Japanische Paralyse
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/7I2lUZehGqs
Die Bank of Japan (BoJ) verwirrte zuletzt mit ihrer
Kommunikation bezüglich des Yen-Wechselkurses.
Ist eine weitere Lockerung der Geldpolitik und damit
Yen-Schwäche vom Tisch? Wir analysieren, ob eine weitere Lockerung nötig,
möglich und von der BoJ gewollt ist.
Es ist eine Frage, die den Markt schon länger be¬schäftigt:
Plant die BoJ angesichts einer Inflationsrate nahe null eine erneute Ausweitung
ihrer expansiven Maßnahmen oder nicht? Ist es also weiterhin ange¬bracht, auf
einen schwächeren Yen zu setzen? Der Markt interpretierte die Äußerung von
BoJ-Chef Haruhiko Kuroda vor einigen Monaten, dass der Yen real wohl nicht
weiter abwertet, als Hinweis auf eine vorerst unveränderte Geldpolitik. Aber
reicht eine Schlagzeile, die inzwischen wieder eingeschränkt wurde, um diese
Schlussfolgerung zu ziehen?
Die Signale aus der BoJ deuteten schon länger auf
eine abwartende Haltung in der Geldpolitik hin: Die BoJ
redet sich die Inflation schön und muss sich
gleichzeitig damit auseinandersetzen, ob eine weitere
Ausweitung ihres QE-Programms erfolgversprechend ist. Der
Yen-Ausblick hängt von drei Fragen ab:
(1) Ist eine
expansivere Geldpolitik nötig?
(2) Ist eine
expansivere Geldpolitik möglich?
(3) Ist die BoJ zu
einer expansiveren Geldpolitik bereit?
(1) Ist eine
expansivere Geldpolitik nötig? Im April 2013 führte die BoJ als letzte der
G10-Zen-tralbanken ein explizites Inflationsziel ein. Nach 15 Jahren niedriger
Inflation sollte im Rahmen des Kon-junkturprogramms »Abenomics« ein erneuter
Ver-such unternommen werden, die japanische Wirt-schaft zu re-inflationieren,
das Wachstum zu beleben und damit früher oder später den Staatshaushalt zu
sanieren. Solange das Inflationsziel von 2 Prozent noch nicht erreicht ist,
bleibt die Geldpolitik expan¬siv. Darunter leidet der Yen, was die Importpreise
erhöht und sich über kurz oder lang in einem höhe¬ren Inflationsniveau niederschlagen
sollte. Nachdem seit April jedoch der Effekt der Mehrwertsteuererhö-hung vor
einem Jahr aus der Inflation herausfällt, wird für jeden offensichtlich, dass
sich die Inflation auch nach zwei Jahren der Steuerung nur knapp über null und
damit noch weit vom Ziel entfernt befindet. Die Glaubwürdigkeit der BoJ ist in
Gefahr, wenn sie nicht mit weiteren expansiven Maßnahmen ihrer Entschlossenheit
Ausdruck verleiht oder zumindest glaubhaft begründet, warum in den nächsten
Mona-ten höhere Inflationszahlen zu erwarten sind. Ohne einen schwächeren Yen
wird das aus unserer Sicht schwer. Eine weitere Lockerung der Geldpolitik
scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt angebracht, um die Glaubwürdigkeit des
Inflationsziels zu ge-währleisten.
(2) Ist eine
expansivere Geldpolitik möglich? Aber würde eine weitere Ausweitung des
QE-Pro-gramms etwas bringen? Ende Oktober 2014 weitete die BoJ ihre
Anleihenkäufe um 10 Billionen Yen auf jährlich 80 Billionen Yen aus. Der Yen
verlor darauf-hin innerhalb eines Monats gut 8 Prozent gegenüber dem US-Dollar
und fast 7 Prozent gegenüber dem Euro. Der Einfluss auf die Zinsen jedoch war
gering; so ist die Rendite 10-jähriger Staatsanleihen inzwi-schen wieder auf
das Niveau von vor der Ausweitung
57.3-d: 10. Juli 2015; Quelle: BIS
zurückgekehrt. Eine Beobachtung, die auch der
BoJ-Zentralbanker Takehiro Sato teilt und infolgedessen den zusätzlichen
positiven Effekt einer weiteren Aus¬weitung in Frage stellt. Tatsächlich ist
das Preisni¬veau nach der erneuten Lockerung nur mäßig gestie¬gen. Das lag zwar
teilweise auch am fallenden Öl¬preis, aber auch ohne die volatilen Komponenten
Nahrungsmittel und Energie ist die Inflation enttäu¬schend. Eine weitere
Ausweitung des QE-Volumens ist zudem nicht unbegrenzt möglich. Derzeit kauft
die BoJ im Jahr bereits gut 90 Prozent aller neu ausgege¬benen Staatsanleihen
auf.
