Mittwoch, 29. Juli 2015

Deutschlands lahmes WLAN


Deutschlands lahmes WLAN

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/lSTqEJV98ik

Datenschwere Anwendungen wie Cloud-Dienste und Filme aus dem Web verlangen nach immer schnelleren Internet-Verbindungen. Doch die gibt es nicht überall.

 

Aufwendige Computerspiele, Videos in 3D, Rechnen in der Cloud — all diese Anwendungen produzieren eine enorme Menge an Daten. Und die sammeln sich oft nicht mehr auf der Festplatte des Rechners, dem Fernseher oder der Spielkonsole an, sondern wandern durchs Internet. Das lässt den Datenstrom dort rapide anschwellen. Damit das Online-Zocken nicht an lästigen Wartezeiten scheitert, der Videofilm beim Abspielen übers Web nicht ruckelt und das Arbeiten in der Datenwolke nicht zum nervenzeh-renden Ärgernis wird, müssen die Bits und Bytes blitzschnell ihren Weg durch die Leitungen finden. Die technische Lösung heißt Breitband-Internet, die Übertragung digitaler Daten mit einer hohen Rate.

Die internationale Fernmeldeunion definiert ein System als breitbandig, wenn es mindestens 20 Megabit Daten pro Sekunde (Mbit/s) übertragen kann. Die schnellsten Internet-Verbindungen per Glasfaser schaffen sogar fünfmal so viel. Kommerziell angeboten werden in einigen Regionen Deutschland Anschlüsse mit maximal 50 Mbit/s. Doch die meisten Nutzer kommen beim Surfen nicht annähernd auf ein solches Tempo.

In Deutschland liegt die durchschnittliche  Geschwindigkeit bei der Datenübertragung laut einem Report des US-Internet-Dienstleisters Akamai bei 7,6

 

Megabit pro Sekunde. Das ist im internationalen Vergleich bloß durchschnittlich. Dabei sind stabile Highspeed-Verbin-dungen ins Internet nicht nur für Gamer und Filmenthusiasten wichtig. Für Unter-nehmen sind sie ein bedeutender Standortfaktor. Und bei Immobilien wirkt sich ihre Verfügbarkeit direkt auf die Höhe der Miete aus. Aber längst nicht alle Orte in Deutschland sind mit der schnellsten Breitband-Technologie ausgestattet. Laut einem Bericht der Bundesregierung sind fast alle Deutschen mit Anschlüssen von wenigstens 1 Mbit/s versorgt. Doch das geschieht meist über Kupferkabel, die den Internet-Zugang über die herkömmlichen Telefonleitungen ermöglichen — und die bescheren längst nicht immer das erhoffte (und beim Provider bezahlte) Tempo.

Lange Leitung für die Daten

Über 80 Prozent der deutschen Haushalte surfen über DSL oder ADSL (Asymmetric Digital Subscriber Line) im Internet, meist über Leitungen der Deutschen Telekom. 15 Prozent nutzen das rückkanalfähige Kupferkoaxialkabel des TV-Netzes (kurz: Kabel), die übrigen 5 Prozent der Internet-Nutzer wählen den Weg über die Mobilfunk-Technologie LTE (Long Term Evolution) oder das Glasfasernetz.

Das dominierende DSL hat seine Tü-cken: Wenn die Doppeladern der Telefonleitung zu lang und damit zu weit von der nächsten Vermittlungsstelle entfernt sind, steht nur eine deutlich langsamere Verbin-dung zur Verfügung, als vom Anbieter

 

versprochen. Mancherorts bieten Provider sogenannte VDSL-Anschlüsse (Very High Speed Digital Subscriber Line) mit höheren Bandbreiten an. Dazu werden die Ka-belverzweiger — unscheinbare graue Kästen am Straßenrand — so aufgerüstet, dass sie die optischen Impulse des Glas-fasernetzes in elektrische Signale für den Hausgebrauch umwandeln können.

Allerdings: Während die Daten inner-halb des Glasfasernetzes mit 100 Mbit/s durch die Fasern sausen, dämpfen die Telefonstränge ihre Geschwindigkeit erheblich. Die Übertragung läuft umso zäher, je weiter die Impulse im Kupferkabel un-terwegs sind. Hinzu kommt: Anders als Lichtsignale, die unempfindlich sind gegenüber elektrischen oder magnetischen Störungen, reagieren elektrische Impulse darauf sehr sensibel.

Um Störfelder auszuschalten, muss Bandbreite abgezweigt werden, die dann für die Datenübertragung fehlt. Sie verlangsamt sich auf der „letzten Meile"

— dem Leitungsstück zwischen der örtlichen Verteilerstation und dem Anschluss im Gebäude —, die in ländlichen Regionen mehrere Kilometer lang sein kann.

Auf dem Land und in manchen Stadtteilen gibt es trotz der viel beschworenen Grundversorgung erschreckend große weiße Flecken auf der digitalen Landkarte. So ist es kein Wunder, dass etwa ein Viertel der Betriebe in Deutschland besonders datenintensive IT-Anwendungen nicht nutzen kann, wie die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (VBW) in einer aktuellen Studie festgestellt hat. In ländlichen Gebieten ist das schnelle Internet mit einem Zugang von 50 Mbit/s oder mehr die Ausnahme, bemängelt die VBW. „Deutschlandweit sind 40 Prozent der Haushalte unterversorgt", beklagt Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Verbands der Anbieter von Telekommunikations-und Mehrwertdiensten (VATM).

