serie Sliders ist es möglich, per Wurmloch in
Parallelwelten zu reisen. In der Comicverfilmung Thor reisen die Götter zu
verbundenen Planeten ebenfalls durch ein Wurmloch. Eine weitere Referenz zu
Wurmlöchern ist Hauptbestandteil des Spielprinzips von Portal, in dem der
Spieler mittels eines Geräts durch zwei Portale Wurmloch-ähnliche Durchgänge
kreiert, um Hindernisse zu umgehen und Rätsel zu lösen. Im dritten Teil der
Crysis-Trilogie wird ebenfalls auf die Theorie von Wurmlöchern zurückgegriffen.
Diese Darstellung von Wurmlöchern in der Science-Fiction hat
allerdings wenig mit der oben beschriebenen Theorie gemein. So wird zum
Beispiel das Wurmloch häufig als ein zweidimensionales „Loch“ dargestellt, in
das Personen ein- und austreten. Laut der Theorie der Wurmlöcher ist die
Öffnung eines Wurmlochs allerdings kugelförmig. Auch ignorieren die meisten
Science-Fiction-Autoren die von der Theorie vorhergesagten enormen
Gezeitenkräfte. Aus wissenschaftlicher Sicht sind solche Fantasien daher
unrealistisch. Darstellungen von Wurmlöchern, die eher dem aktuellen
Kenntnisstand entsprechen, findet man in Das Licht ferner Tage von Stephen
Baxter und Arthur C. Clarke sowie – sehr detailliert – in den Büchern Diaspora
von Greg Egan und Contact von Carl Sagan als auch in dem
Weltenbau-Internetprojekt Orion's Arm.
Der 2014 erschienene Science-Fiction-Film Interstellar,
welcher unter Beratung des Wissenschaftlers Kip Thorne entstanden ist, bedient
sich ebenfalls der Thematik der Wurmlöcher. In diesem Film wird das Wurmloch,
wie es die Theorien beschreiben, als kugelförmiges Gebilde dargestellt.
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