Autos in einer vernetzten Welt
Author D.Selzer-McKenzie
Video: https://youtu.be/rB0OnEm9ICc
Die virtuelle Welt hält mehr und mehr Einzug in unser Leben
und das nützt unserer Mobilität. So fungieren intelligente Autos mittlerweile
als mobile Endgeräte des Internets und schaffen durch mehr Sicherheit, Komfort
und Entertainment ein neues Fahrerlebnis.
Die übliche Rushhour nach einem anstren¬genden Arbeitstag
und dann das: Der Wagen kollidiert mit einem anderen Fahrzeug. Mit einem
aktiven Spurhalteassistenten, wie ihn zum Beispiel Mercedes anbietet, wäre das
nicht passiert. Die rundherum eingebauten Radarsensoren hätten den dichten
Verkehr überwacht und bereits im Vorfeld eine gestie¬gene
Unfallwahrscheinlichkeit gemeldet. Über gezielte Bremseingriffe hätte das Auto
dem Zusammenstoß schließlich entgegengewirkt (www.mercedes-benz.de; August
2015). Die Technologie gehört zu den sogenannten Fahr-assistenzsystemen der
»Car-to-X«-Generation, über die Autos drahtlos miteinander und mit ihrer Umwelt
kommunizieren. Sie soll Fahrer entlasten und für mehr Sicherheit im
Straßen¬verkehr sorgen. »Die beste Verbindung ist nicht immer eine Straße«,
erklärt Mercedes die intelligenten Assistenten. Wie viele andere seiner
Konkurrenten baut der deutsche Auto¬titan sie mittlerweile serienmäßig ein und
zu den aktiven Spurhaltehelfern haben sich mittlerweile auch Fahrdynamik- und
Hindernis-warnsysteme sowie intelligente Seitenwind-, Fern- und
Fahrlichtassistenten gesellt.
Sicherheit, Komfort, Information,
Entertainment
Für viele ist das Auto ein unverzichtbarer Bestandteil des
Alltags und es dürfte daher weltweit gefragt bleiben. Angesichts ver¬stopfter
Straßen und der fortschreitenden Urbanisierung können internetbasierte
Funk¬tionen jedoch nicht nur die Sicherheit, sondern auch weitere Aspekte des
Individu¬alverkehrs verbessern. Autofahren als Kunden¬erlebnis — so preisen es
viele Autobauer zwar schon seit Langem, doch jetzt scheint sich diese
Verheißung endgültig bewahrheitet zu haben. Vernetzte Autos sind beliebt, denn
—so beschreibt es Mercedes — der Kunde wird mit allem verbunden, was ihm
wichtig ist, und das ist nicht nur das Auto. Die Kundenbedürf¬nisse, für die
diese neuen Lösungen konzipiert werden, waren schon immer da, doch ihre
Erfüllung schien aus Mangel an passenden Technologien für das Autofahren undenkbar.
Autobauer versprechen einen noch besseren Komfort, zum Beispiel durch
(teil-)autonomes
Fahren, interaktives Infotainment (eine Kombi-nation aus
Informationsübermittlung und Unterhaltung) und intelligente
Entertainment-Angebote. Das weltweite Marktpotenzial der zweckbasierten
Internetlösungen für den Individualverkehr ist groß (Grafik 1), um eine
Zukunftsvision handelt es sich schon lange nicht mehr. »Connected Car Services«
könnten laut BI Intelligence bis 2020 Erlöse von bis zu 152 Milliarden Dollar
generieren (März 2015).
»Neu ist, was Ihr Leben besser macht«
Lenken, Bremsen, Beschleunigen — das ver-netzte Auto kann
den Fahrer dabei unter¬stützen oder sogar davon befreien. Ein »ein¬gebauter
Chauffeur« macht die motorisierte Fortbewegung nicht nur sicherer, sondern auch
effizienter und bequemer. Auf seiner Homepage spricht BMW von »intuitiven
Innovationen«, die den Lenker und sein Auto enger mit der Außenwelt vernetzen.
Mittels einer fest verbauten SIM-Karte lassen sich zum Beispiel Tele-, Remote-
und Concierge-Services sowie Echtzeitverkehrsinformationen einfach abrufen und
mithilfe eines im Con¬troller integrierten Touchpads lassen sich Ziel¬adressen
per eigener Handschrift eingeben. Funktionen wie »Wischen« oder »Zeigen« kann
man nun mit einer Handbewegung aus- lösen und jeder BMW ist außerdem mit einem
eigenen Hotspot ausgestattet, der dem Bei¬fahrer das Internetsurfen während der
Fahrt ermöglicht (www.bmw.com; • August 2015). Der Konkurrent Volkswagen — auch
ein Vor¬reiter der Autovernetzung — bringt die Idee in seinem »Think
New«-Slogan auf den Punkt: »Neu ist, was Ihr Leben besser macht.« Und so dreht
sich alles um den immensen Zusatz¬nutzen, den die neuen Technologien stiften.
Umfrageergebnissen der Strategieberatung LSP Digital zufolge ist die Vernetzung
sogar zu einem wichtigen Kriterium beim Autokauf geworden (Grafik 2).
Vernetzung: die sinnvolle Erweiterung
des Autos
Eine im April 2015 durchgeführte deutsche Umfrage hat
ergeben, dass 67% der Teil¬nehmer sogar bereit wären, je nach angebo¬tenen
Vernetzungsfunktionen die Automarke zu wechseln. Bei den Unter-30-Jährigen sei
diese Wechselbereitschaft mit 74% beson¬ders stark ausgeprägt. Im Schnitt
würden 69 % aller befragten Frauen und 65 % aller Männer abwandern (Statista).
