Sonntag, 26. Juli 2015

Der eBook Markt


Der eBook Markt

Author D.Selzer-McKenzie

Video: http://youtu.be/PDRHHFXcwiI

Der Verleih elektronischer Bücher könnte das Lesen viel billiger machen aber die Verlage sperren sich

 

Weg zu neuem Lesestoff könnte so einfach sein. Statt nach der Schule oder der Arbeit schnell noch in die Stadtbibliothek zu gehen, damit keine Strafzahlung für das Überschreiten der Leihfrist anfällt, rasch aus einem der Regale ein neues Buch zum Mitnehmen zu greifen und dann am Ausgang Schlange zu stehen, um es registrieren zu lassen, würden ein elektronisches Lesegerät und eine Internet-Verbindung zum Ausleihen genügen.

Das Prinzip der elektronischen Auslei-he: Der Nutzer gibt am heimischen Computer oder auf dem Smartphone die Adresse Onleihe.net ein, meldet sich mit seinem Bibliotheksausweis an und stöbert dann in den digitalen Regalen seiner Heimatbücherei. Per Mausklick wandern Thriller oder Liebesroman über den Computer auf den E-Reader — zu jeder Tagesoder Nachtzeit. Strafgebühren braucht der Leser nicht zu befürchten, denn nach dem vorgesehenen Rückgabetermin öffnet sich das E-Book einfach nicht mehr. Und wer sein Buch fallen lässt oder mit Marmelade bekleckert, beschädigt zwar womöglich sein elektronisches Lesegerät — der digitale Lesestoff aber geht ohne. Eselsohren oder Fettflecken an den nächsten Leser weiter.

Tatsächlich funktioniert die Ausleihe von E-Books heute schon so einfach —aber nur in der Theorie. Die Praxis sieht dagegen so aus, dass das Angebot an digitalem Lesestoff in den öffentlichen Bibliotheken minimal ist. Und zwar völlig gegen den Trend: 3,4 Millionen Deutsche haben

 

2013 etwa 21,5 Millionen E-Books er-worben. Zwar wird das klassische ge-druckte Buch wohl auf absehbare Zeit Leser-Liebling bleiben. Doch der Umsatzanteil der digitalen Bücher hat sich 2013 immerhin von 2,4 auf 3,9 Prozent erhöht. Von den rund 10 Millionen Nutzern öffentlicher Bibliotheken würden laut Umfragen rund eine halbe Million gern E-Books ausleihen. Nach Angaben des Fachverbands Bitkom wurden 2013 für E-Books in Deutschland 286 Millionen Euro ausgegeben, während der Etat aller öffentlichen Bibliotheken insgesamt nur 100 Millionen Euro betrug. Gerade einmal ein bis zwei Prozent davon gingen in den Erwerb digitaler Bücher.

Die Folge: Die E-Book-Regale in den öffentlichen Bibliotheken sind leer gefegt. Je nach Budget stehen meist nicht mehr als einige Hundert Titel bereit. Wer einen aktuellen Bestseller lesen will, muss ihn vorbestellen. Und oft funktioniert nicht einmal das: Von den aktuellen Top 20 der Spiegel-Bestsellerliste können die deutschen Bibliotheken nicht einmal die Hälfte überhaupt als E-Book erwerben. Zwar kommt die „Onleihe", auf die viele örtliche Büchereien setzen, auf rund 160 000 elektronische Titel (in Deutsch-land gibt es pro Jahr etwa 80 000 Neu-erscheinungen), doch in jeder Bibliothek ist nur ein Bruchteil davon erhältlich.

 

Eine Zusammenarbeit der Bibliothe-ken in Deutschland ist ebenfalls unmög-lich: Dass ein Nutzer ein in München ge-rade nicht erhältliches Buch bei einer Berliner Bücherei anfordert, erlaubt das Lizenzmodell der Onleihe nicht.

Wie im Zeitalter der Kleinstaaterei

Schöne neue Welt des globalen elektro-nischen Wissens? Bei E-Books befinden wir uns im Zeitalter der Kleinstaaterei. Schuld daran ist nicht das mangelnde Budget, sondern die Rechtslage. Sie ist bei

 

gedruckten Büchern eindeutig: Bibliotheken können nach eigenem Ermessen Werke im Handel kaufen und zum Verleih bereitstellen. Autoren und Verlagen steht dafür eine Ents-häfligung zu, die sogenannte Bibliothekstantieme. Sie wird von Bund und I ,ändern getragen. 2013 lag sie bei rund 13 Millionen Euro.

