Freitag, 31. Juli 2015

Angespannter Gold-Preis


Angespannter Gold-Preis

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/oRn0uFWJhmk

Eine mögliche Top-Bildung bei chinesischen Aktien könnte dem Goldpreis neuen Schwung verleihen. Doch die Lage am Goldmarkt bleibt insgesamt angespannt.

 

Wenn Chinas Konsumenten niesen, bekommt der welt-weite Goldmarkt einen Schnupfen. In Anlehnung an einen bekannten Ausspruch an der Börse („Wenn die VVall. Street niest, bekommt die ganze Welt einen Schnupfen") könnte man vielleicht so die Lage am Goldmarkt umschreiben. Denn China und seine Kon¬sumenten bilden mit ihrer Nachfrage nach dem Edel¬metall die mit Abstand grö߬te Käufergruppe am inter¬nationalen Goldmarkt. So haben sie im ersten Quartal 2015 laut den jüngst veröf-fentlichten Zahlen des Bran¬chenverbands World Gold Council (WGC) nahezu 273 Ton¬nen Gold erstanden, vor allem in Form von Schmuck (213,2

EXKURS: TOP UND BOTTOM   

 

Von Top und Bottom wird In der Charttechnik ganz all¬gemein gesprochen, wenn sich in einem Kursverlauf etwa einer Aktie oder eines Rohstoffs ein oberer (Top) oder unterer (Bottom) Wendepunkt herausbildet. Diese Wen¬depunkte sind naturgemäß schwer zu definieren und lassen sich mit letztendlicher Sicherheit immer nur im Nachhinein bestimmen. Wichtig ist es daher, eine Top-oder Bottom-Bildung nie isoliert zu betrachten, sondern stets im Zusammenhang mit anderen Faktoren, wie dem Handelsvolumen. Aber auch ein möglicher Zusammenhang zwischen Top- und Bottom-BiLdung bei verschiedenen Basiswerten kann hilfreich sein, wie eben der zwischen Chinas Aktienmärkten und dem Goldpreis.

 

Tonnen). Auf Platz zwei der weltweit größten Konsumen-tengruppe kommen die Verbraucher aus Indien, sie haben in den ersten drei Monaten insgesamt rund 192 Tonnen nachgefragt. Abgeschlagen auf Platz drei, vier und fünf rangieren die Konsumenten aus dem Nahen Osten (83,6 Tonnen), West- und Mitteleuropa (73,5 Tonnen) und den USA (32,3 Tonnen).

Aus Aktienanlegern werden Goldinvestoren. Diese Beob-achtung legt den Schluss nahe, dass China einen maßgeb¬lichen Einfluss auf die Entwicklung des Goldpreises haben könnte. Gestärkt wird diese Annahme durch einen weiteren, sehr interessanten Zusammenhang. In den zurückliegenden Jahrzehnten war immer wieder ein Wechsel zwischen Gold¬preis und der Nachfrage nach chinesischen Aktien festzu¬stellen. Bemerkenswert sind hierfür vor allem die Zeiträu¬me 2000/2001 und 2007/2008. In beiden Phasen kam es etwa im SSE Composite Index (Shanghai Stock Exchange

Composite Index), dem Leitindex an der Börse in Shanghai und wichtigsten Barometer für die Entwicklung am chine-sischen Aktienmarkt, zu einer Top-Bildung, die auf der Goldseite von einer Bottom-Bildung „kommentiert" wurde. Top- und Bottom-Bildung könnten in einem inneren Zusam-menhang stehen. Nämlich in dem, dass wenn der chinesi¬sche Aktienmarkt an Schwungkraft nach oben verliert, zumindest einige Anleger sukzessive in den Goldmarkt als Alternative umschichten und damit auch den Goldpreis ankurbeln. Anders herum funktioniert dieser Zusammenhang allerdings nicht unbedingt, da der Goldmarkt allein vom Han-delsvolumen her wesentlich kleiner als der Aktienmarkt ist. Werden aus Goldinvestoren Aktienanleger, hat das nur ei¬nen kleinen Effekt auf den ge¬samten Aktienmarkt in Shang-hai. Werden hingegen aus Ak¬tienanlegern Goldinvestoren, kann das sehr wohl den Gold¬preis beflügeln, weil einfach mehr Börsianer durch die glei¬che „Tür" wollen.

