Berühmtester Golfplatz
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/t0TKaSraT1A
Der Old Course von St. Andrews ist der berühmteste
Golfplatz.
Die Steinbrücke ist nur knapp zehn Meter lang, rund
zweieinhalb Meter breit und erhebt sich noch nicht einmal zwei Meter über den
Swilcan Burn, jenen kleinen Bachlauf, der sich quer über das erste und
achtzehnte Fairway des Old Course von St. Andrews zieht. Und doch ist die mehr
als 700 Jahre alte Swilcan Bridge eine Ikone des Golfs. Sie gilt als das
Wahrzeichen des berühmtesten Golfplatzes der Welt. Das kleine Bauwerk mitten-
auf der achtzehnten Spielbahn ist so markant, dass eine Nachbildung im Museum
der World Golf Hall of Fame in St. Au-gustine in Florida ausgestellt wird.
Jeder Golfer, der das erste Mal die ursprüng-lich für Schafherden erbaute
Brücke überquert, bleibt für ein Erinnerungsfoto stehen, selbst Profis wollen
diesen Moment festgehalten wissen. Denn jeder weiß, dass auf diesen alten
Steinen alle Legenden des Spiels gestanden haben, dass auf diesem kleinen Steg,
immer wenn die Bri-tish Open in St. Andrews gastiert, der Sieger des ältesten
und wichtigsten Golfturniers der Welt mit der Trophäe posiert, dem Claret Jug,
der Rotweinkanne, eine Tradition, die auch an diesem Montag am Ende des i44.
Turnieres The Open Championship, wie es offiziell heißt, fortgeführt werden
wird.
Warum die Swilcan Bridge als Fotomotiv so beliebt ist,
vermittelt fast jede dort geschossene Aufnahme: Im Hintergrund sieht man das
1854 erbaute neo-klassizisti-sche Clubhaus des Royal and Ancient Golf Club of
St Andrews (R&A), rechts daneben Hamilton Hall, ein ehemaliges Grand Hotel,
das später als Studenten-wohnheim diente und in dem sich jetzt Luxus-Apartments
befinden, die für mehr als eine Million Pfund (443 Millionen Euro) angeboten
werden. Am rechten Bildrand ist die Links Road zu sehen, in der neben
Clubhäusern weiterer Golfclubs, einem altehrwürdigen Hotel und Geschäften auch
ein paar Privathäuser stehen, die zu Preisen gehandelt werden, die der kurzen
Straße den Ruf eintrugen, die teuerste in ganz Schottland zu sein. Erst im
April wurde ;The Wynd an The Links", ein Haus mit vier Schlafzim-mern, für
2,25 Millionen Pfund (3,22 Millionen Euro) verkauft. Mehr Geld wech-
selte in diesem Jahr bei keinem Immobiliengeschäft in
Schottland den Besitzer. Dass die Apartments und Häuser, die einen freien Blick
auf den Old Course bieten, so horrende Preise erzielen, daran trägt die British
Open die Hauptschuld. Das dritte Major des Jahres ist auf diesem Platz nun
schon zum 29. Mal zu Gast, mehr als auf jedem anderen der neun weiteren
derzeitigen Austragungsorte. Seit 1990 kehrt es im Fünf-Jahres-Rhythmus nach
St. Andrews zurück, nur für die 15o. Auflage des Turniers wird eine Ausnahme
gemacht: Deshalb findet das nächste Open erst 2021 auf dem Old Course statt.
Während der Open-Woche bieten sich von Fenstern und Balkonen
an der Links Road herrliche Blicke auf die erste und die achtzehnte Spielbahn,
ohne dass man dafür Eintritt zahlen muss. Da nur die schmale, öffentliche Links
Road Häuser und Platz trennen, kann die Aussicht nicht durch Tribünen verstellt
werden. So beginnt und endet eine Runde auf dem Old Course mitten in der
malerischen Kleinstadt an der Nordsee. Wenige Schritte hinter dem ersten
Abschlag und dem achtzehnten Grün warten schon die ersten Pubs, um den Durst
von Fans, Cad-dies und oft auch von Teilnehmern zu stillen. Ganz
selbstverständlich begegnet man in der 18 000 Einwohner zählenden Stadt immer
wieder den Stars des Sports.
"In St. Andrews herrscht bei einer Open eine einmalige
Atmosphäre", sagt Bernhard Langer, der in diesem Jahr schon zum sechsten
Mal in St. Andrews beim Saisonhöhepunkt mitspielte. Die
Stadt, in der seit dem 15. Jahrhundert die Schläger
geschwungen werden, vermarktet sich stolz als „Home of Golf", ein
Anspruch, der nicht nur durch die frühen urkundlichen Erwähnungen des Spiels an
diesem Küstenstreifen belegt wird. The Open begann zwar 186o in Prestwick an
der Westküste von Schottland. Aber seit der Royal and Ancient Golf Club of St
Andrews (R&A) als Veranstalter fungiert und das Turnier 1873 erstmals in
seinem Heimatort veranstaltete, wuchs das Turnier in seiner Bedeutung. Zudem
wachte der R&A weltweit gemeinsam mit dem für die Vereinigten Staaten und
Mexiko zuständigen amerikanischen Golfverband über die Golfregeln. Mittlerweile
hat der Club beide Funktionen an die 2004 gegründete R&A Championship
Limited abgeben, aber auch die Büros der R&A Ltd. befinden sich noch immer
in dem herrschaftlichen Clubhaus des 2400 Mitglieder zählenden Vereins -
darunter sind seit September vergangenen Jahres auch Frauen.
