Der eBook Markt
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/PDRHHFXcwiI
Der Verleih elektronischer Bücher könnte das Lesen viel
billiger machen aber die Verlage sperren sich
Weg zu neuem Lesestoff könnte so einfach sein. Statt nach
der Schule oder der Arbeit schnell noch in die Stadtbibliothek zu gehen, damit
keine Strafzahlung für das Überschreiten der Leihfrist anfällt, rasch aus einem
der Regale ein neues Buch zum Mitnehmen zu greifen und dann am Ausgang Schlange
zu stehen, um es registrieren zu lassen, würden ein elektronisches Lesegerät
und eine Internet-Verbindung zum Ausleihen genügen.
Das Prinzip der elektronischen Auslei-he: Der Nutzer gibt am
heimischen Computer oder auf dem Smartphone die Adresse Onleihe.net ein, meldet
sich mit seinem Bibliotheksausweis an und stöbert dann in den digitalen Regalen
seiner Heimatbücherei. Per Mausklick wandern Thriller oder Liebesroman über den
Computer auf den E-Reader — zu jeder Tagesoder Nachtzeit. Strafgebühren braucht
der Leser nicht zu befürchten, denn nach dem vorgesehenen Rückgabetermin öffnet
sich das E-Book einfach nicht mehr. Und wer sein Buch fallen lässt oder mit
Marmelade bekleckert, beschädigt zwar womöglich sein elektronisches Lesegerät —
der digitale Lesestoff aber geht ohne. Eselsohren oder Fettflecken an den
nächsten Leser weiter.
Tatsächlich funktioniert die Ausleihe von E-Books heute
schon so einfach —aber nur in der Theorie. Die Praxis sieht dagegen so aus,
dass das Angebot an digitalem Lesestoff in den öffentlichen Bibliotheken
minimal ist. Und zwar völlig gegen den Trend: 3,4 Millionen Deutsche haben
2013 etwa 21,5 Millionen E-Books er-worben. Zwar wird das
klassische ge-druckte Buch wohl auf absehbare Zeit Leser-Liebling bleiben. Doch
der Umsatzanteil der digitalen Bücher hat sich 2013 immerhin von 2,4 auf 3,9 Prozent
erhöht. Von den rund 10 Millionen Nutzern öffentlicher Bibliotheken würden laut
Umfragen rund eine halbe Million gern E-Books ausleihen. Nach Angaben des
Fachverbands Bitkom wurden 2013 für E-Books in Deutschland 286 Millionen Euro
ausgegeben, während der Etat aller öffentlichen Bibliotheken insgesamt nur 100
Millionen Euro betrug. Gerade einmal ein bis zwei Prozent davon gingen in den
Erwerb digitaler Bücher.
Die Folge: Die E-Book-Regale in den öffentlichen
Bibliotheken sind leer gefegt. Je nach Budget stehen meist nicht mehr als
einige Hundert Titel bereit. Wer einen aktuellen Bestseller lesen will, muss
ihn vorbestellen. Und oft funktioniert nicht einmal das: Von den aktuellen Top
20 der Spiegel-Bestsellerliste können die deutschen Bibliotheken nicht einmal
die Hälfte überhaupt als E-Book erwerben. Zwar kommt die „Onleihe", auf
die viele örtliche Büchereien setzen, auf rund 160 000 elektronische Titel (in
Deutsch-land gibt es pro Jahr etwa 80 000 Neu-erscheinungen), doch in jeder
Bibliothek ist nur ein Bruchteil davon erhältlich.
Eine Zusammenarbeit der Bibliothe-ken in Deutschland ist
ebenfalls unmög-lich: Dass ein Nutzer ein in München ge-rade nicht erhältliches
Buch bei einer Berliner Bücherei anfordert, erlaubt das Lizenzmodell der
Onleihe nicht.
Wie im Zeitalter der Kleinstaaterei
Schöne neue Welt des globalen elektro-nischen Wissens? Bei
E-Books befinden wir uns im Zeitalter der Kleinstaaterei. Schuld daran ist
nicht das mangelnde Budget, sondern die Rechtslage. Sie ist bei
gedruckten Büchern eindeutig: Bibliotheken können nach
eigenem Ermessen Werke im Handel kaufen und zum Verleih bereitstellen. Autoren
und Verlagen steht dafür eine Ents-häfligung zu, die sogenannte
Bibliothekstantieme. Sie wird von Bund und I ,ändern getragen. 2013 lag sie bei
rund 13 Millionen Euro.