Womit Glasfasern punkten

In vielen anderen Ländern ist der Über-gang in die gläserne Epoche längst eingeläutet: Schnelle und technisch überlegene optische Netze wurden dort bereits großflächig verlegt. Doch in Deutschland sind Glasfaseranschlüsse im Festnetz bislang rar. Und der Zubau von optischen Verbindungen kommt nur langsam voran.

Dabei punktet die Glasfaser gegenüber allen anderen Breitbandtechnologien: Sie kann Daten mit der gleichen hohen Ge-schwindigkeit empfangen und versenden. Die optische Übertragung der Daten ist weitgehend unempfindlich gegen Witte-rungseinflüsse und elektromagnetische Felder, und ihre Leistungsfähigkeit hängt nicht von der Zahl der Nutzer ab. Mit den heute möglichen 100 Mbit/s in beide Richtungen ist zudem noch längst nicht die Grenze erreicht. Die Experten sind

 

sich daher weitgehend einig, dass die Glasfaser die beste Technologie für die Breitband-Zukunft des Internet ist.

Doch weil der Ausbau des Glasfaser-netzes teuer ist, setzt die Bundesregierung lieber auf einen technologischen Mix aus Glasfaser, Kupfer und Mobilfunk. Dazu entwickeln Forscher am Fraunhofer-Institut für Offene Kommunikations-systeme (FOKUS) in Berlin in einem Pilotprojekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung seit Mai 2013 ein Konzept, mit dem sich technologisch abgehängte Kommunen künftig selbst helfen können. Sie testen die Technologie namens Wiback (Wireless Backhaul) derzeit in einem Stadtbezirk von Hennef im

 

Rhein-Sieg-Kreis. Entwickelt wurde Wi-back ursprünglich für Länder in Afrika, wo weite Entfernungen zu überbrücken sind und keine Telefon-Infrastruktur existiert. Solarzellen sorgen dabei für den elektrischen Strom, mit dem ein mobiler Richtfunkmast betrieben wird: eine kostengünstige Variante, die den klammen Geldbeutel der Kommunen schont.

Die komplizierte Inbetriebnahme der Anlage ist nicht nötig, Konstruktion und Installation sind selbstkonfigurierend. Ist der Funkmast aufgestellt und ans Stromnetz angeschlossen, ist er — den Sichtkon-takt zu einem weiteren Richtfunkmast vorausgesetzt —, in zwei Minuten sendebereit. Die Nutzer können das Signal mit

Die schnelleren Kupferanschlüsse mit VDSL-Technik haben dagegen Tücken: Während der herkömmliche ADSL-Typ noch eine Leitungslänge von vier bis fünf Kilometern verträgt, ohne dass die Signale deutlich schwächer werden, ist bei VDSL schon nach weniger als einem Kilometer das normale ADSL-Niveau erreicht. Um VDSL sinnvoll nutzen zu können, müssen daher Glasfasern am Bordstein entlang möglichst nahe zu den Kunden gebracht werden.

Das Tal der Ahnungslosen

Die Deutsche Telekom plant, bis 2016 immerhin rund 24 Millionen Haushalte an das Glasfasernetz anzuschließen. Dazu dient die sogenannte Vectoring-Technik, die unter anderem an den Bell Labs entwickelt wurde, der Forschungs- und Entwicklungsabteilung des französischen Telekommunikationskonzerns Alcatel-Lucent. Dort betrachtet man sie als wichtige Übergangstechnologie — auf dem Weg zu einem auf Glasfasern basierenden Netz. Beim Vectoring wird das Signal auf der letzten Meile zwischen Hausanschluss und Kabelverzweiger entstört, wodurch sich die Geschwindigkeit im Kupferkabel bis auf 100 Mbit/s im Download (Daten-empfang) und 40 Mbit/s im Upload (Datenversand) aufpeppen lässt.

Doch bislang ist man in Deutschland von diesem Ziel weit entfernt. Das gilt besonders im Nordosten der Republik: Spöttisch als „digitales Tal der Ahnungslosen" bezeichnet Uwe Oertel, Geschäftsführer der Stage Mobil Veranstaltungstechnik GmbH, seinen Unternehmensstandort im Rostocker Gewerbegebiet Schmarl. Damit spielt er auf Zeiten an, als in einigen Regionen der ehemaligen DDR

 

kein Westfernsehen zu empfangen war. Rund 40 Unternehmen in der näheren Umgebung sind von der digitalen Misere betroffen. Die übrigen Firmen in dem Gewerbegebiet wickeln ihre Geschäfte über schnellere Netzverbindungen ab. Dem Unternehmen, das unter anderem Großkonzerte von bekannten Musikern wie dem „Teufelsgeiger" David Garret technisch ausstattet, macht der schleppende Upload seiner 1 Mbit/s schnellen DSL-Leitung zu schaffen. Auch das ist eine Schwäche der veralteten Kupfertechnologie: Um die Geschwindigkeit beim Download zu erhöhen, wird die Bandbreite für den Upload gekappt.