Top-Bildung in China? Vor die¬sem Hintergrund rückt die ak-tuelle Konstellation in den Blickpunkt. Der SSE Composite Index kann seit etwa einem Jahr

 

stark zulegen. Er ist von etwas mehr als 2.000 Punkten auf knapp 5.500 Punkte in der Spitze geklettert. Auch wenn er in den zurückliegenden Wochen etwas verloren hat, auf Sicht von fünf Jahren stellt er immer noch die gute Entwick¬lung vieler anderer Börsenplätze, etwa an der Wall Street und in Frankfurt, in den Schatten. Die fundamentale Recht¬fertigung der Outperformance soll an dieser Stelle nicht interessieren, hierüber gibt es ohnehin große Meinungsver¬schiedenheiten. Doch allein angesichts der extrem guten Performance könnte man das Gedankenexperiment durch-

spielen, dass der chinesische Aktienmarkt zumindest auf kurze Sicht überkauft ist, mithin eine Top-Bildung stattfin-det, die eine Korrekturphase zur Folge haben könnte.

Verhält sich dies so, könnte es zu Umschichtungen aus dem chinesischen Aktien- in den Goldmarkt kommen. Dies könn-te, wenn man andere Faktoren, die den Goldpreis negativ beeinflussen, erst einmal unberücksichtigt lässt, unter Umständen einen steigenden Goldpreis zur Folge haben. Zu einer ähnlichen Einschätzung scheint auch das WGC zu kommen, wenn es in seinem letzten Quartalsbericht schreibt: „Die Rallye am heimischen Aktienmarkt [gemeint sind die Börsen in Shanghai und Shenzhen; Anmerkung

n         GOLDNACHFRAGE NACH VERBRAUCHERGRUPPEN

in Tonnen

ETFs und Finanzprodukte

Technologie/ Industrie

Notenbanken

Münzen und Barren

Schmuck

-175   0         175

 

MÄRKTE & ZERTIFIKATE 1 AUGUST/SEPTEMBER 2015

der Redaktion] belastete auch im ersten Quartal die Gold-nachfrage [...]. Das nach wie vor vorhandene starke Inte¬resse an Goldschmuck wurde durch den Umstand unter¬graben, dass die chinesischen Konsumenten ihren Fokus auf den Aktienmarkt richteten." Und in Bezug auf die Be¬wertung chinesischer Aktien: „Die Bewertung der Aktien wurde deutlich ausgeweitet, sie beginnt schaumig auszu¬sehen." Letzteres soll wohl heißen, dass der „Schaum" vielleicht bald in sich zusammenfallen könnte, sprich die Kurse der chinesischen Aktien zurückkommen.

Lage am Goldmarkt bleibt dennoch kritisch. Natürlich steckt hinter dem aufgezeigten Zusammenhang kein Au¬tomatismus. Zudem ist nicht sicher, ob Chinas Aktienmarkt wirklich in eine längere Korrekturphase hineinläuft. Das fundamentale Umfeld hat sich in China, trotz einiger Ri¬siken, deutlich verbessert. Des Weiteren gibt es Faktoren, die den Goldpreis belasten. Denn nach wie vor scheint die Inflation kein Thema zu sein, weder in China noch in den westlichen Industrienationen. Außerdem könnte eine mög¬liche Leitzinserhöhung in den USA den Goldpreis belasten. Da Gold keine Zinsen abwirft, wird seine Attraktivität bei steigenden Zinsen geschmälert.

All diese Punkte dürften letztendlich auch dazu beigetra¬gen haben, dass die Nachfrage nach Gold im ersten Quar¬tal 2015 im Vergleich zum Vorjahresquartal in einigen Bereichen rückläufig war. Vor allem bei Münzen, Bar¬ren und Schmuck sind nach den Daten des WGC signi-

            fikante Einbußen festzustel-

len. Wurden im ersten Quartal Letzten Jahres noch 620 Tonnen Gold als Schmuck weltweit nachge¬fragt, waren es in den ers¬ten drei Monaten 2015 nur noch rund 600 Tonnen. Bei Barren und Münzen fiel die Nachfrage von knapp 282 auf 253 Tonnen, aus der Industrie wurden unter dem

           

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