Das Urheberrecht erlaubt sogar, die gekauften Titel „an
elektronischen Arbeitsplätzen zum Lesen bereitzustellen". Vor allem
Universitätsbibliothel-are sind daher dazu übergegangen, besonders gefrag-te
Fachbücher selbst einzus -ann9n — einProzess, den Verlage mit Argwohn
be-trachten und bereits gerichtlich zu verhindern versuchten.
E-Books dagegen sieht der Gesetzgeber nicht als physisches
Objekt an, sondern als Service. Das hat zum einen zur Folge, dass für E-Books
nicht der ermäßigte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent (wie für Bücher), sondern
der volle Satz von 19 Prozent gilt. Zum anderen bedeutet das aber auch: Ein
Käufer bezahlt nur den Service, das Werk elektronisch zu lesen, erwirbt aber
keine weitergehenden Rechte. Er darf ein E-Book nicht weiterverkau-
Mit 50 fangen wir erst an
Im Jubiläumsjahr startet bdw eine neue E-Book-Reihe und
vereint die Vorteile zweier Welten: Fundierte, gründlich recherchierte
Information im digitalen Format. Von den molekularen Tiefen der Zelle bis in
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fen und auch nicht verleihen. Das gilt auch für die
Bibliotheken: Sie dürfen E-Books nur mit Genehmigung in ihre Regale aufnehmen.
Angst vor sinkenden Umsätzen
Diese Erlaubnis lassen sich die Verlage teurer bezahlen als
bei gedruckten Bü-chern. Entweder sie berechnen einen mehrfachen Kaufpreis pro
Exemplar oder sie lassen pro Titel nur eine bestimmte Zahl von Leihvorgängen
zu. Wenn sie nicht gar beide Modelle kombinieren —oder sich gleich ganz
weigern, ihre E-Books zum Verleih bereitzustellen. So geht beispielsweise die
Holtzbrinck-Gruppe vor, die aber unter Skoobe.de ein eigenes Leih-Portal
betreibt.
Der Deutsche Bibliotheksverband for-
dert in einer Kampagne zum „Recht auf elektronisches
Lesen", dass das
Urheberrecht in wesentlichen Punkten angepasst wird.
Andernfalls könnten die Bibliotheken ihren Kernauftrag nicht mehr erfüllen,
allen Bürgern Bildung und Information zu fairen, einfachen
und kostengünstigen Bedingungen zu ermöglichen. Die
Forderung, den Verleih von E-Books dem von gedruckten Büchern rechtlich
gleichzustellen, trifft auf eine ungewöhnliche Allianz: Sowohl der Börsenverein
des deutschen Buchhandels als auch Vertreter der Ver-lage und Buchhändler sowie
der Verband deutscher Schriftsteller als Allianz der Autoren sprechen sich
strikt dagegen aus.
Die Verleger treibt vor allem die Sorge, dass eine solche
Gleichstellung zu großen Umsatzverlusten führen würde. Wenn Leser überall und
zu jeder Zeit kostenlos an neuen Lesestoff gelangen können, schadet das den
Verkaufszahlen womöglich weit mehr, als wenn der Nutzer zunächst den Weg zur
nächsten Bücherei antreten muss. Der Börsenverein malt deshalb „massive
Konsequenzen" an die Wand, die mittelfristig zu einer Verringerung des
E-Book-Angebots führen würden. Stattdessen sollte die Branche vom Kartellrecht
freigestellt werden, heißt es. Dann könnten alle Verlage gemeinsam mit dem
Bibliotheksverband Lizenzie-rungsregeln und -angebote ausarbeiten.
Während Verlage und Bibliotheken noch über ihre künftigen
Geschäfts-modelle streiten, baut sich für sie im Hintergrund ein neues Problem
auf: Autoren brauchen längst nicht mehr unbedingt einen Verlag, um ihre Titel
an den Leser zu bringen. Mehr als die Hälfte der E-Book-Charts beim
Branchenführer Amazon ist dauerhaft von unabhängigen Autoren belegt, die ihre
Werke im Selbstverlag ver-öffentlichen. Die Leser nehmen das Modell an, und
Vorurteile über eine mangelhafte Qualität sind längst geschwunden. Doch in den
Bibliotheken sind die E-Books von Bestseller-Autorinnen wie Poppy J. Anderson,
Elke Bergsma oder Marah Woolf nicht zu finden. Zwar müssen auch unabhängige
Autoren zwei Exemplare ihrer Werke an die Deutsche Nationalbibliothek (dnb)
abliefern — doch in der Stadt- oder Kreisbibliothek kom-
men diese E-Books nicht an.
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