Autos mit Brennstoffzellen
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/p8D6-a2qaVE
Autos mit Brennstoffzellen unter der Haube könnten
Elektroautos mit Batterie Konkurrenz machen. Jetzt kommen die ersten
Serienwagen auf den Markt —von Herstellern aus Fernost.
Beim Fußball ist Deutschland Spitze. bei nutet,
Antriebstechnologien haben meist Japan und Südkorea die Nasc vorn. Das hat der
japanische Automobilkonzern Toyota bereits mit sei-nein Mittelklassemodell
Prius bewiesen, das er Ende 1997 als weltweit erstes Serienauto mit
Elektro-Hybridmotor zuerst in Japan auf den Markt brachte — und mit dem das
Unternehmen den Weg ebnete für Fahrzeuge mit einer Kombination aus
Verbrennungs- und Elektromotor. Mutig zeigt sich loyota nun auch bei der
Einführung dcr autornobilen Bronnstoffzellen-technologie: Ab April 2015 wird
der Her-steller aus der gleichnamigen Stadt in der, japanischen Präfektur Aichi
die ersten in Serie gefertigten Brennstoffzellenautos
anbieten. Einige Monate später sollen die Fahrzeuge namens
FCV (Fuel Cell Vehi-cle) auch in Europa und in den USA zu haben sein.
Leasing an handverlesene Fahrer
Bereits seit 2013 sind zwar einige Brenn-stoffzellenautos
des Modells ix35 Fuel Cell vom südkoreanischen Hersteller Hy-undai unterwegs.
Sie werden allerdings nur in einer auf einige 1000 Exemplare limitierten
Stückzahl produziert und an ausgewählte prominente Personen ver-least. Kaufen
kann man den Wagen nicht. Die Rivalen aus Europa und den USA halten sich
bislang zurück. Dabei war es vor allem der Stuttgarter Autokonzern
Daimler, der in den letzten 20 Jahren immer wieder den
baldigen Marktstart von Serienfahrzeugen mit Brennstoffzellen unter der Haube
versprach — ihn dann aber stets wieder vertagte. Zuletzt kündigten die Schwaben
vor drei Jahren in bild der wissenschaft an, 2014 mit dem exotischen Antrieb in
Serie zu gehen (bild der wissenschaft 12/2011, „Abgasfrei um den Globus").
Im Frühjahr 2013 machte Daimler aber einen Rückzieher und verschob den
Serienstart erneut auf 2017. Zudem wollen die Stuttgarter bei der Weiterentwicklung
der Brennstoffzellentech-nik nun mit Ford und Nissan zusammenarbeiten. Die
Forscher bei Daimler feilen seit Mitte der 1990er-Jahre an dem alternativen
Antrieb, bei dem Wasserstoff mitLuftsauerstoff in einer sanften che-mischen
Reaktion zu Wasser reagiert und dabei neben Wärme auch elektrischen Strom
liefert. Die Abwärme kann zur Klimatisierung des Wagens dienen, der Strom
treibt einen Elektromotor an.
Die Daimler-Forscher präsentierten eine ganze Reihe von
Testfahrzeugen und Prototypen. Und das Stuttgarter Unternehmen kündigte einst
an, die Technologie bereits bis 2005 auf den Markt zu bringen — was aber
angeblich stets an
Rarität: In ganz Deutschland gibt es momentan ka
technischen Problemen und zu hohen Herstellungskosten
scheiterte.
Brennstoffzellenfahrzeuge gelten als ideale Alternative zu
batteriebetriebenen Elektroautos, wenn lange Fahrstrecken zu bewältigen sind.
Beide elektrischen Antriebsarten — mit Batterie oder Brennstoffzellen —
erzeugen beim Fahren keine um-welt- oder klimaschädlichen Abgase. Während aber
die Reichweite der meisten batterieelektrischen Wagen wegen der begrenzten
Kapazität der Akkus maximal
um mehr als ein Dutzend Wasserstoff-Tankstellen.
100 bis 150 Kilometer beträgt und die Batterien danach
stundenlang nachgeladen werden müssen, kommt man mit Brennstoffzellen, ohne zu
tanken, ähnlich weit wie mit einem Benzin- oder Dieselauto. Der dafür benötigte
Wasserstoff wird — an speziellen Zapfsäulen — wie herkömmlicher Sprit getankt
und entweder als eisig kalte Flüssigkeit oder als Gas unter hohem Druck von
rund 700 Bar in einein robusten Stahlbehälter mitgeführt. Der Tankvorgang
dauert, wie man es als Autofahrer von Benzin oder Diesel gewohnt ist, nur
wenige Minuten.
