Weisse Zwerge Sterne
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/4cdi27rBGZk
Insgesamt 1816 Exoplaneten haben Astronomen laut dem
„Exoplanet Archive" der US-Weltraumagentur NASA bis zum März 2015
aufgespürt. Diese Zahl wird weiter steigen, da die Forscher inzwischen davon ausgehen,
dass fast alle sonnenähnlichen Sterne von Planeten umkreist werden. Allerdings
tun sie das nicht ewig. Denn sobald der nukleare Brennstoff ihres Sterns
erschöpft ist, bläht sich dieser zum Roten Riesen auf und verschluckt dabei
alle ihm nahen Planeten. Übrig bleibt ein ausgebranntes, extrem dichtes
Gebilde: ein Weißer Zwerg. Solche Sternruinen sind ungefähr so schwer wie die
Sonne, aber nur so groß wie die Erde (bild der wissenschaft 2/2012, „Sterne mit
Burn-Out" ). Sie küh-
Kompakt
Um Weiße Zwerge können lebens-freundliche Planeten kreisen.
Wenn ihre Atmosphäre schwere Elemente enthält, könnte das
ein Hinweis auf erdähnliche Planetensysteme sein.
Möglicherweise haben Astronomen beobachtet, wie ein kleiner
Gesteinsplanet durch einen Weißen Zwerg zerrissen wurde.
von Franziska Konitzer
len im Verlauf von Jahrmilliarden langsam ab, umkreist von
den Trümmern ihres einstigen Planetensystems.
Es ist keine besonders freundliche Um-gebung, die da
zunehmend in den Fokus von Forschern wie Eric Agol von der Universität
Washington gerät. Im Astrophysi-cal Journal schlug er vor, die Suche nach
erdähnlichen Planeten auf Weiße Zwerge auszudehnen, die bislang von den
Planetenjägern ignoriert wurden. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass auch
unsere eigene Sonne während ihrer Riesenphase in 7,6 Milliarden Jahren Merkur
und Venus zerstören wird und dabei die Erde nicht verschont (bild der
wissenschaft 11/2007, "Flammendes Finale").
„Ein Weißer Zwerg ist kühler als die Sonne. Deshalb liegt
die habitable Zone bei etwa einem Hundertstel des Abstands, den die Erde von
der Sonne hat", sagt Agol. Diese Zone ist der Temperaturbereich, in dem
flüssiges Wasser vorkommen könnte — eine notwendige Bedingung für erdähnliches
Leben, daher „habitabel" ( „bewohnbar" ).
Ein Roter Riesenstern entfaltet seine Zerstörungskraft also
genau in jener Region, die später die habitable Zone um den Weißen Zwerg
einschließt — keine gute Voraussetzung für Planeten dort. Allerdings hält Agol
es für möglich, dass ein Planet von außen in die Nähe des Weißen Zwergs wandert
und dort in einer stabilen Umlaufbahn bleibt. Alternativ könnten sich neue
Planeten aus der Staub- und Trümmerscheibe um den Weißen Zwerg bilden. Genug
Zeit wäre dafür auf jeden Fall, meint Agol: „Weiße Zwerge kühlen langsam ab.
Ein Planet in der habitablen
Zone würde rund acht Milliarden Jahre bei Temperaturen
zwischen denen von Mars und Venus verbringen. Das ist eine lange Zeit, in der
es dort Wasser geben könnte."
Zehntausende Weißer Zwerge
Auch Abraham Loeb von der Havard-Universität und Dan Maoz
von der Uni-versität Tel Aviv sind optimistisch: Ihre Modellrechnung legt nahe,
dass mehrere der 500 erdnächsten Weißen Zwerge Planeten in der habitablen Zone
beher-bergen.
„Es wäre möglich, solche Planeten mit Teleskopen auf der
Erde aufzuspüren", sagt Agol. Bislang sind allerdings nur rund 10 000
Weiße Zwerge bekannt, was nach kosmischen Standards nicht viel ist. Agol
schätzt aber, dass die aktuelle Himmelsdurchmusterung Gaia der euro-päischen
Weltraumagentur ESA sowie das Large Synoptic Survey Telescope, das derzeit in
Chile gebaut wird, Zehntausende von Weißen Zwergen ausfindig machen werden.
Zwar ist bislang noch kein Planet um einen Weißen Zwerg
nachgewiesen worden, aber: „Es gibt definitiv Überreste von
Planetensystemen", sagt Boris Gän-sicke, Astrophysiker an der britischen
Universität Warwick. „Und Weiße Zwer- = ge eignen sich derzeit am besten, um
etwas über die Zusammensetzung solcher Systeme herauszufinden."
Den ersten Hinweis auf derartige Über-reste fand Adriaan van
Maanen schon vor . fast 100 Jahren. Der niederländische For-scher ist in der
Astronomiegeschichte alsPechvogel bekannt: Anfang des 20. Jahrhunderts tobte
eine heftige Debatte, ob helle Spiralnebel wie der Andromeda-nebel Teil unserer
Galaxie sind oder vielmehr eigenständige Sterneninseln. Unterstützung fanden
die Vertreter der ersten Theorie in van Maanens Entfernungsberechnung der
Spiralnebel. Doch später stellte sich heraus: Der Astronom hatte sich gründlich
verrechnet, denn der An-dromedanebel ist eine extrem weit ent-fernte
Spiralgalaxie.
