Antikörper-Therapie für das Rückenmark
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/NyWxds0in4w
Von einer Sekunde auf die andere kann das Leben eine
Kehrtwende nehmen, wenn es bei einem schweren Unfall zu Verletzungen des
Rückenmarks kommt. Der Betroffene muss damit rechnen, eine Querschnittläh¬mung
davonzutragen. Denn Fasern des zentralen Nervensystems wachsen nicht ohne
Weiteres wieder zusammen.
Ein Team um den Schweizer Neurobio-logen Martin Schwab fand
in den 1990er-Jahren heraus, dass körpereigene Wachs-tumshemmstoffe für dieses
Phänomen verantwortlich sind. „Nogo-A" taufte das -.4 Team eines dieser
Proteine und entwickel¬te einen
Antikörper dagegen, mit dem im -.:1 Tierversuch das scheinbar Unmögliche ä
gelang: Durchtrennte Nervenfasern des ci
-3, Rückenmarks wuchsen wieder zusam-men. 2005 standen nach
jahrelangen
re Tests klinische Studien mit querschnitt¬gelähmten
Menschen bevor (bild der wis-§ senschaft 10/2005, „Supermans Traum").
Mittlerweile ist Phase 1 dieser lang¬wierigen Studie mit mehr als 50 Patienten
am Zentrum für Neurowissenschaften
Zürich abgeschlossen. Sie war sehr erfolg-
._
wie der 65-jährige Professor für
Hirnforschung an Universität und ETH
7, 3
Zürich berichtet: „Einige der Patienten, denen man die volle
Dosis Antikörper über vier Wochen verabreicht hatte, zeig-
ten einen völlig unerwarteten Erholungs-verlauf, gemessen an
der Größe ihrer Ver-letzungen." Nebenwirkungen traten nicht auf. „Das sind
Resultate, die optimistisch stimmen und sich hoffentlich in der nächsten Phase
bestätigen."
Erfolgversprechend ist die Therapie vor allem bei Menschen,
die zwar eine schwere Verletzung, aber keine vollstän-dige Durchtrennung des
Rückenmarks erlitten haben und deren Behandlung in-nerhalb der ersten zwei
Wochen nach dem Unfall beginnt. Um für die nächste Phase der Studie
aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, müssen Spontanheilungen im voraus
zuverlässig ausgeschlossen wer¬den. „Mit unserer verbesserten Diagnos¬tik
gelingt uns das heute mit mehr als 85 Prozent Genauigkeit", sagt Schwab.
„Dadurch können wir uns in Phase 2 des klinischen Versuchs, die hoffentlich
noch 2014 beginnen wird, auf Patienten mit schlechtem Spontanerholungsverlauf
kon¬zentrieren."
Warum der Körper das Nervenwachs-tum überhaupt blockiert,
ist mittlerweile weitgehend geklärt: „Die Hauptfunktion der Wachstumshemmstoffe
scheint die Stabilisierung des erwachsenen Zentral-nervensystems zu sein",
erklärt der Neurobiologe. „Die Nervenfasern sollen keine zusätzlichen
Seitenzweige in falsche Regionen ausbilden." In Tierversuchen zeigte sich,
dass ein angeborenes völliges Fehlen von Nogo-A zu Fehlschaltungen
führt und folglich neuropsychiatrische Störungen erzeugt.
Das Ausschalten die¬ses körpereigenen Stoppsignals für zwei bis vier Wochen,
die eine Therapie dauern würde, wäre aber unbedenklich.
Auch bei der Behandlung von Schlag¬anfall-Patienten werden
Nogo-A-Anti-körper in Zukunft eine Rolle spielen. Da¬bei geht es nicht primär
um Faserwachs¬tum, erklärt Shih-Yen Tsai, Wissenschaft¬ler am Edward Hines Jr.
Hospital in Chi¬cago. „Der Nogo-A-Antikörper fördert die Neuorganisation des
Gehirns, sodass gesunde Gehirnregionen die verloren¬gegangenen Funktionen
kompensieren können." In Tierversuchen wurden be¬reits vielversprechende
Resultate erzielt, auch bei Schlaganfällen, die bereits Mo¬nate zurücklagen.
„Das könnte für den Menschen bedeuten, dass eine erfolgrei¬che Behandlung selbst
nach Jahren noch möglich ist", sagt Tsai.
Und damit nicht genug: Nogo-A-Anti-körper könnten außerdem
bald bei Multi¬pler Sklerose und bei Amyotropher Late-ralsklerose zum Einsatz
kommen. Für beide Erkrankungen laufen bereits groß angelegte Medikamentenstudien.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.