Angespannter Gold-Preis
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/oRn0uFWJhmk
Eine mögliche Top-Bildung bei chinesischen Aktien könnte dem
Goldpreis neuen Schwung verleihen. Doch die Lage am Goldmarkt bleibt insgesamt
angespannt.
Wenn Chinas Konsumenten niesen, bekommt der welt-weite
Goldmarkt einen Schnupfen. In Anlehnung an einen bekannten Ausspruch an der
Börse („Wenn die VVall. Street niest, bekommt die ganze Welt einen
Schnupfen") könnte man vielleicht so die Lage am Goldmarkt umschreiben.
Denn China und seine Kon¬sumenten bilden mit ihrer Nachfrage nach dem
Edel¬metall die mit Abstand grö߬te Käufergruppe am inter¬nationalen Goldmarkt.
So haben sie im ersten Quartal 2015 laut den jüngst veröf-fentlichten Zahlen
des Bran¬chenverbands World Gold Council (WGC) nahezu 273 Ton¬nen Gold
erstanden, vor allem in Form von Schmuck (213,2
EXKURS: TOP UND BOTTOM
Von Top und Bottom wird In der Charttechnik ganz all¬gemein
gesprochen, wenn sich in einem Kursverlauf etwa einer Aktie oder eines
Rohstoffs ein oberer (Top) oder unterer (Bottom) Wendepunkt herausbildet. Diese
Wen¬depunkte sind naturgemäß schwer zu definieren und lassen sich mit
letztendlicher Sicherheit immer nur im Nachhinein bestimmen. Wichtig ist es
daher, eine Top-oder Bottom-Bildung nie isoliert zu betrachten, sondern stets
im Zusammenhang mit anderen Faktoren, wie dem Handelsvolumen. Aber auch ein
möglicher Zusammenhang zwischen Top- und Bottom-BiLdung bei verschiedenen
Basiswerten kann hilfreich sein, wie eben der zwischen Chinas Aktienmärkten und
dem Goldpreis.
Tonnen). Auf Platz zwei der weltweit größten
Konsumen-tengruppe kommen die Verbraucher aus Indien, sie haben in den ersten
drei Monaten insgesamt rund 192 Tonnen nachgefragt. Abgeschlagen auf Platz
drei, vier und fünf rangieren die Konsumenten aus dem Nahen Osten (83,6
Tonnen), West- und Mitteleuropa (73,5 Tonnen) und den USA (32,3 Tonnen).
Aus Aktienanlegern werden Goldinvestoren. Diese Beob-achtung
legt den Schluss nahe, dass China einen maßgeb¬lichen Einfluss auf die
Entwicklung des Goldpreises haben könnte. Gestärkt wird diese Annahme durch
einen weiteren, sehr interessanten Zusammenhang. In den zurückliegenden
Jahrzehnten war immer wieder ein Wechsel zwischen Gold¬preis und der Nachfrage
nach chinesischen Aktien festzu¬stellen. Bemerkenswert sind hierfür vor allem
die Zeiträu¬me 2000/2001 und 2007/2008. In beiden Phasen kam es etwa im SSE
Composite Index (Shanghai Stock Exchange
Composite Index), dem Leitindex an der Börse in Shanghai und
wichtigsten Barometer für die Entwicklung am chine-sischen Aktienmarkt, zu
einer Top-Bildung, die auf der Goldseite von einer Bottom-Bildung
„kommentiert" wurde. Top- und Bottom-Bildung könnten in einem inneren
Zusam-menhang stehen. Nämlich in dem, dass wenn der chinesi¬sche Aktienmarkt an
Schwungkraft nach oben verliert, zumindest einige Anleger sukzessive in den
Goldmarkt als Alternative umschichten und damit auch den Goldpreis ankurbeln.
Anders herum funktioniert dieser Zusammenhang allerdings nicht unbedingt, da
der Goldmarkt allein vom Han-delsvolumen her wesentlich kleiner als der
Aktienmarkt ist. Werden aus Goldinvestoren Aktienanleger, hat das nur ei¬nen
kleinen Effekt auf den ge¬samten Aktienmarkt in Shang-hai. Werden hingegen aus
Ak¬tienanlegern Goldinvestoren, kann das sehr wohl den Gold¬preis beflügeln,
weil einfach mehr Börsianer durch die glei¬che „Tür" wollen.