Das Urheberrecht erlaubt sogar, die gekauften Titel „an elektronischen Arbeitsplätzen zum Lesen bereitzustellen". Vor allem Universitätsbibliothel-are sind daher dazu übergegangen, besonders gefrag-te Fachbücher selbst einzus -ann9n — einProzess, den Verlage mit Argwohn be-trachten und bereits gerichtlich zu verhindern versuchten.

E-Books dagegen sieht der Gesetzgeber nicht als physisches Objekt an, sondern als Service. Das hat zum einen zur Folge, dass für E-Books nicht der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent (wie für Bücher), sondern der volle Satz von 19 Prozent gilt. Zum anderen bedeutet das aber auch: Ein Käufer bezahlt nur den Service, das Werk elektronisch zu lesen, erwirbt aber keine weitergehenden Rechte. Er darf ein E-Book nicht weiterverkau-

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fen und auch nicht verleihen. Das gilt auch für die Bibliotheken: Sie dürfen E-Books nur mit Genehmigung in ihre Regale aufnehmen.

Angst vor sinkenden Umsätzen

Diese Erlaubnis lassen sich die Verlage teurer bezahlen als bei gedruckten Bü-chern. Entweder sie berechnen einen mehrfachen Kaufpreis pro Exemplar oder sie lassen pro Titel nur eine bestimmte Zahl von Leihvorgängen zu. Wenn sie nicht gar beide Modelle kombinieren —oder sich gleich ganz weigern, ihre E-Books zum Verleih bereitzustellen. So geht beispielsweise die Holtzbrinck-Gruppe vor, die aber unter Skoobe.de ein eigenes Leih-Portal betreibt.

Der Deutsche Bibliotheksverband for-

dert in einer Kampagne zum „Recht auf elektronisches Lesen", dass das

Urheberrecht in wesentlichen Punkten angepasst wird. Andernfalls könnten die Bibliotheken ihren Kernauftrag nicht mehr erfüllen, allen Bürgern Bildung und Information zu fairen, einfachen

und kostengünstigen Bedingungen zu ermöglichen. Die Forderung, den Verleih von E-Books dem von gedruckten Büchern rechtlich gleichzustellen, trifft auf eine ungewöhnliche Allianz: Sowohl der Börsenverein des deutschen Buchhandels als auch Vertreter der Ver-lage und Buchhändler sowie der Verband deutscher Schriftsteller als Allianz der Autoren sprechen sich strikt dagegen aus.

Die Verleger treibt vor allem die Sorge, dass eine solche Gleichstellung zu großen Umsatzverlusten führen würde. Wenn Leser überall und zu jeder Zeit kostenlos an neuen Lesestoff gelangen können, schadet das den Verkaufszahlen womöglich weit mehr, als wenn der Nutzer zunächst den Weg zur nächsten Bücherei antreten muss. Der Börsenverein malt deshalb „massive Konsequenzen" an die Wand, die mittelfristig zu einer Verringerung des E-Book-Angebots führen würden. Stattdessen sollte die Branche vom Kartellrecht freigestellt werden, heißt es. Dann könnten alle Verlage gemeinsam mit dem Bibliotheksverband Lizenzie-rungsregeln und -angebote ausarbeiten.

 

Während Verlage und Bibliotheken noch über ihre künftigen Geschäfts-modelle streiten, baut sich für sie im Hintergrund ein neues Problem auf: Autoren brauchen längst nicht mehr unbedingt einen Verlag, um ihre Titel an den Leser zu bringen. Mehr als die Hälfte der E-Book-Charts beim Branchenführer Amazon ist dauerhaft von unabhängigen Autoren belegt, die ihre Werke im Selbstverlag ver-öffentlichen. Die Leser nehmen das Modell an, und Vorurteile über eine mangelhafte Qualität sind längst geschwunden. Doch in den Bibliotheken sind die E-Books von Bestseller-Autorinnen wie Poppy J. Anderson, Elke Bergsma oder Marah Woolf nicht zu finden. Zwar müssen auch unabhängige Autoren zwei Exemplare ihrer Werke an die Deutsche Nationalbibliothek (dnb) abliefern — doch in der Stadt- oder Kreisbibliothek kom-

men diese E-Books nicht an.

 


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