Spanien am Scheideweg
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/qC0-4RuOUo8
Zum Thema „Wirtschaftswunder" fällt den meisten
Menschen vor allem Deutschland in den 1950er-Jahren ein. Manche kommen
vielleicht noch auf China. Im Reich der Mitte lagen die Wachstumsraten in den
vergangenen Jahren weit über dem internationalen Durchschnitt. Spanien jedoch
würden wohl die wenigsten mit einem Wirtschaftswunder assoziie¬ren. Das liegt
vor allem daran, dass das Land auf der ibe¬rischen Halbinsel in Zeiten der
Finanz- und Staatsschul-denkrise als eines der größten Sorgenkinder in der
Euro¬zone galt.
Das vergessene Wunder. Dabei ist es noch gar nicht so lange
her, dass Spanien mit einer florierenden Wirtschaft und überdurchschnittlichen
Wachstumsraten glänzte. Zu verdanken hatten die Iberer dies einer besonderen
Konstel-lation: Nach dem Ende des Franco-Regimes Mitte der 1970er-Jahre
restrukturierte Spanien zahlreiche staatseigene Be-triebe, führte sie teilweise
zusammen, um sie international konkurrenzfähig aufzustellen, und privatisierte
sie.
Ab Mitte der 1980er-Jahre erntete Spanien die Früchte
die¬ser Arbeit, wobei das Land auch von seinem Beitritt zur Europäischen
Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), profitierte. Schon damals erzielte Spanien
zeitweise Wachstumsraten beim Bruttoinlandsprodukt (BIP), die deutlich über
denen der europäischen Nachbarn lagen. Im Jahr 1985 etwa lag der Zuwachs bei
3,3 Prozent, ein Jahr später waren es sogar
5,5 Prozent. Ab Mitte der 1990er-Jahre lieferte Span dieses
Niveau regelmäßig ab.
Zwischen 2004 und 2007 lagen die Zuwächse beim
Brun:-inlandsprodukt konstant oberhalb der Marke von 3 Proze-1 Ihren Höhepunkt
erreichte diese Entwicklung im Jahr 2C:E. als Spaniens Wirtschaft im Vergleich
zum Vorjahr soga-um mehr als 4 Prozent wuchs. Die Staatsverschuldung lag zu
diesem Zeitpunkt bei im internationalen Vergleich selr> niedrigen 40 Prozent
in Relation zum BruttoinlandsproduKr. die Arbeitslosenquote bei moderaten 8,5
Prozent.
Segen des Immobilienbooms ... Untrennbar verbunden ist
e Aufschwung
mit dem Immobilienboom, der kurz nach
e- Jahrtausendwende einsetzte. Der rührte zum einen aus
- = Langen
spanischen Tradition her, welcher der Grundsatz
ienda no baja" zugrunde Liegt. Zu Deutsch: Immobilien
e"en nicht an Wert. Befeuert wurde der Boom durch e-vergünstigungen für
Häuslebauer und Wohnungskäufer s e Liberalisierung der gesetzlichen
Bestimmungen für _Dares Land auf der einen Seite.
:er anderen Seite animierten historisch niedrige Zinsen —er
Menschen dazu, Kredite für die Finanzierung des Ei¬- e seims aufzunehmen. Seit
der Einführung des Euro stiegen -auserpreise, im Jahr 2003 bereits um mehr als
10 Prozent n:. Zwischen 2003 und 2005, dem Höhepunkt des Booms, - Essen sie
sogar um rund 20 Prozent pro Jahr zu.
der zum Fluch wurde. Doch als die Suprime-Krise 2008 ihren
aus den USA nach Europa fand, endete das spanische — :Dillenwunder jäh. Die
Häuserpreise purzelten teilweise _nd 10 Prozent pro Jahr. Zwischen 2008 und
2012 fiel der e—. spanischer Immobilien um mehr als ein Drittel. Große
sbilien-Firmen wie Reyal Urbis schlitterten in die Pleite. die Banken kamen in
Bedrängnis. Sie mussten auf Druck e- spanischen Regierung hohe
Wertberichtigungen vornehmen, 131 ell auf billiges Agrarland, das im Zuge des
Booms in _ -es Bauland umdeklariert worden war. Der Bausektor, zu¬- eine Säule
der spanischen Wirtschaft, brach fast vollstän-- s- zusammen. Viele Menschen
verloren ihre Arbeit und - sten ihre Häuserkredite nicht mehr bedienen.
Hundert-77, sende Zwangsversteigerungen waren die Folge.
s efen Fall dokumentieren auch die Wirtschaftsdaten: Im -
2007 wuchs Spaniens Wirtschaft im Vergleich zum Vorjahr sn um knapp 3,5
Prozent, 2008 betrug das Wachstum nur sh 0,9 Prozent. Im Jahr 2009 schließlich
brach das BIP-ssistum um 3,9 Prozent ein. Gleichzeitig stieg die Staatsver-_1-
__dung rasant an; von rund 40 Prozent im Jahr 2008 auf __= 54 Prozent im
Folgejahr. Bis 2015 verdoppelte sich das 1 eszit annähernd auf 99,8 Prozent.