Auch im Fall des Weißen Zwergs hatte van Maanen kein
glückliches Händchen: 1917 untersuchte er den nach ihm benannten Van Maanens
Stern, einen 14 Lichtjahre entfernten Weißen Zwerg im Sternbild Fische. Die
charakteristischen Spektrallinien in seinem Licht, die von bestimmten
chemischen Elementen stammen, sollten eigentlich nur Wasserstoff und Helium
anzeigen. Denn alle schwereren Elemente müssten aufgrund der großen Schwerkraft
des Zwergsterns innerhalb kürzester Zeit aus der Atmosphäre in sein Inneres
sinken.
Doch Van Maanens Stern wies Spuren von Eisen, Kalzium und
Magnesium auf. Sie können nicht von dem Weißen Zwerg beziehungsweise seinem
Vorläuferstern
selbst stammen, sondern müssen von außen in seine Atmosphäre
gelangt sein. Van Maanen konnte seinen Fund aller-dings nicht richtig
einordnen, sondern hielt den Weißen Zwerg fälschlicherweise für einen
gewöhnlichen Stern. Somit verpasste er die Chance, den ersten Beleg von fremden
Planetensystemen zu er-kennen, lange bevor überhaupt ein Exo-planet
nachgewiesen wurde — das gelang erst 1995.
Staub aus dem Trümmerfeld
Inzwischen kennen Astrophysiker • die „Verschmutzer"
der Sternatmosphären: Die schweren Elemente stammen aus steinigen
Trümmerfeldern ähnlich dem Planetoidengürtel unseres Sonnensystems. „Weiter
außen gelegene Planeten stören die Bahnen dieser Asteroiden und schicken sie in
die Richtung des Weißen Zwergs", erklärt Boris Gänsicke. „Wenn sie dem
ausgebrannten Stern nahe genug kommen, werden sie durch die Gezeitenkräfte zerrissen
und bilden eine Staubscheibe um den Weißen Zwerg, die unseren Teleskopen als
zusätzliche Strahlung im Infrarotbereich erscheint." Dieses Material wird
anschließend vom WeißenZwerg eingefangen, und Astronomen sehen dadurch
zusätzliche Linien in seinem Lichtspektrum.
Zusammen mit Kollegen schätzte Gän-sicke 2014 die Häufigkeit
solcher Trüm-merfelder ab. Dafür untersuchten die Astronomen mit dem
Hubble-Weltraum-teleskop die Spektrallinien von 85 Weißen Zwergen mit einem
Alter von 20 bis 200 Millionen Jahren. Das Ergebnis: Jeder vierte bis jeder
zweite Weiße Zwerg hat Spuren von Metallen in der Atmosphäre. „Das weist auf
die Akkretion von Planetoiden hin. Und das sind richtig große Gesteinsbrocken,
die 10 oder 100 Kilometer messen", sagt Gänsicke (siehe Kasten oben „Ein
Planet wird zerrissen").
Spuren fremder Zivilisationen?
Dieses Material liefert den Forschern Auf-schlüsse über die
Zusammensetzung der Planetensysteme. Zwar ist ein einzelner Weißer Zwerg nur
eine winzige Stichprobe. „Das ist so, als ob wir von einzelnen Meteoriten, wie
wir sie zum Beispiel in der Sahara oder Antarktis finden, auf unser
ganzes Sonnensystem schließen wollten", sagt Gänsicke.
Doch aus den bislang un-tersuchten Weißen Zwergen lassen sich durchaus Trends
erkennen: „Insgesamt sind in fast allen Fällen Sauerstoff, Eisen, Silizium und
Magnesium die Haupt-bestandteile — und aus diesen Elementen besteht auch das
Gestein unserer Erde."
Ein spektakulärer Fund gelang Jay Farihi von der Universität
Cambridge und Kollegen im Jahr 2013. Im Fachmagazin Science beschreiben sie den
Nachweis eines Planetoiden, den der Weiße Zwerg GD 61 im Sternbild Perseus in
rund 150 Lichtjahren Entfernung von der Erde zerfetzt hatte. Dieser Planetoid
bestand wohl zu einem Viertel aus Wasser und ähnelte somit in seiner
Zusammensetzung Ceres, dem größten Objekt im Planetoidengürtel unseres
Sonnensystems. Demnach gab es in diesem System zumindest diejenige Zutat, die
als unabdingbar für biologische Aktivität gilt: Wasser.
Bleibt die Frage: Könnten die Astronomen auch Spuren von
vergangenen, vielleicht zerstörten Zivilisationen finden? „Im Prinzip
schon", sagt Gänsicke, „wenn wir ein Element in einem Weißen Zwerg
aufspüren, das in der Natur gar nicht oder sehr selten vorkommt, zum Beispiel
Tech-netium. Aber das ist Science-Fiction."
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