So dreht sich nicht nur in der Open-Woche in St. Andrews
alles um das Spiel mit dem kleinen Ball. Der Old Course ist längst für jeden
Golfer zu einer Art Pilgerstätte geworden. Mindestens einmal im Leben muss man
auf den Spuren aller Golfgrößen wandeln. Ein Vergnügen, das während der
Hochsaison 170 Pfimd (185 Euro) kostet. Trotzdem ist der Platz so stark
nachgefragt, dass der Links Trust 2008 einen weiteren spektakulären
Links-Platz, den Castle Course, bauen ließ. Ein paar Kilometer weiter entstanden
im Jahr 2000 mit Hilfe des R&A die Kingsbarns Golf Links, ein Platz, der
die landschaftliche Schönheit und Spielbahnen entlang der Nordsee aufweist, die
man auf dem Old Course vergebens sucht.
Aber während moderne Golfplätze wie Kingsbarns „fair"
sein wollen - das heißt, dass gute Schläge belohnt und schlechte bestraft
werden -, verweigert sich der Old Course diesem Credo. Er kann eher als
Metapher fürs Leben herhalten, in dem es ebenfalls nicht immer gerecht zugeht.
Auf den Platz übertragen, heißt das: Auf den welligen Fairways kann der Ball
auch nach einem guten Schlag in einer misslichen Lage, im dichten Rough aus
Ginster und Heidekraut oder in einem der Potbunker landen, in einer der 112
tie-
• fen
Sandkuhlen, die oft vom Abschlag aus gar nicht zu sehen sind. Doch auf die
Spitze getrieben wird das alles am berühmt-berüchtigten siebzehnten Loch, dem
Road Hole. Den Abschlag muss man über den ehemaligen Schuppen des Bahnhofs
zirkeln, der heute als Verwal-tungsgebäude des Old Course Hotels fungiert. Wer
dem Ball einen Slice (Rechtsdrall) mitgibt, landet im Garten des Hotels,
manchmal sogar auf dem Dach. Beim zweiten Schlag gilt es, den tiefen Bunker vor
dem Grün zu vermeiden und wer den Ball über das Grün schlägt, muss ihn vom
asphaltierten Weg aus spielen. Wer gar auf dem Rasenstreifen vor der den Platz
begrenzenden Mauer landet, dem bleibt meist keine andere Wahl, als den Ball
gegen diesen Wall zu spielen und zu hoffen, dass er irgendwie aufs
Grün springt, so, wie es der Spanier Mi-,
viel Angel Jiminez 2005 zur Begeiste-
rung der Fans vorführte. „Wenn ich heute ein solches Loch
auf einem Golfplatz bauen würde", behauptet der renommierte amerikanische
Golfplatz-Architekt Robert Trent Jones jun., „würden mich die Auftraggeber für
verrückt erklären."
Selbst für viele Weltklassegolfer ist die erste Runde auf
dem Old Course deshalb meist keine Offenbarung. Nur selten ist es Liebe auf den
ersten Blick, wie für Tiger Woods, der seit 1995 bei jeder Open in St. Andrews
dabei war, 2000 und 2005 siegte und heute den Old Course als seit nen
Lieblingsplatz auf der ganzen Welt bezeichnet. „Fast jeder, der den Old Cour-se
zum ersten Mal spielt, versteht ihn nicht", behauptet Phil Mickelson, der
Bri-tish-Open-Sieger von 2013. „Man weiß nicht, wo der Ball von den kleinen
Hü-geln im Fairway hin springt. Aber je mehr man ihn spielt, desto mehr schätzt
man ihn", behauptet Mickelson. Als Zeuge für diese Behauptung führt der 45
Jahre alte Linkshänder die Legende Bobby Jones an. Der Amateur aus Atlanta
hatte 1921 bei der British Open in der dritten Runde die Nase von seinen
Ausflügen in die Topfbunker gestrichen voll. Als er am elften Loch; einem Par
3, auch nach vier Bunkerschlägen immer noch nicht den Ball aufs Grün befördert
hatte, verließ er frustriert den Platz und schimpfte kräftig über den Old
Course. Sechs Jahre später kehrte er als Titelverteidiger auf den Platz zurück
und gewann als erster Amateur zwei Mal nacheinander The Open Championship. Im
Jahre 1930 holte sich Jones erst bei den British Amateur. auf dem Old Course
den Titel und triumphierte dann bei der British Open im Royal Liverpool Golf
Club. Nach seinen drei Erfolgen in St. Andrews hatte sich Jo-nes' Meinung über
diesen Links Course um 18o Grad gedreht. Aus der tiefen Abneigung war eine
große Liebe geworden: „Wenn man mir im Leben alles bis auf meine Erfahrungen in
St. Andrews nehmen würde, hätte ich trotzdem ein reiches und erfülltes Leben
geführt." Die Stadt erwiderte seine Zuneigung und überreichte ihm als
zweitem Amerikaner nach Benjamin Franklin (1759) im Jahr 1958 den Schlüssel zur
Stadt - eine Geschichte, die erklärt, warum der Old Course von St. Andrews als
einer der magischen Orte des Golfs gilt.
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