Wasserstoff aus Windrädern
Wasserstoff steht schon heute in recht großen Mengen zur
Verfügung: Er entsteht als Abfallprodukt bei Produktionsprozessen in der
chemischen Industrie — in Deutschland pro Jahr rund 20 Milliarden Kubikmeter.
Studien zeigen, dass sich genügend Wasserstoff erzeugen ließe, um den gesamten
Verkehr darauf umzustel-len. Zudem ist Wasserstoff fast überall herstellbar —
und nicht wie Erdöl und
ä Erdgas auf bestimmte Förderregionen beschränkt.
Insbesondere lässt sich das leicht flüchtige Gas — CO2-neutral — mit-hilfe von
Sonnen-, Wind- oder Wasserkraft produzieren, etwa indem überschüssiger
Windstrom zur Elektrolyse von Wasser genutzt wird. Dabei wird das Wasser
elektrochemisch in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Ein klarer Vorteil der Brennstoffzelle ist ihre große
Effizienz. Im Gegensatz zu einem Verbrennungsmotor, der auf einem
thermodynamischen Prinzip basiert — also Wärme in Bewegung umsetzt —,
verwandelt eine Brennstoffzelle den Wasserstoff-Sprit direkt in elektrische
Energie. Dabei geht vergleichsweise wenig Energie alsWärme verloren. Besonders
günstig fällt der Wirkungsgradvergleich für die Brenn-stoffzelle unter
sogenannter Teillast aus —also im Stadtverkehr oder auf Landstraßen, wenn vom
Motor nicht das maximal mögliche Drehmoment abgerufen wird. Zudem ist ein
Brennstoffzellen-Antriebs-strang modulai aufgebaut. Daher lassen sich die
technischen Bestandteile fast beliebig anordnen und an die Gestalt
verschiedenster Fahrzeugmodelle anpassen. Der Antriebsstrang besteht aus einem
Brennstoffzellen-Stack — einem Stapel aus mehreren einzelnen Brennstoffzellen,
die so miteinander kombiniert sind, dass sich ihre Stromproduktion addiert —,
elektrischen Steuersystemen, einem oder mehreren Wasserstofftanks, einer
kleinen Star-terbatterie und dem Elektromotor.
Mit einer Tankfüllung Wasserstoff er-reichen
Brennstoffzellenautos eine Reich-weite von 700 Kilometern. Der Marktpreis für
Wasserstoff ist mit derzeit rund 10 Euro pro Kilogramm — eine Menge, die für
etwa 100 Kilometer genügt — mit dem
Harmloses H2
Wasserstoff hat den Ruf, ein gefährlicher Stoff zu sein.
Voraussetzung für eine sogenannte Knallgasreaktion, bei der Wasser-stoff und
Sauerstoff explosionsartig miteinander reagieren, ist aber ein
detonationsfähiges Gemisch der beiden Gase und ein Funke oder offenes Feuer. An
einer Wasserstofftankstelle ist es kaum möglich, dass so etwas geschieht, da
Wasserstoff extrem flüchtig ist und sich seine Konzentration in der Luft nach
dem Ausströmen rasch verdünnt.
US-Forscher von der Universität von Miami in Florida haben
in Testreihen gezeigt, dass Wasserstoff in einem Fahrzeugtank nicht
gefährlicher ist als Benzin. Sie setzten zwei Autos in Brand — eines mit
Benzintank, das andere mit Wasserstoff-Drucktank. Beide Treibstofftanks waren
undicht. Der Benziner stand nach 60 Sekunden lichterloh in Flammen, der auslaufende
Sprit hatte sich schnell im Wagen verteilt. Das Wasserstoffauto hingegen blieb
weitgehend unversehrt. Zwar schoss eine gewaltige Stichflamme am Brandherd in
die Luft, die jedoch bald wieder erlosch.
98 bild der
wissenschaft 9-2014
für Benzinkosten vergleichbar. Allerdings: Es mangelt bisher
eklatant an Wasserstoff-Tankstellen. In ganz Deutschland gibt es kaum mehr als
ein Dutzend, von denen manche nicht einmal öffentlich zugänglich sind, etwa auf
Flughäfen.
Tankstellen sind Mangelware
Bis 2015 soll das Netz auf 50 Stationen erweitert werden,
womit aber noch nicht einmal in allen größeren Städten eine Tankmöglichkeit
bestehen würde — von einer flächendeckenden Versorgung ist man noch weit
entfernt. Die Bundesregierung hat zugesagt, sich mit 20 Millionen Euro an der
Erweiterung des Tankstellennetzes zu beteiligen. Angesichts geschätzter Kosten
von rund zwei Milliarden Euro für einen breiten Ausbau der
Wasserstoff-Infrastruktur ist das kaum mehr als ein Tropfen auf den heißen
Stein.