Von 2008 bis 2013 verdrei-::::nte sich die Arbeitslosenquote auf 25 Prozent. Um
die an-zeschlagenen Banken zu stützen, schlüpfte Spanien im Sommer 2012 unter
den Rettungsschirm EFSF.
Aufstieg und Fall des IBEX 35. Die wirtschaftliche
Entwicklung Spaniens Lässt sich auch sehr gut an der Entwicklung des IBEX 1:5
ablesen. Der spanische Leitindex, der die Performance der
INDEXMONITOR
35 wichtigsten spanischen börsennotierten Unternehmen
abbildet, legte ab 2003 kontinuierlich zu. Am 8. November 2007 erreichte er auf
Schlusskursbasis seinen historischen Höchststand von 15.945,70 Punkten. Von
März 2003 bis November 2007 betrug der Wertzuwachs fast 200 Prozent. Doch mit
dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise ging es für den IBEX 35 noch steiler
bergab als mit den meisten anderen Börsenbarometern. Aus gutem Grund: Im
spanischen Leitindex sind zahlreiche Banken, Finanzdienstleister und Baufirmen
vertreten; also genau die Unternehmen, die von der Immobilien-Krise besonders
hart getroffen wurden. Von Ende 2007 bis zum Tief fünf Jahre später verlor der
IBEX 35 mehr als 60 Prozent an Wert.
Die Trendwende. Inzwischen hat sich das Blatt gewendet.
Unter dem Namen „Plan Espanol para estimulo de La eco-nomia y el empleo"
startete die Regierung ab 2008 um¬fangreiche Konjunkturmaßnahmen. Dazu zählten
- ähnlich wie in Deutschland - eine Abwrackprämie für Autos und,
Umweltprogramme. Der Explosion der Staatsschulden begegneten die Spanier ab 2010
mit mehreren Sparpaketen. Die Früchte dieser Anstrengungen erntet Spanien seit
2013. Im 3. Quartal dieses Jahres wuchs Spaniens Volkswirtschaft um 0,1 Prozent
- das erste positive Jahresviertel nach neun rückläufigen Quartalen. 2014 legte
das BIP in Spanien um 1,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu, für 2015 rechnen
Volkswirte mit einem weiteren Anstieg um 2,5 Prozent. Auch der IBEX 35 hat
inzwischen die Trendwende vollzogen. Seit dem Tief im Sommer 2012 hatte sich
der spanischeLeitindex im Wert zwischenzeitlich fast verdoppelt. Während viele
andere wichtige Börsenbarometer wie der deutsche DAX oder der US-amerikanische
Dow Jones erst in diesem Jahr neue historische Höchststände erreicht haben,
fehlten dem IBEX 35 damit aber immer noch fast 35 Prozent bis zum Allzeithoch.
Inzwischen ist der Abstand sogar noch gewachsen, denn seit Mitte April befindet
sich der IBEX auf einem Konsolidierungskurs, der zuletzt an Dynamik gewann.
Richtungsweisende Entscheidung. Ob und wann der IBEX 35
wieder den Weg in Richtung Allzeithoch einschlagen kann,
• dürfte sich
im Herbst entscheiden. Dann steht Spanien vor einem wichtigen Entscheid. Bei
den Parlamentswahlen, die voraussichtlich im November stattfinden, räumen
Wahlforscher
MÄRKTE &ZERTIFIKATE 1 AUGUST/SE,-
Parteien aus dem Linken Lager gute Chancen ein, vative
Volkspartei Partido Popular (PP) des a—: spanischen Ministerpräsidenten Mariano
Rajoy a___ Einen ersten starken Hinweis darauf, wie sich die verhältnisse
zukünftig verschieben könnten, Regional- und Kommunalwahlen im Mai dieses
Ja."-¬behauptete sich mit 27 Prozent der Stimmen zwar als stärkste
politische Kraft, büßte aber im Vergleict 2011 mehr als 10 Prozentpunkte ein.
Die Wähler \t,a vor allem ins extreme Linke Lager ab, zum Beispiel zy eine
jungen Partei Podemos.
Podemos, die sich selbst als Schwesterpartei der Brie:
Syriza sieht, profitiert davon, dass der Aufschwung i- bei den Menschen noch
nicht angekommen ist. Die senquote lag im April immer noch bei 22,7 Prozent. 50
Prozent der erwerbsfähigen Menschen zwische- _ 24 Jahren in Spanien sind ohne
Job. Auch der Immobile- - erholt sich weiter schleppend: Während nach Informa:
von Eurostat die Hauspreise im 1. Quartal 2015 im Jah-a.:, gleich in Ländern
wie etwa Schweden oder Irland u— oder sogar 16,8 Prozent anzogen, verteuerten
sich die in Spanien nur um magere 1,6 Prozent.
Unsicherheit belastet. Die Unsicherheit über den
drohe-Machtwechsel in Spanien dürften auch den IBEX 35 ir kommenden Monaten
belasten. Investoren dürften sich sm mit Direktinvestitionen als auch mit
Engagements bei spanisc-en Blue Chips erst einmal zurückhalten und das
Wahlergebnis Jett die damit verbundene künftige politische Ausrichtung abwarf
i. Das Lässt kurzfristig einen seitwärts verlaufenden IBEX 35 --ritt
leicht fallender Tendenz erwarten
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