Das heißt aber nicht, dass die BoJ am Ende ihrer
geldpolitischen Möglichkeiten angekommen ist. Sie müsste für einen deutlichen
Effekt aber wohl neue Wege gehen. Der mäßige Erfolg bisheriger Ma߬nahmen lässt
uns vermuten, dass die geldpolitische Lockerung eine Form annehmen muss, die
die Bud¬getrestriktion des Staates umgeht. Eine expansivere Geldpolitik kann
nur dann inflationär wirken, wenn das Geld auch in Umlauf gebracht wird. Daran
scheint es in Japan zu hapern. Möglicherweise weil die enormen Staatsschulden
bei Konsumenten und Unternehmen Zweifel an der langfristigen
Schulden-tragfähigkeit schüren — und sie sich in Erwartung höherer Abgaben in
der Zukunft bei Investitionen und Konsum zurückhalten. Ohne eine experimentelle
Geldpolitik wird es der BoJ wohl kaum möglich sein, diese Einschränkung zu
umgehen — etwa über die Abschaffung von Bargeld zur Durchsetzung von
Ne¬gativzinsen oder über monetäre Staatsfinanzierung.
(3) Ist die BoJ zu einer expansiveren Geldpolitik bereit?
Ob die BoJ zu neuen, bisher unerprobten geldpoli¬tischen
Maßnahmen bereit ist, ist eine andere Frage. Gleich mehrere Faktoren lassen uns
daran zweifeln. Da ist zum einen das bisherige Abwarten der BoJ, obwohl die
Inflation nach dem Wegfall des Mehr-wertsteuereffekts nahe null tendiert.
Insbesondere weil der von der BoJ viel beschworene unterliegende
Inflationstrend zwar tatsächlich stabil ist, unseren Berechnungen zufolge aber
seitwärts geht. Auch der häufige Verweis auf die Verantwortlichkeit der
Fiskal¬politik wirkt zunehmend so, als würde die BoJ sich lieber zurücklehnen
und die Arbeit verstärkt der Poli¬tik überlassen. Darüber hinaus zeigen die
Äußerun¬gen Satos, dass auch innerhalb der BoJ die Wirksam¬keit einer weiteren
QE-Ausweitung durchaus ange¬zweifelt wird. Und schon länger werden nach jeder
etwas schnelleren Yen-Abwertung die negativen Fol¬gen einer schwachen Währung
diskutiert. Kuroda, der eine weitere Yen-Schwäche insgesamt anzwei¬felt, setzt
dem Ganzen nur die Krone auf. Natürlich ist der reale effektive Wechselkurs so
niedrig wie seit über 20 Jahren nicht, aber das heißt doch nicht, dass er nicht
weiter fallen kann, wenn der Wille zu einer lockeren Geldpolitik besteht! Wie
auch immer Kuroda die Äußerung tatsächlich gemeint hat oder verstanden haben
will, wie eine Zentralbank, die nur darauf wartet, wieder loszulegen, wirkt die
BoJ wirklich nicht.
Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine paralysier-te BoJ
wie schon zu Beginn der Neunzigerjahre zu einer deutlichen Yen-Aufwertung
führt. Denn auch wenn fraglich ist, ob und wann die BoJ noch einmal eine
geldpolitische Schippe drauflegt, so zweifelt doch niemand daran, dass sie
ihren derzeitigen Expansionsgrad beibehalten wird. Die BoJ wird also
deutlich expansiver sein als die Fed und ähnlich ex¬pansiv
wie die EZB. Damit bleibt der Yen gegenüber dem US-Dollar unter
Abwertungsdruck. Vorerst dürfte der US-Dollar/Yen-Wechselkurs sich nach dem
jetzi¬gen Stand jedoch erst einmal seitwärts bewegen.
Längerfristig glauben wir nicht, dass Kuroda seine
Passivität wird durchhalten können, dafür ist der Druck von Seiten der
Fiskalpolitik zu groß. Und auch wenn ein steigender Ölpreis vorübergehend für
höhe¬re Inflationsraten sorgen kann, sehen wir keine Anzei¬chen für eine
anhaltende Inflationsdynamik. Früher oder später wird sich die BoJ mit einer
Anpassung ihrer Geldpolitik auseinandersetzen müssen. Vorerst deutet aber alles
darauf hin, dass die Hemmschwelle hierfür noch zu hoch ist.
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