Gen-veränderte Dahlien Blumen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/rIw44CtaHd4
Die dunkle Dahlie ist für Kinopro-
duzenten das Sinnbild des Bösen.
Schon mehrfach haben sie einen „Film noir" nach ihr
benannt — „Die blaue Dahlie" aus dem Jahr 1946 etwa und „Die schwarze Dahlie"
von 2006, ein auf einem echten Mordfall beruhender Spielfilm. Floristen mussten
die verruchte Pflanze für die Cineasten künstlich einfärben. Doch das könnte
bald nicht mehr nötig sein: Im Juni 2014 meldete die japanische Universität
Chiba eine kleine Sensation. Es hieß, Gentechnologen hätten dort erstmals eine
blaue Dahlie erschaffen, indem sie mehrere Gene veränderten.
Genau genommen ist die Blume allerdings weiß mit violetten
Blütenspitzen — und nur mit viel Nachsicht kann man von Blau sprechen. Die
Designer der Blume laborierten weitgehend abgeschottet von der Öffentlichkeit,
und ihre Meldung erschien nur auf Japanisch, weshalb kaum jemand Notiz davon
nahm.
Schon Ende der 1990er-Jahre kam in der EU die erste
gentechnisch veränderte Schnittblume auf den Markt: eine violette Nelke des
aus-tralischen Konzerns Florigene. Mittlerweile gibt es fünf verschiedene
Kreationen in unterschiedlichen Flieder- und Lila-tönen. Vier weitere
gentech-nisch modifizierte Varianten begutachten die EU-Behörden gerade.
In Deutschland passiert al-
lerdings wenig: Die Zahl der
Wissenschaftler, die sich der gentechnisch veränderten
Blütenpflanzen annehmen, schrumpft Jahr für Jahr. „Die Nelken habe ich bisher
nur als Ausstellungsobjekte auf Kongressen gesehen", sagt einer der verbliebenen
namhaften Zierpflanzen-forscher, Thomas Debener vom Institut für
Pflanzengenetik an der Universität Hannover.
Nur bei wenigen Anbietern kann man die Gentech-Blumen
bekommen, etwa beim hessischen Blumengroßhändler Bigi. Die Floristen hierzulande
haben sich gar nicht erst an der Rarität versucht, weil sie
Widerstand aus der Anti-Gentechnik-Szene befürchten, mutmaßt
Debener.
Doch wer glaubt, dass es keine neuen „Gen-Blumen" gäbe,
nur weil in Deutschland nichts passiert, liegt falsch. In den USA, in Japan,
Australien und Neuseeland forschen Molekularbiologen emsig an genveränderten
Dahlien, Tulpen, Ro-sen, Chrysanthemen, Petunien und Lilien. Anders als in
Deutschland haben die Kunden dort offenbar kein Problem mit der Gentech-Zierde.
25 Millionen Nelken
In Japan und den USA gibt es Gentech-Rosen schon zu kaufen.
Hierzulande ist man beim Thema Gen-Veränderungen aber sehr skeptisch.
verkauft Florigene jedes Jahr weltweit. Proteste gab es
bisher nicht. Und seit 2011 ist auch eine gentechnisch veränderte Rose in den
USA im Handel, die es auf dem japanischen Markt schon länger gibt.
Die Blüten der Designerblumen sollen betörend duften und in
bunten Tönen leuchten. Und sie sollen wochenlang haltbar sein, damit sie bei
der Fahrt nach Übersee nicht verderben. Dafür macht man ihr Erbgut blind für
das natürliche
Reifegas Ethylen, dass das Grün welken lässt. Aber das
derzeit wichtigste Ziel formuliert Yoshi Tanaka, Chef der japanischen Firma
„Suntory", von der die Rose stammt: „Ein richtig schönes Meeroder Himmelblau,
davon träumen wir." Ein Blau so blau wie die Iris, wie der Enzian oder der
Himalaya-Scheinmohn. Aber bisher ist der blaue Traum noch violett.
Die Farbe der. Blüte hängt von der chemischen Struktur der
Anthocyane in der Pflanze ab. Und auch der Säuregrad verändert das
Farb-spektrum: Je saurer das Milieu, desto mehr verschiebt sich die Farbe in
Richtung Rosa, je basischer, desto blauer die Blüten. Und je mehr Aluminium in
der Knospe steckt, desto wahrscheinlicher öffnet sie sich in Blau.