Vor allem in der Premium-Klasse legen Kunden Wert auf die Intelligenz ihres
Autos und BMW, VW und Mercedes haben den Trend alles andere als verschlafen. In
Bezug auf Kommunika-tions-, Informations- und Fahrassistenzsysteme galten sie
laut dem Center of Automotive Management schon im Jahr 2012 als die Top 3 der
innovativsten Autobauer weltweit. Viele Autofahrer halten die intelligenten
Systeme für eine sinnvolle Erweiterung ihres Fahrzeuges (Tomorrow Focus Media;
November 2014) und Grafik 3 veranschaulicht dies mit einer vielversprechenden
Prognose. Interessanter-weise werden die »Connected Car Services« in
Schwellenländern wie Indien und China schon besonders rege genutzt. Im
Vergleich dazu scheinen ausgerechnet die autobegeisterten Deutschen
Nachholbedarf zu haben (Grafik 4).
Markendifferenzierung
dank neuem Fahrerlebnis
Glaubt man dem Car Connectivity Compass (Juni 2015) des
Strategieberaters Berylls, sind Connectivity-Angebote bei deutschen Auto-kunden
aber auch viel unbekannter als bei ihren chinesischen Pendants. Letztere würden
wegen eines fehlenden Service-Angebots aller¬dings auch schneller abwandern.
Gerade dem chinesischen Automarkt traut die Strategie-beratung McKinsey ein
immer noch hohes Wachstum zu. Wer sich als Autobauer lang¬fristig im hart
umkämpften Markt positionie¬ren will, sollte die intelligenten
Vernetzungs¬technologien also schon jetzt als strategisch wichtiges Element
eines Autos sehen. Von unschätzbarem Wert scheinen außerdem die neuen
Möglichkeiten, die sich weniger auf Fahrer- als auf After-Sales- und Markener¬lebnisse
beziehen. Denn über internetbasierte Kommunikationskonzepte könnten Auto¬bauer
im Rahmen ihres Content-Marketings Botschaften gezielter und flexibler
übermitteln
und Kunden effizienter für einen Wiederkauf gewinnen. Die
Geschmäcker sind je nach Region und Kultur verschieden. Was normaler¬weise hohe
Kosten verursacht und ein Problem bei der Serienproduktion darstellt, schafft
nun Potenzial für die Positionierung am Markt. So lassen sich aus unzähligen
Kombinationsmög¬lichkeiten von Vernetzungsdiensten schnell und flexibel
hochwertige Kundenlösungen gestalten und an spezifische Bedürfnisstruktu¬ren
anpassen. Da bis 2020 jedes fünfte Fahr¬zeug mit dem Internet verbunden sein
wird und Autofahrer im Schnitt 50 Minuten pro Tag in ihrem Wagen verbringen,
sollte man clevere Entertainmentlösungen nicht vernach¬lässigen. Gemäß McKinsey
könnten zum Bei¬spiel Musikdienste oder Touristikinformations-systeme ein
lukratives Geschäftsffld darstellen und ebenfalls zur Markendifferenzierung
bei-tragen. Autohersteller sollten sich jedoch auf kürzere Entwicklungszyklen
und spezialisierte Zulieferer einstellen (2013).
Spezialisierte Zulieferer: Basis für Erfolg
»Spezialisierte Zulieferer« lautet auch die grundsätzliche
Devise, denn maßgeblich für den Markterfolg eines vernetzten Autos sind
Qualität und Nutzenstiftung von Innovationen. In der Regel produzieren
Autobauer die Ver-netzungsdienste nicht selbst und so sind sie auf hoch
spezialisierte Partner mit heraus¬ragender Expertise angewiesen. Viele dieser
Automobilzulieferer haben sich schon früh im aufstrebenden Segment positioniert
und Kenner sagen, dass der Vernetzungstrend im Begriff ist, die
Zuliefererbranche nachhaltig zu revolutionieren. Bei den Lieferanten der
gefragten Lösungen handelt es sich vielfach um namhafte
Unternehmen, hinzugekommen sind aber auch Technologieunternehmen, die
hauptsächlich auf die Autovernetzung spe¬zialisiert sind. Da
Automobilzulieferer dem Konnektivitätstrend am stärksten ausge¬setzt sind,
dürften sie auch am ehesten von der Marktdynamik profitieren.
Continental ist das Paradebeispiel eines »alteingesessenen«
Automobilzulieferers mit guter Positionierung: Der deutsche Konzern der
Schaeffler-Gruppe war im Jahr 2014 Weltmarktführer nach Erlösen in Euro und ist
im deutschen Leitindex DAX® vertreten. Bekannt geworden ist Continental
eigentlich wegen seiner Weichgummiprodukte (insbe¬sondere der Reifen), aber das
Unternehmen hat sich nicht nur deshalb zum weltweit Bes¬ten der Branche
entwickelt. Laut eigener Aus¬sage erforscht Continental die Zukunftsfragen der
Mobilität und entwickelt Lösungen für die Autovernetzung in allen relevanten
Berei¬chen. Aus dem Segment »Connected Car Services« stammt mittlerweile ein
erheblicher Teil von Continentals Unternehmensumsatz (Continental; Juni 2015).
Zu den global agie¬renden Zulieferern, die das Segment ähnlich dominieren,
zählen der Kanadier Magna, der Japaner Denso und der US-Amerikaner Johnson
Controls. Magna ist dafür bekannt, die Sicherheitsassistenten mehr Autofahrern
zugänglich machen zu wollen. Dazu wurde ein neuartiges Kamerasystem entwickelt,
das weniger als 100 Euro kostet. Vorläufer dieser Innovation werden bereits in
Autos, beispiels-weise von Opel, eingebaut
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