Deutschlands lahmes WLAN
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/lSTqEJV98ik
Datenschwere Anwendungen wie Cloud-Dienste und Filme aus dem
Web verlangen nach immer schnelleren Internet-Verbindungen. Doch die gibt es
nicht überall.
Aufwendige Computerspiele, Videos in 3D, Rechnen in der
Cloud — all diese Anwendungen produzieren eine enorme Menge an Daten. Und die
sammeln sich oft nicht mehr auf der Festplatte des Rechners, dem Fernseher oder
der Spielkonsole an, sondern wandern durchs Internet. Das lässt den Datenstrom
dort rapide anschwellen. Damit das Online-Zocken nicht an lästigen Wartezeiten
scheitert, der Videofilm beim Abspielen übers Web nicht ruckelt und das
Arbeiten in der Datenwolke nicht zum nervenzeh-renden Ärgernis wird, müssen die
Bits und Bytes blitzschnell ihren Weg durch die Leitungen finden. Die
technische Lösung heißt Breitband-Internet, die Übertragung digitaler Daten mit
einer hohen Rate.
Die internationale Fernmeldeunion definiert ein System als
breitbandig, wenn es mindestens 20 Megabit Daten pro Sekunde (Mbit/s)
übertragen kann. Die schnellsten Internet-Verbindungen per Glasfaser schaffen
sogar fünfmal so viel. Kommerziell angeboten werden in einigen Regionen
Deutschland Anschlüsse mit maximal 50 Mbit/s. Doch die meisten Nutzer kommen
beim Surfen nicht annähernd auf ein solches Tempo.
In Deutschland liegt die durchschnittliche Geschwindigkeit bei der Datenübertragung laut
einem Report des US-Internet-Dienstleisters Akamai bei 7,6
Megabit pro Sekunde. Das ist im internationalen Vergleich
bloß durchschnittlich. Dabei sind stabile Highspeed-Verbin-dungen ins Internet
nicht nur für Gamer und Filmenthusiasten wichtig. Für Unter-nehmen sind sie ein
bedeutender Standortfaktor. Und bei Immobilien wirkt sich ihre Verfügbarkeit
direkt auf die Höhe der Miete aus. Aber längst nicht alle Orte in Deutschland
sind mit der schnellsten Breitband-Technologie ausgestattet. Laut einem Bericht
der Bundesregierung sind fast alle Deutschen mit Anschlüssen von wenigstens 1
Mbit/s versorgt. Doch das geschieht meist über Kupferkabel, die den
Internet-Zugang über die herkömmlichen Telefonleitungen ermöglichen — und die
bescheren längst nicht immer das erhoffte (und beim Provider bezahlte) Tempo.
Lange Leitung für die Daten
Über 80 Prozent der deutschen Haushalte surfen über DSL oder
ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line) im Internet, meist über Leitungen der
Deutschen Telekom. 15 Prozent nutzen das rückkanalfähige Kupferkoaxialkabel des
TV-Netzes (kurz: Kabel), die übrigen 5 Prozent der Internet-Nutzer wählen den
Weg über die Mobilfunk-Technologie LTE (Long Term Evolution) oder das
Glasfasernetz.
Das dominierende DSL hat seine Tü-cken: Wenn die Doppeladern
der Telefonleitung zu lang und damit zu weit von der nächsten
Vermittlungsstelle entfernt sind, steht nur eine deutlich langsamere
Verbin-dung zur Verfügung, als vom Anbieter
versprochen. Mancherorts bieten Provider sogenannte
VDSL-Anschlüsse (Very High Speed Digital Subscriber Line) mit höheren
Bandbreiten an. Dazu werden die Ka-belverzweiger — unscheinbare graue Kästen am
Straßenrand — so aufgerüstet, dass sie die optischen Impulse des
Glas-fasernetzes in elektrische Signale für den Hausgebrauch umwandeln können.