Ein natürlicher Mangel
Rosen, Lilien und Nelken fehlt von Natur aus das Enzym, das
dafür sorgt, dass der blaue Farbstoff Delphinidin, ebenfalls ein Anthocyan, in
den Blumen gebildet wird. Indem Forscher dieses Gen zunächst aus Petunien,
später auch aus Veilchen in das Erbgut von Nelken und Rosen einfügten, konnten
die kommerziell erhältlichen violetten Sorten erzeugt werden. „Wir versuchen
nun blaue Farbstoffe aus der Iris und dem Himalaya-Scheinmohn in verschiedene
Schnittblumen zu integrieren, um ein schönes Blau hinzubekommen", erklärt
Tanaka. Doch die Farbe lässt sich nicht so einfach übertragen, weil der
Säuregrad und verschiedene Metallionen mit-mischen. Das erschwert die Züchtung.
Eine andere Krux liegt darin, dass die Gen-Forscher zunächst
eine Methode entwickeln müssen, um aus einer einzelnen erbgutveränderten Zelle
eine ganze Pflanze zu ziehen. Bei Petunien ist das einfach. Und für ihre
Dahlien entwickelten die Japaner 2013 eine Kulturmethode samt Nährmedien, in
denen sich die gentechnisch veränderten Zellen vermehren, schließlich Wurzeln
bilden und sprießen. Auch Chrysanthemen und Tulpen können erst seit Kurzem
gentechnisch verändert werden. „Da wird gewiss die eine oder an-dere Rarität
auf den Markt kommen", ist Kevin Davies überzeugt, Pflanzenforscher vom neuseeländischen
Food Industry Science Centre.
Ein neu gegründetes Start-up in Fort Collins im Bundesstaat
Colorado will das florierende Farbspiel auf die Spitze treiben: „Spiel mit
deinen Blumen" wirbt „Revolution Bio" auf seinen Web-Seiten und zeigt
in einem Video Petunien, die ihre Blütenfarbe von weiß nach pink wechseln. Eine
bislang geheime Komponente im Wasser, „die jeder zu Hause hat und die
unbedenklich ist", macht das möglich, erklärt die Chefin und
Firmengründerin Keira Havens. Der Stoff verschiebt den Säuregrad in den Blüten
und bewirkt so den Farbumschlag.
„Wir prüfen jetzt, ob unsere gentechnisch veränderten
Pflanzen robust sind", sagt Havens. Der neuseeländische For-
Kompakt
In Japan und den USA boomt der Markt für gentechnisch
veränderte Zier-pflanzen.
Die Farbmanipulation gelingt vor allem mit Molekülen aus der
Klasse der Anthocyane.
Ein Zusatzstoff im Wasser kann den 5.äuregrad von Petunien
so verändern, lass sie die Farbe wechseln.
scher Davies hat dabei seine Zweifel: „Der Säuregrad ist ganz
entscheidend für viele Funktionen der Pflanzen. Und es ist nicht so leicht, ihn
zu ändern, ohne dass sich das auf das Überleben der Pflanzen auswirkt."
Aus Rosa wird Lila
2016 sollen die Petunien mit schaltbarer Farbe auf den Markt
kommen, stellt Havens in Aussicht. Dem Unternehmen kommt dabei eine Neuerung
des amerikanischen Gentechnik-Rechts entgegen: Seit Kurzem müssen transgene
Pflanzen, die keine giftigen Bestandteile produzieren, nicht zum Verzehr
gedacht sind und auch keine Insektengifte oder Unkrautvernichtungsmittel
enthalten, nicht mehr speziell getestet werden. Es genügt, sie ausführlich zu
beschreiben. „Das sind vier bis sechs Monate Arbeit, mehr nicht", freut
sich Havens. Im März dieses Jahres will Revolution Bio rund 75 000 US-Dollar
als Startkapital einwerben.
Gemeinsam mit der niederländischen Arbeitsgruppe um
Francesca Quattroc-
chio von der Freien Universität Amsterdam arbeitet das
Unternehmen auch an Blüten, die ihre Farbe im Tagesverlauf verändern: morgens
violett, mittags pink und abends wieder violett zum Beispiel. Man wolle dafür
ein Protein entwickeln, dass genauso „tickt" wie die innere Uhr der
Blumen, so Davies. Quattrocchio fand heraus, dass die sogenannten pH-Proteine
den Säuregrad und damit die Farbe der Blüten von Rosa nach Lila verschieben.
Nun muss deren Produktion mit der inneren Uhr der Pflanzen verknüpft werden.
„Das ist nicht leicht", räumt Havens ein, „aber es wäre doch wundervoll,
wenn Rosen oder Lilien in einer Vase über den Tag hinweg ihre Farbe verändern."
Ob die Welt solche Designerblumen braucht, darüber gehen die
Meinungen auseinander: „Ich würde sie meiner Frau kaufen", meint der
Australier Davies. Doch Michael Antoniou vom King's College in London sagt:
Wenn ihm jemand solche Blumen mitbrächte, wäre er empört. Der
Molekulargenetiker hält sie nicht für überflüssig, mehr noch, er fürchtet die
Folgen der Gentechnik.
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