Top-Bildung in China? Vor die¬sem Hintergrund rückt die
ak-tuelle Konstellation in den Blickpunkt. Der SSE Composite Index kann seit
etwa einem Jahr
stark zulegen. Er ist von etwas mehr als 2.000 Punkten auf
knapp 5.500 Punkte in der Spitze geklettert. Auch wenn er in den
zurückliegenden Wochen etwas verloren hat, auf Sicht von fünf Jahren stellt er
immer noch die gute Entwick¬lung vieler anderer Börsenplätze, etwa an der Wall
Street und in Frankfurt, in den Schatten. Die fundamentale Recht¬fertigung der
Outperformance soll an dieser Stelle nicht interessieren, hierüber gibt es
ohnehin große Meinungsver¬schiedenheiten. Doch allein angesichts der extrem
guten Performance könnte man das Gedankenexperiment durch-
spielen, dass der chinesische Aktienmarkt zumindest auf
kurze Sicht überkauft ist, mithin eine Top-Bildung stattfin-det, die eine
Korrekturphase zur Folge haben könnte.
Verhält sich dies so, könnte es zu Umschichtungen aus dem
chinesischen Aktien- in den Goldmarkt kommen. Dies könn-te, wenn man andere
Faktoren, die den Goldpreis negativ beeinflussen, erst einmal unberücksichtigt
lässt, unter Umständen einen steigenden Goldpreis zur Folge haben. Zu einer ähnlichen
Einschätzung scheint auch das WGC zu kommen, wenn es in seinem letzten
Quartalsbericht schreibt: „Die Rallye am heimischen Aktienmarkt [gemeint sind
die Börsen in Shanghai und Shenzhen; Anmerkung
n GOLDNACHFRAGE
NACH VERBRAUCHERGRUPPEN
in Tonnen
ETFs und Finanzprodukte
Technologie/ Industrie
Notenbanken
Münzen und Barren
Schmuck
-175 0 175
MÄRKTE & ZERTIFIKATE 1 AUGUST/SEPTEMBER 2015
der Redaktion] belastete auch im ersten Quartal die
Gold-nachfrage [...]. Das nach wie vor vorhandene starke Inte¬resse an
Goldschmuck wurde durch den Umstand unter¬graben, dass die chinesischen
Konsumenten ihren Fokus auf den Aktienmarkt richteten." Und in Bezug auf
die Be¬wertung chinesischer Aktien: „Die Bewertung der Aktien wurde deutlich
ausgeweitet, sie beginnt schaumig auszu¬sehen." Letzteres soll wohl
heißen, dass der „Schaum" vielleicht bald in sich zusammenfallen könnte,
sprich die Kurse der chinesischen Aktien zurückkommen.
Lage am Goldmarkt bleibt dennoch kritisch. Natürlich steckt
hinter dem aufgezeigten Zusammenhang kein Au¬tomatismus. Zudem ist nicht
sicher, ob Chinas Aktienmarkt wirklich in eine längere Korrekturphase
hineinläuft. Das fundamentale Umfeld hat sich in China, trotz einiger Ri¬siken,
deutlich verbessert. Des Weiteren gibt es Faktoren, die den Goldpreis belasten.
Denn nach wie vor scheint die Inflation kein Thema zu sein, weder in China noch
in den westlichen Industrienationen. Außerdem könnte eine mög¬liche
Leitzinserhöhung in den USA den Goldpreis belasten. Da Gold keine Zinsen abwirft,
wird seine Attraktivität bei steigenden Zinsen geschmälert.
All diese Punkte dürften letztendlich auch dazu beigetra¬gen
haben, dass die Nachfrage nach Gold im ersten Quar¬tal 2015 im Vergleich zum
Vorjahresquartal in einigen Bereichen rückläufig war. Vor allem bei Münzen,
Bar¬ren und Schmuck sind nach den Daten des WGC signi-
fikante
Einbußen festzustel-
len. Wurden im ersten Quartal Letzten Jahres noch 620 Tonnen
Gold als Schmuck weltweit nachge¬fragt, waren es in den ers¬ten drei Monaten
2015 nur noch rund 600 Tonnen. Bei Barren und Münzen fiel die Nachfrage von
knapp 282 auf 253 Tonnen, aus der Industrie wurden unter dem
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