Allerdings: Während die Daten inner-halb des Glasfasernetzes
mit 100 Mbit/s durch die Fasern sausen, dämpfen die Telefonstränge ihre
Geschwindigkeit erheblich. Die Übertragung läuft umso zäher, je weiter die
Impulse im Kupferkabel un-terwegs sind. Hinzu kommt: Anders als Lichtsignale,
die unempfindlich sind gegenüber elektrischen oder magnetischen Störungen,
reagieren elektrische Impulse darauf sehr sensibel.
Um Störfelder auszuschalten, muss Bandbreite abgezweigt
werden, die dann für die Datenübertragung fehlt. Sie verlangsamt sich auf der
„letzten Meile"
— dem Leitungsstück zwischen der örtlichen Verteilerstation
und dem Anschluss im Gebäude —, die in ländlichen Regionen mehrere Kilometer
lang sein kann.
Auf dem Land und in manchen Stadtteilen gibt es trotz der
viel beschworenen Grundversorgung erschreckend große weiße Flecken auf der
digitalen Landkarte. So ist es kein Wunder, dass etwa ein Viertel der Betriebe
in Deutschland besonders datenintensive IT-Anwendungen nicht nutzen kann, wie
die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) in einer aktuellen Studie
festgestellt hat. In ländlichen Gebieten ist das schnelle Internet mit einem
Zugang von 50 Mbit/s oder mehr die Ausnahme, bemängelt die VBW.
„Deutschlandweit sind 40 Prozent der Haushalte unterversorgt", beklagt
Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von
Telekommunikations-und Mehrwertdiensten (VATM).
Womit Glasfasern punkten
In vielen anderen Ländern ist der Über-gang in die gläserne
Epoche längst eingeläutet: Schnelle und technisch überlegene optische Netze
wurden dort bereits großflächig verlegt. Doch in Deutschland sind
Glasfaseranschlüsse im Festnetz bislang rar. Und der Zubau von optischen
Verbindungen kommt nur langsam voran.
Dabei punktet die Glasfaser gegenüber allen anderen
Breitbandtechnologien: Sie kann Daten mit der gleichen hohen Ge-schwindigkeit
empfangen und versenden. Die optische Übertragung der Daten ist weitgehend
unempfindlich gegen Witte-rungseinflüsse und elektromagnetische Felder, und
ihre Leistungsfähigkeit hängt nicht von der Zahl der Nutzer ab. Mit den heute
möglichen 100 Mbit/s in beide Richtungen ist zudem noch längst nicht die Grenze
erreicht. Die Experten sind
sich daher weitgehend einig, dass die Glasfaser die beste
Technologie für die Breitband-Zukunft des Internet ist.
Doch weil der Ausbau des Glasfaser-netzes teuer ist, setzt
die Bundesregierung lieber auf einen technologischen Mix aus Glasfaser, Kupfer
und Mobilfunk. Dazu entwickeln Forscher am Fraunhofer-Institut für Offene
Kommunikations-systeme (FOKUS) in Berlin in einem Pilotprojekt des
Bundesministeriums für Bildung und Forschung seit Mai 2013 ein Konzept, mit dem
sich technologisch abgehängte Kommunen künftig selbst helfen können. Sie testen
die Technologie namens Wiback (Wireless Backhaul) derzeit in einem Stadtbezirk
von Hennef im
Rhein-Sieg-Kreis. Entwickelt wurde Wi-back ursprünglich für
Länder in Afrika, wo weite Entfernungen zu überbrücken sind und keine
Telefon-Infrastruktur existiert. Solarzellen sorgen dabei für den elektrischen
Strom, mit dem ein mobiler Richtfunkmast betrieben wird: eine kostengünstige
Variante, die den klammen Geldbeutel der Kommunen schont.
