DNA Erbsubstanz
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/XjSZO0vgVLU
Die DNA ist nicht nur Trägerin der Erbinformation, sondern
auch Nano-Baumaterial. Durch geschickte Manipulation kann sie sich von selbst
zu erstaunlichen Strukturen falten.
Es funktioniert wie Kuchen backen", soll der
Bioinformatiker
Paul Rothemund einmal über
DNA-Origami gesagt haben. „Nur, dass man die Zutaten nicht
genau abwiegen muss." Tatsächlich könnte man die Vorgänge in einem
DNA-Origami-Labor für Handgriffe beim Backen halten: Man mischt ein langes
Gerüst der Erbsubstanz in einer Lösung mit kleineren DNA-Stückchen, heizt das
Ganze auf, kühlt sie langsam wieder ab — und erhält eine komplexe Struktur aus
DNA: Würfel, Tunnel, Käfigstrukturen. Wissenschaftler, die in dem
interdisziplinären Gebiet tätig sind, haben bereits unterschiedlichste
Aufbauten realisiert.
Knapp zehn Jahre ist es her, dass Paul Rothemund, der heute
am California Institute of Technology forscht, erstmals „Smileys" aus DNA
schuf. Benannt hat er die neue Disziplin nach der japanischen Faltkunst
Origami, bei der aus Papier durch exaktes Falten zwei- oder drei-dimensionale
Objekte wie Tiere oder geometrische Körper entstehen. Allerdings besteht ein
großer Unterschied zu DNA-Origami: Die komplexen DNA-Gebilde entstehen ganz von
selbst, ohne dass man sie etwa mit Werkzeugen in die gewünsch-te Form bringen
muss.
Das Prinzip der „Selbstassemblierung" ist in der Natur
allgegenwärtig: Schneeflocken, Virushüllen, Galaxien: die komple
xen Strukturen finden ganz von allein zusammen. Ein
praktischer Ansatz, der — könnte man ihn auf Technik und Industrie übertragen —
die Herstellung von winzigen Bauteilen deutlich vereinfachen würde. Dazu muss
es gelingen, intelligente Bausteine zu erschaffen, die die vorgegebene Struktur
bereits in sich tragen.
Im Fall der DNA sind diese Bausteine bereits vorhanden: Die
vier Basen Adenin, Guanin, Cytosin und Thymin sind auf g einem DNA-Molekül in
einer bestimmten Reihenfolge angeordnet. Dass diese Abfolge.
Die typische DNA-Doppelhelix ent-steht, wiederum durch
Selbstassemblie-rung, wenn ein zweiter Strang ins Spiel kommt, dessen Basen die
exakt komplementäre Anordnung aufweisen. So geht Adenin stets mit Thymin eine
chemische Bindung ein und Guanin stets mit Cyto-sin. Die zusammengehörigen
Basen werden daher als komplementär bezeichnet. „Das Schöne am DNA-Origami ist,
dass es so einfach ist", sagt Hendrik Dietz, Professor für Biophysik an
der Technischen Universität München. „Es verlangt keinerlei ausgefeilte
Algorithmen, wir arbeiten nur mit Basen-Komplementarität."
Moleküle wie Heftklammern
Das Ausgangsmaterial beim DNA-Ori-gami, gewissermaßen das
Papier, ist ein langer DNA-Einzelstrang, der meist von einem Virus stammt.
Damit er sich zur gewünschten Struktur faltet, kommen zusätzlich kurze
DNA-Stränge zum Einsatz. Sie werden im Englischen als „Staple-Strands"
bezeichnet, also „Heftklammern-Stränge". Wie Heftklammern halten sie den
DNA-Strang in der vorgegebenen Struktur. Diese kurzen Stränge müssen auch eine
bestimmte Basenabfolge aufweisen, damit sie ganz eindeutig nur an eine
bestimmte Stelle der Gerüst-DNA passt. „Die Klammer-Moleküle sind
nor-malerweise etwa 40 Basen lang", sagt Dietz. „Es gibt also 1,2 • 1024
verschiedene Möglichkeiten, wie sich die vier Basen auf die Plätze verteilen
können. Die Wahrscheinlichkeit, dass das komplementäre Motiv am Gerüststrang
mehr als einmal vorkommt, ist praktisch Null." Man
•
Nano-Maschine aus DNA: Italienische Forscher haben einen
Spezialbehälter mit einer Klappe für kleine Moleküle (braun) konstruiert.
muss also nur die richtige Abfolge von Basen auf den
Klammer-Molekülen bestimmen — und das erledigt der Computer für die
Wissenschaftler.
