Endlich Urlaub für Politiker
Author D.Selzer-McKenzie
Video: http://youtu.be/C7IbDs8W52k
Kein Zweifel: In diesem Sommer haben sich die europäischen
Spitzenpolitiker ihren Urlaub redlich verdient. Einige sitzen auf ihren
gepackten Koffern, die anderen sind schon weit weg vom politischen Be-trieb.
Sie müssen sich von langen Gipfeltreffen erholen. 18 Stunden - so lange hatten
die Staats- und Regierungschefs der Eurozone vor einer Woche in Brüssel
durchverhandelt, um Griechenland im Euro zu halten. Journalisten, die im
Pressezentrum auf eine Einigung warteten, legten sich zum Schlafen auf die Stühle
und unter die Tische. Dann endlich, mit kleinen Augen und großen Augenringen,
traten die Politiker vor die Presse, um den Durchbruch zu verkünden.
Auch an Bundeskanzlerin Angela Mer-kel ging das nicht
spurlos vorbei. Am vergangenen Montag, als sie nach Deutschland zurückkam,
besuchte sie gleich ein Treffen zum Thema „Frauen in Führungspositionen".
Da fielen ihr beim Zuhören hin und wieder die Augen zu. Heu
te wird sie noch ein Fernsehinterview geben, dann ist erst
einmal Entspannung angesagt. Am nächsten Samstag wird Merkel wie fast jedes
Jahr die 'Wagner-Festspiele in Bayreuth besuchen. „Tristan und Isolde"
wird diesmal zur Premiere gegeben - falls nicht wieder ein Krisengipfel
dazwischenkommt. Wird wohl nicht. Dann kann die Kanzlern, wie in den vergangenen
Jahren, in Südtirol wan-dern. Sie hat bei diesen Urlauben immer Mitarbeiter und
ein mobiles Büro dabei, wird auf dem Laufenden gehalten und führt Telefonate.
Denn Spitzenpolitiker wie sie können nie ganz abschalten.
Angela Merkel ist immer im Dienst, sie hat fast immer Abendtermine, oft bis
zehn Uhr oder auch bis Mitternacht, sie braucht wenig Schlaf. Wie schafft sie
das? Ein paar Dinge kommen zusammen: Sie ist körperlich und psychisch robust.
Sie braucht wenig Zeit, um von Arbeit auf Erholung umzuschalten. Und sie übt
sich in Selbstbeschei
dung, kann auch drei Stunden Freizeit genießen wie andere
zwei Tage. Dann ist sie am liebsten in ihrem kleinen Haus in der Uckermark,
freut sich an ihrem Garten, kocht und hört klassische Musik.
Auch Wolfgang Schäuble hat anstrengende Wochen hinter sich.
Er hat wenig geschlafen und überaus viel gearbeitet. Am Freitag war ihm das im
Bundestag anzusehen. In der Gipfelwoche war er vier Tage lang in Brüssel, in
der Woche davor reiste er viermal von Berlin in die belgische Hauptstadt. Man
hätte in Brüssel schon eine Wohnung mieten und eine Wohngemeinschaft gründen
können, wird in seiner Mannschaft gescherzt. Schäuble ist zäh; er kann
stundenlang in schrecklichen Räumen sitzen und immer wieder nachhaken, wenn
andere schon keine Lust mehr haben. Doch am Freitag geht er in Urlaub, wie
jedes Jahr in das Familienhaus auf Sylt. Dort erholt er sich mit seiner Frau
und einem Teil der Kinder und Schwiegerkinder. Die Griechen.
land-Krise wird ihn im Urlaub nicht los-lassen. Auch von
Sylt aus wird er Telefonkonferenzen führen; notfalls ist er in wenigen Stunden
wieder in Berlin.
Der französische Präsident Framois Hollande hat seinen
Ministern sogar un-tersagt, sich im Urlaub mehr als zwei Flugstunden von Paris
zu entfernen. Die Sommerpause hat er von einem Monat auf knapp zwei Wochen
zusammengestrichen. Eine klare Botschaft: Minister und Staatschef sind ständig
im Einsatz, faul ist verboten. Zukünftig soll es außerdem keine Urlaubsbilder
vom Präsidenten mehr geben. Sie führten vor drei Jahren zu einem Debakel für
Hollande: Als ihn Fotos in Badehosen am Strand der Festung Br6-gaffln zeigten,
dem Urlaubsdomizil der französischen Präsidenten, sanken seine Umfragewerte
deutlich. Anfang August will Hollande nach Ägypten reisen -wenn möglich ohne
Fotografen.
Auf die würde auch der italienische Ministerpräsident Matteo
Renzi gerne ver
richten. Statt wie früher vier Wochen dauert die
parlamentarische Sommerpause außerdem nur noch zwei. Die Haushaltssünder der EU
wollen den Eindruck vermeiden, sich zurückzulehnen.
Für Kommissionspräsident Jean-Claude Junker und EU
Ratspräsident Donald Tusk kommt das ohnehin nicht in Frage. Sie erlauben sich
nur einen kurzen Urlaub; wohin, wird nicht verraten. Da die Verhandlungen, über
das dritte Rettungspaket gerade erst am Anfang stehen, ist aber klar: Sie
werden sich wohl nicht allzu weit von ihrem Arbeitsort entfernen. Im Fall des
ehemaligen griechischen Fi-nanzministers Giannis Varoufakis kam das nämlich
nicht gut an. Kurz vor der Abstimmung über das Rettungspaket in Athen ließ er
sich entschuldigen: „familiäre Verpflichtungen". Beobachter rätselten: Was
verbirgt sich dahinter? Schließlich entdeckten ihn Journalisten auf einer Fähre
mit Kurs auf die Insel Ägina. Da hat Varoufakis ein Ferienhaus.
Frank-Walter Steinmeier gönnen dagegen alle seinen Urlaub.
Der Außenminister hat krasse Wochen hinter sich. Die Verhandlungen über den
Atomdeal mit Iran gingen auf Kosten von Schlaf und Familie. Vierzehn Tage
verbrachte er ohne Tageslicht in einem Hotel in Wien, da wegen der
Sicherheitsvorkehrungen für den amerikanischen Außenminister John Ker-ry alle
Vorhänge zugezogen und alle Jalousien heruntergelassen wurden. Zur Abwechslung
stieg Steinmeier mal auf das Laufband -im Fimessraum oder las einen kubanischen
Krimi. Am Tag nach der Vertragsunterzeichnung machte er seine traditionelle
Sommerradtour durch den Brandenburger Wahlkreis. In derselben Nacht noch reiste
er nach Kuba, kehrte am Samstagmorgen zurück, um dann mit seiner Frau in den
Urlaub nach Bozen zu fliegen: zwei Wochen Wandern in Südtirol. Vielleicht
trifft er ja auf Frau Merkel. Zu wünschen ist es ihnen nicht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.