Die komplizierte Inbetriebnahme der Anlage ist nicht nötig,
Konstruktion und Installation sind selbstkonfigurierend. Ist der Funkmast
aufgestellt und ans Stromnetz angeschlossen, ist er — den Sichtkon-takt zu
einem weiteren Richtfunkmast vorausgesetzt —, in zwei Minuten sendebereit. Die
Nutzer können das Signal mit
Die schnelleren Kupferanschlüsse mit VDSL-Technik haben
dagegen Tücken: Während der herkömmliche ADSL-Typ noch eine Leitungslänge von vier
bis fünf Kilometern verträgt, ohne dass die Signale deutlich schwächer werden,
ist bei VDSL schon nach weniger als einem Kilometer das normale ADSL-Niveau
erreicht. Um VDSL sinnvoll nutzen zu können, müssen daher Glasfasern am
Bordstein entlang möglichst nahe zu den Kunden gebracht werden.
Das Tal der Ahnungslosen
Die Deutsche Telekom plant, bis 2016 immerhin rund 24
Millionen Haushalte an das Glasfasernetz anzuschließen. Dazu dient die
sogenannte Vectoring-Technik, die unter anderem an den Bell Labs entwickelt
wurde, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des französischen
Telekommunikationskonzerns Alcatel-Lucent. Dort betrachtet man sie als wichtige
Übergangstechnologie — auf dem Weg zu einem auf Glasfasern basierenden Netz.
Beim Vectoring wird das Signal auf der letzten Meile zwischen Hausanschluss und
Kabelverzweiger entstört, wodurch sich die Geschwindigkeit im Kupferkabel bis
auf 100 Mbit/s im Download (Daten-empfang) und 40 Mbit/s im Upload
(Datenversand) aufpeppen lässt.
Doch bislang ist man in Deutschland von diesem Ziel weit
entfernt. Das gilt besonders im Nordosten der Republik: Spöttisch als
„digitales Tal der Ahnungslosen" bezeichnet Uwe Oertel, Geschäftsführer
der Stage Mobil Veranstaltungstechnik GmbH, seinen Unternehmensstandort im Rostocker
Gewerbegebiet Schmarl. Damit spielt er auf Zeiten an, als in einigen Regionen
der ehemaligen DDR
kein Westfernsehen zu empfangen war. Rund 40 Unternehmen in
der näheren Umgebung sind von der digitalen Misere betroffen. Die übrigen
Firmen in dem Gewerbegebiet wickeln ihre Geschäfte über schnellere
Netzverbindungen ab. Dem Unternehmen, das unter anderem Großkonzerte von
bekannten Musikern wie dem „Teufelsgeiger" David Garret technisch
ausstattet, macht der schleppende Upload seiner 1 Mbit/s schnellen DSL-Leitung
zu schaffen. Auch das ist eine Schwäche der veralteten Kupfertechnologie: Um
die Geschwindigkeit beim Download zu erhöhen, wird die Bandbreite für den
Upload gekappt.
Die DSL-Anschlüsse in Rostock-Schmarl können daher Daten nur
im Schneckentempo von rund 128 Kbit/s versenden. Das ist viel zu wenig für
Stage Mobil, wo regelmäßig maßstabsgetreue Zeichnungen und Pläne von
Veranstaltungsräumen, Bühnenaufbauten, Licht-und Toninstallationen von den
Kundenper E-Mail eintreffen und von den Mit-arbeitern bearbeitet und
weitergesendet werden. „Der Computer rödelt und rö-delt, da kann man nur noch
frustriert einen Kaffee trinken gehen", klagt Oertel, der sich schon
wiederholt an seinen Netzanbieter gewendet hat — ohne Erfolg.