Die DSL-Anschlüsse in Rostock-Schmarl können daher Daten nur im Schneckentempo von rund 128 Kbit/s versenden. Das ist viel zu wenig für Stage Mobil, wo regelmäßig maßstabsgetreue Zeichnungen und Pläne von Veranstaltungsräumen, Bühnenaufbauten, Licht-und Toninstallationen von den Kundenper E-Mail eintreffen und von den Mit-arbeitern bearbeitet und weitergesendet werden. „Der Computer rödelt und rö-delt, da kann man nur noch frustriert einen Kaffee trinken gehen", klagt Oertel, der sich schon wiederholt an seinen Netzanbieter gewendet hat — ohne Erfolg.

Als Alternative zum Festnetz der Tele-kom käme für Oertel nur die Mobilfunk-technik LTE infrage. Doch der Konzertausrichter schreckt bisher davor zurück, das Festnetz gegen eine mobile Leitung einzutauschen. Denn LTE, der Mobilfunk der vierten Generation und Nachfolger des UMTS-Standards, ist nur als gedrosselte Flatrate erhältlich, bei der ein monat-liches Kontingent von beispielsweise 15 Gigabyte Datenvolumen mit bis zu 50 Mbit/s übertragen wird. Ist das Kontin-

 

gent aufgezehrt, muss man als Nutzer Kapazität für zusätzliche Datenmengen kaufen — oder einen deutlich langsameren Transfer im Internet in Kauf nehmen. „Unsere Veranstaltungspläne mit Büh-nenaufbau, Beleuchtung, Beschallung und Logistik hätten das monatliche Da-tenvolumen ruckzuck aufgebraucht", ist Oertel überzeugt. Ein weiterer Nachteil des LTE-Mobilfunks: Die Verbindung wird umso lahmer, je mehr Teilnehmer sich einwählen. Im schlechtesten Fall wäre Stage Mobil für seine Kunden oder den Außendienst gar nicht mehr erreichbar.

Highspeed nur im Home-Office

„Vor einigen Jahren war nicht absehbar, wie wichtig ein schneller Internet-An-schluss für unsere Geschäfts-beziehungen werden würde", meint Norbert Gloystein, Geschäftsführer des Glaszentrums Rostock. Das mittelständische Unternehmen bietet Duschen für Wiederverkäufer an, die sie entsprechend den Kundenwünschen nach Maß fertigt. Das Glaszentrum Rostock sitzt im selben Haus wie Stage Mobil und hat den gleichen DSL-An-schluss. Das Unternehmen hat eine spezielle Software angeschafft, mit der sich passgenaue Angebote für den Einbau der Duschen entwerfen lassen. „Doch wir können das Programm nicht richtig nutzen und unseren Kunden keinen guten Service bieten", klagt Gloystein: „Der Seitenaufbau verläuft zu schleppend." Lange mussten die Kunden die Planung mit der Software daher selbst in Angriff nehmen. Inzwischen fertigt ein Mitarbeiter die virtuellen Duschen daheim im Home Office —dort hat er eine schnellere Internet-Anbindung als im Büro.

Die betroffenen Firmen des Gewerbegebiets könnten gemeinsam selbst in eine Glasfa-serleitung investieren. Doch das käme sie teuer. FTTB (Fibre to the Building) und FTTH (Fibre to the Home) heißen die An

 

schlüsse, bei denen bis zu 1000 in einem Kabel gebündelte Lichtwellenleiter bis ins Haus, in die Wohnung oder in den Betrieb reichen. Rund 70 Prozent der Kosten dafür verschlingen die Tiefbauarbeiten.

„Der deutschlandweite Glasfaseraus-bau wäre mit rund 80 Milliarden Euro sagenhaft teuer", sagt VATM-Geschäftsfüh-rer Jürgen Grützner. Es gibt zwar neue Methoden, mit denen sich die Kosten für die Bauarbeiten senken lassen: etwa das „Microtrenching". Dabei werden die frostunempfindlichen Lichtleiter in geringerer Tiefe und in einem schlanken Graben verlegt. „Häufig scheitert der Einsatz dieser kostengünstigen Technologie aber an restriktiven Bauverwaltungen, die eher auf bewährte Methoden setzen", berichtet Grützner. Eine alternative Technik wird derzeit noch auf mögliche hygienische Probleme geprüft: das Verlegen der Glasfaser in Abwasserrohren.

Dass bis Ende 2014 Dreiviertel der Deutschen auf einem Daten-Highway mit 50 Mbit/s ins Netz brausen werden — wie von der Bundesregierung versprochen —ist unwahrscheinlich. Das gilt auch für die Zusicherung, dass 2018 das superschnelle Internet-Surfen in ganz Deutschland möglich sein soll. Der Technologiemix, finanziert vor allem durch private Investitionen, hat zu den vielen weißen Flecken geführt. Sie zu beseitigen, wird mühsam

und teuer sein.


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