„Im Prinzip könnte man es sich aber auch auf einem Blatt
Papier überlegen", sagt Dietz: „Man zeichnet einfach die Struktur auf, die
man aus DNA bauen möchte. Dann versucht man, mit einer durchgängigen Linie
sämtliche Positionen in der Struktur abzufahren — wie beim Zeichenspiel ,Das
Haus vom Nikolaus'. Diese Linie entspricht dann dem Gerüst-Strang." Die
geeigneten Sequenzen für die Heftklammern bestimmt man schließlich, indem man
die Basenabfolge dieses Gerüst-Strangs an den entsprechenden Stellen abliest.
Ob mit dem Computer oder per Handzeichnung — sobald man die
richtigen Heftklammer-Moleküle zur Hand hat, geht es ans „Backen": mischen,
aufheizen, abkühlen, fertig! Dass man die Zutaten nicht genau abwiegen muss,
liegt daran, dass überschüssige Heftklammer-Moleküle einfach nicht in die
DNA-Struktur eingebaut werden. So, als ob sich ein
Kuchen nur so viel Mehl nimmt, wie er" braucht — auch
wenn man zu viel in den Teig gerührt hat.
„Wenn man genau darüber nachdenkt, ist es schon erstaunlich,
dass das überhaupt funktioniert", so Dietz. „Mittlerweile wissen wir aber
schon mehr über die Druck- und Temperaturbereiche, in denen die Assemblierung
klappt. Oft entscheiden ein paar Zehntelgrad Temperatur-unterschied, ob sich
die Strukturen bereitwillig falten oder nicht." In der Physik spricht man.
von Bereichen unterschiedlicher Phasen: Genauso, wie Wasser unter Normaldruck
bei zehn Grad Celsius nicht gefriert, gibt es auch für die DNA Druck-und
Temperaturbereiche, in denen sie in einen gefalteten Zustand übergeht — oder
eben nicht.
Eine Spezialsonde für Wirkstoffe
Das interdisziplinäre Forschungsgebiet der
DNA-Nanotechnologie ist noch jung, trotzdem gibt es bereits vielversprechende
Ansätze für künftige Anwendungen der DNA-Strukturen. Eine Idee, mit der sich
einige Forschungsgruppen beschäftigen, besteht darin, mithilfe der DNA-Objekte
medizinische Wirkstoffe zu erkrankten Zellen oder gar in die Zellen hinein zu
befördern. Im April gab beispielsweise eine italienische Gruppe um Giuseppe
Firrao von der Universität Udine bekannt, eine kleine DNA-Origami-Maschine
entwickelt zu haben: Sie könnte als Behälter für Medikamente zum Einsatz kommen
und hat eine Lasche, die sich unter bestimmten Umständen öffnet und das
Präparat freisetzt (siehe Illustration oben).
DNA-Strukturen werden in vielen Labors auch dafür verwendet,
nichtbiologische Partikel mit der Struktur zu verankern und sie so in einer
gewissen Position zueinander zu halten. Das kann für die Untersuchung der
Wechselwirkung dieser Partikel sinnvoll sein, oder auch zur Herstellung neuer
Materialien.
Das Team von Hendrik Dietz arbeitet unter anderem daran, DNA
als Gerüst zu benutzen, in das sich Proteine einlagern können. Auf diese Weise
könnte man Proteine ordnen, um sie mit kristallogra-fischen Methoden
analysieren zu können. DNA-Origami ist also längst keine wis-
senschaftliche Spielerei mehr.
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