Als Alternative zum Festnetz der Tele-kom käme für Oertel
nur die Mobilfunk-technik LTE infrage. Doch der Konzertausrichter schreckt
bisher davor zurück, das Festnetz gegen eine mobile Leitung einzutauschen. Denn
LTE, der Mobilfunk der vierten Generation und Nachfolger des UMTS-Standards,
ist nur als gedrosselte Flatrate erhältlich, bei der ein monat-liches
Kontingent von beispielsweise 15 Gigabyte Datenvolumen mit bis zu 50 Mbit/s
übertragen wird. Ist das Kontin-
gent aufgezehrt, muss man als Nutzer Kapazität für
zusätzliche Datenmengen kaufen — oder einen deutlich langsameren Transfer im
Internet in Kauf nehmen. „Unsere Veranstaltungspläne mit Büh-nenaufbau,
Beleuchtung, Beschallung und Logistik hätten das monatliche Da-tenvolumen
ruckzuck aufgebraucht", ist Oertel überzeugt. Ein weiterer Nachteil des
LTE-Mobilfunks: Die Verbindung wird umso lahmer, je mehr Teilnehmer sich
einwählen. Im schlechtesten Fall wäre Stage Mobil für seine Kunden oder den
Außendienst gar nicht mehr erreichbar.
Highspeed nur im Home-Office
„Vor einigen Jahren war nicht absehbar, wie wichtig ein
schneller Internet-An-schluss für unsere Geschäfts-beziehungen werden
würde", meint Norbert Gloystein, Geschäftsführer des Glaszentrums Rostock.
Das mittelständische Unternehmen bietet Duschen für Wiederverkäufer an, die sie
entsprechend den Kundenwünschen nach Maß fertigt. Das Glaszentrum Rostock sitzt
im selben Haus wie Stage Mobil und hat den gleichen DSL-An-schluss. Das
Unternehmen hat eine spezielle Software angeschafft, mit der sich passgenaue
Angebote für den Einbau der Duschen entwerfen lassen. „Doch wir können das
Programm nicht richtig nutzen und unseren Kunden keinen guten Service
bieten", klagt Gloystein: „Der Seitenaufbau verläuft zu schleppend."
Lange mussten die Kunden die Planung mit der Software daher selbst in Angriff
nehmen. Inzwischen fertigt ein Mitarbeiter die virtuellen Duschen daheim im
Home Office —dort hat er eine schnellere Internet-Anbindung als im Büro.
Die betroffenen Firmen des Gewerbegebiets könnten gemeinsam
selbst in eine Glasfa-serleitung investieren. Doch das käme sie teuer. FTTB
(Fibre to the Building) und FTTH (Fibre to the Home) heißen die An
schlüsse, bei denen bis zu 1000 in einem Kabel gebündelte
Lichtwellenleiter bis ins Haus, in die Wohnung oder in den Betrieb reichen.
Rund 70 Prozent der Kosten dafür verschlingen die Tiefbauarbeiten.
„Der deutschlandweite Glasfaseraus-bau wäre mit rund 80
Milliarden Euro sagenhaft teuer", sagt VATM-Geschäftsfüh-rer Jürgen
Grützner. Es gibt zwar neue Methoden, mit denen sich die Kosten für die Bauarbeiten
senken lassen: etwa das „Microtrenching". Dabei werden die
frostunempfindlichen Lichtleiter in geringerer Tiefe und in einem schlanken
Graben verlegt. „Häufig scheitert der Einsatz dieser kostengünstigen
Technologie aber an restriktiven Bauverwaltungen, die eher auf bewährte
Methoden setzen", berichtet Grützner. Eine alternative Technik wird
derzeit noch auf mögliche hygienische Probleme geprüft: das Verlegen der
Glasfaser in Abwasserrohren.
Dass bis Ende 2014 Dreiviertel der Deutschen auf einem
Daten-Highway mit 50 Mbit/s ins Netz brausen werden — wie von der
Bundesregierung versprochen —ist unwahrscheinlich. Das gilt auch für die
Zusicherung, dass 2018 das superschnelle Internet-Surfen in ganz Deutschland
möglich sein soll. Der Technologiemix, finanziert vor allem durch private
Investitionen, hat zu den vielen weißen Flecken geführt. Sie zu beseitigen,
wird mühsam
und teuer sein.
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