Doch vor allem ist die Herstellung eines
Brennstoffzellenautos ausgesprochen teuer. Der Toyota FCV soll zwar beim
Marktstart in Japan „nur" rund 50 000 Euro kosten, doch Experten
bezweifeln, dass der Preis die Fertigungskosten deckt. Eine Anfang 2014 veröffentlichte
Studie der Unternehmensberatung Roland Ber-ger kommt zu dem Ergebnis, dass
allein die Herstellung der Brennstoffzellenein-heit je Fahrzeug auch heute noch
mit rund 45 000 Euro pro Stück zu Buche schlägt.
Fast die Hälfte entfällt auf die Membran-Elektrode, die
Wasserstoff und Sauerstoff in der Zelle voneinander trennt und an der die
chemische Reaktion der beiden Gase abläuft. „Die größte aktuelle
Herausforderung bei der Entwicklung von Wasserstoff-Brennstoffzellen besteht in
der Kostensenkung für die Systemtechnik", meint daher Ulf Groos,
Abteilungsleiter für Brennstoffzellensysteme beim Fraunhofer-Institut für
Solare Energie-systeme ISE in Freiburg.
Hauptpreistreiber ist das Platin, das in der Elektrode als
Katalysator benötigt wird, um die chemischen Prozesse zu unterstützen. Zwar
suchen Forscher und Entwickler schon lange nach billigeren Ersatzstoffen für
das Edelmetall, bislang aber ohne großen Erfolg. Kein anderer Stoff kann die
Aufgabe in den Zellen so gut erfüllen wie das Platin: Es lässt sich so präparieren,
dass es in Form von kleinen Partikeln vorliegt. Diese werden auf die Membran
zwischen Wasser- und Sauerstoff aufgetragen. Die Platin-Partikel vergrößern
deren mikroskopische Oberfläche, wodurch die chemische Reaktion unter optimalen
Bedingungen ablaufen kann.
„Der Fokus liegt derzeit auf der Verringerung des
Platingehalts in der Zelle", sagt Groos. Doch auch da kommen die
Ingenieure nur langsam voran. Daimler hat die hohen Kosten für Platin als
Hauptgrund für die erneute Verschiebung des Serienstarts von
Brennstoffzellenautos genannt. Die Experten bei Roland Berger gehen zwar
hoffnungsvoll davon aus, dass die Kosten für Brennstoffzellen bis 2025 durch
einen geringeren Platinbedarf pro Fahrzeug um bis zu 80 Prozent sinken werden.
Doch mit wenig Perspektive: Sie erwarten, dass der alternative Antrieb noch
lange ein Nischenprodukt bleibt.
Toyota-Vizepräsident Kato dagegen ist fest vom Erfolg der
Brennstoffzellentech-nologie überzeugt. Er will ganz vorne sein, wenn der Markt
dereinst durchstartet — wie vor einigen Jahren beim Prius mit Hybridantrieb.
Dieses Auto wurde anfangs von vielen als chancenlos belächelt, und Toyota
verkaufte auch zunächst nur bescheidene Stückzahlen fast ausschließlich in
Fernost und in den USA. Doch seither stiegen die Verkaufszahlen rasch und immer
mehr Hersteller bringen Hybrid-Modelle auf den Markt. Inzwischen wurden
weltweit rund sechs Millionen Prius mit Hybridantrieb verkauft. Allein Pionier
Toyota und seine Luxusmarke Le-xus haben insgesamt 23 verschiedene Hybrid-Modelle
im Angebot, etliche weitere sollen folgen. Auch das Brennstoff-zellenauto gibt
es in einer Hybridversion — mit zusätzlichem Verbrennungsmotor. Viele seiner
Komponenten können die Japaner mit geringen Veränderungen von den
praxisbewährten Hybridautos mit Batterie übernehmen.
Kinderkrankheiten überwunden
Technisch gilt der Brennstoffzellenantrieb längst als
ausgereift. Fraunhofer-Forscher Ulf Groos betont: „Auch der Kaltstart bei
extrem tiefen Temperaturen ist heute kein Problem mehr." Der war lange das
Sor-
genkind der Konstrukteure. Ältere Pro-totypen von
Brennstoffzellenfahrzeugen quittierten bei Minusgraden regelmäßig den Dienst.
Dass auch härteste Straßen-und Umgebungsbedingungen den Autos nichts anhaben
können, hat Daimler 2011 mit einer Weltumrundung durch drei Mercedes B-Klasse
F-Cell bewiesen: Jedes der Fahrzeugte legte mühelos rund 30 000 Kilometer um
den Erdball zurück, durch unterschiedliche Klimazonen und auf steinigen
Buckelpisten in Steppen und im Hochgebirge. Holperig wurde es für die Brennstoffzellenautos
mit dem Stern offenbar erst beim Übergang in die Serien-
produktion.
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